das Kirchenjahr

20. Sonntag nach Trinitatis

Die Ordnungen Gottes

Predigtbeispiele

Sie dürfen gerne meine Predigten benutzen und den Gegebenheiten anpassen. Wenn Sie einen meiner Predigtvorschläge in einem Gottesdienst verwenden wollen, teilen Sie es mir bitte mit. Eine Genehmigung müssen Sie dafür aber nicht abwarten.
Jegliche andere Form der Vervielfältigung, auch im Internet, ist nur mit meiner ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung erlaubt. Weisen Sie bei der Verwendung des Materials bitte auf die Quelle hin.

Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Gen 8,18-22; 9,12-17

Die folgende Predigt geht nur auf den Abschnitt aus Kapitel 8 ein:

Liebe Gemeinde!
Noah ist eine Gestalt, die uns allen vertraut ist. Als Kinder haben wir die Geschichte von Noah erzählt bekommen, und es wurden Filme über seine Geschichte gedreht, die viel Beachtung gefunden haben. Es ist ja auch beeindruckend, so eine Flut, die die ganze Menschheit vernichtet und - durch Gottes Ratschluss - nur diese eine Familie am Leben lässt.
Die Arche Noah ist zum stehenden Begriff geworden für eine Herberge, in der man Zuflucht und Schutz finden kann. Das Wort „Arche” steht für Organisationen und Einrichtungen, die solchen Schutz bieten.
Aber wenn man länger über diese Geschichte nachdenkt, kann einem schon das kalte Grausen kommen.
Wieviele Menschen haben da wohl den Tod gefunden? Wenn wirklich die ganze Welt überschwemmt war, dann müssen es ja viele Millionen gewesen sein.
Zugegeben, sie waren nach Gottes Urteil schuldig geworden, ihre Sünde schrie zum Himmel. Aber ist der Tod die Lösung?
Was noch schwerer zu wiegen scheint: all die unzähligen Tiere, die durch die Sintflut den Tod fanden. Warum mussten sie sterben? Man kann doch nicht sagen, dass sie in irgendeiner Form schuldig geworden wären. Die Fähigkeit dazu bleibt dem Menschen vorbehalten.

Die Erzählung von Noah gehört zur sogenannten Urgeschichte. Sie ereignete sich in der Zeit, bevor man begann, Chroniken zu führen und Geschichte auf irgend eine Weise fest zu halten. Man erzählte sich Geschichten, und man kann sich da durchaus das Lagerfeuer einer nomadischen Sippe vorstellen, die nirgends sesshaft war. Dort wurden solche Erzählungen weitergegeben an die Kinder, um ganz grundlegende Erfahrungen der Menschheit zu begründen und zu erklären.
Erlebt hat das, wovon dort berichtet wird, keiner von denen, die sie erzählten. Viele Generationen hat es gedauert, bevor man in Städten zu leben begann und bevor man daran dachte, solche Dinge auf zu schreiben.
Die Geschichte von Noah basiert wohl auf der Erfahrung, die wir auch in unserer Zeit machen: immer wieder kommt es zu massiven Überschwemmungen oder auch anderen Naturkatastrophen, und jedesmal fragten und fragen sich die Menschen, ob Gott sie nun alle vernichten würde. Ist dieses Unwetter das Endgericht?
So wie heute in vielen Ländern, so wurden natürlich auch damals von den Wassermassen nicht nur Hab und Gut vernichtet, sondern es fanden auch viele Menschen den Tod.
[„Houston ertrinkt!”, so lautete vor zwei Monaten eine Schlagzeile, die das Ausmaß der vom Hurrican Harvey verursachten Katastrophe zum Ausdruck bringen sollte.] (evtl. findet sich ein ähnliches, aktuelleres Ereignis, das an dieser Stelle genannt werden kann)
Eine Beobachtung lässt sich eigentlich immer machen, wenn sich solche Naturkatastrophen ereignen: Die Angst vor der Unbarmherzigkeit der Natur lenkt den Blick auf den Schöpfer, auf den, dem man zutraut, dass er diese Gewalten kontrollieren und beeinflussen kann.
Dabei wissen wir ja eigentlich längst, dass da keine übernatürlichen Kräfte ihre Hand im Spiel haben, sondern die Phänomene, die die Katastrophe auslösen, einfach nur auf physikalischen Gesetzen beruhen. Allerdings haben wir inzwischen auch gelernt, dass der Mensch durchaus seinen Teil beitragen kann zur Häufigkeit und Intensität der Wetterphänomene.
Die Hinwendung zu Gott in solchen Notsituationen bleibt. Meist sind es dann vorwurfsvolle „Warum”-Fragen, die gestellt werden, oft ist es aber auch nur ein schwacher Ruf um Hilfe. Auf jeden Fall hat der Mensch das Gefühl des Ausgeliefert-Seins, und da gibt es nur noch eine Hilfe, nämlich Gott.
In der Erzählung von Noah wird versucht, die Naturkatastrophe zu begründen, und in diesem Versuch erkennen wir zwei Dinge, die über Gott ausgesagt werden und sich im Grunde vielleicht sogar widersprechen:

