das Kirchenjahr

19. Sonntag nach Trinitatis

Heilung an Leib und Seele

Predigtanregung

Der 19. Sonntag nach Trinitatis hat die ganzheitliche Heilung zum Thema. „Ganzheitlich” ist ein Schlagwort unserer Zeit, und es wäre hilfreich, wenn eine Verbindung zum heutigen Verständnis von den Predigttexten her abgeleitet werden könnte.

Klicken Sie hier für die Anregungen für alle Predigtreihen (soweit vorhanden)

I - Joh 5, 1-16

Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 2 Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; 3 in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Die Verse 3b.4 finden sich erst in der späteren Überlieferung: «Sie warteten darauf, dass sich das Wasser bewegte. 4 Denn der Engel des Herrn fuhr von Zeit zu Zeit herab in den Teich und bewegte das Wasser. Wer nun zuerst hineinstieg, nachdem sich das Wasser bewegt hatte, der wurde gesund, an welcher Krankheit er auch litt.» 5 Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. 6 Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? 7 Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. 8 Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! 9 Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber an dem Tag Sabbat. 10 Da sprachen die Juden zu dem, der gesund geworden war: Es ist heute Sabbat; du darfst dein Bett nicht tragen. 11 Er antwortete ihnen: Der mich gesund gemacht hat, sprach zu mir: Nimm dein Bett und geh hin! 12 Da fragten sie ihn: Wer ist der Mensch, der zu dir gesagt hat: Nimm dein Bett und geh hin? 13 Der aber gesund geworden war, wusste nicht, wer es war; denn Jesus war entwichen, da so viel Volk an dem Ort war. 14 Danach fand ihn Jesus im Tempel und sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre. 15 Der Mensch ging hin und berichtete den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe. 16 Darum verfolgten die Juden Jesus, weil er dies am Sabbat getan hatte. 17 Jesus aber antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch.

Der Umfang der Perikope ist schlecht gewählt, Vers 16 sollte man eigentlich weglassen, weil er überleitet zum nachfolgenden Text und darum nur im Zusammenhang mit Vers 17 richtig verstanden werden kann. Von daher empfehle ich eine Begrenzung auf die Verse 1-15.
Wie eigentlich immer im Johannes-Evangelium, ist auch dies eine durchaus spannende und mit Liebe fürs Detail erzählte Geschichte.
Da ist ein Kranker. Welcher Art seine Krankheit ist, wird nun gerade nicht erzählt, nur dass er schon 38 Jahre bettlägerig ist. Eine kaum vorstellbare Zeit. Er kann sich wohl etwas fortbewegen, aber nur sehr langsam, denn andere erreichen immer vor ihm diesen sagenhaften Teich Betesda. Kein Mensch hilft ihm, das ist angesichts des Otes, an dem er sich befindet, schon etwas merkwürdig. Vielleicht geht gerade darum Jesus direkt auf diesen Menschen zu? Zugleich ist aber zu vermuten, dass dieser Kranke nicht der einzige ist, der niemanden hat, der ihm hilft.
Jesus heilt diesen Menschen ohne großartige Geste, es sind nur die paar Worte: 'Steh auf, nimm dein Bett und geh hin', nachdem ihm der Kranke sein Leid geklagt hatte. Es wäre merkwürdig, wenn an dieser Stelle nicht noch eine Auseinandersetzung mit den Gesetzestreuen folgen würde. Denn diese Auseinandersetzung ist es wohl, auf die es letztlich bei unserer Geschichte ankommt. Der am Sabbat "Arbeitende" wird zur Rede gestellt, doch der weiß gar nicht mal, wer ihn geheilt hat. Jesus ist hingegen schon außer Reichweite. Wissen "die Juden" (Vers 10) nicht längst, dass es nur Jesus sein kann? Es ist wohl notwendig, dass der Geheilte selbst zunächst Jesus richtig erkennt. Jesus kehrt zu ihm zurück. Es ist fast, als habe er nach der Heilung des Kranken fluchtartig die Szene verlassen, was merkwürdig erscheint. Denn jetzt erst sagt er, was er dem sicher erstaunten Geheilten schon unmittelbar nach seiner Heilung hätte sagen können: "Sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht etwas Schlimmeres widerfahre." Diese Worte bereiten einem Kopfschmerzen, bringen sie doch Sünde in unmittelbaren Zusammenhang mit Krankheit und Schmerz. Wir wissen, dass dies nicht so ist; vielmehr erleben wir oft, dass es dem Sünder besser geht als dem, der sich müht, das Richtige zu tun.
Sofort begibt sich der Geheilte zurück zu "den Juden" und sagt ihnen, dass es Jesus war, der ihn geheilt hat. Daraufhin beschließen "die Juden", Jesus zu verfolgen, weil er dies am Sabbat getan hatte. Merkwürdig ist hier nur, dass der eigentliche Sabbatverstoß doch nur das Tragen des Bettes war...
Der Predigttext stellt uns vor allem im Blick auf die Verknüpfung von Sünde und Leid vor ein großes Problem. Auflösen kann man dieses Problem vielleicht, indem man die Krankheit selbst als ein Bild für "in Sünde gefangen" interpretiert. Hiergegen spricht nur der ganze Rahmen, der ganz bewusst die Krankheit real werden lässt. Offenbar hat es den Teich gegeben, und der entsprechende, in den nachträglich eingefügten Versen 3b-4 genannte Glaube scheint ebenfalls existent gewesen zu sein. Somit bleibt das Problem bestehen, dass hier Sünde und Leid miteinander verknüpft werden.
Eine andere Möglichkeit der Erklärung ist, in der Warnung, die Jesus ausspricht, schlicht den Hinweis zu erkennen, dass dem Geheilten, wenn er der Sünde verfällt, Schlimmeres zu erwarten hat, nämlich die ewige Verdammnis. Denn sonst kann es wohl kaum etwas Schlimmeres geben, als 38 Jahre lang krank und kaum beweglich zu sein.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang erlaubt, mehr zu vermuten als nur eine reine Krankenheilung. Der Kranke war offenbar auch krank an der Seele, und nicht nur am Körper. Worin bestand aber sein seelisches Leiden? Wohl in der Tatsache, dass er allein war, ohne jegliche Hilfe, und dass er (vermutlich) von den anderen beiseite geschubst wurde, wenn sich das Wasser bewegte, so dass er nie das Wasser erreichen konnte. Wenn dies seine Not war, ist auch zu verstehen, warum sich Jesus ihm zuwendet und niemandem sonst. Aber dies wird in der Geschichte nicht ausdrücklich artikuliert.
Jedenfalls kann die Predigt auf diesem Gedanken aufbauen: Jesus wendet sich gerade den Einsamen und darum an der Seele Kranken zu. In diesem Sinne ist er sogar unter Kranken "wählerisch", denn es gibt auch Kranke, die seine Hilfe nicht brauchen (oder gar ablehnen?).

Liedvorschläge:

Aus tiefer Not schrei ich zu dir (EG 299)
Hilf fernerweit, mein treuster Hort (EG 329, 3)
Auf meinen lieben Gott (EG 345, 1.4-5)
Befiehl du deine Wege (EG 361)
Wenn wir in höchsten Nöten sein (EG 366)
Gib dich zufrieden und sei stille (EG 371)
Hilf, Herr meines Lebens (EG 419)
Herr, hilf uns heilen (Kanon - NB-EG 601)



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