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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - Jos 1, 1-9
Die nachfolgende Predigt wurde im Jahr 2018 gehalten.
Liebe Gemeinde!
Wenn man bedenkt, was für einen geschichtlichen Hintergrund unser Predigttext
hat, kann es einem schon eiskalt den Rücken runterlaufen. Da kann es noch so
viele tröstliche Zusagen geben: es steht die blutige Eroberung eines Landes
bevor.
Im Zug dieser Eroberung wird Gott erkannt als der Mächtige, der seinem Volk
beisteht.
Diese Geschichte erinnert an das "Gott mit uns", mit dem die Soldaten - nicht
nur unsere - in den Krieg zogen. Es erinnert an grausame Feldzüge, die im
Namen Gottes durchgeführt wurden und denen unzählige Menschen zum Opfer
gefallen sind.
"Von der Wüste bis zum Libanon und von dem großen Strom Euphrat bis an das
große Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hetiter, soll euer Gebiet
sein." (Jos 1, 4)
Das ist die Verheißung für ein heimatloses Volk, das bis dahin nur in Zelten
und davor in der Knechtschaft gelebt hatte. Solche Worte machen Mut und Hoffnung,
vor allem, wenn man heimatlos ist. Aber was ist mit denen, die bisher in dem
versprochenen Land gelebt haben?
Das Buch Josua erzählt von der Eroberung und Zerstörung Jerichos und anderer
Städte sowie davon, wie das ganze Land Kanaan durch die Israeliten eingenommen
wird.
Dabei ist anzunehmen, dass es nicht ganz so dramatisch zuging, wie es das Buch
Josua schildert. Man will ja mit der Erzählung Gottes Handeln für sein Volk groß
machen. Es soll deutlich werden, dass Gott seinem Volk einen völligen Neuanfang
ermöglicht, und es soll deutlich werden, dass er ein mächtiger Gott ist.
Heute geht man davon aus, dass sich die Israeliten zum größten Teil mit den
Bewohnern des Landes arrangierten, d.h. die Landnahme, wie man es auch nennt,
ereignete sich nicht mit einem Schlag. Langsam durchdrang das Volk Israel,
getragen durch die eigene Geschichte, das neue Land und drängte dabei die
bisherigen Bewohner ins Abseits bzw. assimilierte sie.
Das wird auch bestätigt, wenn man die weitere Entwicklung des Gottesvolkes
verfolgt, denn die Herausforderung, die durch die Verehrung der lokalen
Gottheiten entstand, kann ja nicht aus dem Nichts hervorgehen. Es waren
noch Menschen da, die in dieser fremden Religion der Aschera, des Baal
oder der Astarte verwurzelt waren.
Dennoch bleibt es ein Text, der Machtansprüche geltend macht gegenüber
Menschen, die natürlich selbst auch ein Recht auf Leben und die dazu nötige
Grundlage, das heißt Landbesitz, haben.
Was macht also solch ein Text an einem solchen Tag im Gottesdienst?
Die Zusage des Trostes ist eine Zusage, die die Angst vor der Mehrheit der
Feinde nehmen soll. Es geht im Predigttext natürlich um den bevorstehenden
Krieg, die Überwältigung derer, die dort leben. So ist es ja auch dem Volk
Gottes verheißen worden. Es geht um das "Gott mit uns", das die Soldaten
begleitete.
Wir können den Text davon eigentlich nicht lösen, und müssen es doch tun,
denn sonst könnte er für uns nicht fruchtbar werden.
Die Bibel ist ein Buch der Geschichte im doppelten Sinn. Das, was die
englische Sprache durch die Worte "history" und "story" unterscheidet,
wird bei uns mit dem gleichen Wort belegt, auch wenn wir das Wort "Historie"
kennen. Aber es ist eben alles „Geschichte“.
Und die Bibel erzählt Geschichte. Sie erzählt die Geschichte Gottes. Sie
erzählt die Geschichte der Menschen. Und sie erzählt die Geschichte Gottes
mit den Menschen. Dabei verflechten sich unweigerlich real Erlebtes mit dem
Erfahrenen, das weit über das tatsächlich Erlebte hinaus geht.
An einem Beispiel will ich versuchen, es zu verdeutlichen.