1. Gott richtet und
2. Gott errettet und bewahrt

Da ist zunächst das Gericht über die Menschheit. Sie sind alle verdorben, Frevler, gottlos - das ist die Feststellung, die Gott zu Beginn der Erzählung macht.
Es scheint ein Problem des Menschen schlechthin zu sein, dass er Gott vergisst, wenn es ihm gut geht. Aber genau das gefällt Gott nicht.
Nur einer hatte Gott nicht vergessen; und das war Noah. Er wurde mit seiner Familie gerettet, weil er Gott ernst nahm und den absurden Auftrag ausführte, eine Arche auf trockenem Land zu bauen. Es ist ein enorm großes Schiff, in dem alle Tiere zu je einem Paar Platz finden sollen, dazu natürlich Noahs Familie und die nötige Nahrung. Noah hörte auf Gott.
Die Sintflut ist dann das Gericht. Es ist ein unbarmherziges Gericht. War Noah wirklich der einzige, der sein Vertrauen auf Gott setzte? Waren seine Kinder besser als die, die ertranken?
Eigentlich hatte Gott ja beschlossen, die ganze Menschheit zu vernichten und noch einmal von vorne an zu fangen. Er besann sich aber. Noah findet Gnade vor den Augen Gottes. (Gen 6, 8) Es ist Gnade, und kein Rechtsanspruch, den Noah für sich geltend machen könnte.
Und da leuchtet schon etwas durch von dem Gott, den wir den Vater Jesu Christi nennen: er ist gnädig, auch dann, wenn es eigentlich keinen Grund dafür gibt.
In der Entscheidung, diese eine Familie zu retten, wird eigentlich die Liebe Gottes für uns Menschen offenbar.
Aber wie es weitergeht, hängt nun vom Menschen ab. Was, wenn Noah nicht auf Gott gehört hätte?
Die Sintflut beginnt, sie bringt unzähligen Menschen den Tod, dazu all den Tieren, die nicht im Wasser leben können. Fast ein Jahr müssen sie in der Arche ausharren.
Und hier steht nun unser Predigttext, nachdem das Land wieder trocken war und die Arche einen festen Ruheplatz gefunden hatte:
So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.
Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.

Noah weiß, wem er sein Leben verdankt. Mit seinem Dankopfer antwortet er auf die Bewahrung, jetzt redet er mit Gott, nachdem Gott mit ihm geredet hatte.
Und Gott spürt den Dank. Der liebliche Geruch, der Gott in die Nase steigt, das ist natürlich nur eine Weise, auszudrücken, dass Gott den Dank wahrnimmt. Sehr menschlich wird es geschildert, und so stellte man sich damals ja auch Gott vor. Sind wir nicht sein Ebenbild?
Und auch wir neigen ja dazu, uns Gott, den Allmächtigen und Ewigen, menschlich vorzustellen.
Der Dank bewegt etwas. Gott beschließt: Nie wieder soll solches Unheil über die Erde kommen, sagt Gott zu sich selbst. Nie wieder soll die Schöpfung leiden, weil der Mensch versagt hat.
Der Grund ist ernüchternd, ja, erschütternd: Der Mensch ist böse von Jugend an, stellt Gott fest, mit anderen Worten: da lässt sich nichts machen. Eigentlich dürfte es den Menschen gar nicht geben.
Aber die Menschheit vernichten hätte fatale Folgen. Nicht noch einmal soll die übrige Schöpfung unter der Bosheit der Menschen leiden. Die unschuldige Kreatur soll nicht ausbaden, was der Mensch sich eingebrockt hat.
Seither trägt die Menschheit dieses Mal mit sich und an sich: böse von Jugend an. Und das meint nicht: etwa ab dem 16. Lebensjahr. Das meint vielmehr: von Geburt, vom ersten Tage an.
Das ist das gleiche Urteil, das Gott vor Beginn der Sintflut gefällt hatte. Die Menschheit ist böse, und sie bleibt es. Da ändert auch Noahs Antwort nichts mehr dran. Zwar ist Noah ein Mensch, der auf Gott hört und seinen Willen ausführt, aber seine Familie? Ausnahmen bestätigen die Regel.
Und deswegen ist es eben doch nicht die Antwort des Menschen, die Gottes Meinung zu seiner Schöpfung verändert, sondern Gott selbst.
Denn Gott kann seine Schöpfung nicht aufgeben. Schon als er das Gericht beschlossen hatte, sonderte er ja einen mit seiner ganzen Familie aus. Er liebt seine Schöpfung, und er liebt auch den Menschen als Krone der Schöpfung, so dass er sie erhalten will.
Jetzt geht er noch einen Schritt weiter: die ganze Schöpfung soll erhalten bleiben. Ein solch umfassendes Gericht soll es nicht noch einmal geben.
„Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.” - Diese Feststellung ist, wenn wir ehrlich sind, richtig.
Denn auch wenn wir nicht Böses tun, so ist doch das Unterlassen, das Nicht-Tun, oftmals Böse, dann nämlich, wenn wir nicht bereit sind, anderen zu helfen und ihnen bei zu stehen, dann, wenn wir uns nicht gegen das Unrecht, das vielen Menschen widerfährt, wenden, dann, wenn wir nicht auf Gott hören.
Die Bilanz Gottes ist niederschmetternd. Und das Bedrückende ist: er zieht diese Bilanz, nachdem Noah ihm gedankt hat.
Gott sagt eben nicht: es scheint ja noch Grund zur Hoffnung zu geben. Nein, es gibt keinen Grund zur Hoffnung, außer dem: dass Gott uns nicht aufgibt. Dass er zu seiner Schöpfung steht. Dass er sie erhält und mit ihr auch uns.
Zuletzt hat er seine unermessliche Liebe in seinem Sohn Jesus Christus bewiesen. Durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes besiegt Gott den Tod, die letzte Fessel der Menschheit. Gott hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Er hängt an seiner Schöpfung. Er liebt uns.
Und da ist die Rettung, die aus dem Gericht heraus erkennbar wird.
Was ist unsere Antwort? Noah hatte seine Bewahrung erlebt, er mag noch auf wackeligen Beinen stehen, nach vielen Monaten auf dem Wasser, aber nun hat er festen Boden unter den Füßen.
Er geht und feiert Gottesdienst. Er dankt Gott. Denn er weiß: es ist Gnade, durch die er auserwählt wurde, und nicht sein Verdienst.
Gott für die Bewahrung danken - das ist das Mindeste, was er tun kann.
So auch wir. Es ist die Gnade Gottes, die uns am Leben erhält. Und nicht nur das: Gott hat ja auch den Tod in seine Schranken gewiesen. Die Gnade Gottes reicht weit über dieses Leben hinaus. Sie sieht eine Zukunft für uns Menschen, trotz des vernichtenden Urteils, trotz der Tatsache, dass unser Trachten böse ist von Jugend auf. Gott gibt uns nicht auf. Muss uns das nicht mit unendlicher Dankbarkeit erfüllen?
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
Herr Jesu, Gnadensonne (EG 404)
Solang es Menschen gibt auf Erden (EG 427)
Lobt und preist die herrlichen Taten des Herrn (EG 429)
Jeder Teil dieser Erde (

