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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - 1. Kön 8, 22-24.26-28
Liebe Gemeinde!
Christi Himmelfahrt gehört zu den praktischen Feiertagen. Er sorgt für ein sehr langes Wochenende, für das es sich lohnt,
etwas weiter weg zu fahren. Auch wurde er zum Vatertag erhoben. Und dem kann sogar die Kirche noch etwas abgewinnen: Jesus
kehrt ja zu seinem Vater zurück. Aber diese Kurve finde ich dann doch schon ziemlich steil.
Denn das Fest der Himmelfahrt Christi ist weit mehr als eine pure Wiedervereinigung von Vater und Sohn. Es ist der erste,
notwendige Schritt zum Beginn der christlichen Kirche. Jesus macht gewissermaßen den Weg frei für den Heiligen Geist.
Außerdem tritt er mit der Himmelfahrt seine Herrschaft an als der Herr aller Herren und König aller Könige.
Genau darum geht es auch in unserem Predigttext, obgleich er aus dem Buch des ersten Bundes, dem von uns so genannten Alten
Testament, stammt: die Majestät Gottes.
Dass hier Jesus nicht explizit erwähnt wird, braucht uns nicht zu stören. Denn letztlich ist es, wenn wir von Gott reden,
doch immer nur der Eine, der Allmächtige, der Erhabene.
Die Lehre von der Trinität, so schwer sie manchmal nachzuvollziehen ist, hilft uns über diese Hürde, die uns manchmal
trennend zwischen den beiden großen Abschnitten der Bibel zu stehen scheint, hinweg. Gott, der sich uns auf verschiedene
Weise offenbart, bleibt doch immer derselbe.
Durch unseren Predigttext sind wir Zeugen der Einweihung des Tempels in Jerusalem. Salomo tritt vor den Altar Gottes und
beginnt zu beten. Und dieses Gebet hat es in sich.
Klar grenzt er den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs ab von all den anderen Göttern, an die die Menschheit sich gerne
verliert. Kein Gott ist ihm gleich, weder im Himmel noch auf Erden.
Diese Aussage impliziert allerdings, dass es auch andere Götter gibt – aber sie können sich eben mit diesem Gott nicht
messen.
Doch was zeichnet den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs aus? Was macht ihn so besonders, dass kein anderer Gott ihm gleich
sein kann?
Salomo sagt es mit diesen Worten: du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten.
Gott hält den Bund. Er steht zu seinem Wort. Das hat das Volk Israel durch viele Jahrhunderte erfahren, aber auch mit der
Einschränkung, die Salomo macht: die vor Gott wandeln von ganzem Herzen. Immer wieder wandte sich das Volk ab, verlor den
Blick für die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Die Strafe folgte auf dem Fuß – Erziehungsmaßnahmen, so könnte man wohl sagen,
obwohl diese Sichtweise nicht unproblematisch ist. Das Volk Israel hat sein Unglück allerdings immer als Strafe Gottes für
Abfall und Ungehorsam interpretiert.
Durch Jesus dürfen wir auch über diese Einschränkung hinausgehen, die Salomo da macht. Gott hat uns durch Jesus Christus
deutlich gemacht, was es bedeutet, wenn von Gottes Barmherzigkeit gesprochen wird. Sie geht weit über das hinaus, was wir
uns unter Barmherzigkeit vorstellen könnten.
Natürlich ist es gut und richtig, sich mit ganzem Herzen Gott zu zu wenden, aber wir wissen alle, wie schwer es manchmal
fällt. Jesus hat uns die Augen geöffnet und offenbart, dass Gott sich deswegen nicht von uns abwendet. Er bleibt unser Gott,
er hält fest an seinem Bund, er ist barmherzig, nicht weil wir uns zu ihm halten, sondern weil er uns liebt und uns darum
auch vergibt.
Und so kommt Gott uns ganz nah. Er ist bei uns, manchmal auch spürbar, ganz konkret.
Aber kann das wirklich sein? Der Allmächtige, der Erhabene, der Allwissende – kann er uns Menschen, seinen Geschöpfen,
wirklich so nahe kommen, dass wir es spüren können?
Salomo kann es sich nicht vorstellen. „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es
dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“ Wie kann Gott uns so nahe kommen? Wie kann er sich so klein machen, dass er in
ein Haus passt?
Auf das Wie haben wir nicht wirklich eine Antwort. Aber wir wissen, dass er es getan hat. Er ist Mensch geworden. Er hat die
scheinbar unüberwindbare Grenze zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen überwunden, damit wir erkennen, wie nah er uns
ist.
„Gottes Reich ist nahe herbeigekommen“ (Mk 1, 15a), hat Jesus gesagt. Und das war nicht nur damals so, als Jesus unter den
Menschen weilte, sondern gilt auch heute. Das Himmelreich ist mitten unter uns.
Und so können wir mit Salomo feststellen:
Gott ist groß! So groß, dass kein Gebäude und kein Gedanke ihn fassen könnte. Aber auch:
Gott ist klein! So klein, dass wir ihn wie einen Freund oder eine Freundin umarmen können. Aber immer gilt diese Feststellung,
die Salomo in seinem Gebet macht:
Wir können ihm keine Grenzen setzen, weder im Großen noch im Kleinen. Er entzieht sich unserer Vorstellungskraft – und macht
sich uns zugleich vorstellbar, indem er Mensch wird in Jesus Christus.
Was für ein Gott!
Unser Gott!
Das erkennen wir auch, wenn wir auf die weltweite Kirche schauen. Gott wirkt auf der ganzen Welt, überall, wo Menschen leben.
Durch die Himmelfahrt Jesu ist das möglich geworden. Nun kann Gott sich den Menschen in der ganzen Welt zuwenden und nicht nur
einer relativ kleinen Gruppe von Menschen in einem Land. Er umspannt den Erdkreis.
Indem wir auf unsere Geschwister in der weltweiten Kirche schauen, erkennen wir, wie gut es uns geht, und zugleich auch, wie
schlecht es uns geht.
Wenn wir den Christen dort begegnen, erleben wir meist eine große materielle Armut. Die Menschen leben häufig in ärmlichen
Verhältnissen, müssen mit viel weniger auskommen, als das bei uns der Fall ist.
Doch werden wir sogleich an die Worte aus der Offenbarung erinnert, wo Johannes an den Engel der Gemeinde zu Smyrna schreiben
soll: „Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut – du bist aber reich.“
In der Armut reich sein – das erleben wohl nur die, die sich immer im Licht Gottes sehen, und nicht im eigenen Licht. Denn
das eigene Licht kann schwach werden, es kann sogar verlöschen. Das Licht Gottes aber bleibt.
Und das scheint den Christen dort sehr bewusst zu sein. Ihr Leben, auch ihr Alltag, ist gewissermaßen durchdrungen von der
Liebe Gottes. Sie leben diese Worte des Salomo:
Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, Herr, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines
Knechts heute vor dir.
Ihr Leben ist ein Leben des Gebetes. Und in dieses Gebet werden wir, denen es doch viel besser geht als ihnen, mit eingeschlossen.
Das ist uns meist gar nicht bewusst, aber auch heute werden Christen in anderen Ländern dieser Erde für uns beten.
Das wird auf schöne Weise in einem Lied zum Ausdruck gebracht, das wir auch in unserem Gesangbuch finden:
„Denn unermüdlich, wie der Schimmer
des Morgens um die Erde geht,
ist immer ein Gebet und immer
ein Loblied wach, das vor dir steht.“ (EG 266, 3)
Wir sind eingebunden in diese weltweite Kirche, und so beten auch wir für die Christen nah und fern und lassen uns beschenken
von ihrem Gebet.
