das Kirchenjahr

Quinquagesimae

Estomihi

Der Weg zum Kreuz

Predigtanregung

Der Name des Sonntags leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: esto mihi in lapidem fortissimum et in domum munitam ut salves me (Ps 31, 3b; deutsch s. unten, die wörtlich übersetzten Worte hervorgehoben).
Der Sonntag Estomihi oder Quinquagesimae (der Fünfzigste) beginnt nun, die Spannung wieder zu steigern, indem er auf das Leiden als einen wichtigen Bestandteil der Erlösung und der Nachfolge hinweist. Das Evangelium des Sonntags enthält zwei wichtige Aussagen: die Leidensankündigung Jesu und der Aufruf zur Nachfolge unter dem Kreuz: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten.” (Mk 8, 35b). Wichtig in dieser Woche ist, dass die Fastenzeit am Aschermittwoch beginnt. In manchen Gegenden ist der Karneval jetzt im vollen Schwung, was sicher auch im kirchlichen Geschehen ein Echo finden kann.

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II - Lk 18, 31-43

Er nahm aber zu sich die Zwölf und sprach zu ihnen: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. 32Denn er wird überantwortet werden den Heiden, und er wird verspottet und mißhandelt und angespien werden, 33und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen. 34Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.
35Es begab sich aber, als er in die Nähe von Jericho kam, dass ein Blinder am Wege saß und bettelte. 36Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre. 37Da berichteten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorbei. 38Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 39Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er solle schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 40Jesus aber blieb stehen und ließ ihn zu sich führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn: 41Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann. 42Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. 43Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott.