KHW-/HN-EGGesangbuch der Ev. Kirche in Kurhessen-Waldeck oder in Hessen-Nassau
635)


Zurück zum Anfang

Predigtvorschläge zu Reihe III - Pred 12, 1-7

Liebe Gemeinde,
Das Buch des Predigers Salomo ist bekannt dafür, dass es eine recht düstere Lebensphilosophie entwickelt, wobei es vor allem Lebenserfahrungen auswertet und darum zu dem Schluss kommt: Es ist alles ganz eitel.
Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, und das ist auch der Grund, warum das Buch immerhin 12 Kapitel umfasst, denn es gibt mehr zu sagen als nur dies, dass des Menschen Tun ja doch vergeblich ist und man sich abmühen kann wie man will und sich trotzdem nichts ändert.
Der bekannteste Abschnitt aus diesem Buch ist wohl die Liste gegensätzlicher Dinge unter der Überschrift: „Alles hat seine Zeit.“
Aber heute befassen wir uns mit der anderen Aussage, dass alles ganz eitel ist. Diese Aussage stellt gewissermaßen den Rahmen des Buches dar, denn zu Beginn, im 2. Vers des 1. Kapitels, heißt es schon: „Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.
Unser Predigttext steht am Ende des Buches, obwohl noch einige Verse nachgeschoben werden, die sich aber selbst als „Nachworte“ zu erkennen geben.
Was bedeutet dieses Wort „eitel“ eigentlich? Wir gebrauchen es heute überwiegend für eine Person, die sehr viel Wert auf ihr Äußeres legt und alles tut, anders zu scheinen, als sie tatsächlich ist. Es bezeichnet die Selbstverliebtheit einer Person.
Zu Luthers Zeiten stand das Wort „eitel“ allerdings für „bedeutungslos“, „nichtig“ oder „leer“.
Und das ist also die Aussage, die das ganze Buch des Predigers umklammert: „Alles ist nichtig“, oder: „Alles ist bedeutungslos“.
Der Autor mahnt uns zunächst, an unseren Schöpfer zu denken, solange wir jung sind und es uns gut geht: keine Gebrechen, die das Alter so mit sich bringt, keine Gelenkschmerzen, keine Vergesslichkeit, keine Probleme mit den Augen oder Ohren usw., sondern Energie, den Willen, die Welt zu erobern und was einem noch so alles in den Sinn kommt, solange man jung ist.
Es kommen Tage, so sagt der Prediger, über die man sagen wird: „Sie gefallen mir nicht“. Das sind die Tage des Alters, wenn Krankheit und Gebrechen den Alltag bestimmen, und der Prediger beschreibt diese Tage in Bildern, die uns nicht so leicht zugänglich sind.
Sonne und Mond und Sterne werden finster, weil die Kraft der Augen nachlässt; wiederkehrende Wolken nach dem Regen sollen ebenfalls auf das nachlassende Augenlicht hindeuten.
Sich schließende Türen, das Verstummen der Mühle und des Gesangs, all das sind Zeichen für den Lebensabend, wo das Alltägliche immer schwieriger wird.
Ich will die Worte des Predigers noch etwas erläutern:
die Hüter des Hauses“ - damit sind die Arme und Hände gemeint. Im Alter beginnen sie, zu zittern, man kann die Hand nicht mehr ruhig halten, was es einem schwer macht, manche Tätigkeiten zu verrichten.
Das Haus selbst ist der menschliche Leib, und wenn es heißt, dass die Müllerinnen müßig stehen, dann sind damit die Zähne gemeint, die nicht mehr in der Lage sind, richtig zu kauen.
Die „Starken“ sind die Beine, die sich krümmen, weil die Gelenke steifer werden und das Laufen dadurch schwerer machen.
Wenn es heißt, dass die Stimme der Mühle leiser wird, ist das Gehör gemeint, das nachlässt.
Der alt und gebrechlich gewordene Mensch hat Angst, hinauszugehen, denn er fürchtet die Dinge, die er nicht bewältigen kann. Wie oft höre ich es bei Besuchen, dass ein Mensch nicht mehr zum Gottesdienst gehen kann, weil er zum Beispiel fürchtet, auf die Toilette gehen zu müssen, oder weil das längere Sitzen auf harten Bänken Schmerzen bereitet.
Solche Furcht wird hier angesprochen, wenn es heißt: „wenn man vor Höhen sich fürchtet und sich ängstigt auf dem Wege“.
Merkwürdig ist dann der 6. Vers, wo es heißt: „ehe der silberne Strick zerreißt und die goldene Schale zerbricht und der Eimer zerschellt an der Quelle und das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt.
Da, wo Luther „Brunnen“ übersetzt, könnte auch „Grube“ übersetzt werden, und dann wird schon deutlich, dass es hier um den Tod geht. Das wird dann auch im 7. Vers weiter ausgeführt: „Der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist.“ Aber dabei bleibt es nicht, sondern da ist noch mehr: „und der Geist“ muss „wieder zu Gott“ kommen, „der ihn gegeben hat“.
Da wird dann ja doch erkennbar, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, dass das Leben ein Ziel hat, nämlich die Geborgenheit in Gott. Dennoch folgen dann die letzten Worte: Es ist alles ganz eitel, spricht der Prediger, ganz eitel.
Die Resignation, die aus diesen letzten Worten spricht, wird trotz allem durchdrungen von der Gewissheit, dass Gott ist. Der Prediger rechnet fest mit der Gegenwart Gottes, und darum mahnt er auch immer wieder, dass wir uns dessen bewusst sein sollen. Ja, er kann es auch mit Gewissheit sagen, dass wir uns dessen bewusst sind, wenn er im 3. Kapitel ausruft: Gott hat die Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt, nur dass er nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Das ist wohl auch der Grund für die Resignation, dass wir nicht wissen, worauf es hinaus will mit uns. Wir können den Plan Gottes nicht durchschauen, und so sind wir manchmal ratlos, z.B. wenn Menschen heimatlos werden, Kinder verhungern oder Alte jahrelang leiden, bevor sie endlich durch den Tod erlöst werden.
Nur eins wissen wir, und das soll uns doch auch Hoffnung machen: Gott hält diese Welt und uns in seiner Hand. Wenn wir darauf vertrauen, wenn wir das fest glauben, dann werden wir am Ende doch Gott danken können für alles, was uns in unserem Leben bisher widerfahren ist, und froh und voller Hoffnung in die Zukunft blicken.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen (EG 518)
Wenn mein Stündlein vorhanden ist (EG 522)