Ich freue mich darum auch auf den kommenden Sonntag, wenn wir Gäste aus Botswana in unserer Mitte begrüßen dürfen, die uns von
ihrer Heimat erzählen werden und davon, wie sie ihr Christsein dort erleben.
Der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – diese Worte sagen nicht, dass Gott fern von uns ist, sondern sie
vermitteln uns, dass Gott die ganze Welt umfasst. Er ist überall, er ist mitten unter uns. Der große Philosoph Immanuel Kant hat
diese Erkenntnis einmal so beschrieben:
„Ich habe in meinem Leben viele kluge und gute Bücher gelesen. Aber ich habe in ihnen allen nichts gefunden, was mein Herz so still
und froh gemacht hätte, wie die vier Worte aus dem 23. Psalm: 'Du bist bei mir.'“
Gott ist bei mir – das heißt aber auch: er ist bei dir. Denn diese Erfahrung ist für alle Menschen möglich. Er ist mitten unter
uns – er ist mitten unter euch. Gott, in seiner unermesslichen Größe, bildet Gemeinschaft, die über unsere Grenzen hinaus geht,
die die ganze Welt umspannt.
Gott lässt sich nicht unseren eigenen Vorstellungen anpassen. Er passt nicht in ein Haus, und sei es noch so groß und noch so
prunkvoll und schön, etwa so wie unser Kaiserdom. Er lässt sich nicht von uns für unsere Zwecke vereinnahmen. Er bleibt immer
souverän, unabhängig. Aber solche Bauten sind geeignet, unser Herz zu öffnen, dass wir seine Gegenwart spüren und seine Liebe
erfahren.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Jesus Christus herrscht als König (EG 123)
Gott ist gegenwärtig (EG 165)
Treuer Wächter Israel' (EG 248)
Großer Gott, wir loben dich (EG 331)
Manificat anima mea (KHW-EG 600)
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Predigtvorschläge zu Reihe II - Joh 17, 20-26
Liebe Gemeinde!
Jesus hält Fürbitte. Das Beten für andere gehört zur christlichen Existenz dazu. Das Denken an andere ist wesentlicher
Bestandteil christlichen Glaubens. Darum kann es eigentlich auch nicht angehen, zu behaupten, Glaube sei Privatsache.
Zwar ist es natürlich die Entscheidung jedes Einzelnen, woran er glauben möchte – und insofern ist es auch Privatsache.
Aber wer sein Leben als Christ gestalten will, kommt an diesem grundlegenden Wesenszug des Füreinander-Da-Seins nicht
vorbei.
Christliche Kirche bedeutet Gemeinschaft, die über das bloße Nachbarsein hinausgeht. Man nimmt Anteil am Ergehen seiner
Mitmenschen und hilft, wo Hilfe nötig ist. Und man bringt das, wo man selbst vielleicht keine Möglichkeiten der Hilfe
sieht, in der Fürbitte vor Gott.
Nun ist das Gebet, das uns hier vom Evangelisten Johannes überliefert wird, etwas Besonderes. Es wurde als „Das
hohepriesterliche Gebet“ überschrieben und ist Teil der sogenannten Abschiedsreden, die wir in dieser Form nur
bei Johannes finden.
Es wird eine innige Verbindung zwischen Jesus und seinen Jüngern deutlich, wobei aber Jesus nicht nur den damals
aktuellen Zustand, sondern auch die Zukunft sieht, in der er selbst leibhaftig nicht mehr unter ihnen sein kann.
Er denkt also an uns.
Das Anliegen des Gebetes müsste uns die Tränen in die Augen treiben, denn es ist etwas, wovon wir heute weit entfernt
sind. Jesus betet, damit sie – d.h. die, die an ihn glauben – alle eins seien.
Schon im 11. Jahrhundert (1054) kam es zu Spannungen und schließlich zur Trennung von der Ost- und der Westkirche, und
im 16. Jahrhundert entstand nicht nur die lutherische, sondern gleich eine ganze Reihe von protestantischen Kirchen,
die sich zumindest in jener Zeit überhaupt nicht grün waren.
Schon zuvor waren protestantische Kirchen entstanden, die Waldenser, Lollarden und Hussiten, woraus teilweise grausame
Kriege hervorgingen. Auch nach der Reformation kam es unter den Christen immer wieder zu kriegerischen
Auseinandersetzungen, die viel Leid unter den Christen verursachten.
Heute gibt es zahlreiche Denominationen, die jede für sich das Recht in Anspruch nehmen, sich aus diesem oder einem
anderen Grund vom Rest der Christenheit abzugrenzen.
Und dagegen steht der Wille Jesu, dass wir alle eins seien.
Letztlich geht es doch nur um den Glauben an Jesus Christus – um das unverbrüchliche Vertrauen in die Liebe Gottes, die
in ihm sichtbar wurde. Das mag zwar der kleinste gemeinsame Nenner sein – aber müssten wir darum, weil wir alle dies
gemeinsam haben, nicht auch eine Kirche sein?
Hat Jesus etwa vergeblich darum gebetet, dass sie alle sein sein sollen?
Im Grunde wohl ja, denn schließlich erleben wir diese Einheit nicht. Zwar gibt es die sogenannte Arbeitsgemeinschaft
Christlicher Kirchen, die ACK, unter der sich viele der protestantischen Denominationen versammeln und einige gemeinsame
Eckpunkte festsetzen.
Und es gibt den Ökumenischen Rat der Kirchen, dem rund 350 Kirchen aus über 120 Ländern angehören. Aber dennoch bleiben
die Kirchen, die Mitglieder solcher Organisationen sind, jede für sich, und wie wenig wir voneinander wissen, kann
einem z.B. auf dem Kirchentag besonders deutlich werden.
An einem dieser Kirchentage nahm ich an einer Abendveranstaltung teil, die überschrieben war mit „Toast auf die Ökumene“.
Es ging dabei ums Essen – konfessionsübergreifend, versteht sich. Es war ein Erzpriester der orthodoxen Kirche, ein
Erzbischof der römisch-katholischen und ein Bischof der evangelischen Kirche vertreten. Es gab etwas zu essen, und der
orthodoxe Erzpriester war gebeten worden, das Tischgebet zu sprechen.
Er begann mit einer Anekdote: Es wurde von einer ökumenischen Gruppe kirchlicher Funktionäre ein Essen veranstaltet,
zu dem auch ein jüdischer Rabbi eingeladen worden war. Der Tisch war reich gedeckt – mit Speisen, die der Rabbi aufgrund
der biblischen Speisegebote nicht zu sich nehmen durfte. Am Ende bat man ihn, das Dankgebet zu sprechen, und freute sich
an der ökumenischen Geste, während der Rabbi leicht verwirrt Gott dankte für ein Essen, das er nicht hatte essen dürfen,
weil Gott es so geboten hatte.
Der orthodoxe Erzpriester fuhr dann fort mit dem Hinweis, dass es für ihn nicht ganz so tragisch sei, obgleich diese
Veranstaltung am Karfreitag, dem bedeutendsten Fastentag der orthodoxen Kirche, durchgeführt wurde, denn ihm sei ja
das Gebet vor dem Essen übertragen worden.
Wahrscheinlich war wenigen in dem großen Saal überhaupt bewusst gewesen, dass die orthodoxe Kirche Ostern zu einem
anderen Termin als Protestanten und römische Katholiken feiern, und dass dieser Freitag, damals der 3. Mai, der
Karfreitag im orthodoxen Kirchenjahr war, wussten wohl die wenigsten. Ich frage mich, ob es den Veranstaltern bewusst
gewesen war.
