Der Name des Sonntags Judika leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon
ab: „Judica me, Deus, et discerne causam meam de gente non sancta”
(Ps 43, 1; deutsch s. unten, wörtliche Übersetzung von „Judika” hervorgehoben)
Nach alter Sitte (etwa seit dem 8. Jahrhundert) beginnt an diesem Sonntag die eigentliche Passionszeit, indem
das Leidensgeschehen Jesu in den Mittelpunkt gerückt wird. Deswegen trug der Sonntag Judika auch den Namen
„Dominica Passionis”, also Passionssonntag.
Von dieser Tradition scheint die protestantische Kirche mittlerweile abrücken zu wollen, denn das typische Kennzeichen
für den Beginn der Passionszeit, der Wegfall des „Gloria Patri”, ist in der neuen Agende (dem EGb,
das im Jahr 2000 erstmalig erschien) erst ab dem Sonntag Palmarum vorgesehen.
Nach dem Sonntag Laetare, an dem die Hingabe Jesu bedacht wurde,
betont nun der Sonntag Judika den Gehorsam Christi genauso wie
unseren Gehorsam. Es geht also um unsere Antwort auf Gottes Handeln und Gebot, die
unaufgebbare Dualistik der Gnade Gottes: wenn sie nicht angenommen wird, kann sie
auch nicht wirken. Es ist die Freiheit der Selbstentscheidung, von Gott geschenkt,
die uns auch das Verderben bringen kann. Die Texte zeigen uns in teilweise grausamer
Härte, wie Gehorsam immer auch zum Segen führt.
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VI - Gen 22, 1-14(15-19)Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. 3 Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. 4 Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne 5 und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. 6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. 7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? 8 Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. 9 Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz 10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. 11 Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. 13 Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes Statt. 14 Und Abraham nannte die Stätte »Der HERR sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sieht. 15 Und der Engel des Herrn rief Abraham abermals vom Himmel her 16 und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, 17 will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; 18 und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast. 19 So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst.
Dieser wohlbekannte Text von Abrahams Opfer wurde früher oft
als Allegorie auf Gottes Opfer seines eigenen Sohnes gesehen. Heute ist uns klar,
dass dies nicht geht. Beide haben nichts miteinander zu tun, schon deswegen
nicht, weil Abraham seinen Sohn eben nicht opfert (daraus zu folgern, dass
Menschen eben nicht in der Lage sind, das gültige Opfer für sich selbst
zu erbringen, wäre absurd). Es wird aus den einleitenden Worten sehr deutlich,
dass es darum geht, Abraham's Gehorsam zu testen. Es kommt darauf an, dass
Abraham seine unbedingte Unterwerfung unter Gottes Willen zeigt, indem von ihm verlangt
wird, seinen eigenen Sohn zu töten.
Die Grausamkeit dieses Verlangens kann sich nur vorstellen, wer selbst Kinder hat.
Nichts geht über die Liebe der Eltern zu ihren Kindern, oft auch vergleicht
die Bibel Gottes Verhältnis zu den Menschen wie das von Vater oder Mutter zu
seinen/ihren Kindern. Wenn die Forderung Gottes vollständig durchgeführt
worden wäre, dann könnten wir diesem Gott nicht mehr vertrauen.
Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was Abraham (und Isaak) wohl auf dem gemeinsamen
Weg zur Opferstätte gedacht haben. Deutet nicht die Antwort Abrahams: „Gott
wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer” (Vers 8) darauf hin, dass
Abraham bis zum Ende hofft, dass Gott selbst eingreifen wird? Dass er
aber auch andererseits von niemand anderem ein Eingreifen erwartet? Die Unterordnung
Abrahams unter den Willen Gottes scheint schon recht übertrieben, es ist, als
handele er wie eine Marionette, ohne Kontrolle über sein eigenes Handeln zu
haben. Das wäre nicht der Mensch, den Gott geschaffen hat. Abraham hat die
Wahl gehabt. Er hätte sich von Gott abwenden können. Er hätte den
Gehorsam verweigern können. Er tat es aber nicht.
Deshalb tauchen Worte auf, die die Einfachheit des Handelns anzweifeln lassen. Das
„und gingen die beiden miteinander” kommt zweimal vor, als betonte es
das Miteinander der Beiden, des Vaters und des Sohnes, auf ihrem schwersten Gang.