Zurück zum Anfang

Predigtvorschläge zu Reihe IV - Hohelied 8, 6b-7

Liebe Gemeinde!
Das Hohelied Salomos ist ein literarisches Kunstwerk, das die Kirche allerdings lieber links liegen lässt. Bis vor kurzem kam im ganzen Jahr nur ein Ausschnitt aus diesem Buch vor, und das war als Marginaltext am 20. Sonntag nach Trinitatis.
Marginaltext, das bedeutet: dieser Text ist keiner der regulären Predigttexte, aber es besteht ein Zusammenhang zwischen diesem Text und dem Thema des Sonntags, so dass man auch darüber predigen könnte.
Erst bei der letzten Perikopenrevision im Jahr 2018 hat man gewagt, diesen Text in die Reihe der regulären Predigttexte aufzunehmen, weswegen er auch heute dran ist.
Dass das Hohelied Salomos solch ein Schattendasein führt, liegt vielleicht an der Direktheit der Sprache, vielleicht daran, dass es eben wirklich ein Liebeslied ist. Einzigartig dann, dass dieses Buch seinen Weg in die Bibel fand, und es ist sicher nicht richtig, wenn man es später so zu verstehen versuchte, als erzähle es von der Liebe zwischen Gott und dem Volk Israel, oder, noch abwegiger, von der Liebe der Gemeinde zu ihrem Herrn, Jesus Christus.
Nein, das Buch ist Ausdruck der Liebe zweier Menschen zueinander; und vermutlich ist das der Grund, warum man dieses Buch nicht gerne in das gottesdienstliche Handeln integriert. Denn man spürt förmlich die Intimität der beiden und muss sich wie ein Voyeur vorkommen, der heimlich ein Liebespaar beobachtet.
Ja, es ist überraschend und auch etwas merkwürdig, dass solch ein Buch seinen Weg in die Bibel fand.
Der kurze Abschnitt, den ich gerade vorgelesen habe, steht fast am Ende des Buches, das nur etwa 5 Seiten umfasst; man kann es also durchaus mal zur Hand nehmen und durchlesen.
Man spürt auch hier die Intimität, bevor es etwas allgemeiner wird (übrigens beschränkt sich die Textvorgabe auf den allgemeineren Abschnitt, nur eine der Landeskirchen hat sich dazu entschließen können, auch die 1 ½ Verse davor mit hinein zu nehmen, die ich ebenfalls gelesen habe): „Unter dem Apfelbaum weckte ich dich, wo deine Mutter in Wehen kam...”.
Wie gut muss der Mann seine Geliebte kennen, wenn er davon weiß. Wie viel muss sie ihm anvertraut haben. Vielleicht aber weiß er es auch von ihrer Mutter, mit der er dann so manches Gespräch geführt haben muss. Er ist verflochten mit ihrer Geschichte, eng verflochten mit ihrem Leben, noch bevor sie den Bund der Ehe eingegangen sind.
Die Sehnsucht nach einander zehrt an beiden, aber sie halten aus; sie bringen zwar ihre Sehnsucht in dem Lied zum Ausdruck, aber geben ihr nicht nach.
Lassen Sie mich einen Ausschnitt, ab dem 6. Kapitel, aus diesem Buch vorlesen:
6,4 – 8,7 »Wo ist denn dein Freund hingegangen,
o du Schönste unter den Frauen? Wo hat sich dein Freund hingewandt? So wollen wir ihn mit dir suchen.«
2 Mein Freund ist hinabgegangen in seinen Garten,
zu den Balsambeeten, dass er weide in den Gärten und Lilien pflücke.
3 Mein Freund ist mein und ich bin sein,
der unter den Lilien weidet.
4 Du bist schön, meine Freundin, wie Tirza,
lieblich wie Jerusalem, gewaltig wie ein Heer.
5 Wende deine Augen von mir;
denn sie verwirren mich. Deine Haare sind wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead.
6 Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe,
die aus der Schwemme kommen; alle haben sie Zwillinge, und keines unter ihnen ist unfruchtbar.