Wir wissen also wenig voneinander, und das ist ausgesprochen schade, denn es ist doch eigentlich ungeheuer interessant,
zu sehen und zu verstehen, welche Ausdrucksformen christlichen Glaubens die Christen an anderen Orten oder auch in der
Nachbarschaft gefunden haben. Manches könnte sicher auch uns bereichern.
Ich hatte zu Studienzeiten einen Kommilitonen, der kurz vor Beginn seiner Studien ein Erlebnis hatte, das ihn vehement
zur römischen Kirche hinzog. Er war ein inbrünstiger Verehrer Marias geworden.
Wir haben oft darüber gesprochen, warum er zur römisch-katholischen Kirche konvertieren wolle – was er übrigens erst
nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums tat. Von diesen Gesprächen ist mir vor allem eines in Erinnerung
geblieben:
Er meinte, dass die römische Kirche eine große Vielfalt zulasse, während die protestantische Kirche sich immer weiter
spalten würde und einem Flickenteppich gleiche, der durch ökumenische Organisationen wie z.B. den Weltrat der Kirchen
mehr schlecht als recht zusammengehalten würde.
Die römische Kirche wahrt nach seiner Ansicht die Einheit der Kirche in aller Vielfalt, so wie sie auch durch Jesus
erbeten wird, und wir Protestanten sind es, die diese Einheit zerstört haben.
Ich würde das zwar zumindest vom geschichtlichen Hintergrund her anders sehen, aber es gibt mir bis heute zu denken.
Was ist aus dem Gebet Jesu um die Einheit aller Gläubigen geworden?
Ist es vergeblich gewesen, oder ist es vielleicht eine Zukunftsvision, auf deren Erfüllung wir noch warten, so wie
so manches prophetische Wort?
Das kann es wohl kaum sein, denn Jesus will ja, dass die Christen nach außen hin wirken: die Welt soll glauben können,
dass Jesus von Gott gesandt ist.
„Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast“ betet Jesus, „damit sie vollkommen eins seien und
die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.“ (Joh 17, 22-23)
Die Einheit der Christen scheint demnach eine Voraussetzung dafür zu sein, daß die Welt auf Gottes Liebe aufmerksam
werden und ihr vertrauen kann.
Jesus blickt also definitiv nicht in eine ferne Zukunft, die vielleicht sogar erst am Jüngsten Tag sichtbar wird. Es
geht vielmehr um ein glaubwürdiges Zeugnis, das vor allem durch die Einheit der Christen an Überzeugungskraft gewinnt.
Denn in der Einheit der Christen wird die Kraft der Liebe Gottes und des Heiligen Geistes erkennbar. Wenn Menschen trotz
aller Unterschiede bereit sind, aufeinander zu hören und zu achten, dann ist das in unserer Zeit schon etwas Besonderes,
auf das Menschen aufmerksam und neugierig werden.
Aber dieses Zeugnis wird durch die Zersplitterung der Kirche ungeheuer schwierig.
Denn die Reformation hat nicht nur neue und durchaus richtige Erkenntnisse gebracht – sie hat auch die Einheit der Kirche
zerstört und in der Folge viel Leid vor allem über die Bevölkerung in Deutschland, aber auch in ganz Europa gebracht,
wenn wir nur an den 30-jährigen Krieg denken.
Natürlich könnte man jetzt spitzfindig werden und sagen: Woher weiß Johannes denn, was Jesus gebetet hat? Vielleicht hat
er sich das ja nur ausgedacht, um drohenden Spaltungen in der frühen Christenheit entgegen zu wirken?
Die Evangelien wurden ja für eine bestimmte Zielgruppe geschrieben, und vielleicht hatte Johannes tatsächlich eine Gemeinde
vor Augen, in der es schon Tendenzen zur Spaltung gab.
Wir wissen auch aus den Briefen des Paulus, dass es schon in den ganz jungen Gemeinden zu Auseinandersetzungen darüber kam,
wer denn nun richtig glauben würde. Manche machten es abhängig von der Verkündigung eines bestimmten Menschen, andere
machten sich ihre Gedanken über das Wesen Jesu: ist er nun Gottes Sohn oder nur ein von Gott beseelter Mensch? Was
bedeutet sein Tod am Kreuz?
Die Antworten auf diese Fragen fielen schon in den ersten Jahrzehnten der Christenheit unterschiedlich aus, und je nachdem,
in welchem Maße diese Fragen an Bedeutung gewannen, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen bis hin zur Spaltung der Gemeinde.
Die Frage, wer das Richtige glaubt, ist aber im Grunde die falsche Frage. Wir werden darauf vertrauen müssen, dass der
Heilige Geist uns den richtigen Glauben schenkt. Und wir müssen wohl auch darauf vertrauen, dass der Heilige Geist in
allen Menschen Glauben wirken kann – richtigen Glauben.
Wenn wir das Abendmahl feiern, heißt es bei der Entlassung: „Das stärke und erhalte euch im rechten (d.h. im richtigen)
Glauben zum ewigen Leben.“
Ich erinnere mich an einen Pastor, der mir, noch bevor ich mein Studium begann, erzählte, dass er bei der Entlassung vom
Abendmahl das Wort „rechten“ weglasse, denn wer wolle entscheiden, was der richtige Glaube ist?
Mittlerweile ist mir klar geworden, dass wir das ja gerade nicht entscheiden, sondern der Heilige Geist. Und darum ist
diese Segensbitte zur Entlassung beim Abendmahl eigentlich gerade richtig so, wie sie schon seit Jahrhunderten gesprochen
wird.
Denn es ist eine Bitte, die wir an den Heiligen Geist richten. Er erhalte unseren Glauben in der rechten Weise, er stärke
uns zu diesem rechten Glauben durch die Gaben, die wir im Abendmahl empfangen.
Wir sind noch – oder wieder – weit entfernt von der Einheit, die Jesus für alle erbittet, die an ihn glauben. Und ob die
Worte nun wörtlich dem entsprechen, was Jesus gesagt hat, ist nicht so wichtig, wohl aber, dass sie dem Geist und dem
Willen Jesu entsprechen, und davon bin ich überzeugt.
Denn die Einheit der Christen kann nicht nur ein Wunschtraum sein, sie ist nötig, damit die Welt erkennt, dass Jesus
Christus der Sohn Gottes ist.
Nun argumentieren manche, dass es die eine, die einzige, Kirche schon gibt – nämlich im Reich Gottes: dort gibt es keine
Lutheraner, Reformierte, Baptisten, römische Katholiken, Altkatholiken, Selbständige Lutheraner, Methodisten, Pfingstler
usw. Dort sind wir alle wahrhaftig Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
Aber hier, in dieser Welt, gibt es nach wie vor die unzähligen Denominationen, die sich voneinander abgrenzen, weil sie
meinen, für sich den richtigen Glauben in Anspruch nehmen zu dürfen.
Unsere Aufgabe ist es, uns für die Einheit der Kirche in dieser Welt stark zu machen und dabei den Glauben nicht klein zu
reden, sondern uns ernsthaft um den rechten Glauben bemühen, den uns der Heilige Geist schenken will.
So lasst uns auch unser Gebet einmünden in das Gebet Jesu – dass die Kirche auch in dieser Welt eins werde, damit die
Welt glauben kann.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Ich hang und bleib auch hangen (EG 112, 6-8)
Christ fuhr gen Himmel (EG 120)
Auf Christi Himmelfahrt allein (EG 122)
Herz und Herz vereint zusammen (EG 251)
Herr, du hast darum gebetet (EG 267)
Such, wer da will (EG 346)
Er hält die ganze Welt (KHW-EG 619)
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Predigtvorschläge zu Reihe III - Eph 1, 20b-23
Liebe Gemeinde!