Der Text geht nicht sprunghaft vom Auftrag zum Opfer über und bringt dann die
Erlösung. Der Autor hat gewusst, dass in Abrahams Herz die Hölle
brennen musste, und dass Isaak voller Ahnung war, denn sonst hätte
er ihn nicht diese Frage nach dem Opfertier stellen lassen. Noch eine Frage taucht
auf: Wird Isaak jemals wieder seinem Vater trauen können?
Im kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang gibt es keine großen
Probleme. Es geht um die Antwort auf das Handeln Gottes, um Gehorsam, in diesem
Fall um absoluten Gehorsam des Menschen gegenüber Gott. Es werden keine Fragen
gestellt, trotz des absurden, grausamen Auftrages. Vielleicht müssen wir als
Menschen, die vom Evangelium wissen, darauf hinweisen, dass diese Art Gehorsam
nicht von uns gefordert wird, weil Jesus selbst schon diesen Gehorsam geleistet
hat. Er hat das getan, was wir nicht tun können, auch wenn wir es wollten.
Darüber hinaus muss deutlich werden, dass es nicht Gottes Intention
war, Isaak als Opfer zu empfangen, sondern Abrahams Gehorsam und Hingabe zu prüfen.
Diese Art von Prüfungen werden von uns nicht mehr abgenommen. Dennoch gibt
es Situationen, in denen es manchmal besser scheint, das Unsinnige zu tun im Vertrauen
darauf, dass Gott alles zum Besten wendet. Das ist gewiss keine Freikarte
für Unfug. Es ist aber die Einladung, den schweren Gang zu gehen, wenn es sonst
keinen Ausweg mehr zu geben scheint. Am Ende steht nicht das Verderben, sondern
der Segen Gottes.
*Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld (EG 83)
Jesu, meines Lebens Leben (EG 86)
Das Kreuz ist aufgerichtet (EG 94)
O Lamm Gottes, unschuldig (EG 190.1)
Treuer Wächter Israel' (EG 248, 1.3-6)
Auf ihn will ich vertrauen (EG 365, 3-5)
Liturg: Barmherziger Gott, durch deinen Sohn Jesus Christus erkennen
wir, wie sehr du uns liebst. Wir haben deine Liebe nicht verdient. Sie ist ein
Geschenk, das anzunehmen uns schwer fällt. Darum bitten wir dich: Hilf
uns deine Liebe annehmen. Leite uns, dass wir von deiner Liebe lernen, wie wir unser eigenes
Leben gestalten können. Lass uns dich suchen, gib uns den Mut zum ersten
Schritt heraus aus der vertrauten Umwelt, in der wir uns sicher und geborgen fühlen,
hinein in eine Welt, die uns fremd und feindselig erscheint. Wir rufen zu dir:
Gem: Herr, erbarme dich. (z.B. EG 178.11)
Liturg: Wir bitten dich für die Welt, in der Angst und
Misstrauen herrschen. In vielen Ländern werden Menschen verfolgt und gefoltert,
weil sie sich für Gerechtigkeit einsetzen.
Lass sie erfahren, dass du Menschen durch das Leben, das Leiden und sogar durch den Tod
in ein neues Leben trägst. Lass sie nicht resignieren vor der Gewalt,
sondern gib ihnen Mut und Hoffnung. Mache uns bereit, für diese Menschen einzutreten
und ihnen beizustehen. Lass uns ihr Fürsprecher werden, der du selbst
unser Fürsprecher bist. Wir rufen zu dir:
Gem: Herr, erbarme dich.
Liturg: Wir bitten dich: mache den Kriegen in dieser Welt ein Ende. Keiner
dieser Kriege ist gerecht, kein Krieg ist heilig. Wir wissen das, und doch ziehen unsere Kinder in
den Krieg gegen Völker, die uns nichts getan haben. Die Schuld, die wir so auf uns
laden, wird unermesslich. Vergib uns. Hilf uns, aufzustehen gegen das große
Unrecht, das dort geschieht, im Irak, in Afghanistan, im Kongo und in vielen anderen Ländern
unserer Welt. Lass uns dafür eintreten, dass die Herstellung und der
Verkauf von Waffen ein Ende nimmt, damit es nichts mehr gibt, womit man Krieg führen kann;
damit sich die Gegner wieder begegnen müssen, um ihre Konflikte
auf friedliche Weise zu lösen. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Liturg: Deine Kirche verliert manchmal dich aus den Augen und starrt auf
das, was ihr Sorgen und Ängste bereitet: den Rückgang der Mitgliederzahlen und damit verbunden
sinkende Einnahmen und die stetig steigenden Kosten. Mache deine Kirche zu einer Gemeinschaft,
in der Menschen nach deinem Willen leben, in der nach dir gefragt wird, in
der in Stille, im Gebet, im Gespräch Menschen deine Nähe suchen. Lass deine Kirche
ein Ort sein, in dem mit deiner Gegenwart, gerechnet wird. Wir rufen zu dir:
Gem: Herr, erbarme dich.
