das Kirchenjahr

Namengebung und Beschneidung Jesu

Im Namen Jesu

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Lk 2, 21

Liebe Gemeinde!
Vielleicht haben Sie sich etwas über die Lesungstexte gewundert, wo immer wieder von Beschneidung die Rede war. Das hat seinen Grund.
Gestern im Gottesdienst zum Altjahrsabend habe ich darauf hingewiesen, dass dieser Tag im Jahr eigentlich überhaupt keine theologische Relevanz hat.
Heute sieht das anders aus. Der Neujahrstag hat ein sogenanntes Proprium, einen Inhalt, der von der Bibel her begründet ist. Er trägt den Titel „Tag der Beschneidung und Namengebung des Herrn“. Ein langer Titel, aber anders wäre es schwierig, deutlich zu machen, was sich heute vor rd. 2000 Jahren zugetragen hat.
Längst hat es sich eingebürgert, dass in den Kirchen unseres Landes am Neujahrstag über die Jahreslosung gepredigt wird. Das Besondere dieses Tages wird dabei leider fast vollständig beiseite geschoben, was ich sehr bedauerlich finde, denn es gewährt uns einen Einblick in die Lebenswelt Jesu, wie wir sie sonst kaum auf diese Weise wahrnehmen.
Wir erkennen zunächst einmal: Jesus wird von seinen Eltern behandelt wie jedes andere jüdische Kind. Trotz der umfangreichen Botschaften, die die besondere Rolle des Jesuskindes anlässlich seiner Geburt zum Ausdruck bringen und zumindest auf Maria einen nachhaltigen Eindruck gemacht haben – sie „behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“ (Lk 2, 19) – scheren die Eltern nicht aus von dem, was ihnen in ihrem Lebensumfeld und in ihrem Glauben völlig vertraut und selbstverständlich ist:
sie lassen das Kind beschneiden, und zwar am 8. Tag, wie es das Gesetz vorsieht und wie wir es vorhin in der alttestamentlichen Lesung gehört haben: „Jedes Knäblein, wenn's acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen.“ (Gen 17, 12)
Diese Aufforderung ergeht von niemand geringerem als Gott selbst an niemand geringeren als Abraham, den Vater des Glaubens. Und es ist keine willkürliche Angelegenheit, sondern ein Zeichen des Bundes, den Gott zwischen sich und Abraham geschlossen hat. Dies ist der Bund, der die Nachkommen Abrahams auf ewig zum Volk Gottes werden lässt, der Bund, der immer wieder in Zweifel gezogen, aber nie beendet wird, denn Gott steht zu seinem Volk.
Die Beschneidung ist also ein Zeichen für die Erwählung Gottes, und insofern unverzichtbar. Ohne dieses Zeichen würde sich das Volk Gottes von den umgebenden Völkern nicht unterscheiden.
Über die Beschneidung gab es dann unter den ersten Christen so manche Auseinandersetzung, denn einige der Judenchristen waren der Ansicht, dass sich auch die Heidenchristen, also die, die aus den nichtjüdischen Bevölkerungsgruppen der damaligen Welt stammten, beschneiden lassen müssten. Sonst seien sie keine wahren Christen, weil sie keinen Teil am Volk Gottes hätten.
Für die Judenchristen war Jesus Christus der dem Gottesvolk verheißene Messias. Wer diesen Messias für sich in Anspruch nehmen wollte, musste also ihrer Meinung nach auch das Zeichen des Bundes Gottes an sich tragen – denn für sie war Jesus die konsequente Fortführung der Geschichte Gottes mit seinem Volk.
Erst im Apostelkonzil, von dem uns die Apostelgeschichte berichtet (Apg 15, 1-29), wurde schließlich beschlossen, dass man auf die Beschneidung bei den Heidenchristen verzichten könne.
Hier ist übrigens Gelegenheit, einen kurzen Blick auf die Jahreslosung (des Jahres 2015) zu werfen:
Nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob.