Himmelfahrt ist wohl für viele ein schwieriges Fest. Was soll man darunter verstehen, und wie soll man
damit umgehen?
Beliebt sind die Gottesdienste unter freiem Himmel – das ist mal was anderes, und auch wenn die Witterung
nicht unbedingt einladend ist, macht man gerne mit.
Die Mehrheit wird es sich aber wohl einfacher machen und sich vom anderen Proprium, nämlich dem Vatertag,
zum Gang in die freie Natur inspirieren lassen.
Für mich ist Himmelfahrt vor allem deswegen problematisch, weil man das Wort Himmelfahrt eigentlich so
verstehen muss, als ob Jesus sich nach oben davon gemacht hätte. Er ist eben in den Himmel gefahren – natürlich
nicht mit einem Fahrstuhl oder einem Auto, aber irgendwie schon. Von Wolken ist die Rede, die ihn aufgehoben
haben gen Himmel, und man bleibt wirklich verwundert zurück. Was will er da oben?
Für mich ist es deswegen problematisch, weil ich mir Gott nicht oben im Himmel – ein paar 1000 Kilometer über
uns – vorstelle, sondern weil ich davon überzeugt bin, dass Gott mit seinem Reich mitten unter uns ist – in
einer Form, die sich unseren Sinnen noch entzieht, aber die sich eines Tages dann doch allen offenbaren wird,
die an ihn glauben.
Wenn wir von Gott als dem Allmächtigen und Allgegenwärtigen reden, merken wir ja eigentlich auch unweigerlich,
wie wenig das mit dem Himmel über uns zu tun hat. Wäre Gott dort oben und wollte die ganze Welt überblicken,
so wie Menschen es tun – es wäre nicht möglich. Entweder hat er einen guten Überblick über die USA, oder über
Europa, oder über Afrika, oder über Asien – aber die Perspektive vom Himmel aus erlaubt beim Blick auf eine
Kugel immer nur einen Teil dieser Kugel zu sehen.
Früher, als die Texte der Bibel niedergeschrieben wurden, hatte man mit dieser Vorstellung nicht solche Probleme,
weil man meinte, dass die Erde eine flache Scheibe sei. Wenn man darauf schaut, ist ganz klar, dass man auch
alles sehen kann.
Aber diese Vorstellung haben wir schon lange hinter uns gelassen, und die Worte, die wir aus Jesu eigenem Mund in
der Bibel lesen können, wie auch unser Predigttext machen deutlich: der Himmel, in dem Gott zu Hause ist, hat
nichts mit dem Himmel zu tun, den wir über uns sehen. Wenn Jesus davon spricht, dass das Himmelreich nahe
herbeigekommen oder sogar mitten unter uns ist, dann meinte er damit nicht seine eigene Person. Er hat uns
vielmehr durch seine Worte und Taten gezeigt, wie nah das Himmelreich tatsächlich ist, und welche Kraft es
in unserer Welt entfalten kann.
Jesus hat angefangen, dieses Himmelreich sichtbar zu machen – für alle Menschen. Dass es da die Mächtigen
mit der Angst zu tun bekamen, ist nur allzu verständlich. Wer möchte es schon mit dem Allmächtigen zu tun
bekommen! Und dass sie dann alles daran setzten, Jesus zu töten, ist auch verständlich. Aber damit brachten
sie im Grunde nur einen Stein ins Rollen, der das Gegenteil von dem tat, was sie erwartet hatten.
Denn der Tod setzt zwar den Mächtigen dieser Welt ein Ende, aber Gott kann er nicht stoppen.
Und so wurde Christus von den Toten auferweckt, wie Paulus im Epheserbrief sagt, und zur Rechten Gottes eingesetzt
über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat.“ (Eph 1, 21)
Himmelfahrt – was ist das?
Zunächst einmal: Jesus kehrt zurück zu seinem Vater.
Vielleicht hat das den Anlass gegeben, dass man den Himmelfahrtstag zum Vatertag deklarierte. Doch die Rückkehr
zum Vater ist in diesem Fall anders, als wenn wir es erleben. Wenn der Sohn oder die Tochter zum Vater zurück
kehrt. Denn sie bleiben Sohn oder Tochter, sie bleiben Individuen, völlig unabhängig, auch wenn sie emotional
mit dem Vater verbunden sind. Sie treffen ihre eigenen Entscheidungen, und nicht immer ist es ein harmonisches
Beisammensein, das man da beobachten kann.
Anders ist die Rückkehr Jesu zu seinem Vater. Denn, so hat Jesus gesagt, er und der Vater sind eins. (Joh 10, 30)
Während dies in gewisser Weise auch für den menschlichen Jesus zutraf, so kann dies doch erst wieder mit seiner
Rückkehr zum Vater wirklich werden. Durch die Himmelfahrt wird die Einheit von Vater und Sohn wieder hergestellt.
Dass da in unserem Predigttext davon geredet wird, dass Christus „zur Rechten“ Gottes eingesetzt wird, klingt
aber anders. Man kann sich da leicht so etwas wie den Olymp vorstellen, einen Götterhimmel, wo sich die Götter
eine Party nach der anderen gönnen und nur hin und wieder mal auf die Menschen herab schauen – und Zeus hat
dann neben sich zu seiner Rechten etwa seinen Sohn Herakles.
Aber so ist es nicht gemeint. Das Gottesbild der Bibel ist ein anderes. Gott hat nur in Jesus Christus das
Menschsein angenommen. Ansonsten bleibt Gott der Allmächtige und Allgegenwärtige, weswegen es ein Rechts von
ihm gar nicht geben kann und auch die Vorstellung von Gott als einer Person viel zu kurz greift.
Jesus vereint sich wieder mit seinem Vater. Und das bedeutet, dass er nun wieder das wird, was er vorher nicht
sein konnte, solange er als Mensch auf Erden wandelte: er wird und ist Gott. Bestenfalls ließe sich sagen, um
bei dem menschlichen Bild Gottes zu bleiben, dass Jesus nun die Rechte Hand Gottes ist – aber es widerstrebt
mir, so zu denken.
Durch die Himmelfahrt wird offenbart und vollendet, was Jesus als Mensch zeichenhaft sichtbar machte: dass er und
der Vater eins sind, dass er Gott ist.
Und so tritt Jesus die Herrschaft an, die ihm zusteht.
Mit großen Worten malt Paulus diese Herrschaft: über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst
einen Namen hat, und das nicht nur auf Erden, sondern auch in der vollendeten Welt, wenn das Alte vergangen ist.
Jesus Christus hält die Macht gewissermaßen in seiner Hand.
Da fragt man sich ja doch, und viele tun es gewiss auch immer wieder, warum er diese Macht nicht einsetzt, um die
Mächtigen in ihre Schranken zu weisen. Denn wozu hat er diese Macht, wenn er sie nicht auch einsetzt?
Warum also schreitet er nicht ein, wenn Menschen Böses tun? Warum verhindert er nicht, dass sich inmitten völlig
ahnungsloser und unschuldiger Menschen einer in die Luft sprengt und damit Hoffnungen und Lebenspläne vieler
anderer auf grausame Weise schlagartig zunichte macht?
Warum lässt er es nicht regnen in Ostafrika, damit das Elend der Hungernden dort endlich ein Ende hat?