7 Deine Schläfen sind hinter deinem Schleier
wie eine Scheibe vom Granatapfel.
8 Sechzig Königinnen sind es
und achtzig Nebenfrauen und Jungfrauen ohne Zahl.
9 Aber eine ist meine Taube, meine Reine;
die Einzige ist sie für ihre Mutter, das Liebste für die, die sie geboren hat. Als die Töchter sie sahen, priesen sie sie glücklich; die Königinnen und Nebenfrauen rühmten sie.
10 Wer ist sie, die hervorbricht wie die Morgenröte,
schön wie der Mond, klar wie die Sonne, gewaltig wie ein Heer?
11 Ich bin hinabgegangen in den Nussgarten,
zu schauen die Knospen im Tal, zu schauen, ob der Weinstock sprosst, ob die Granatbäume blühen.
12 Ohne dass ich's merkte,
trieb mich mein Verlangen zu der Tochter eines Fürsten.
7,1 Wende dich hin, wende dich her, o Sulamith!
Wende dich hin, wende dich her, dass wir dich schauen!
Was seht ihr an Sulamith
beim Reigen im Lager?
2 Wie schön ist dein Gang in den Schuhen,
du Fürstentochter! Die Rundung deiner Hüfte ist wie ein Halsgeschmeide, das des Meisters Hand gemacht hat.
3 Dein Schoß ist wie ein runder Becher,
dem nimmer Getränk mangelt. Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Lilien.
4 Deine beiden Brüste sind wie junge Zwillinge von Gazellen.
5 Dein Hals ist wie ein Turm von Elfenbein. Deine Augen sind wie die Teiche von Heschbon am Tor Bat-Rabbim. Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der nach Damaskus sieht.
6 Dein Haupt auf dir ist wie der Karmel.
Das Haar auf deinem Haupt ist wie Purpur; ein König liegt in deinen Locken gefangen.
7 Wie schön und wie lieblich bist du,
du Liebe voller Wonne!
8 Dein Wuchs ist hoch wie ein Palmbaum,
deine Brüste gleichen den Weintrauben.
9 Ich sprach: Ich will auf den Palmbaum steigen
und seine Zweige ergreifen. Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und den Duft deines Atems wie Äpfel;
10 lass deinen Mund sein wie guten Wein,
der meinem Gaumen glatt eingeht und Lippen und Zähne mir netzt.
11 Meinem Freund gehöre ich
und nach mir steht sein Verlangen.
12 Komm, mein Freund, lass uns aufs Feld hinausgehen
und unter Zyperblumen die Nacht verbringen,
13 dass wir früh aufbrechen zu den Weinbergen und sehen,
ob der Weinstock sprosst und seine Blüten aufgehen, ob die Granatbäume blühen. Da will ich dir meine Liebe schenken.
14 Die Liebesäpfel geben den Duft,
und an unsrer Tür sind lauter edle Früchte, heurige und auch vorjährige: Mein Freund, für dich hab ich sie aufbewahrt.
8, 1 O dass du mein Bruder wärest,
der meiner Mutter Brüste gesogen! Fände ich dich draußen, so wollte ich dich küssen und niemand dürfte mich schelten!
2 Ich wollte dich führen und in meiner Mutter Haus bringen,
in die Kammer derer, die mich gebar. Da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel.
3 Seine Linke liegt unter meinem Haupt,
und seine Rechte herzt mich. –
4 Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems,
dass ihr die Liebe nicht aufweckt und nicht stört, bis es ihr selbst gefällt.
5 Wer ist sie, die heraufsteigt von der Wüste
und lehnt sich auf ihren Freund? Unter dem Apfelbaum weckte ich dich, wo deine Mutter mit dir in Wehen kam, wo in Wehen kam, die dich gebar.
6 Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz,
wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN,
7 sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen
und Ströme sie nicht ertränken können. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht genügen.