Nehmen wir die Geschichte zweier Liebender. Wenn sie sich küssen, sagt der
Historiker: "sie küssten sich". Damit hat er alles gesagt. Der Geschichtenerzähler
aber berichtet: "Als sie sich küssten, durchwogte ein sanfter Schauer ihre Körper.
Sie drängten sich näher zueinander, als wollten sie sich nie wieder voneinander
trennen. Wo es dunkel war, wurde es plötzlich hell. Alle Last, jeder Zweifel fiel
von ihnen ab; es war, als schwebten sie auf Wolken."
Beides ist richtig: die Feststellung des Historikers genauso wie die Schilderung
des Geschichtenerzählers. Aber der Historiker sieht nur, was sich auch definitiv
beweisen lässt, wovon man ein Foto machen könnte. Der Geschichtenerzähler sieht
und beschreibt viel mehr.
Und solche Geschichtenerzähler sind in der Bibel am Werk. Sie schauen über das
historische Ereignis hinaus, deuten, verstärken, wo es nötig ist, oder schwächen
ab. Die Erzähler der Bibel wollen vor allem eins: Gott groß machen. Darum suchen
sie nach den Erfahrungen der Menschen, die sie mit Gott gemacht haben, und
erzählen davon, machen sie für die Nachwelt lebendig.
Für uns wird es schwer, ja, manchmal sogar unmöglich, die Geschichte des
Geschichtenerzählers von der Geschichte des Historikers zu unterscheiden.
Für viele Ereignisse, die in der Bibel beschrieben werden, gibt es außerhalb
der Bibel keine anderen Zeugnisse.
Die Frage, ob es sich wirklich so zugetragen hat und nicht anders, ist durchaus
berechtigt. Der Versuch, sie zu beantworten, hat ja auch manche Bücher gefüllt,
denn es gibt Menschen, die meinen, dass es nötig ist, die Ereignisse, von denen
in der Bibel erzählt wird, zu beweisen, weil damit angeblich die Glaubwürdigkeit
der Bibel zunimmt.
So glaubte man zum Beispiel, die Arche Noah im Himalaya gefunden zu haben. Uralte
eingestürzte Stadtmauern, die in der Nähe der heutigen Stadt Jericho ausgegraben
wurden, sollen auf die Eroberung der Stadt Jericho durch die Israeliten hinweisen.
Ob es so ist oder nicht: den Erzählern der Bibel war das gar nicht so wichtig.
Und doch geht es in unserem Predigttext um genau diese Frage: was ist an dem
Ganzen dran? Was ist wahr? Was können wir glauben?
Josua steht vor einer gewaltigen Aufgabe: er soll derjenige sein, der dem Volk
Israel dazu verhilft, die Erfüllung der Verheißungen Gottes zu erleben.
Und ihm wird dazu Mut gemacht, indem er auf die Geschichte Gottes mit diesem Volk
verwiesen wird - eine Geschichte, für die er keine Beweise hat außer den Erzählungen,
die von den Vorfahren überliefert wurden.
Er steht gewissermaßen vor der Gotteserfahrung anderer und macht sich auf, nun
selbst solche Erfahrungen zu sammeln.
Den historischen Rahmen können wir an dieser Stelle getrost beiseite lassen, denn
darauf kommt es nicht an. Es geht um die Erfahrung Gottes und den Mut, sich darauf
einzulassen.
Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres.
Ich gebe zu: ich kann mit dem Jahreswechsel wenig anfangen. Die Feuerwerke der
Silvesternacht machen mir keine Freude. Man muss es sich einmal vor Augen führen,
wie da Geld, mit dessen Hilfe man viele Menschen vor dem Hungertod bewahren könnte,
mit einem Streichholz und einem ziemlichen lauten Knall oder kurz aufflackerndem,
bunten Licht vernichtet wird. Deutlich über 100 Millionen Euro sollen es auch zu
diesem Jahresende wieder gewesen sein, die in Deutschland innerhalb einer halben
Stunde verbrannt und verknallt wurden.
Gut, an der Börse geht die Geldvernichtung unter Umständen noch schneller und noch
umfassender, aber da kann es auch andersherum ziemlich schnell wieder viel mehr
werden. Das geht bei Böllern und Feuerwerksraketen nicht.
