das Kirchenjahr

Christfest II

Die Geburt des Herrn

Predigtanregungen

Das Christfest II ist zugleich der Tag des Erzmärtyrers Stephanus. Inhaltlich ist dieser Tag, wenn er als „Tag nach der Geburt des Herrn” gefeiert wird, nur noch ein Abglanz. Seine Existenz geht auf das Verlangen zurück, die Weihnachtsbotschaft immer und immer wieder zu hören, gewissermaßen das Geschehen der Christnacht zu einem andauernden Erlebnis werden zu lassen. Eine besondere Stellung erhält dieser Tag jedoch durch das Evangelium, das den Prolog des Johannes-Evangeliums enthält und so die Geburt Jesu in den Kontext der Schöpfung stellt. Von daher ist dieser Tag vielleicht gerade heute von besonderer Bedeutung.

Zu den Perikopen

  • I: Röm 1, 1-7

    folgt später

  • II: Mt 1, 18-25

    folgt später

  • III: Hebr 1, 1-4(5-14)

    In diesem Text geht es offenbar darum, die Gottessohnschaft Jesu gegen die Ansicht zu verteidigen, er sei ein auf Erden gekommener Engel bzw. ein von Gott geschaffenes Wesen, das zwar vom Geist Gottes erfüllt, aber nicht Gott ist. Der Autor des Hebräerbriefes will, wie man im sppäteren Verlauf des Hebräerbriefes erkennen kann, deutlich machen, dass nur dann, wenn Jesus Gottes Sohn und damit „eines Wesens mit dem Vater” ist, sein Tod am Kreuz die entscheidende Bedeutung haben kann, die ihm durch die Christen seiner Zeit weithin beigemessen wurde: das Heil, die Rechtfertigung vor Gott.
    Man sollte meinen, dass man sich mit einer anderslautenden Ansicht heute nicht beschäftigen müsse, denn über mehrere Jahrhunderte haben die Kirchenväter um diese Erkenntnis gerungen und sie schließlich in den Glaubensbekenntnissen der Kirche festgeschrieben. Das Gegenteil aber ist der Fall: heute gibt es immer mehr zur Kirche gehörende Menschen, die in Jesus wohl einen besonders begabten und aus der Masse herausgerufenen Menschen, aber nicht Gottes Sohn im Sinne eines von Gott Gezeugten erkennen wollen. Selbst unter Theologen wird diese Ansicht immer öfter hörbar.
    So bietet dieser Text, der allerdings mit nicht gerade stichhaltigen Zitaten aus den Psalmen den Anspruch der Gottessohnschaft Jesu untermauern möchte, eine Grundlage für eine Erörterung dessen, was durch die Geburt Jesu von seiten Gottes bewirkt und erwirkt wurde.
    Es geht immer um unser Verhältnis zu Gott und die Vermessenheit des Menschen, zu meinen, seinen Hals selbst und ohne Hilfe aus der Schlinge ziehen zu können. Jesus hat schon deutlich gemacht, dass kein Mensch in der Lage ist, ohne Sünde zu leben (s. Mt 5), und dementsprechend es auch unmöglich ist, sündfrei vor Gott zu treten. Insofern müsste jeder Mensch den ewigen Tod als „Lohn der Sünde” empfangen. Aber Gott hatte einen anderen Plan für uns Menschen, weswegen er seinen Sohn in die Welt sandte, um die nötige Versöhnung zu bewirken. Die Sühne erfordert ein Opfer und kann nur von dem ein für allemal vollbracht werden, der selbst ohne Sünde ist. Der Tod Jesu am Kreuz ist dieses Opfer, und erst dadurch können wir vor Gott treten, ohne zum Tod verurteilt werden zu müssen. Wir können im Gegenteil zur Gemeinschaft der Heiligen hinzugefügt werden. Das ist möglich, indem wir im Glauben auf dieses Heilswerk Gottes vertrauen.
    Soweit kann man wohl, ganz grob, den Hebräerbrief zusammenfassen. Die Predigt sollte versuchen, diese theologischen Gedankengänge den Zuhörern zugänglich zu machen. Dabei liegt der Schwerpunkt darauf, dass Gott Mensch wurde, und zwar nicht nur, um uns nahe zu sein oder um uns zu zeigen, wie man eigentlich als Menschen miteinander leben müsste, sondern um uns von der Schuld zu befreien, die unweigerlich auf uns lastet.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ergibt sich aus dem Aspekt der Menschwerdung Gottes, denn das ist es, was an diesem Tag gefeiert wird.