Man erkennt die literarische Kunstfertigkeit, Elemente hebräischer Dichtkunst tauchen auf, so wie wir sie auch von den Psalmen her kennen.
Warum steht solch ein Buch in der Bibel?
Vielleicht darum, weil es uns deutlich macht, dass Gott das Leben bejaht. Das irdische, das Weltliche hat seinen Ort in unserem Leben, und Gott hat uns dazu geschaffen, zu lieben und nach einander zu sehnen. Ein bisschen vielleicht korrespondiert dieser Text darum auch mit dem Text aus dem Buch des Predigers, das unmittelbar davor steht: (Pr 3, 1-8)
3, 1 Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
2 geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit;
pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit;
abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit;
herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit;
6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit;
behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit;
schweigen hat seine Zeit, reden hat seine Zeit;
8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit;
Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.

Und dann schließt sich der Satz an:
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. (Pred 3, 11)
Zeit und Ewigkeit sind nicht miteinander vereinbar, denn in der Ewigkeit gibt es keine Zeit. Aber unser Leben ist von der Zeit bestimmt. Und was geschieht in der Ewigkeit mit dem Wechsel von Gutem und Bösem, wie es der Prediger zuvor gesagt hat?
Ich glaube, dass die Liebe dann alles bestimmen wird. Denn Jesus Christus hat uns die Liebe Gottes vor Augen geführt und uns gezeigt, dass die Liebe die Ordnung Gottes ist, die uns in die Gegenwart Gottes führt.
So wünsche ich Ihnen, dass Sie von der Liebe erfüllt werden, so wie jene zwei junge Menschen, die im Hohelied Salomos mit- und voneinander reden.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Herr, vor dein Antlitz treten zwei (EG 238)
Freuet euch im Herren allewege (EG 239)
Du hast uns, Herr, in dir verbunden (EG 240)
Liebe, die du mich zum Bilde (EG 401)
Bei dir, Jesu, will ich bleiben (EG 406)


Zurück zum Anfang

Predigtvorschläge zu Reihe V - Mk 10,2-9(10-12)13-16

Liebe Gemeinde,
Die Konfirmandinnen und Konfirmanden sind erschrocken, wenn wir die Worte, die Jesus zum 6. Gebot in der Bergpredigt gesagt hat, lesen:
Ihr habt gehört, dass gesagt ist (2.Mose 20,14): »Du sollst nicht ehebrechen.« 28 Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.
29 Wenn dich aber dein rechtes Auge zum Abfall verführt, so reiß es aus und wirf's von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle geworfen werde. 30 Wenn dich deine rechte Hand zum Abfall verführt, so hau sie ab und wirf sie von dir. Es ist besser für dich, dass eins deiner Glieder verderbe und nicht der ganze Leib in die Hölle fahre.