Unser Predigttext stellt uns hinein in den Kontext der Gotteserfahrung. Der Blick
zurück auf die Erfahrungen anderer führt uns hinein in die eigene Gotteserfahrung.
So hat es Josua damals erlebt, und so können auch wir es erleben.
Der Blick zurück ist einfach: Gottes Wirken lässt sich in der Geschichte der Menschheit
immer wieder erkennen, wenn man nicht nur als Historiker an die Geschichten herangeht,
die uns überliefert werden. Man muss dazu nicht bis in die Zeit der Bibel zurückgehen.
Wir haben Martin Luther, Paul Gerhardt, August Hermann Francke, Johann Sebastian Bach,
Elisabeth Fry, Jochen Klepper oder Dietrich Bonhoeffer, um nur einige der vielen
Gestalten aus den letzten fünf Jahrhunderten zu nennen. Es sind Menschen, die sich
von den Gotteserfahrungen ihrer Vorfahren anrühren ließen, so dass sie sich selbst
der Begegnung mit Gott öffneten und aus diesen Begegnungen und Erfahreung heraus ihr
Leben gestalteten.
Heute sind wir an der Reihe. "Ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt
seist." (Jos 1, 9a), so ruft Gott dem Josua zu, der sich selbst nicht in der Rolle
des großen Führers sehen kann.
Er lässt sich auf den Ruf Gottes ein und führt das ganze Volk Israel in eine
überwältigende Gotteserfahrung.
"Sei nur getrost und ganz unverzagt" (Jos 1, 7a), so ruft Gott uns heute am Beginn
des neuen Jahres zu. Lass dich auf Gott ein!
„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
(Offb 21, 6) so verspricht uns die Jahreslosung. Wann immer wir Wegzehrung brauchen,
bekommen wir sie von ihm - umsonst.
"Der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst" (Jos 1, 9c), ruft der
Predigttext auch uns zu.
So lassen wir uns hineinstellen in diese einzigartige Geschichte, die mehr ist
als nur eine Historie: die Geschichte Gottes mit den Menschen. Denn auch das
neue Jahr ist ein Jahr des Herrn.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Das alte Jahr vergangen ist (EG 59)
Hilf, Herr Jesu, lass gelingen (EG 61)
Jesus soll die Losung sein (EG 62)
Lob Gott getrost mit Singen (EG 243)
Verzage nicht, du Häuflein klein (EG 249)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Bis hierher hat mich Gott gebracht (EG 329)
Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich (EG 351)
Zieh an die Macht, du Arm des Herrn (EG 377)
Jesu, geh voran (EG 391)
In Gottes Namen fahren wir (EG 498)
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Predigtvorschläge zu Reihe II - Joh 14, 1-6
Die nachfolgende Predigt wurde im Jahr 2005 gehalten.
Liebe Gemeinde!
Monatelang oder gar jahrelang sind die Jünger nun schon zusammen mit Jesus
unterwegs. Sie haben sich daran gewöhnt, dass er vor ihnen hergeht, ihnen
den Weg zeigt. Er führt sie, er sagt, wann sie Rast machen, und was sie zu
tun haben. Alles wird von ihm bestimmt, und das ist auch gut so.
Denn man muss sich nicht selbst Gedanken machen, man muss sich um
nichts sorgen. Wenn mal was schief geht, kann man immer ihn, Jesus,
dafür verantwortlich machen. Aber bis jetzt ist noch nie etwas schief
gegangen. Er ist absolut verlässlich. Er ist ein guter Führer.
Doch dann ereignet sich dieses merkwürdige Passahmal, bei dem Jesus allen
Jüngern die Füße wäscht, und anschließend beginnt, den Jüngern viele
merkwürdige Dinge vom Abschied zu erzählen. Dabei waren sie doch gerade
jetzt so eng miteinander zusammengewachsen, die Gemeinschaft dieses
Abends war etwas ganz Besonderes und brachte diese Nähe, die sich über
die Jahre entwickelt hatte, auf einzigartige Weise zum Ausdruck. Warum
spricht er da von Trennung und Abschied?