Liturg: Wir bitten dich für die Traurigen und Ängstlichen,
die Sorgenvollen und die Kranken. Lass sie erfahren, dass Du da bist, ganz nah bei ihnen.
Lass sie spüren, dass deine Liebe sie umgibt, einhüllt wie eine warme Decke,
die uns vor der Kälte schützt. Lass sie das Leben spüren, das nur du geben
kannst. Wir rufen zu dir:
Gem: Herr, erbarme dich.
Liturg: Wir bitten Dich für alle, deren Namen wir jetzt in der Stille
vor dich bringen:
Stille...
Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Liturg: Herr, du schenkst uns Freiheit, weil du uns liebst. Lass uns
diese Freiheit dazu gebrauchen, deinen Willen zu erkennen und an zu nehmen, damit wir durch unser
Leben dich rühmen und preisen. Dir sei Ehre in Ewigkeit.
Amen
oder
Gott, himmlischer Vater, du gibst uns ein Zeichen Deiner Liebe und Barmherzigkeit.
Du hast deinen Sohn an das Kreuz schlagen lassen, damit wir erkennen, wozu du uns
berufen hast. So erheben wir unsere Augen zu dir und bitten dich: lass uns die Not
unserer Mitmenschen erkennen und für sie bitten:
Lass das Zeichen deiner Liebe sichtbar werden in dieser Welt. Hilf denen, die unter
ihren Regierungen leiden, die weder genug zu essen haben noch ein Dach über dem Kopf.
Gib den Hungrigen ihr tägliches Brot und lass uns erkennen, wie eng unser Schicksal
mit dem ihren verknüpft ist, damit auch wir bereit werden zu helfen, so gut es in
unserer Macht steht. Wir rufen zu dir:
Gem.: Kyrie eleison (EG 789.6 oder Alternative)
Lass das Zeichen deiner Liebe sichtbar werden den Politikern, wenn sie ihre Entscheidungen
fällen. Hilf, dass nicht wirtschaftliche Entwicklung, sondern Gerechtigkeit und Fürsorge
füreinander im Mittelpunkt allen Planens und Handelns stehen. Ermutige viele Menschen
dazu, sich einzumischen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden, und lass uns
mit offenen Augen durch unsere Welt gehen, damit wir eintreten können für die Schwachen
und Unterdrückten, auf dass deine Liebe offenbar werde. Wir rufen zu dir:
Gem.: Kyrie eleison (EG 789.6 oder Alternative)
Lass das Zeichen deiner Liebe sichtbar werden in unseren Gemeinden, dass wir
füreinander eintreten und weitersagen, welch große Wunder du an uns getan hast. Lass
nicht zu, dass Vorurteile, Enttäuschungen oder Erwartungen das Wachstum unserer Gemeinden
hemmen, und hilf, dass wir das Zeichen deiner Liebe dorthin tragen, wo Menschen einander
fremd geworden sind und dich nicht kennen. Wir rufen zu dir:
Gem.: Kyrie eleison (EG 789.6 oder Alternative)
Lass das Zeichen deiner Liebe sichtbar werden den Kranken, die unter ihrer Krankheit
leiden oder die dem Tod ins Angesicht schauen. Schenke ihnen die Gewissheit, dass du
unsere Wunden heilst, dass du den Tod überwunden hast und dass nichts uns von deiner
Liebe trennen kann. Lass uns dort sein, wo Menschen sich einsam und verlassen fühlen,
damit deine Liebe auch ihnen sicht- und spürbar wird. Wir rufen zu dir:
Gem.: Kyrie eleison (EG 789.6 oder Alternative)
Lass das Zeichen deiner Liebe sichtbar werden uns allen, hier in ...... und in
der ganzen Welt, dass wir dich loben und preisen, dem allein die Ehre gebührt, und dir
danken für deine Liebe und Treue.
Amen.