das Kirchenjahr

Trinitatis

Tag der heiligen Dreifaltigkeit

Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist

Predigtbeispiele

Sie dürfen gerne meine Predigten benutzen und den Gegebenheiten anpassen. Wenn Sie einen meiner Predigtvorschläge in einem Gottesdienst verwenden wollen, teilen Sie es mir bitte mit. Eine Genehmigung müssen Sie dafür aber nicht abwarten.
Jegliche andere Form der Vervielfältigung, auch im Internet, ist nur mit meiner ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung erlaubt. Weisen Sie bei der Verwendung des Materials bitte auf die Quelle hin.

Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - 2. Kor 13, 11-13

Die folgende Predigt wurde von zwei Personen gehalten, kann aber auch, nach einigen Anpassungen, von einer einzigen Person gehalten werden.
Prediger 1:
Liebe Gemeinde,
„Lieber dreifaltig als einfältig“, mit diesem Merkvers habe ich einmal versucht, meine Gemeinde für das Thema des heutigen Sonntags zu begeistern: Trinitatis, der „Tag der Heiligen Dreifaltigkeit“, das ist hohe Kunst, der Sonntag führt uns in die luftigen Höhen einer Trinitätstheologie. „Faszinierend“, sage ich Ihnen!
Gott ist einer in drei Personen, der eine Gott ist in allen drei Personen vollständig gegenwärtig, der Sohn und der Heilige Geist sind also dem Vater gleichgeordnet und nicht subordiniert, auch der Sohn ist also Schöpfergott wie der Vater, auch der Vater leidet und stirbt am Kreuz zu Golgatha, auch der Heilige Geist ist als liebende Verbindung zwischen den dreien allgegenwärtig, also auch im Vater und im Sohn. Ein dreirelationaler Gottesbegriff.
Das hat natürlich viele Implikationen ....
Prediger 2:
Moment, Moment: Das hört sich theologisch sehr spitzfindig an. Damit reden Sie ja an den Menschen vorbei. So wecken Sie kein Interesse. Da hören nicht nur die Konfirmanden nicht mehr zu, sondern auch die predigtgeübten Gottesdienstbesucher! Es geht doch wirklich um ganz grundsätzliche Fragen.
Uns bewegen angesichts der Dreifaltigkeit oder Dreieinigkeit doch noch andere Gedanken:
Wenn in der Kirche immer wieder von drei göttlichen Personen, Vater, Sohn, Heiliger Geist, aber gleichzeitig von einem einzigen Gott gesprochen wird - wie passt das zusammen? Müssen wir mit der unsinnigen Gleichung 3 x 1 = 1 leben und sie einfach für wahr halten? Das fällt vielen schwer. Oder haben vielleicht die Muslime doch recht, die den Christen vorwerfen, sie verehrten in Wirklichkeit nicht einen Gott, sondern drei Götter?
Unsere Gottesdienste beginnen und feiern wir immer im Namen des dreieinigen Gottes. Aber schon bei der Anrede im Gebet wird es für manche schwierig. Wer einfach zu Gott oder zum Vater im Himmel betet, weckt in manchen anderen den Verdacht, er oder sie könne nichts mit Jesus anfangen und sei vielleicht ein Gottgläubiger, aber kein richtiger Christ. Anders herum wird denen, die zu Jesus oder zum Heiligen Geist beten, mitunter vorgeworfen, sie seien einseitig oder gar schwärmerisch. Wer also ist Gott für uns, wenn er der dreieinige ist?
Prediger 1:
Tatsächlich, da haben sie recht. Hinter der Frage nach der Trinität, der Dreieinigkeit Gottes steht mehr als theologische Spitzfindigkeit. Es steht dahinter wirklich die Frage, wer Gott ist, wie Gott ist und vor allem: Wie er mir begegnet. Und dabei spielt natürlich auch die Geschichte Gottes mit der Menschheit, wie sie uns in der Bibel berichtet wird, eine wesentliche Rolle.
Denn dort bildet sich die Trinität im Grunde ja schon ab: Zu Beginn der Schöpfergott, der Vater im Himmel, dann die Geschichte von Jesus, und schließlich in der Apostelgeschichte die Geschichte vom Heiligen Geist. Immer geht es dabei um Begegnungen mit Gott.