Aber das war ja noch gar nicht mal das Wesentliche, was die Jünger
beunruhigte. Beunruhigender war, dass sie nur herzlich wenig verstanden
von dem, was Jesus da sprach. Es waren so merkwürdige Worte.
Es fängt an mit den vielen Wohnungen in seines Vaters Haus. Hatten sie schon
begriffen, wer Jesu Vater ist? Wussten sie, dass er von Gott redete? Es war
durchaus möglich, denn Jesus hatte öfter angedeutet, dass Gott sein Vater
sei. Wenn sie also glaubten, dass Gott der Vater Jesu ist, was würden sie
dann denken, wäre wohl das Haus Gottes?
Das kann doch eigentlich nur der Tempel sein. Das passte zumindest in ihre
Vorstellung und Erfahrungswelt. Aber gibt es in dem Tempel wirklich so viele
Wohnungen?
Sicher, es gab viele Wohnungen im Tempel, aber dort lebten die Priester,
diese Wohnungen waren alle schon belegt. Wie sollte es dann für sie noch
Wohnungen geben?
Und warum sollten sie dann nicht mitgehen können? Der Weg zum Tempel war
doch jedem guten Juden, also auch ihnen, den Jüngerinnen und Jüngern Jesu,
bekannt.
Aus diesen Beobachtungen schlossen sie dann wohl, dass Jesus irgend ein
anderes Haus seines Vaters meinen musste. Der Tempel konnte es jedenfalls
nicht sein, dazu gab es zuviele Ungereimtheiten in dem, was er ihnen sagte.
Darum verwirrte sie die letzte Aussage Jesu besonders: »Und wo ich hingehe,
den Weg wisst ihr!« Aber doch gerade nicht! Keine Ahnung haben sie. Und so
fasst sich Thomas ein Herz und hakt nach. »Wir haben keine Ahnung«, gibt er
zu, denn sie wissen ja noch nicht einmal, von was für einem Haus er spricht.
Wie sollen sie da den Weg dorthin kennen?
Und wieder antwortet Jesus mit einem merkwürdigen Satz, der die Ursache für
viel Unheil und Unrecht geworden ist. Er spricht: »Ich bin der Weg und die
Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.«
Da müssen wir noch einmal kurz zurückgreifen, um das genauer und besser zu
verstehen. Thomas hatte gesagt: »Wir wissen den Weg nicht«, und Jesus antwortet
darauf mit den einfachen Worten: »Ich bin der Weg«.
Die Jünger haben den Weg also immer vor Augen. Er liegt offen ausgebreitet vor
ihnen da. Oder besser: er steht vor ihnen. Es ist Jesus, der immerzu zu ihnen
spricht, vor ihren Augen handelt, sie hinweist auf das, was Gott für sie bereit
hält.
Und doch bleibt es merkwürdig, denn: wenn Jesus ihnen voraus zum Vater geht,
und dann den Jüngern sagt, dass sie wissen, welchen Weg er geht, dann kann
er ja schlecht sich selber gehen. Das hört sich nicht nur merkwürdig an, es
geht einfach nicht.
An dieser Stelle würde ich gerne die Menschen fragen, die bestimmten, welche
Texte den Predigten zugrunde liegen, warum sie nicht wenigstens den nachfolgenden
Vers noch mit eingeschlossen haben. Denn im nächsten Vers schon wird das Ganze
etwas verständlicher. Jesus erläutert, was er mit diesem prägnanten, sehr
bekannten Vers gemeint hat: Wenn ihr mich erkennt, dann habt ihr auch meinen
Vater erkannt. Dann habt ihr ihn gesehen. Dann wisst ihr den Weg. So erläutert
Jesus seine Aussage, dass er der Weg und die Wahrheit und das Leben ist.
Jesus erkennen: darauf kommt es also an. Jesus als den Sohn Gottes wahrnehmen,
den, der nicht nur den Weg zeigt, sondern auch der Weg ist.
Also nicht das verzweifelte Fragen, wie wir das nur schaffen können, wie wir
den Weg nur finden können, der uns zum Vater führt, sondern die vertrauensvolle
Hingabe an den, der vom Vater gekommen ist und zum Vater zurückkehrt. Darum sagt
Jesus: Euer Herz erschrecke nicht. Habt keine Furcht vor dem, was auf Euch
zukommt, sondern vertraut mir. Baut auf mich, ja, geht mich.