Warum macht er der Rüstungsindustrie kein Ende, damit Menschen wieder in Frieden leben können und sich nicht immer
neu Flüchtlingsströme in Richtung Europa auf den Weg machen?
Ich weiß, dass Gott selbst dieses Elend nicht gleichgültig ist. Und ich weiß auch, dass ihm unsere Selbstbestimmtheit,
unsere Freiheit über alles geht. Nur dass viele Menschen nicht begreifen wollen, dass mit Freiheit auch Verantwortung
einhergeht. Profitgier und Machtstreben lassen die um der Verantwortung willen nötigen Grenzen schnell wieder fallen,
und so kommt es zu unsäglichem Leid und zu brutaler Gewalt.
Die Worte des Epheserbriefes machen mir deutlich: das ist nicht das letzte, was geschieht. Vielleicht können wir
durch unsere Hilfe in Form von Spenden schon etwas Not lindern, aber das scheinbar bodenlose Fass lässt sich
letztlich nur durch einen massiven Wandel der weltweiten Wirtschaft in ein System, das nicht den Profit, sondern
die gerechte Verteilung aller Güter im Blick hat, füllen.
Aber auch hier sind wir ja gefragt. Der Kauf fair gehandelter Waren oder der Verzicht auf Billigware, die immer auf
dem Rücken der Ärmsten produziert wurde, gibt uns wenigstens eine kleine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.
Aber das ist nicht alles. Paulus lässt uns wissen: das letzte Wort hat Gott selbst. Er wird diese Welt vollenden, er
wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.
Jesus Christus hat sehr deutlich gesagt, wie das letzte Wort aus dem Mund Gottes klingen wird: „Was ihr einem von diesen
meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan, [und] was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten,
das habt ihr mir auch nicht getan.“ (Mt 25, 40b+45)
Es ist ein Wort des Gerichtes. Und so wenig wir davon hören wollen, so wahr ist es: wir werden uns verantworten müssen
für das, was wir tun.
Das mag ein Trost sein in dieser von Not und Elend gezeichneten Welt, denn wir wissen, dass auch die nicht ungeschoren
davon kommen werden, denen das Leben ihrer Mitmenschen gleichgültig ist.
Aber wenn wir das nur hören und daraus nicht auch Konsequenzen für unser eigenes Leben ziehen, bleibt dies nur ein
Vertrösten.
Und da bin ich dankbar für die letzten Worte unseres Predigttextes, die mir deutlich machen: Jesus ist durch die Himmelfahrt
nicht in unendliche Ferne gerückt. Durch seinen Geist ist er mitten unter uns, er ist unser Haupt, er leitet seine Gemeinde.
Freilich gilt auch hier, dass wir nicht wie Marionetten geleitet werden, dass wir nicht blind gehorsame Befehlsempfänger
und -ausführer sind, sondern dass Gott uns immer die Freiheit lässt, selbst zu einer Entscheidung zu kommen und das Richtige
zu tun.
Dadurch, dass Christus das Haupt und die Fülle der Gemeinde ist, können wir uns nun auch getrost den Mächtigen dieser Welt
in den Weg stellen. Denn die Tatsache, dass ER Herr aller Mächte und Gewalten ist, lässt uns auch gelassen auf diese Mächte
und Gewalten blicken. Sie können uns keine Angst machen, es sei denn, wir haben diese Fülle Gottes noch nicht in uns
aufgenommen.
Wenn wir sie aber in uns aufgenommen haben, dann ist der Trost, dass Christus der Allmächtige selbst ist, kein Vertrösten,
sondern ein Ansporn dazu, dieser Welt ein neues Gesicht zu geben – das Gesicht, das von Seiner Herrschaft geprägt ist und
nicht von der Gier nach Geld und Macht.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gen Himmel aufgefahren ist (EG 119)
Jesus Christus herrscht als König (EG 123)
Der Himmel, der ist (EG 153)
Der du in Todesnächten (EG 257)
Sonne der Gerechtigkeit (EG 262/263)
Bei dir, Jesu, will ich bleiben (EG 406)
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Predigtvorschläge zu Reihe V - Lk 24, (44-49) 50-53
Liebe Gemeinde!
Der Tag Christi Himmelfahrt stellt uns vor eine Herausforderung, denn es fehlt eine vernünftige Tradition, die diesen
Tag im Bewusstsein der Bevölkerung verankert: so etwas wie die Krippe oder der Tannenbaum am Heiligabend etwa, oder
das Ostereiersuchen am Ostermorgen.
In den letzten Jahren hatten wir an diesem Tag stets einen Gast aus Übersee unter uns, doch das ist heute nun nicht
der Fall, und so ist es schwer, hierin eine Tradition zu sehen, die dem Tag eine besondere Note gibt.
Das Bemühen, dies zu tun, zeigt aber, dass wir mit diesem Tag unsere Probleme haben. So richtig mit Inhalt füllen
können wir ihn nicht.
Da war es offenbar viel leichter, diesen Tag zum Vatertag zu machen und ihn so im Bewusstsein der Gesellschaft zu
verankern. Das ist mittlerweile überall präsent.
Mit ein bisschen Mühe kann man das sogar vom christlichen Gehalt her begründen: Christus kehrt zu seinem Vater zurück.
Da haben wir den Vater ja.
Nur wird dieser Aspekt natürlich nicht wirklich wahrgenommen. Vielmehr nutzen viele Männer diesen freien Tag, um mit
gehaltvollen Getränken, die sie in einem Handkarren mit sich führen, umher zu ziehen. Manche andere nutzen es als
Familientag, indem sie einen Ausflug machen.
Aber was hat das mit der Botschaft dieses Tages zu tun? Was ist die Botschaft dieses Tages? Ist es nur der Abschied
Jesu, sein Sich-Davon-Machen-Und-Uns-Im-Stich-Lassen?
Schauen wir uns den Predigttext einmal etwas genauer an.
Da ist zunächst der Abschied. Jesus erinnert dabei an die Worte, die er schon vor seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung
zu den Jüngerinnen und Jüngern gesagt hatte: Alles muss erfüllt werden, was von ihm geschrieben steht im Gesetz des Mose,
in den Propheten und in den Psalmen. Und es ist erfüllt worden: dass er leiden und sterben musste und am dritten Tage
auferstehen.
Doch das ist noch nicht alles. Zwar findet man nirgends einen Bezug dazu in den Schriften des Volkes Israel, die wir das
Alte Testament nennen, doch Jesus scheint dies genauso wie das andere darin zu erkennen:
dass gepredigt wird in Christi Namen die Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.
Das ist ein Vermächtnis, ein Auftrag. In diesen Worten begegnen sich Vergangenheit und Zukunft. Das eine ist gerade
geschehen, das andere wird geschehen.
Im Grunde ist hier schon die Geburtsstunde christlicher Gemeinde, allein dass ihr die Kraft des Heiligen Geistes fehlt,
aber auch der wird ihr ja verheißen.
Hier erhält die Gemeinde ihren Auftrag durch Christus selbst, den Auftrag, der sie auszeichnet und heraushebt aus dieser
Welt, obgleich sie in der Welt bleibt:
zu predigen die Buße zur Vergebung der Sünden.
Endlich nun darf die Gemeinde Jesu Christi aktiv werden, nachdem sie lange passiv den Fußstapfen ihres Herrn und Meisters
gefolgt war, nicht ohne Angst.
Nun beginnt eine neue Zeit. Jetzt ist die Zeit der christlichen Gemeinde, ihr Auftrag beginnt, als sie von Christus selbst
den Segen empfängt, bevor er dann in den Himmel aufgenommen wird.