  • IV: Jes 7, 10-14

    Eigentlich gehört dieser Text zum Heiligabend, nun hat die letzte Perikopenrevision von 2018 ihn auf den zweiten Christtag gelegt. Er stellt das Zitat, das wir in Mt 1, 23 (Reihe II) finden, in seinen Kontext. Wir erfahren, dass die Prophezeiung bereits im 8. Jahrhundert vor Christus zur Zeit des Ahas ausgesprochen wurde, noch bevor das Nordreich den Assyrern zum Opfer fiel. Dabei scheint Gott genervt zu sein angesichts der Tatsache, dass man immer wieder Zeichen sehen wollte, ob Gott seinem Volk (in Juda) nun wirklich treu bleiben würde.
    Wichtig und wesentlich für das Christfest ist aber natürlich die Prophezeiung selbst. Und hier habe ich die eindringliche Bitte, nicht die „Erkenntnis”, es handele sich im Matthäusevangelium um einen Übersetzungsfehler, wodurch die ganze Problematik der Jungfrauengeburt gelöst wäre (nämlich, dass es gar keiner Jungfrau bedurft hätte), zu bemühen. Denn es ist keine Sensation und auch in keiner Weise hilfreich, es sei denn, man legt Wert darauf, die Tatsache, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde, zu widerlegen. Aber auch das wird einem mit solchen Spitzfindigkeiten kaum gelingen - abgesehen von der Verunsicherung, die man seinen Predigthörern damit antut. Zum einen kann „Jungfrau” und „junge Frau” durchaus im gleichen Sinn verwendet worden sein. Zum anderen sind Übersetzungen immer fehlerhaft - auch die vom Hebräischen ins Deutsche. Denn keine Übersetzung kann auch die Kultur der Sprache lebendig werden lassen, sondern wird immer Elemente der eigenen Kultur, die der ursprünglichen mitunter völlig fremd ist, mit einfließen lassen.
    Also beschäftigt sich die Predigt vorzugsweise mit dem Text, wie er uns von Martin Luther (und den nachfolgenden Revisoren) in deutscher Sprache überliefert wurde.
    Es kann durchaus hilfreich sein, den historischen Zusammenhang mit zu bedenken. Es ist eine unruhige Zeit, wobei man festhalten kann, dass Ahas sich bemühte, dem recht kleinen Land Juda, dem Südreich, irgendwie zwischen den großen Mächten seiner Zeit die Selbständigkeit zu erhalten.
    Was verwunderlich wirkt, ist die Prophezeiung. Sie erfolgt, obwohl Ahas bewusst darauf verzichtete, um den Herrn nicht zu versuchen. Jesaja kann aber die ihm geschenkte Prophezeiung nicht zurückhalten und sagt sie trotzdem. Diese Prophezeiung wird in der Erzählung von der Geburt Jesu nach Matthäus aufgenommen.
    Besonderes Gewicht mag der genannte Name bekommen: „Immanuel”, „Gott mit uns”. Dass sich dieser Name gut auf Jesus beziehen lässt, leuchtet ein, aber es ist nicht der Name, den Jesus erhält. Vielmehr verwirklicht sich dieser Name in Jesus leibhaftig. Er ist der „Gott-Mit-Uns”, so kann man es sagen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang besteht in der Verbindung zu der Erzählung von der Geburt Jesu mit dem Vers 14 des Predigttextes, und in der Bedeutung des hier genannten Namens. Darum sollte auch die Predigt diese beiden Aspekte in den Vordergrund stellen.