Es klingt merkwürdig, aber so soll es sein. Jesus bietet sich selbst an als der
gangbare Weg. Er ist also nicht nur Vorbild, indem er uns den Weg voraus geht,
und wir ihm dann folgen sollen, sondern er ist der Inhalt des Weges.
Wenn wir uns das vorstellen können, dann erkennen wir wohl auch, dass dieser
Weg nicht starr ist. Er ist nicht unveränderlich, sondern äußerst lebendig.
Je nachdem, in welcher Situation wir uns auf Jesus einlassen, uns ihm ganz
ausliefern, uns an ihn hängen, beschreiten wir einen ganz eigenen, einen
einzigartigen Weg.
Deswegen sollten wir uns vor denen hüten, die uns weis machen wollen, wie dieser
Weg aussieht. Es gibt darin keine Festlegung. Nur dies eine dürfte klar sein:
auf diesem Weg können wir niemandem Schaden zufügen, sondern im Gegenteil, wir
retten und bewahren die, die sich um Hilfe an uns wenden. Dieser Weg macht uns
nicht blind, sondern öffnet uns für die Not unserer Mitmenschen.
Das neue Jahr bringt zahlreiche Veränderungen, die uns allen unangenehm sind.
Gehalts- und Rentenkürzungen bei gleichzeitig steigenden Preisen, Einschränkungen
bei der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe, eine stetig steigende Zahl der
Arbeitslosen und eine stetig sinkende Zahl der Arbeitsplätze – all das kann
frustrieren und pessimistisch in die Zukunft blicken lassen. Die Politiker
wollen uns weis machen, dass diese Reformen, die vorrangig auf den Rücken
derer, die sich nicht wehren können, ausgetragen werden, notwendig sind,
damit der Staat überhaupt weiter funktionieren kann. Vielleicht haben sie
ja sogar recht. Jedenfalls ist es etwas, dem wir mit Besorgnis, wenn nicht
gar mit Furcht entgegensehen.
Das neue Jahr bringt aber auch andere Veränderungen: für manche wird das Alter
immer deutlicher spürbar, die körperlichen Einschränkungen nehmen zu, man wird
krank und fragt sich, wie lange noch. Vielleicht wünscht sich mancher sogar
den Tod herbei, weil das Leben unerträglich gworden ist, zu schwer, als dass
man es noch tragen könnte.
Für andere wird die Partnerschaft zur Prüfung. Sie verstehen sich nicht mehr
mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin und trennen sich. Das Leben scheint
sinnlos und leer geworden zu sein, oder man denkt nur daran, wie man sein
Leben gewinnbringend gestalten kann.
Aber das neue Jahr kann auch positive Veränderungen bringen: man wird vielleicht
von einer langwierigen Krankheit geheilt, oder die Krankheit wird so unter
Kontrolle gebracht, dass man wenigstens gut mit ihr leben kann. Zerstrittene
Partner finden sich wieder, sie finden den Weg zueinander, versöhnen sich.
Der eine oder die andere bekommt eine angemessene, ja gute Arbeitsstelle und
ist so in der Lage, sich selbst wieder mit Achtung zu begegnen und sich so
auch für andere Menschen zu öffnen.
Die Zukunft ist offen.
Letztlich kommt es nur darauf an, wie wir uns diesem neuen Jahr stellen. Wir
können trübsinnig und depressiv werden, indem wir all das, was uns schon als
negative Entwicklung bekannt ist, vor uns auftürmen und so den Eindruck
gewinnen, dass es nicht mehr weiter geht.
Wir können aber auch versuchen, in dem allen den Weg Jesus zu erkennen und
dann auch zu gehen. Was für ein Weg das ist: jeder, jede muss es letztlich
selbst herausfinden.
Nur andeutungsweise kann ich versuchen, diesen Weg etwas zu beschreiben:
es ist ein Weg der Annahme: »Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir,
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden
für eure Seelen.« Das Bedrückende annehmen, in ihm noch das Gute suchen und
erkennen, das Gott daraus machen kann und will.