Die Jüngerinnen und Jünger sind keineswegs traurig, wie man eigentlich erwarten sollte, sondern sie sind voll großer
Freude! Sie gehen in den Tempel und loben Gott, sie singen Psalmen, reden von den Wundern, die Gott durch Jesus Christus
getan hat, und beginnen damit schon, ihren Auftrag auszuführen.
Gott versöhnt uns Menschen mit sich selber durch Jesus Christus!
Was für eine Botschaft!
Doch nur für den, der glaubt, dass das Verhältnis zwischen Gott und Mensch in irgendeiner Weise gestört sei.
Darin liegt das Problem unserer Zeit: Immer weniger Menschen lassen sich darauf ein, an den allmächtigen Gott zu glauben,
den Schöpfer des Himmels und der Erde – den, der über den Himmeln thront und dem keiner gleich ist. Sie entwickeln
stattdessen ein eigenes, ihren Vorstellungsmöglichkeiten angepasstes Gottesbild, das sich gut dazu eignet, das eigene
Leben so zu gestalten, wie sie es für richtig und nötig halten.
Götzendienst hat man es früher genannt, wenn sich Menschen ihr eigenes Gottesbild machten und es pflegten und verehrten.
Heute schweigt man darüber, weil das Grundgesetz die Religionsfreiheit zusichert und damit jeder das glauben kann und darf,
was er will, solange es nicht der Gesellschaft schadet.
Aber warum können sich so wenig Menschen für das Evangelium begeistern? Warum gibt es auch in unserer Volkskirche viele
Menschen, die sich ihr eigenes Gottesbild schnitzen und darum z.B. gerne darauf verzichten, mit uns gemeinsam Gottesdienst
zu feiern?
Ein Grund könnte darin liegen, dass wir – man nennt dieses „wir“, das heute hier versammelt ist, übrigens gerne auch
Kerngemeinde – keine Ausstrahlung haben.
Wenn wir uns den Text anschauen, fällt uns auf, dass da von großer Freude die Rede ist. Ganz so wie am Anfang des
Evangeliums, als von der Geburt Jesu erzählt wird und der Engel sagt: Siehe, ich verkündige euch große Freude!, so
auch hier; doch ist es nun nicht mehr nur eine Ankündigung. Die große Freude ist da:
Und sie „kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.“
Da ist die verheißene große Freude Wirklichkeit geworden. Aber wo ist sie geblieben?
Eins ist klar: Freude lässt sich nicht verordnen. Das wird zwar immer wieder versucht, indem man Bewährtes beiseite schiebt
unter dem Vorwand, es sei altmodisch oder niemand würde es verstehen, und dann setzt man der Gemeinde etwas Einfacheres,
Oberflächlicheres vor, das für einen Moment tatsächlich die Gemüter aufhellen kann.
Aber es fehlt an Tiefe, und darum sind all diese Versuche, die es nicht nur in unserer Zeit gegeben hat, sondern auch in
den vergangenen Jahrhunderten, letztlich doch alle im Sande verlaufen.
Luther wusste, warum er an den Traditionen der Kirche festhielt, soweit sie dazu geeignet waren, dem Evangelium zu dienen,
der guten Botschaft von der Liebe Gottes, die die Herzen der Menschen fröhlich macht.
Es steckt in dieser Tradition eine ungeheuer tiefe Lebenserfahrung vieler Generationen, die nicht so leicht neu gewonnen
werden kann. Darum gehören z.B. die Psalmen auch zum Schatz christlicher Gemeinde, denn in ihnen wird das Gotteslob, aber
auch das Flehen und die Verzweiflung in einzigartiger Weise laut, wie es heute kaum ein Mensch mehr in Worte fassen könnte:
Gott fährt auf unter Jauchzen – Gott ist König über die Völker, Gott sitzt auf seinem Heiligen Thron.
Himmelfahrt ist ein Fest der Freude. Der Freude darüber, dass wir Gesegnete des Herrn sind, Kinder Gottes. Und dass Gott
Herr ist über Himmel und Erde, dass uns niemand schaden kann, weil er unser Schirm und Schild ist.
Ist das nicht genug, um fröhlich und dankbar sein zu können? Und ist das nicht genug, damit wir es weitersagen können?
Leider wohl nicht. Das Elend dieser Welt zieht uns immer wieder hinunter, und natürlich macht auch der Unglaube dieser Welt
uns sehr zu schaffen. Was können wir schon dagegen ausrichten? Wie können wir dem Bösen widerstehen, das sich den Glaubenden
immer wieder in den Weg stellt?
Nun, wir brauchen es gar nicht. Denn das tut ja Gott selbst für uns. Der Sieg ist längst errungen in Jesus Christus. Darum
konnten die Jünger damals mit großer Freude Abschied von ihm nehmen und fortan Gott loben und preisen; darum können auch
wir fröhlich sein. Denn eines dürfen wir gewiss sein: Gott steht zu seinen Verheißungen. Und eine Verheißung ist die, dass
wir die Kraft Gottes, seinen Geist, haben. Nicht, als ob wir ihn besitzen, sondern eher wie ein Wegbegleiter. Denn was
damals verheißen wurde, ist ja längst zu Pfingsten wahr geworden.
Es bedarf höchstens der Erinnerung dieser Großtaten Gottes, wozu ja auch unsere Gottesdienste, die uns in die Tradition des
Gotteslobs stellen, dienen, um diese große Freude nachempfinden zu können. Wir gehören dazu zur Gemeinde Jesu Christi, wir
leben unter seinem Segen.
Vielleicht hilft es, wenn wir uns immer wieder auch in alltäglichen Situation Gott zuwenden, mit einem kurzen Gebet,
vielleicht auch in Form des Herzensgebetes: in einem Atemzug etwa die Worte „Hilf, Jesus“, oder „Christus, erbarme dich“
in unserem Herzen zu sagen, damit die Freude wieder wach wird darüber, dass Gott uns nicht verlässt, sondern bei uns ist.
Machen wir es der Welt bekannt. Hören wir nicht auf, Gott zu loben und zu preisen.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Auf, auf, mein Herz, mit Freuden (EG 112)
Gen Himmel aufgefahren ist (EG 119)
Auf Christi Himmelfahrt allein (EG 122)
Jesus Christus herrscht als König (EG 123)
Bei dir, Jesu, will ich bleiben (EG 406)
Siehe, ich bin bei euch (EG 419)
Weißt du, wo der Himmel ist (KHW-EG 622)
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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Apg 1, 3-11
Liebe Gemeinde!
„Jesus zeigte sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige...“ Wenn ich solche Worte höre, frage ich mich
fast unweigerlich: wer glaubt das eigentlich noch? Wer glaubt, dass der auferstandene Herr Jesus, der Christus, sich seinen
Jüngern zeigte, nicht nur einmal, sondern viele Male?
Viele Theologen haben die Aufgabe der Interpretation dieser Erzählungen längst an die Tiefenpsychologen abgetreten, denn es
gehe hier doch eher nur um Hirngespinste, wobei man natürlich nicht dieses Wort gebraucht, denn das wäre doch allzu
abwertend, es aber durchaus meint.
„Glaubensbilder“, könnte man vielleicht anstelle von „Beweisen“ sagen – Bilder, die beschreiben wollen, wie der Auferstandene
die Herzen der Jünger – und ich möchte natürlich auch die Jüngerinnen dazu zählen – aufwühlte.