  • V: Mt 1, 1-17

    Kaum ein Text scheint langweiliger als eine genealogische Liste. In Bibelleseplänen werden solche Listen, wie sie häufiger in den ersten fünf Büchern der Bibel vorkommen, meist übersprungen. Dabei sind sie durchaus interessant und nicht ohne Grund in der Bibel wiedergegeben.
    Im neuen Testament gibt es für Jesus zwei Genealogien, einmal im Evangelium nach Lukas (3,23-38) und einmal im Evangelium nach Matthäus. Es lohnt sich, beide einmal nebeneinander zu stellen. Die Unterschiede sind bedeutend, und gerade diese Unterschiede verhelfen uns auch zu einem besseren Verständnis unseres Predigttextes.
    Da ist zunächst einmal die Richtung: Während Lukas mit Jesus beginnt und sich in der Geschichte gewissermaßen „rückwärts” bewegt, beginnt die Genealogie bei Matthäus in der Vergangenheit und endet mit Jesus. Der Beginn mit Abraham verankert Jesus fest im jüdischen Volk. Denn auf Abraham liegt die Verheißung, dass aus ihm ein großes Volk würde, das von Gott gesegnet ist.
    Im weiteren Verlauf fällt auf, dass auch Frauen genannt werden, was außergewöhnlich ist, denn in der Regel hatte in der damaligen Zeit nur die Väterlinie Bedeutung. Umso wichtiger sind diese Ausnahmen, denn sie weisen auf Brüche hin, die dem ursprünglichen Anliegen durch den Beginn mit Abraham entgegenstehen.
    Tamar ist die Schwiegertochter Judas - dass Juda mit ihr ein Kind zeugt, ist eigentlich ein Sakrileg. Die Geschichte steht in Gen 38. Rahab ist die Hure, die die Kundschafter Israels in Jericho vor den Verfolgern schützte (Jos 2). Rut ist eine Moabiterin (Buch Rut). Auch wenn Bathseba nicht namentlich genannt wird, so wird doch das Sakrileg, das David beging, direkt bezeichnet: „David zeugte Salomo mit der Frau des Uria.” Näheres dazu findet sich in 2. Sam 11 und 12. Damit endet die Reihe der Brüche in der Genealogie. Ich bezeichne sie als „Brüche”, weil sie nicht dem normalen Verlauf einer Genealogie entsprechen und darüber hinaus fast immer nichtjüdische Personen in die Genealogie hineinnimmt, das ursprünglich erkennbare Ziel dieser Genealogie also bewusst durchbrochen wird.
    All diese Brüche haben natürlich auch einen Grund. Ich glaube, dass der Evangelist Matthäus mehrere Dinge damit zum Ausdruck bringen will: zum einen ist Jesus zwar der Messias, denn er ist ganz klar ein Nachkomme Davids. Zum andern aber ist Jesus auch ein Nachkomme von Frauen, die nicht zum jüdischen Volk gehörten (lt. Mischna ist ein Jude, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Allerdings ist dies eine umstrittene Regel, die nicht von allen Juden anerkannt wird. Zur Zeit Jesu galt wohl die patrilineare Abstammung als maßgeblich). Dies kann darauf hindeuten, dass Jesus nicht nur Messias des jüdischen Volkes ist, sondern der ganzen Welt.
    Zu guter Letzt in dieser Genealogie lesen wir: Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus. (Mt 1,16) Es ist interessant und ausgesprochen wichtig, dass hier eben nicht steht: 'Josef zeugte Jesus', was der übrigen Genealogie entsprechen würden, sondern: 'Josef ist der Mann der Maria, von der geboren ist Jesus'. Diese Formulierung lässt Spielraum für Interpretationen, die Intention ist meines Erachtens aber eindeutig, denn Matthäus lässt den Engel zu Josef in 1,20 sagen: „was sie empfangen hat, das ist vom Heiligen Geist.” Matthäus will also klar zum Ausdruck bringen, dass Jesus der Sohn Gottes ist.
    Der letzte Vers der Perikope weist auf die Zahlensymbolik der Genealogie hin: dreimal 14 Glieder. Die 14 steht als doppelte sieben „Symbol der mit der Vernunft verbundenen Güte und Barmherzigkeit, die Zahl der Hilfe aus der Not” (Gerd Heinz Mohr, Lexikon der Symbole, Freiburg 1991, S. 341). Aber auch die 3 und die 7 kann man betrachten: die 3 als Zahl der Vollkommenheit und Zeichen Gottes, die 7 als Zahl der Vereinigung von Gott und Mensch (3 und 4). Und wer noch weitergehen möchte: 3x14 ergibt 42, deren Quersumme die 6 ist, die z.B. auf die Zahl der Schöpfungstage hinweist, aber auch als Symbol für Christus selbst gedeutet werden kann. Dies sind nur einige Deutungen, die man den Zahlen entnehmen kann, und es ist sicher anzunehmen, dass Matthäus diese Zahlen nicht zufällig anführt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist offensichtlich, es geht ja an diesem Tag darum, die Fleischwerdung Gottes in Jesus Christus zu betrachten und zu deuten.