Sicherlich ist es wichtig, sich klar zu machen, dass wir Gott und das Geheimnis der Trinität nie bis ins Letzte ergründen und mit menschlichen Worten und Verstand nicht fassen können. Doch es bleibt ein großer Raum, in dem es zu entdecken gilt, welchen Reichtum es bedeutet, dass Gott uns als der dreieinige Gott begegnet.
Prediger 2:
Man kann deshalb die Sache auch etwas schlichter mit einem schönen, trockenen Kalauer sagen: Am Sonntag Trinitatis ist im Himmel die Welt wieder in Ordnung! Weil nämlich der dreieinige Gott tatsächlich wieder vereinigt ist, dass also im Himmel wieder zusammengekommen ist, was zusammengehört. Gott, der Vater, hat seinen Sohn zurück, den er in die Welt geschickt hatte, damals in den dunklen Stall von Bethlehem. Dieser Sohn hat dann den unsagbar mühseligen Weg des Leidens und Sterbens auf sich genommen, ist auferstanden nach der Schrift am dritten Tag, ist den Jüngern erschienen, erst Petrus, dann den Zwölfen. Unter dem Jubel aller Engel kehrt er am Himmelfahrtstag zurück; es folgt das Pfingstfest, die Ausgießung des Geistes, der Tag also, an dem Gottvater und der Sohn gemeinsam den Heiligen in die Welt senden, als Tröster, der uns berührt durch Gottes Wort, der uns begleitet auf unseren Wegen, der uns Glauben schenkt und der uns verbindet mit Gott, zu dem er uns eines Tages zurückbringt.
Und am Sonntag Trinitatis feiern wir Christen, dass nun dieses größte Drama aller Zeiten, diese unendlich staunenswerte Gottesgeschichte zur Ruhe gekommen ist und für uns im Himmel offenbar ist. Dass sich Gott uns nun ganz zeigt, so wie er uns jeweils begegnet ist: Als Schöpfer und Vater Gott, als Retter und Sohn und als Heiliger Geist, der von beiden zu uns Menschen geht. Gemeinsam wird das Heilswerk Gottes für uns Menschen daraus. Das dürfen wir heute begreifen und schauen.
Deshalb ist auch hier in unserer Kirche über uns der Himmel blau und offen. Weil am Sonntag Trinitatis Gott uns in sein Leben in seinen Himmel schauen lässt und wir ihn so sehen, wie er für uns da ist.
Trinitatis = der Tag, an dem im Himmel die Welt wieder in Ordnung ist.
Prediger 1: Gott Schöpfer
Am besten ist es dann wohl jetzt zu schauen wie genau sich der dreieinige Gott für uns zeigt!
Ich beginne einmal damit, dass er für uns der Schöpfer ist. Eigentlich liegt es auf der Hand, obwohl wir heute nicht so glücklich darüber sind: Gott schafft die Bedingungen, die nötig sind, damit Blumen und Getreide wachsen können; er schafft das Umfeld, damit wir und alle anderen Tiere leben können. Das biologische Gleichgewicht, wodurch die Vielfalt in Pflanzen- und Tierwelt erhalten bleibt, trägt seine Handschrift.
Und selbst wenn man der Evolutionstheorie folgen möchte, so muss man doch an zahlreichen Stellen erkennen, dass sie an ihre Grenzen stößt und letztlich die Entstehung dieser Welt doch nur der ordnenden Hand des Schöpfergottes zu verdanken ist – auch wenn sich das nun gerade nicht beweisen lässt.
Ja, und glücklich darüber sind wir heute deswegen nicht, weil es schon seit zwei Wochen scheinbar ununterbrochen regnet und dazu noch recht kühl ist – Dieser Dauerregen verdirbt einem eigentlich die Freude an dem Lied „Wie lieblich ist der Maien“. Aber die Pflanzen brauchen den Regen, und es kann gut sein, dass im Spätsommer dann wieder von Super-Ernten die Rede ist.
Eines wird uns dadurch jedenfalls deutlich: Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen liegt – und hier wandle ich den Originaltext des Liedes etwas ab – in des Herren Hand.
Prediger 2: Gott Sohn