So was kann Jesus doch nicht im Ernst gemeint haben! Und selbst wenn: hat das heute denn noch Gültigkeit? Hat unsere Gesellschaft nicht längst die Zwänge vergangener Zeiten überwunden? Ist Sex nicht etwas, was man auch beliebig außerhalb der Ehe genießen kann? So war jedenfalls die Meinung einer Konfirmandin.
Wer sagt, dass er Geschlechtsverkehr nur innerhalb der Ehe vollziehen will, wird mindestens als komischer Kauz angesehen, solange er nicht verheiratet ist. Ernst genommen werden solche Menschen kaum noch. Denn Sex hat in den Augen vieler nichts mit der Verbindlichkeit der Ehe zu tun. Es geht vielmehr um den Spaß, den man daran hat. Mit wem, ist tatsächlich für viele Menschen zweitrangig.
Dass solche Freizügigkeit auch auf die Ehe Auswirkungen hat, verwundert dann nicht mehr.
Über die Hälfte aller geschlossenen Ehen werden wieder geschieden. Die Statistik für das Land Niedersachsen besagt, dass im Jahr 2008 knapp 40.000 Ehen geschlossen wurden. Gleichzeitig wurden etwas mehr als 20.000 Ehen geschieden. Die Tendenz ist bei beiden recht eindeutig: es gibt immer weniger Eheschließungen, während die Ehescheidungen immer stärker zunehmen.
Wie kommt es zu solch einem Trend?
Liegt es daran, dass der Scheidungsprozess erleichtert worden ist? Oder liegt es an der ebenfalls zu beobachtenden wachsenden Individualisierung unserer Gesellschaft?
Oder liegt es an den stetig größer werdenden Anforderungen, die z.B. durch die drastische Kürzung von Witwenrenten und die unzureichende finanzielle Unterstützung für Familien entstehen?
Oder liegt es an der Veränderung der Geschlechterrollen, die eine zunehmende Unsicherheit mit sich bringt und somit auch immer weiter auseinander klaffende Erwartungen bei den Ehepartnern hervorrufen?
Ich denke, alle diese Dinge spielen eine Rolle. Die Gewichtung wird zwar unterschiedlich sein, aber die Scheidung ist ja nach wie vor nicht durch eine simple Unterschrift vollzogen, wie es damals zur Zeit Jesu der Fall war. Meist geht der Scheidung ein langer Kampf voraus. Und dieser Kampf muss nicht unbedingt laut vonstatten gehen, und auch nicht immer zwischen den Ehepartnern. Manchmal beginnt es nur in einem von beiden zu gären. Man ringt innerlich darum, ob man noch bereit ist, in die Ehe zu investieren – und ob es sich noch lohnt. Man wägt Nutzen und Kosten ab, so wie wir es von der Marktwirtschaft gewohnt sind. Und endet darum oft in der Scheidung. Am Ende steht dann die Enttäuschung und Frustration des anderen Partners, der sich mehr erwartet hat, und schließlich kommt es zur Scheidung. „Wir haben uns auseinander gelebt“, heißt es häufig.
Was bedeuten da noch solche Worte, wie Jesus sie zur Ehe gesprochen hat? Und was hat die Kirche dazu zu sagen?
Zwar wird auch jenes Wort in unseren Trauungen ins Gedächtnis gerufen, das wir gerade in der Evangelienlesung gehört haben: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Aber was bedeutet es den Eheleuten? Und mit welchem Inhalt soll es seitens der Kirche gefüllt werden?
Es gab und gibt immer wieder ernst gemeinte Diskussionen darüber, ob das Trauversprechen wirklich die Worte enthalten soll: „bis dass der Tod euch scheidet“. Man rechnet also damit, dass die Ehe keinen lebenslangen Bestand hat. Man redet von Lebensabschnittspartner, anstatt von Lebenspartner.
Die protestantische Kirche kommt dem in mancher Hinsicht entgegen, z.B. indem die Tatsache einer Ehescheidung kein Hinderungsgrund ist für eine erneute Ehe. Oft wird über die Vergangenheit der Partner noch nicht mal gesprochen. Scheidung ist schon fast selbstverständlich geworden und muss nicht hinterfragt werden.
Weiter erlauben manche Pastorinnen oder Pastoren, dass das Trauversprechen soweit abgewandelt wird, dass die Formulierung „bis dass der Tod euch scheidet“ nicht mehr vorkommt. Manchmal - allerdings ist das selten - wird sie sogar durch Worte wie „solange es gut geht“ oder ähnliches ersetzt.
Für die Ehe gibt es in der Bibel ganz klare Vorstellungen. Ich bezweifle, dass diese, wie oft bemängelt wird, ganz und gar auf patriarchalischen, also von Männern dominierten, Strukturen aufbauen, obwohl es hin und wieder auch deutliche Hinweise darauf gibt. Es gibt dort vielmehr auch Ansätze, die der patriarchalischen Gesellschaftsstruktur völlig fremd sind.
Grundlage für die Ehe ist der Wille Gottes, wie wir es auch vorhin im Evangelium gehört haben: „von Beginn der Schöpfung an hat Gott sie geschaffen als Mann und Frau. Darum wird ein Mann ... Vater und ... Mutter verlassen und wird an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Weil Gott den Menschen dazu geschaffen hat, dass Mann und Frau ein Fleisch sind. Denn das Bild vom einen Fleisch stammt aus der Schöpfungsgeschichte (Gen 2, 24).
Dieses Bild mag uns fremd sein. Es meint in erster Linie die geschlechtliche Vereinigung, die eben auch ihren Platz in der Ehe hat, und nicht außerhalb der Ehe. Aber es geht auch darum, dass durch die Ehe der Mensch vollkommen wird, während er außerhalb der Ehe im Grunde nur halb ist.