  • VI: 2. Kor 8, 7-9

    Dieser Abschnitt ist sicherlich mit Vorsicht zu behandeln. Was für eine Armut ist hier gemeint, von der Paulus da redet? Wir neigen dazu, der materiellen Armut, die in den Umständen der Geburt Jesu zu erkennen sind, eine romantische Qualität anzuhängen, wodurch das Christfest dann noch etwas kitschiger wird. Ich denke aber, dass hier nicht solche materielle Armut, sondern die Entsagung der göttlichen Qualitäten gemeint ist, wie auch der Vers 7 erkennen lässt. Jesus als der Sohn Gottes hat alles, was ihn zu Gott macht, aufgegeben, ist also ganz Mensch geworden, und diese Armut ist es, die uns reich macht.
    Zwar lässt Vers 7 auch an materielle Armut denken, denn es geht um die Geldsammlung für die Gemeinde in Jerusalem, aber die Motivation für diese Geldsammlung kann genausogut die simple Tatsache sein, dass Jesus Christus uns vom Tod erlöst hat durch seine Menschwerdung und dieses Geschenk uns nicht nur animiert, sondern sogar verpflichtet, anderen, denen es schlechter geht, zu helfen. Zu bedenken ist ja, dass die Gemeinden damals durchaus nicht die reichsten waren, sondern meist aus den ärmeren Gesellschaftsschichten stammten.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist schon einleuchtend: Jesus Christus wurde arm, er gab den Reichtum seiner Gottheit auf, um uns reich zu machen. Es ist ja die Menschwerdung Gottes, durch die das Wunder geschieht, das uns vom ewigen Tod erlöst, und nicht materielle Armut oder sonst irgend eine „Qualität”.
    In der Predigt sollte man wohl vermeiden, den Zusammenhang dieses Verses mit heranzuziehen. Er trägt aufgrund des kirchenjahreszeitlichen Zusammenhanges nichts aus. Es kann und sollte betont werden, worin der Reichtum besteht, den wir durch die Armut Christi empfangen haben. Dabei kann auch darauf hingewiesen werden, dass wir oft diesen Reichtum missachten, denn er besteht nun mal nicht aus Zahlen auf dem Bankkonto. Durch die Missachtung aber verlieren wir ihn auch.

  • Marginaltexte: Joh 3, 31-36
    1. Joh 4, 9-10
    Offb 7, 9-17
    Offb 12, 1-6 (13-17)

    folgt später



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