Weil die Menschheit immer wieder eigene Wege ging, obwohl Gott je und je Propheten berief, um sein Volk zurück zu weisen auf den Weg, der seinem Willen entsprach, wurde er schließlich selbst Mensch. Vielleicht war es auch Neugier, die ihn dazu trieb. Vor allem aber war es Liebe. Er wollte der Menschheit zeigen, dass er sich sorgt und kümmert.
Aber nun trat er nicht als auf die Erde hinabgestiegener Gott, sondern er kam als Mensch – wurde geboren in widrigen Verhältnissen und zog durch die Lande, um das zu tun, was die Propheten schon vor ihm getan hatten: Gottes Willen offenbaren. Aber das Größte kommt noch: Jesus, der aufgrund seiner Gottheit frei von Sünde war, war bereit, die Sünde aller Menschen auf sich zu nehmen und sich zu opfern, um die letztgültige und einmalige Sühne zu schaffen. Der Mensch sollte sich nicht mehr mühen müssen, um vor Gott gerecht zu werden, sondern brauchte nur schlicht dieses Zeichen abgrundtiefer Liebe annehmen.
Als Auferstandener konnte er nicht unter den Menschen bleiben, sondern musste seinen rechtmäßigen Platz zur Rechten des Vaters einnehmen. Und so endet diese recht kurze Zeit, in der Gott als Mensch unter den Menschen war, mit der Himmelfahrt.
Prediger 1: Gott Heiliger Geist
Es war sicher eine tolle Erfahrung, den Sohn Gottes bei sich zu haben. Doch das bedeutete ja auch immer, dass er lokal begrenzt war. Wenn sich Jesus in Kapernaum aufhielt, konnten die in Nazareth oder in Jerusalem seine Nähe nicht erfahren, es sei denn, sie machten sich zu ihm auf.
Nach seiner Himmelfahrt war eine solche Nähe dann ohnehin nicht mehr möglich, aber sollte es wieder so sein wie zuvor, da Priester zwischen Gott und den Menschen vermittelten?
Nein, die unmittelbare Nähe Gottes, wie sie schon durch Jesus Christus einigen Menschen geschenkt gewesen war, sollte nun für alle Menschen erfahrbar werden. Der Geist Gottes ist frei, er ist überall, er schwebte schon zur Zeit der Schöpfung über dem Wasser, und nach Jesu Himmelfahrt ist er da, um allen Menschen die Liebe Gottes spürbar zu machen.
Er verbindet Menschen, er führt uns, er tröstet uns, er trägt unsere Gebete zu Gott hin, so könnte man sagen – er ist ja selbst Gott. Der Heilige Geist macht es möglich, dass alle Menschen in der Welt die gleiche Aufmerksamkeit Gottes erfahren. Er treibt uns mitunter, Dinge zu tun, die wir eigentlich nicht wollten oder wenigstens nicht geplant hatten.
Der Heilige Geist ist die Wirkkraft Gottes, so könnte man vielleicht auch sagen. Er wirkt in der Welt durch die Kraft Gottes.
Prediger 2:
Und nun – liebe Gemeinde - stellen Sie sich einmal vor: Es ist dieser trinitarische, dieser in sich vielfältige, dynamische und dramatische Gott, es ist der gewaltige Schöpfer, der zugleich ein ganz kleiner Mensch, ein Kind, wird, und den ganzen Kummer dieser Welt erleidet; es ist dieser Gott der Nähe, der als Heiliger Geist jeden Menschen berühren kann, es ist dieser unfassbar große, geheimnisvolle, dramatische, verwunderliche, dreifaltige Gott, von dem wir reden dürfen, den wir erfahren dürfen, dem wir uns anvertrauen dürfen.
Prediger 1:
Als wir vorhin das Lied „Gott der Vater steh uns bei“ gesungen haben, wird es wohl recht unterschiedliche Reaktionen darauf gegeben haben. Warum dreimal nahezu das Gleiche singen? Aber gerade diese dreimal nahezu gleiche Strophe macht uns deutlich, dass 3x1 zumindest auf Gott bezogen eben doch eins ergibt und nicht drei. Nur die Worte, die die Wesen der Trinität bezeichnen, ändern sich.