Und auch: »Nehmt einander an, so wie ich euch angenommen habe.« Vergebung,
Liebe, Bereitschaft, den anderen mit all seinen Schwächen anzunehmen und in
ihm die Stärken zu erkennen, das, was diesen Menschen schön und liebenswert
macht. Darauf aufbauen, mithelfen, diese Qualitäten zu entwickeln: das ist
der Weg Jesus.
Sicher, es ist kein einfacher Weg, denn er ist schwer zu erkennen, weil wir
uns oft selbst dabei im Weg sind. Darum kommt man auch wieder leicht von ihm
ab.
Deshalb lasst uns aufmerksam sein, lasst uns darauf achten, wie wir unsere
Schritte setzen, damit wir getrost und zuversichtlich in dieses neue Jahr
2005 blicken können.
Denn dann wird es uns keine Angst machen können, all das, was da auf uns
zukommt, weil wir wissen: unser Vater im Himmel hat viele Wohnungen in
seinem Haus, und er hält auch für uns eine Wohnung bereit. Denn der Weg
Jesus, den wir gehen, ist ein Weg nach Hause, zum Haus unseres Vaters.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Nun lasst uns gehn und treten (EG 58)
Das alte Jahr vergangen ist EG 59)
Jesus soll die Losung sein (EG 62)
Der du die Zeit in Händen hast (EG 64)
Jerusalem, du hochgebaute Stadt (EG 150)
Bei dir, Jesu, will ich bleiben (EG 406)
Mir nach, spricht Christus, unser Held (EG 385)
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Jak 4, 13-15
Die nachfolgende Predigt wurde im Jahr 2004 unter Berücksichtigung
der damaligen Jahreslosung gehalten:
Liebe Gemeinde!
In meiner Predigt möchte ich heute sowohl auf den Predigttext als auch auf die
Jahreslosung eingehen, denn beide ergänzen sich gegenseitig. Der Predigttext
steht im Brief des Jakobus im 4. Kapitel:
Und nun ihr, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt
gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen -,
und wisst nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr,
der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen solltet ihr sagen:
Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.
Das neue Jahr: es wird von unseren Politikern als Reformjahr bezeichnet. In den
USA ist es Wahljahr, so wie auch in manchen anderen Ländern - in Afghanistan zum
ersten Mal freie Wahlen. Aber auch in Deutschland, wie ich gelesen habe, ist
Wahljahr: 5 Bundesländer werden ihre neue Regierung wählen.
Weltweit steht das Jahr unter dem Zeichen des Kampfes gegen den Hunger und gegen
AIDS - oder war es gegen den Terrorismus? Nein, diesen Kampf hat Kofi Annan als
zweitrangig bezeichnet. Für ihn - und ich stimme ihm darin mit ganzem Herzen zu -
sind Hunger und Armut, verseuchtes Trinkwasser, Umweltzerstörung und im Grunde
heilbare Krankheiten, die aber oft aufgrund von Mangelernährung oder schlechter
medizinischer Versorung zum Tod vieler Menschen führen, für die meisten Menschen
eine größere Bedrohung. Nur wo die Menschen Grund zur Hoffnung haben, kann es
auch Sicherheit und Frieden geben, so der Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Dieses Jahr soll ein Jahr der Veränderungen werden. Manche Veränderungen in
unserem Land belasten gerade ältere Menschen: Rentenkürzungen sowie Kürzungen
in den Krankenkassenleistungen sind nicht gerade dazu angetan, das Herz höher
schlagen zu lassen. Manchen geht es gesundheitlich nicht gut und sie fragen
sich, wie sie die neuen Kosten, die auf sie zukommen, überhaupt tragen können.
In diese Sorgen hinein stellt uns Jakobus eine simple Frage: Was seid ihr?
Ja, was seid ihr? Was bin ich? Nein, das ist kein heiteres Beruferaten, sondern
eine ganz existenzielle Frage: Was bin ich? Wie viel wert bin ich? Wem bedeute
ich etwas? Bin ich wertlos, kann ich achtlos beiseite geschoben werden?
Jakobus' Antwort ist niederschmetternd: »Ein Rauch seid ihr, der eine
kleine Zeit bleibt und dann verschwindet.« Das soll schon alles sein? Einfach
nur Rauch? Sind wir nicht mehr? Sind wir nicht mehr wert?