Merkwürdig nur, dass uns gar nicht so viele „Beweise“ überliefert wurden. Da haben wir die Geschichte von den Emmaus-Jüngern,
die uns Lukas, der Verfasser auch der Apostelgeschichte (und damit unseres Predigttextes), selbst überliefert. Dann erzählt er
noch einmal davon, wie Jesus den Jüngern erschien, und das war's dann auch schon. Markus verzichtet eigentlich ganz auf
solch einen Beweis, und Matthäus beschränkt sich auf die eine Begegnung in Galiläa, wo der auferstandene Herr die Jünger
auffordert, das Evangelium in die Welt hinauszutragen und alle Völker zu Jüngern zu machen.
Nur das Johannes-Evangelium geht etwas detaillierter auf die Zeit nach der Auferstehung ein: Da ist die Erzählung davon,
wie Jesus den Jüngern die Vollmacht überträgt, Sünden zu vergeben. Da ist der Bericht vom sogenannten „ungläubigen Thomas“,
und dann berichtet der Evangelist noch von der Erscheinung des Auferstandenen am See Tiberias.
Aber eigentlich noch nicht genug, um von „vielen Beweisen“ zu reden, denn, manche dieser Erzählungen überschneiden sich ja
auch.
Und dennoch spricht Lukas davon, als seien es viele und als seien diese vielen Beweise allen bekannt. Und für die damalige
Gemeinde war es ja auch so. Denn die Apostel hatten davon erzählt, und alle Gemeinden hatten davon teilweise aus erster,
oft aus zweiter und höchstens aus dritter Hand gehört. Die Berichte der Augenzeugen waren im Umlauf, sie wurden erzählt
und wurden zum Schatz der Erinnerung für die christliche Gemeinde.
Da gab es keinen Grund zum Zweifel, anders als für viele Menschen heute. Es scheint, dass, je größer der zeitliche Abstand
zum eigentlichen Geschehen wird, desto bereiter ist man, aufzugeben, was die Christenheit jahrhundertelang geglaubt hat.
Natürlich ist man heute aufgeklärt, die Vernunft hat gesiegt, da haben solche Geschichten eigentlich keinen Platz – höchstens
für Kinder sind sie noch gut.
Aber geht es hier wirklich um neuen Wein in alten Schläuchen? Geht es darum, dass wir mit der Zeit gehen und endlich
das, was uns die Alten erzählt haben, hinter uns lassen müssen? Geht es darum, Inhalte des Glaubens an unsere Zeit anzupassen?
Aber was für ein Glaube ist das, der der Beliebigkeit menschlichen Denkens und Handelns ausgeliefert wird? Sind nicht gerade
diese Erzählungen, diese „Beweise“, der Kern unseres Glaubens?
„Der Herr ist auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Wenn wir uns das zu Ostern zurufen, dann tun wir das doch
nicht nur, weil es schön klingt oder irgendwie etwas Mystisches hat, mit dem man gerne mal in Kontakt tritt, sondern weil
wir es glauben: Gott hat den Tod überwunden, er hat das wahre Leben möglich gemacht.
Und tatsächlich redet der Auferstandene Jesus ja auch genau davon, von diesem wahren Leben, indem er vom Reich Gottes
erzählt oder, besser gesagt, mit ihnen über das Reich Gottes spricht.
Das Reich Gottes, das wir üblicherweise „Himmel“ nennen, ist die Wahrheit Gottes. Es ist die Verwirklichung dessen, was
wir hoffen und glauben. Es bedeutet Gerechtigkeit, die Gott uns schenkt, die also nicht durch irgendeine Handlung
unsererseits erst erworben wird. Denn wir könnten gar nicht den Ansprüchen Gottes genügen, wenn nicht Gott selbst uns
alles schenken würde.
Jesus Christus hat durch sein Kreuz und seine Auferstehung gewissermaßen die Tür geöffnet, damit wir nicht mehr wie die
Kinder vor der Weihnachtsstube nur durch ein Schlüsselloch hindurch schauen und versuchen, rauszukriegen, was da alles
sein könnte. Die Tür ist weit offen, wir dürfen eintreten in das Reich Gottes, oder wenigstens einen Blick hinein
werfen.
Das Reich Gottes, es ist mitten unter uns – und so bekommt auch die Himmelfahrt Jesu eine etwas andere Bedeutung, als der
Name nahelegen könnte. Denn Jesus wurde aufgenommen in das Reich Gottes, er nahm dort seinen Platz ein, und das hat nun
nichts mit da oben zu tun, sondern mit der Universalität seiner Existenz: er ist nun überall und für alle Zeiten gegenwärtig.
Das bedeutet Himmelfahrt.
„Was steht ihr da und seht zum Himmel?“, werden die Jünger gefragt, nachdem sich die Tür aufgetan hatte.
Diese Frage sollten wir uns immer wieder stellen. Wo ist Jesus für uns? Ist er irgendwo weit weg, so weit weg wie der
Himmel über uns ist?
Nein. Jesus ist mitten unter uns. Er begegnet uns in unseren Mitmenschen:
In dem, der unsere Hilfe braucht – in diesen Tagen besonders in den Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind, um Schutz und
Hilfe zu finden. Menschen, die in ihrer Heimat nicht mehr bleiben konnten und viel aufgegeben haben, um hier neue Heimat
zu finden.
Er begegnet uns in den Kranken und Schwachen, die jemanden brauchen, der ihnen hilft, wieder gesund zu werden und Kraft
zu gewinnen.
Er begegnet uns in den Hoffnungslosen, deren Leben ziellos geworden ist, die Rat und Wegweisung brauchen.
Er begegnet uns in den Sterbenden, die den Zuspruch der Liebe Gottes brauchen.
Er begegnet uns aber auch in der Stille, wenn wir das Wort Gottes lesen und für uns selbst um Weisung bitten.
Er begegnet uns im Gottesdienst, wenn wir gemeinsam mit anderen Christen ihn anrufen, mit unseren Liedern loben und auf
sein Wort hören.
Er begegnet uns leibhaftig in der Feier des Heiligen Abendmahls, wenn er sich uns hingibt zur Vergebung unserer Sünden.
Was seht ihr zum Himmel? Jesus kommt, und dieses Kommen ist nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern es ereignet sich
schon jetzt, heute und hier. Er kommt zu uns.
Die Himmelfahrt ist also kein Abschiednehmen, sondern ein Willkommen.
Deswegen sollten wir es uns nicht allzu gemütlich machen in dieser Welt. Denn unsere Heimat ist das Reich Gottes, von dort
empfangen wir unsere Kraft, dort werden wir in Ewigkeit bleiben.
Und das ist Grund zur Freude! Jesus Christus hat die Tür geöffnet, damit auch wir das Reich Gottes erfahren können, damit
das Wirken Gottes in unserem Leben sichtbar werden kann für viele Menschen, damit auch wir getröstet und gestärkt werden,
wenn es wieder einmal einen Rückschlag, eine Enttäuschung gegeben hat.
Denn wir sind Kinder Gottes – auch das bedeutet das Reich Gottes – und dürfen fest darauf vertrauen, dass er für uns da
ist, was auch immer geschieht.
Und so können wir getrost all die diffusen Ängste ablegen, die hier und dort und vielleicht auch unter uns existieren:
Z.B.
Die Angst davor, allein gelassen zu werden, weil in unserer Gesellschaft das „Ich“ wichtiger ist als das „Du“;
Die Angst davor, nicht genug zum Leben zu haben, weil die Rente nur sehr knapp bemessen ist und die Preise stetig steigen;
Die Angst davor, dass das Leben bedeutungslos sein könnte, weil sowieso niemand danach fragt, wer ich bin oder was ich tue;
und manche andere Ängste, wie zum Beispiel die Angst vor dem Tod, vor langer Krankheit usw.