(Röm 15, 7)
Denn auch dies kommt in dem Apostelkonzil zur Sprache: dass Christus alle Menschen aus Gnade selig werden lässt und nicht, weil sie irgendwelche Gesetze konsequent eingehalten haben.
Christus hat uns angenommen ohne Vorbehalte, ohne Vorbedingungen. Wir sind sein, wir gehören zu ihm allein durch den Glauben. Der Glaube allein ist der Schlüssel, mit dem wir die Nähe Gottes und seinen Beistand in Anspruch nehmen können.
Diesen Glauben können und dürfen wir niemandem absprechen, es sei denn, die Person sagt uns, dass sie nicht an Jesus Christus glaubt. Aber selbst dann steht Gott bereit, diesen Menschen wieder aufzunehmen, wenn er umkehrt und Gottes Liebe sucht.
Grundsätzlich gilt, dass alle, die getauft sind, von Christus angenommen wurden – denn in der Taufe offenbart sich das unbedingte Handeln Gottes. Er nimmt uns an als seine Kinder, ganz gleich, wie wir uns verhalten. Aber er lässt uns auch die Freiheit, sich von ihm abzuwenden.
Doch das ist dann eine Sache zwischen Gott und diesem Menschen, da haben wir nicht hinein zu reden.
Die Konsequenz der bedingungslose Annahme durch die Taufe ist vielmehr, dass wir auch unsere Mitmenschen annehmen als Kinder Gottes. So manches Mal hat mir diese Prämisse im Umgang mit meinen Mitmenschen geholfen, ihnen freundlicher zu begegnen, als ich es eigentlich für angemessen gehalten hätte.
Die Jahreslosung erinnert uns nun daran, dass nicht wir die Bedingungen stellen, sondern alleine Gott. Wir sind nicht zu Wächtern bestellt, sondern sind gerufen, Gott von ganzem Herzen zu lieben und unseren Nächsten wie uns selbst.
Und diese Aufforderung überwindet sogar Glaubensgrenzen, denn das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lk 10, 25-37), das Jesus zur Erläuterung dieses höchsten Gebots erzählt, beschreibt solch eine Grenzüberschreitung. Samaritaner und Juden pflegten keinen Kontakt zu einander, weil die Samaritaner zwar auch an den Gott Abrahams glauben, aber nicht die Hoheit des Tempels und der Priesterschaft in Jerusalem anerkennen.
„Nehmt einander an“ - das ist eine Aufforderung zu aktivem Handeln. Es genügt nicht, den anderen neben sich existieren zu lassen. Es gehört auch dazu, auf seine Mitmenschen zu zu gehen und ihnen Freund zu werden oder es wenigstens zu wollen.
Dass das nicht immer einfach ist, werden wohl alle bestätigen können. Aber erst wenn wir auf unsere Mitmenschen zugehen – und seien sie noch so schwierig – kann etwas von dem Reich Gottes sichtbar werden so wie es damals sichtbar wurde, als Jesus in die Welt kam.
Und damit kehren wir wieder zurück zu dem eigentlichen Proprium dieses Tages.
Mit der Beschneidung ist Jesus eindeutig und unzweifelhaft in die Geschichte des jüdischen Volkes eingebettet. Wir können ihn da nicht herausreißen und werden uns darum auch immer weiter mit den Schriften des ersten Bundes, dem sogenannten Alten Testament, auseinandersetzen müssen und dürfen. Dazu mahnt uns auch Paulus im Brief an die Römer (Röm 9-11), wenn er uns vor Überheblichkeit warnt, nur weil die Zahl der Heidenchristen deutlich schneller zunahm als die Zahl der Judenchristen.
Ein weiteres verbindet Jesus eindeutig mit dem jüdischen Volk, und das ist sein Name. Er wird in der Regel übersetzt mit „Gott rettet“. Aber eigentlich müsste es richtig wiedergegeben werden als „Jahweh rettet“ oder „Jahwe hilft“, denn die erste Silbe „Je“ stellt den Bezug zu dem Gottesnamen „Jahweh“ her. Und hierin manifestiert sich erneut das Eingebundensein Jesu in die Geschichte des jüdischen Volkes, denn Jahweh ist der Name, den Gott dem Mose im brennenden Dornbusch offenbarte. Jahweh ist der Gott des Volkes Israel.
Gott – oder Jahweh – hilft bzw. rettet: damit ist in zwei Worten das Wesentliche des Handelns Gottes durch und in Jesus Christus gesagt. Gott hilft uns auf, nachdem die Menschheit versagt hatte: es war und ist nicht möglich, sich mit eigener Kraft von der Sünde zu lösen. Jesus selbst macht das mit den sogenannten Antithesen in der Bergpredigt besonders deutlich: „Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig“ (Mt 5, 22a). Es bedarf noch nicht einmal einer Handlung, sondern es genügen allein schon die Gedanken, um ein Gerichtsurteil herbeizuführen, wollten wir uns auf das Gesetz verlassen.
Da kann niemand bestehen. Aber auch sonst – wie oft ging uns ein böses Wort über die Lippen, wie oft haben wir uns von einem Mitmenschen, der unsere Hilfe brauchte, abgewandt, wie oft haben wir unseren Vorteil gesucht und nicht den unserer Mitmenschen.
„Gott rettet“ - durch Jesus Christus hat die Sünde ihre Macht verloren. Er rettet uns, er befreit uns von der Sünde und schenkt uns die Möglichkeit eines Neuanfangs – nicht nur einmalig, sondern jedesmal, wenn wir es wieder nicht geschafft haben, den guten Vorsätzen zu folgen.
Das ist der Name, der am 8. Tag vor Gott über dem Christkind ausgerufen wurde.
Im Matthäus-Evangelium lesen wir noch von einem anderen Namen: „Immanuel“ (Mt 1, 13). Der Evangelist zitiert dabei aus dem Buch des Propheten Jesaja (Jes 7, 14). „Gott mit uns“, das bedeutet der Name „Immanuel“, und unweigerlich denken wir daran, dass dieses Kind in der Krippe Gottes Sohn ist.
Gott ist in der Tat mit uns. Im Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach wird in der vierten Kantate, die für diesen Tag bestimmt ist, dieser Name aufgegriffen und mit Hilfe des Namens Jesus besonders entfaltet. Dort heißt es:

Immanuel, o süßes Wort
mein Jesus heißt mein Hort
mein Jesus heißt mein Leben
mein Jesus hat sich mir ergeben
mein Jesus soll mir immerfort
vor meinen Augen schweben
mein Jesus heißet meine Lust
mein Jesus labet Herz und Brust
Und etwas weiter heißt es dann:
Auch in dem Sterben sollst du mir
Das Allerliebste sein;
In Not, Gefahr und Ungemach
Seh ich dir sehnlichst nach.
Was jagte mir zuletzt der Tod für Grauen ein?
Mein Jesus! Wenn ich sterbe,
So weiß ich, dass ich nicht verderbe.
Dein Name steht in mir geschrieben,
Der hat es Todes Furcht vertrieben.


Dein Name steht in mir geschrieben, der hat des Todes Furcht vertrieben“ - Gott rettet, Gott ist mit uns. Das schreiben wir uns in unser Herz hinein. Gott ist da – das ist auch die Bedeutung des Namens Jahweh, den Martin Buber und Franz Rosenzweig in ihrer Übersetzung der Heiligen Schrift mit „Ich-Bin-Da“ wiedergaben.
So vergewissern wir uns an diesem ersten Tag des Jahres 2015, dass auch dieses Jahr wieder ein „Annus Domini“, ein „Jahr des Herrn“, ist, nehmen es dankbar aus Gottes Händen und bitten ihn, dass er uns durch dieses Jahr hindurch begleite und führe.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Das alte Jahr vergangen ist (EG 59)
Jesus soll die Losung sein (EG 62)
Meinen Jesus lass ich nicht (EG 402)


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