Ich meine schon: Denn immerhin sind wir Kinder Gottes, und Gott kennt seine
Kinder alle mit Namen. Ja, kein Haar wird uns ausfallen, ohne dass Gott es
weiß. Das ist mehr als ein Rauch. Wenn niemand sonst da ist, der uns liebt,
dann bleibt uns doch wenigstens Gott.
Jakobus will auf unsere Selbsteinschätzung hinaus und nicht auf das, wie andere
uns sehen. Nehmen wir uns nicht zu wichtig? Sicher, die Reformen dieses Jahres
werden uns belasten, aber wir werden dennoch gut leben können. Vielleicht müssen
wir den Gürtel etwas enger schnallen, aber das sollte uns nicht allzu große
Kopfschmerzen bereiten. Weh tun wird es noch nicht.
Wenn wir aber über unseren eigenen Wert nachdenken, dann sollten wir uns in
Verhältnis zu denen setzen, die in Ländern wie z.B. Nicaragua, Bangladesh,
Indien, Nepal, Gana, Mali, Zentralafrika und all den anderen Ländern leben,
in denen mehr als 30% und oft noch wesentlich mehr Menschen weit weniger als
einen Euro pro Tag zur Verfügung haben, um sich zu versorgen. Dabei genügen
lt. Kindernothilfe oder World Vision bereits 30 Euro im Monat, also ein Euro
pro Tag, um Kindern in diesen Ländern eine Zukunft zu ermöglichen, die besser
aussieht als das bloße Dahinvegetieren, das ihren Eltern beschieden ist.
Verglichen mit der Not dieser Menschen ist unsere Lebenssituation nicht nur
rosig: sie ist immer noch hervorragend und luxuriös. Ja, wir haben keinen Grund
zu jammern. Wir brauchen uns nicht um das Morgen zu sorgen, solange uns das Dach
über dem Kopf und die Nahrung per Gesetz zugesichert sind.
»Wir sind ein Rauch«, sagt Jakobus, eigentlich sind wir nichts wert. Gott erst
macht uns wertvoll, ohne ihn sind wir in der Tat ein Rauch, der schnell verpufft.
Wir sollten uns selbst also nicht zu wichtig nehmen. Unseren Wert bekommen wir
erst von Gott her, der uns unser Leben und damit unserem Leben einen tiefen Sinn
schenkt.
Was wir wichtig nehmen sollten, ist unsere Verantwortung gegenüber unseren
Mitmenschen, denen es schlechter geht als uns. Wir können nicht achtlos an
ihnen vorübergehen.
Wenn wir an unsere Zukunft denken, dann sollten wir es tun, indem wir uns diese
Frage stellen: wie kann ich die Zukunft der Menschen, denen es weit schlechter
geht als mir, verbessern?
Auch wenn es eine Art Konjunkturbremse ist, wenn wir unser Geld für Hilfsaktionen
im Ausland spenden: ich ermutige Sie dazu. Am Ausgang steht neben dem Opferstock
noch ein Korb, in den Sie Ihre Spende für die Opfer des Erdbebens im Iran einlegen
können.
Wenn wir so an unsere Mitmenschen denken und für ihr Morgen sorgen, dann handeln
wir so, wie Jakobus uns rät: Sage nicht, morgen werde ich dies und das tun, sondern
sage: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun. Wenn wir so erkennen,
dass unser Leben aus Gottes Hand kommt und in seiner Hand liegt, wird es uns leicht
fallen, den Überfluss, in dem wir immer noch leben, mit denen, die Mangel leiden,
zu teilen.
Es ist gut, wenn wir uns dessen immer neu bewusst werden, dass es Gott ist, der
unsere Lebensspanne bemisst. Wir sollten immer bereit sein, vor ihn zu treten und
Rechenschaft abzulegen.
In diesem Sinn verstehe ich auch die Jahreslosung. Sie steht im Markus-Evangelium
im 13. Kapitel und lautet:
Jesus Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden
nicht vergehen.
Gottes Wort bleibt ewig, während unser Himmel und unsere Erde nicht ewig bleiben.