Heute erfahren wir, dass wir Gottes Kinder sind. Wir sind sein; er ist unser „Du“, und er spricht zu uns das „Du“, das
uns gewiss macht: wir sind nicht allein, wir sind nicht bedeutungslos, wir werden immer genug zum Leben haben, denn er
sorgt für uns, und das Wichtigste: wir haben das Leben, der Tod ist besiegt, er hat keine Macht mehr über uns.
Amen
oder
Die nachfolgende Predigt wurde im Freien gehalten.
Liebe Gemeinde!
Ich habe mal drauf geachtet: in Radio und Fernsehen scheint die Identität dieses
Tages zur Zeit zwiespältig zu sein. Oftmals wird beides genannt: Vatertag und
Christi Himmelfahrt, aber manchmal fällt auch schon die Himmelfahrt Christi unter
den Tisch. Dann ist es nur noch der Vatertag. Immerhin ist es ein Feiertag, der
ein sehr langes Wochenende beschert, wenn man sich den Freitag freinimmt. Dass
das Angebot, diesen Feiertag als Vatertag zu begehen, schnell und gerne angenommen
wurde, liegt vielleicht daran, dass wir mit der Himmelfahrt Christi nicht so viel
anfangen können. Und daran ist, so meine ich, der Bericht von der Himmelfahrt
selbst schuld. Hier wird erzählt, dass Jesus zusehends aufgehoben wurde, und
eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg, und sie sahen ihm nach, wie er gen
Himmel fuhr.
Wir haben es doch längst gelernt, dass der Himmel Gottes eben nicht oben ist,
dort wo die Wolken sind, sondern eigentlich mitten unter uns. Und da wird uns
hier erzählt, Jesus sei auf einer Wolke - ja, man kann es wohl so sagen -
geritten, fast so wie eine Hexe auf ihrem Besen reitet, um so in den Himmel
zu kommen, also wohl doch irgendwo da oben hin.
Natürlich verliert solch eine Geschichte schnell an Glaubwürdigkeit, je aufgeklärter
die Menschen sind. Sowas glauben uns ja nur noch die allerkleinsten Kinder. Und
dennoch hat diese Geschichte eine große Bedeutung für die christliche Gemeinde, für
uns, die wir heute hier versammelt sind. Denn hier wird endlich an Jesus erfüllt,
was er schon vor seinem Tod am Kreuz über sich gesagt hat: Ich werde sitzen zur Rechten
Gottes. Ohne diese Himmelfahrt wäre das ja gar nicht möglich. Er musste ja in den
Himmel, um zur Rechten Gottes sitzen zu können. Nur leider unterscheidet unsere
Sprache nicht zwischen dem Himmel Gottes und dem Himmel der Wolken, an dem die Vögel
ihre Kreise ziehen. Und darum macht es diese Erzählung auch sehr schwer, uns vorzustellen,
wie Jesus da aufgehoben wird von einer Wolke, als habe er sich jetzt irgendwo da oben
zwischen die Satelliten gepflanzt und beobachtet nun, was hier unten alles so vor sich
geht.
Lukas, der diese Geschichte erzählt hat, wusste es nicht besser zu sagen. Denn für ihn
gab es damals nur einen Himmel, und dieser Himmel war der Ort, an dem Gott sich aufhielt.
Es war der Ort, der sich der Wahrnehmung der Menschen damals entzog, von dem sie nichts
wussten, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, ihn zu erforschen. Darum stellten sie
sich vor, dass an diesem Ort Gott wohnen würde. Je mehr wir aber über das Universum
lernten, je mehr wir erfuhren davon, wie es jenseits dieses Planeten aussieht, desto
weniger konnten wir verstehen, dass Gott im Himmel wohnen sollte. Wir wissen von der
Feststellung eines Kosmonauten, der, als er unsere Atmosphäre verlassen hatte, erklärte,
dass er Gott nicht gesehen habe und es darum auch keinen Gott gebe.
Jesus Christus fuhr auf in den Himmel - und weil wir dabei immer unweigerlich an den
Himmel dort oben denken, denn auch das Auffahren gibt ja eine Richtung an, sage ich es
jetzt einmal anders: Jesus Christus wurde in das Reich Gottes aufgenommen. Er nahm
seinen Platz zur Rechten Gottes ein. ...
Na toll. Und jetzt? Genau vor dieser Frage standen die Jünger damals. Sie hatten sich
an Jesus geklammert, er hatte ihnen Mut gemacht durch seine Ausstrahlung, durch seine
Beharrlichkeit; sie waren ihm gefolgt wie die Schafe ihrem Hirten folgen, denn er wusste,
wo es lang geht. Unmittelbar vor seiner Himmelfahrt fragten sie ihn noch, ob er denn
nun endlich das Königtum Davids wieder neu errichten werde. Sie hatten ganz konkrete
Erwartungen an ihn. Und sie wussten wohl, dass er in der Lage war, Großes zu vollbringen.
Und nun war er weg, einfach so verschwunden.
Es wäre wohl verständlich gewesen, wenn sie nun alle nach Hause gegangen wären, denn
der, von dem sie die Veränderung der Welt erwarteten, hatte sie verlassen.
Aber war Jesus mit diesem Ereignis wirklich fort? Gewiss, sie konnten ihn nicht mehr
sehen.
Aber ganz so allein waren sie nun doch nicht. Jesus hatte ihnen ja eine Zusage gemacht,
kurz bevor er von ihnen ging: »Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der
auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein... bis an das Ende der Erde.« Und
darum gehen sie nun nicht alle nach Hause. Sie bleiben zusammen, erfüllt von einer großen
Hoffnung. Sie waren beieinander im Gebet, heisst es. Sie beteten zu Gott, dass diese Kraft
des Heiligen Geistes, die Jesus ihnen versprochen hatte, kommen und sie erfüllen möge.
Eine Frage bleibt aber dennoch: wo ist er denn nun? Wo ist dieses Reich Gottes, wo ist
der Ort, den wir »zur Rechten Gottes« nennen, wo ist das Himmelreich, das nicht dieser
Himmel ist? Ist Jesus wirklich so weit weg, wie der Himmel von uns entfernt ist?
Jesus ist uns ganz nahe. Er ist dort, wo wir sind, auch hier, jetzt, mitten unter uns.
Er entzieht sich nur unserer körperlichen Wahrnehmung. Wir können ihn nicht sehen,
wir können ihn nicht berühren. Wir können ihn aber glauben. Wir können darauf fest
vertrauen, dass er uns nicht im Stich lässt und auch nicht im Stich gelassen hat.
Zwar gab es in unser aller Leben Zeiten, in denen wir das Gefühl hatten, ganz allein
zu sein, ohne jede Hilfe. Aber so war es nicht. Wenn wir im Leid zu versinken drohen,
dann war Jesus selbst schon dort und hat all dies durchgemacht. Er kennt unsere Leiden,
und darum lässt er uns auch nicht allein.
Als Jesus von ihnen gegangen war, blieben die Jüngerinnen und Jünger stets beieinander
im Gebet. So blieben sie mit Jesus verbunden, so bereiteten sie sich vor auf den Tag,
an dem sie den Heiligen Geist empfingen: mit Gebet.
Lassen Sie uns diesen Tag feiern in dem Bewusstsein: Jesus ist nicht fort. Er ist hier,
mitten unter uns, und bleibt bei uns alle Tage, bis an das Ende der Welt.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gen Himmel aufgefahren ist (EG 119)
Christus ist König, jubelt laut (EG 269)
Nun freut euch, lieben Christen g'mein (EG 341)
Der Himmel geht über allen auf (EG 594)
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