Die Auswahl dieses Predigttextes erscheint merkwürdig, stehen hier doch die Leidensankündigung und eine Wunderheilung zusammenhanglos nebeneinander.
Die Leidensankündigung enthält auch den Hinweis darauf, dass der Menschensohn wieder auferstehen wird. Von den anderen zwei Leidensankündigungen in Kapitel 9 unterscheidet sich diese darin, dass Jesus den „Heiden” überantwortet wird (1. Leidensankündigung: „den Ältesten, Hohepriestern und Schriftgelehrten”, 2. Leidensankündigung den „Menschen”.) Die zweite Leidensankündigung ist äußerst knapp und lässt den Hinweis auf die Auferstehung vermissen. Die erste unterscheidet sich kaum von der 3. Ankündigung. Von daher ist es wohl beachtenswert, dass hier von den „Heiden” die Rede ist. Es wird nicht ganz klar, wer mit „Heiden” gemeint ist. Aus dem Blickwinkel jüdischer Theologie waren es alle Nicht-Juden, also auch und vor allem die Römer, denen Jesus ja auch überantwortet wurde. Wenn der Begriff „Heiden” als Hinweis auf die Römer zu verstehen ist, dann wäre hiermit der sonst ja immer gerne gebrauchte Sündenbock, nämlich die Pharisäer und Schriftgelehrten, nicht mehr so ohne weiteres zu gebrauchen, und unser Reden über diese Gruppen von Menschen muss vielleicht überprüft werden. Jedenfalls sollte man bei der Predigt es tunlichst vermeiden, diese Gruppen in irgendweiser Weise negativ herauszustellen.
Die Heilung des Blinden hat damit herzlich wenig zu tun. Jesus hat offensichtlich einen etwas längeren Weg zurückgelegt (zuvor war er auf dem Weg nach Jerusalem in Samaria und Galiläa: Lk 17,11). Dieser Blinde, nachdem er die Ursache der Unruhe erforscht hatte, stürzt sich förmlich auf Jesus, indem er ihn anruft: „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!” Er weiß nicht genau, wo Jesus ist, nur dass sich dieser gerade auf dem Weg vor ihm befindet. Denn die Menge ist zu laut, als dass er die Stimme Jesu erkennen könnte, die er zuvor ja ohnehin noch nie gehört hatte.
Die Menschen stellen sich zwischen ihn und Jesus, warum, ist nicht ersichtlich. Warum sollte dieser Blinde nicht Jesus um Hilfe bitten? Ist es Neid, der diese Menschen treibt? War Jesus gerade dabei, ein wichtiges Thema zu erörtern, und wollten sie dabei jede Störung vermeiden? Jedenfalls ruft der Blinde umso lauter, und Jesus hört ihn und ruft ihn zu sich, denn wer sich Gott zuwendet, wird nicht zurückgestoßen, es sei denn von Menschen, die glauben, Gott besser zu kennen. Die Heilung ist dann ausgesprochen unspektakulär. Der Wunsch des Blinden wird erfüllt, denn „Dein Glaube hat dir geholfen.” Merkwürdig, dass nun das Volk auch Gott lobt. Es ist fast, als wolle Lukas hier deutlich machen, wie wetterwendisch die Menschen doch sind, wenn sie einmal erkennen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Es ist fast wie das Hosianna-Rufen beim Einzug in Jerusalem, dem das „Kreuzige” folgt. Nunr umgekehrt: einem Menschen wird der Zugang zu Gott verwehrt, doch Gott selbst wendet sich diesem Menschen zu. Es ist der Einzelne, der das Erbarmen Gottes erfährt, und nicht die Menge, denn der Glaube ist kein kollektives Ereignis. Er drückt sich nur im Wunsch nach Gemeinschaft aus, denn auch der Geheilte Blinde folgt nun Jesus.
Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird vor allem bei der Leidensankündigung erkennbar. Jesus erzählt ja von seinem Weg zum Kreuz. Dankbar nehmen wir zur Kenntnis, dass es am Kreuz nicht endet, sondern dass die Auferstehung folgen wird.
Aber auch die Heilung des Blinden gehört dazu, denn die Menge symbolisiert die Reaktion der Menschen auf diesen Leidensweg. Das Leiden ist ihnen fremd, sie wollen es aus ihrem Leben ausschließen, darum lassen sie den Blinden, der das Leiden, den Kreuzweg, symbolisiert, auch nicht an Jesus heran. Dabei werden Gottes Liebe und Barmherzigkeit erst dann sicht- und spürbar, wenn man sie im Leid erfährt. Der Blinde wendet sich mit seinem Leiden Gott zu und wird geheilt, er wird gewissermaßen zu einem neuen Leben auferweckt. Dies ist nur möglich, weil er das Leid erfuhr, das ihn letztlich dazu führte, sich allein auf den Glauben einzulassen. In der Predigt könnte die Bedeutung des Leidens erörtert werden: es hilft uns, unser Leben aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Letztlich sind wir auf Gott angewiesen, denn das letzte Wort hat ja doch nicht die Medizin (oder jede andere Institution, die versucht, unserem Leben das Leid, in welcher Form es auch immer über uns kommt, zu nehmen), sondern Gott.

Liedvorschläge:

Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld (EG 83)
Du meine Seele, singe (EG 302, 1.5-8)
Öffne meine Augen (EG 176 - Kanon)
Lasset uns mit Jesus ziehen (EG 384 - Wochenlied!)
Jesu, geh voran (EG 391)
Jesu, meine Freude (EG 396)
Ich lief verirrt und war verblendet (EG 400, 4-6)
Du höchstes Licht, du ewger Schein (EG 441, 1-5)
Gottes Liebe ist wie die Sonne (KHW/HN-EG 620; NB-EG 611)
Alle Knospen springen auf (KHW/HN-EG 637)

