Der 4. Sonntag nach Trinitatis wendet sich der Gemeinde zu. Sie wird als Gemeinde der Sünder gesehen, die der Gnade Gottes bedarf. Ohne die Erkenntnis der eigenen Sünde ist es unmöglich, die Gnade Gottes anzunehmen, weil man sie nicht für nötig hält. Selbstgerechtigkeit entsteht, die dann in Überheblichkeit und Menschenverachtung mündet. Wichtig ist der Aspekt der Gemeinschaft; wir sind Sünder eben nicht (nur) als Individuen, sondern als Gemeinschaft, indem wir z.B. durch Schweigen teilhaben an dem Unrecht, das an anderen durch Menschen unserer Gemeinschaft geschieht.
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I - Lk 6, 36-42Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
37Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt
nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.
38Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes
und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird
man euch wieder messen.
39Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann auch ein Blinder einem
Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen?
40Der Jünger steht nicht über dem Meister; wenn er vollkommen
ist, so ist er wie sein Meister.
41Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge, und den Balken
in deinem Auge nimmst du nicht wahr?
42Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will
den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken
aus deinem Auge und sieh dann zu, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!
Diese Worte Jesu stellen uns vor ein großes Dilemma: auf der einen Seite wollen und sollen wir etwas zu sagen haben; auf
der anderen Seite wird uns vorgehalten, dies nur dann zu tun, wenn wir selbst dem, was wir sagen, konsequent folgen. In
vielen Fällen würde das bedeuten, zu schweigen. Denn letztlich steckt immer auch ein Balke in unserem Auge. So bleiben Aussagen
meist allgemein, denn wir wissen ja um dieses Dilemma. Wir beziehen uns selber mit ein, wenn wir Schuld anprangern, weil wir letztlich
unsere Verwicklung in diese Schuld eingestehen müssen. Aber das macht unser Predigen kraftlos und fad.
Nun gibt es etwas, das bisher nicht genannt wurde und auch im Predigttext so nicht vorkommt: wir leben aus dem Glauben heraus,
dass Gott uns unsere Schuld vergibt. Diese Vergebung gilt allen Menschen, aber natürlich nur dann, wenn sie auch angenommen wird.
Und in der Hinsicht unterscheidet sich die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde wohl doch etwas von den übrigen: sie vergewissert
sich der Vergebung, sie empfängt die Vergebung: Gott nimmt den Splitter aus ihrem Auge. Natürlich hat das Konsequenzen: wir sehen
die Dinge anders, aber wir sind damit auch befähigt, den Finger auf wunde Stellen zu legen. Weil wir unsere eigenen Schwächen
erkennen, können wir auch daran arbeiten, haben aber auch das Recht, anderen ihre Fehler vorzuhalten.
Nun darf dies natürlich nicht in einer verurteilenden Weise geschehen. Vielmehr sollte es einladend wirken: macht mit bei dem Versuch,
bessere Menschen zu werden. Lasst euch von den Worten Jesu leiten. Das wäre die Konsequenz des Aufrufs: " seid barmherzig,
wie auch euer Vater barmherzig ist. ... Vergebt, so wird euch vergeben." So wie wir den Neuanfang wagen dürfen, so ist diese
Chance jedem Menschen zugesprochen. Wir haben den Auftrag, dies weiter zu sagen.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang stimmt mit dem Predigttext überein. Wir sind Sünder - und sind es
doch nicht mehr, weil Jesus Christus unsere Schuld auf sich nahm. Wir sind die Gemeinde derer, die neue Wege suchen, Wege der
Versöhnung, der Vergebung, des Friedens. Das muss innerhalb der Gemeinde gelingen, und wenn es das tut, dann auch
darüber hinaus.
Der hohe Anspruch, der hier gestellt wird, sollte in der Predigt ausgesprochen werden. Der Schwerpunkt der Predigt sollte nicht auf
der Tatsache liegen, dass wir als Sünder vor Gott treten, sondern darauf, dass Gott uns unsere Schuld vergibt und wir darum befähigt
und beauftragt sind, andere zur Änderung ihres Lebenswandels aufzurufen, während wir selbst uns um diese
Änderungen bemühen.
Du hast uns, Herr, in dir verbunden (EG 240)
Herz und Herz vereint zusammen (EG 251)
Ein reines Herz, Herr, schaff in mir (EG 389)
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
Liebe, die du mich zum Bilde (EG 401)
Ein wahrer Glaube Gott's Zorn stillt (EG 413)
O Gott, du fromer Gott (EG 495)
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