Interessant mag für uns auch sein, dass hier davon geredet wird, dass der Mann seine Eltern verlässt, um der Frau anzuhängen – das widerspricht jedem patriarchalischen Muster und deutet schon darauf hin, dass durch Jesus ein neues, ein anderes Eheverständnis sich durchzusetzen beginnt.
Das ist natürlich auch veranlasst durch die Frage der Pharisäer, die wissen wollen, ob ein Mann sich von seiner Frau scheiden darf. Die Scheidung war damals ein einseitiger Akt, der vom Mann vollzogen wurde. Er schrieb einen Scheidebrief aus, und das war's. Hier sind also die patriarchalischen Strukturen deutlich erkennbar. Jesus wehrt nicht nur diese Möglichkeit ab.
Er sagt auch, dass Mann und Frau sich in der Ehe auf der gleichen Ebene befinden – sie sind gleichwertig und gleichberechtigt. Der Scheidebrief darf kein Instrument sein, das dem Mann die Möglichkeit gibt, nach Belieben die Frau zu wechseln. Er darf nur dann eingesetzt werden, wenn sich beide mit aller Kraft bemüht haben, die Ehe zu erhalten, und daran am Ende doch gescheitert sind – um des Herzens Härte willen, das heißt im Grunde nichts anderes als: weil ihr nicht einander vergeben konntet.
Die christliche Ehe basiert auf der vergebenden Liebe Gottes – sie ist in der Tat auch Abbild der Beziehung Gottes zu uns Menschen, wie Paulus es im Brief an die Epheser (im 5. Kapitel) formuliert hat. Und bei dem Propheten Jesaja (62,4f), also schon in der hebräischen Bibel, finden wir die Worte Gottes, die er zur Stadt Jerusalem spricht: Man soll dich nicht mehr nennen "Verlassene" und dein Land nicht mehr "Einsame", sondern du sollst heißen "Meine Lust" und dein Land "Liebes Weib"; denn der HERR hat Lust an dir, und dein Land hat einen lieben Mann. Denn wie ein junger Mann eine Jungfrau freit, so wird dich dein Erbauer freien, und wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen. Hier wird Gottes Beziehung zu seinem Volk mit der Ehe verglichen.
Die Ehe ist also nicht nur eine bloße Zweckgemeinschaft. Sie dient nicht nur der Zeugung von Kindern oder der Sicherung der Versorgung. Sie ist auch nicht nur das Ergebnis der Liebe zweier Menschen zueinander.
Sie ist vielmehr das Ergebnis des Wirkens Gottes in dieser Welt, und zugleich ein Spiegel dieses Wirkens.
Christliche Ehe wurzelt auf dieser Erkenntnis. Sie ist das Ergebnis des Willens Gottes. Und sie stellt damit etwas Unverbrüchliches dar: die Liebe Gottes zu den Menschen. So wie die Liebe Gottes kein Ende kennt, soll auch die christliche Ehe kein Ende kennen – zumindest kein Ende durch die Scheidung.
Aus dieser Erkenntnis folgt, dass solche Ehepartner nie auf sich allein gestellt sind, wenn es einmal kriselt. Ganz im Gegenteil: sie dürfen zum Beispiel auf das Gebet der Gemeinde vertrauen. Woche für Woche beten wir in unseren Gottesdiensten auch für die Ehepaare in unserer Gemeinde.
Darüber hinaus dürfen sie die Hilfe der Kirche in Anspruch nehmen. Pfarrerinnen und Pfarrer sind ja ausgebildet, in schwierigen Situationen beratend zur Seite zu stehen – und sie sind zum Schweigen verpflichtet. In diesem Rahmen ist Vertrauen möglich, das dann vielleicht auch hilft, die Krise zu überwinden, anstatt den Weg zum Scheidungsanwalt zu gehen.
Und das Wichtigste: sie dürfen sich auf die Liebe Gottes verlassen, die sie nicht im Stich lassen wird, auch wenn sie an der Liebe zueinander zweifeln und nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll.
Das Wesentliche, was christliche Ehe von einer weltlichen Ehe unterscheidet, ist, wie schon gesagt, das Bewusstsein, dass die Ehe dem Willen Gottes folgt und darum nicht zum Scheitern verurteilt sein kann.
Manche Untersuchungen belegen, dass die Scheidungsrate von Paaren, die sich kirchlich trauen ließen, deutlich niedriger ist als die von Ehen, die nicht auch durch einen Gottesdienst geschlossen wurden. Das tröstet etwas über die anfänglich erwähnten Zahlen hinweg. Aber es bedeutet keine Entwarnung.
Denn nach wie vor werden auch kirchlich geschlossene Ehen geschieden, und nach wie vor wird die Hilfe der Kirche, d.h. also die Hilfe der Gemeinde und der Pfarrerinnen und Pfarrer, nur selten in Anspruch genommen, wenn sich eine Krise ankündigt.
Vielleicht sind wir ja zu sehr davon überzeugt, alles selbst bewältigen zu können? Dann wäre aber auch die kirchliche Trauung sinnlos gewesen, denn in der Trauung bekennen wir ja, dass wir von der Hilfe Gottes abhängig sind, dass wir aus eigener Kraft nicht vollbringen können, was von uns erwartet wird. Wir erbitten dazu den Segen Gottes, der sich dann auch in der Ehe entfaltet. Das ist uns zugesagt, darauf dürfen wir vertrauen.
Die Ehe bleibt ein wichtiges Gut, denn sie bietet einen Schutzraum, in dem nicht nur Kinder Liebe, Geborgenheit und Verlässlichkeit erfahren. Sie ist ein Abbild christlicher Gemeinde, wenn sie denn auf dem Fundament des christlichen Glaubens aufgebaut ist.
Es ist gut, wenn wir uns das bewahren. Dass uns das gelingen möge, dazu gebe Gott uns seinen Segen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Du hast uns, Herr, in dir verbunden (EG 240)
*Wohl denen, die da wandeln (EG 295)
*Alles ist an Gottes Segen (EG 352)
Jesu, geh voran (EG 391)
Liebe, die du mich zum Bilde (EG 401)
*Lass dich, Herr Jesu Christ (EG 496)


Zurück zum Anfang