Fürbittengebet

Herr Jesus Christus, du bist den Weg zum Kreuz gegangen, um uns zu erlösen. Wir erkennen, dass der Weg zur Erlösung durch das Leiden hindurch führt. Wir bitten dich, dass du uns an der Hand nimmst, damit das Leid, das du uns aufbürdest, eine leichte Last werde. Lasst uns den Herrn anrufen:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Viele Menschen sehen dich als einen großen Lehrer an. Sie kennen deine Worte und versuchen, danach zu leben. Aber sie haben nicht begriffen, dass du sie erlösen willst, weil sie selbst nicht erkannt haben, dass sie Erlösung brauchen. Darum bitten wir dich: öffne ihre Augen, damit sie erkennen, auf welchem Weg sie sich befinden, und den richtigen Weg wählen. Lasst uns den Herrn anru­fen:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Leiden gehört zu unserem Leben dazu. Krankheit, Schmerz und Tod belasten uns. Wir sehnen uns nach einem Leben, in dem es kein Leid mehr gibt. Darum bemühen sich Wissenschaftler um immer bessere Methoden, das Leid zu überwinden. Aber sie versagen, weil es nicht möglich ist. Nur du kannst das Leid besiegen. Darum bitten wir dich: lass uns bei dir Zuflucht suchen, wenn das Leid in unserem Leben übermächtig wird. Lasst uns den Herrn anrufen:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Politiker sitzen an den Hebeln der Macht, aber letztlich können sie doch nichts tun gegen deinen Willen. Das ist beruhigend. Wir bitten dich: Lass die Menschen, die Macht haben, erkennen, dass sie damit ein ungeheure Verantwortung auf ihre Schultern geladen haben. Leite sie an, nach deinem Willen zu fragen, damit sie Entscheidungen treffen, die allen Menschen dienen. Lasst uns den Herrn anrufen:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Vieles bewegt uns, vieles bedrückt uns. Wir bringen in der Stille all das vor dich, was uns auf dem Herzen liegt.
Stille. ...
Lasst uns den Herrn anrufen:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Nimm dich unser gnädig an. Rette und erhalte uns, denn dir allein gebührt Ruhm, Ehre und Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, von Ewigkeit zu Ewig­keit.
Amen
oder
Herr Jesus Christus, du bist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Hilf uns, dass wir das nicht vergessen, heute nicht, morgen nicht, und alle Tage unseres Lebens. Lass uns darauf vertrauen, dass der Weg, den du uns führst, ein guter Weg ist, durch den wir zuletzt auch die Herrlichkeit deines Vaters schauen.
Wir bitten dich, hilf uns sehen, damit dein Heil in dieser Welt sichtbar wird für alle Menschen.
Deine Gnade ist groß, und so erbitten wir sie für alle Menschen.
Wir denken besonders an jene, die Verantwortung tragen in Politik und Wirtschaft. Hilf, dass sie sich von Menschlichkeit und Deiner Gerechtigkeit leiten lassen. Hilf uns selbst, dass wir uns immer neu von deiner Liebe treiben lassen in einer Welt, die dich aus den Augen verliert.
Wir denken an alle, die ruhelos sind und keinen Frieden finden. Hilf ihnen, dass sie das, was ihnen Sorgen und Unruhe bereitet, bei dir ablegen können. Schenke ihnen die Gewissheit, dass du alles vollendest und unser eigenes Mühen umsonst ist, wenn wir es nicht in deine Hände legen.
Wir denken an die Familien, die Jungen und Alten: Gib den Eltern Weisheit, ihre Kinder im Vertrauen auf deine Güte zu erziehen. Hilf den Jungen, dass sie den Rat der Alten anzunehmen bereit sind. Schenke den Alten, die sich verloren und überflüssig fühlen, den Mut, ihre Lebensweisheit einzubringen und so das Leben in unserer Gesellschaft mit zu gestalten.
Wir denken an die Kranken und Sterbenden, dass sie sich in deiner Liebe geborgen fühlen. Lass sie Kraft gewinnen aus der Gewissheit, dass Du unser Leben in deiner Hand hältst, dass wir dir gehören und darum nicht verloren sind, was auch immer geschieht.
So loben und preisen wir dich, dem allein die Ehre gebührt, und danken dir für deine Treue.
Amen.