Doch so groß brauchen wir ja gar nicht denken. Die Tatsache, dass unserem Leben
die Grenze des Todes gesetzt ist, führt uns dies immer wieder vor Augen. Wir sind
vergänglich.
Diese Vergänglichkeit sollte uns nachdenklich machen. Was suchen wir in unserem
Leben? Was wollen wir erreichen?
Es ist natürlich gut, wenn man sicher leben kann und genug zu essen hat. Aber
das genügt dann ja auch schon. Was wollen wir mehr? Was brauchen wir mehr? Weil
unserem Leben die unüberwindliche Grenze des Todes gesetzt ist, sollten wir uns
an das erinnern, was ewig ist und uns in dieser Welt überdauern wird.
»Meine Worte werden nicht vergehen« - Meine Worte - das sind Worte des Lebens,
Worte der Liebe, aber auch Worte des Gerichts. Solche Worte sind aus dem Mund
Jesu erklungen.
Das ist es, was beständig ist, unvergänglich, ewig. Diese Worte gelten eben über
das Vergängliche hinaus und machen uns deutlich, dass unser Leben mehr ist als
Essen und Trinken, mehr als die Sicherheit, die uns Beruf und ein Dach über dem
Kopf bescheren.
Unser Leben gewinnt nicht dadurch seinen Wert, dass wir eine bestimmte Summe Geldes
auf dem Konto haben oder regelmäßig darauf überwiesen bekommen. Es gewinnt vielmehr
dadurch seinen Wert, dass wir auf diese ewigen Worte hören und sie in unsere Herzen
brennen, damit sie uns für immer vor Augen sind.
Wenn wir an die Zukunft denken, kommt es eigentlich nur auf eins an: dass wir
sicher wissen, dass wir Gottes Kinder sind. Wenn wir uns in unserem Leben darauf
verlassen, muss sich eigentlich alles andere von selbst ergeben. Aber wenn wir
das tun, dann dürfen wir nicht schlussfolgern: »Es ist egal, was wir tun; wir
sind ja Gottes Kinder, also wird er uns vergeben und alles wird gut sein.«
Sondern: Unser Leben soll so gestaltet sein, dass wir dem Willen Gottes entsprechen.
Denn er schenkt uns unser Leben! Darum wollen wir das Beste daraus machen, zur Ehre
Gottes und nicht zu unserer eigenen Ehre. Denn am Ende - dann, wenn Gott den
Schlusspunkt setzt, wird Er uns fragen, was wir mit unserem Leben angefangen
haben.
Es ist gut, wenn wir uns diese Frage schon jetzt vorhalten und darüber nachdenken,
was wir antworten können. Denn auch wenn wir uns auf die Gnade Christi verlassen
dürfen: eine billige Gnade ist dies nicht.
Ein neues Jahr hat begonnen. Ein Jahr, auf das wir uns sicher nicht übermäßig
freuen, angesichts der Veränderungen, die unsere Regierung beschlossen hat. Aber
auch dieses Jahr ist ein Jahr des Herrn. Ein Jahr, das in Gottes Hand liegt. Ein
Jahr, in dem wir wieder teilhaben am Bau des Reiches Gottes.
Was immer die Regierungen in der Welt tun, was immer um uns herum geschieht:
unsere primäre Aufgabe ist es doch, an diesem Reich mit zu bauen, uns selbst
einzubringen so, dass das Reich Gottes sichtbar wird für viele Menschen.
Das Jahr des Herrn 2004: es ist das Jahr, das uns diesem Reich Gottes wieder
ein Stückchen näher bringt. So möge Gott, unser Herr, uns und unser Tun in
diesem Jahr segnen. Er schenke uns die Kraft, die wir brauchen, um mit zu
bauen an seinem Reich, und die Gewissheit, dass er uns dabei nicht allein
lässt.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Nun lasst uns gehn und treten (EG 58)
Das alte Jahr vergangen ist (EG 59)
Hilf, Herr Jesu, lass gelingen (EG 61)
Der du die Zeit in Händen hast (EG 64)
Alles ist an Gottes Segen (EG 352)
Befiehl du deine Wege (EG 361)
In allen meinen Tagen (EG 368)
Ich steh in meines Herren Hand (EG 374)
Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun (EG 497)
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