Das Lied umfasst alle Aspekte unseres Lebens, die Gefährdungen – vor dem Teufel uns bewahr – die Versöhnung mit Gott – dir uns lassen ganz und gar, das heißt, sich Gott ganz anvertrauen – die Nähe Gottes durch den Heiligen Geist – mit Gottes Kraft uns rüsten; es ist alles da, in genialer Weise zusammengefasst und die Dreieinigkeit Gottes abbildend.
Prediger 2:
Amen Amen das ist wahr: ein einziges Staunen, eine gewaltige Verwunderung über diesen großen Gott, der sich die Mühe macht, mich und dich zu erwählen, mich und dich wichtig zu finden, mich und dich zu beschenken mit dem Segen Christi. Er hat uns zu seinen Kindern gemacht. Wir sind ausgezeichnet und gewürdigt durch seine Wege! Hier staunen wir über diesen Gott, staunen über die unfassbare Mühe, die sich Gott mit uns gemacht hat. Die große Schöpfung, die wundersame Inkarnation, das elende Sterben, die verblüffende Heimkehr, - das ganze Drama nur, damit ich kleiner Mensch leben darf als Ebenbild Gottes, damit ich gerettet werde aus den Verstrickungen des Lebens und damit ich Gemeinschaft und Trost erfahre und gesegnet werde.
Das zeigt uns auch, dass wir etwas sind -etwas wert sind-, damit wir uns selbst ernst und wichtig nehmen, damit wir uns nicht unnütz vorkommen im weiten Weltall und glauben, unbedeutend zu sein im großen Weltgetriebe, damit wir uns niemals selbst unter Wert verkaufen und niemals unter der Würde handeln, die uns das Drama der Gottesmühe zuerkannt hat. Am Anfang des Glaubens steht das Staunen, dass Gott sich so viel Mühe um mich und dich macht, dass wir dies nur angemessen nacherzählen können mit der Rede vom dreifaltigen Gott.
Prediger 1:
Und dieses verwunderte Staunen über jenen dynamischen Gott der Dreifaltigkeit, der sich seit unvordenklichen Zeiten um mich und dich kümmert, dieses Staunen blitzt immer mal wieder auf und schlägt sich nieder hier in unserem Kirchengebäude, das diesem Dreieingen Gott gewidmet ist.
Ich stelle es mir vor, wie einfache Bürger Wolfenbüttels in diesem weiten, hellen Gotteshaus das Staunen über Gottes Größe und Zuwendung zu mir, zu jedem einzelnen entdeckt haben:
Der große Gott meint auch mich! Ich habe hier einen festen Platz. Hier kann ich aufrecht stehen!
Wo Gottes Geist ist, da ist aufrechter Gang, da ist ein Ende aller falschen Angst, da ist Schluss mit allem falschen Kleinmachen. Wo dieser trinitarische Gott mit seiner ganzen Dynamik unserer Seele nahe kommt, da werden wir gestärkt.
Nichts stärkt eine Seele so sehr wie dieses Staunen, dass Gott sich vor all meinen Anstrengungen für mich so abmüht, so einsetzt, so dreifach dynamisch ist, damit ich aus seiner Kraft Leben darf.
Deswegen glaube ich wohl: Wir Christen können der Welt, in der wir leben, nichts Größeres schenken und Besseres antun als eben aus jener inneren Stärke und Zuversicht heraus zu leben, die aus dem Staunen über Gottes innere, trinitarische Dynamik erwächst.
Prediger 2:
So ist das Nachdenken über die Trinität über theologische Spitzfindigkeit hinaus zu einem Staunen und zu einem Lob geworden, das uns stärkt und zuversichtlich unseren Weg mit Gott gehen lässt.
Gott sei Dank dafür.
Amen

oder

Liebe Gemeinde!
Paulus endet seinen zweiten Brief an die Korinther mit den Worten, die wir gerade gehört haben. Wir kennen den Gruß aus dem Gottesdienst: meist wird er zu Beginn der Predigt gesprochen: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Warum steht dieser Gruß am Ende dieses Briefes?
Paulus hat es nicht leicht gehabt mit den Korinthern. Er musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, er sei kein richtiger Apostel, und dann musste er vor allem sehen bzw. hören, dass fremde Prediger die Gemeinde auf einen Weg führten, der vom Evangelium mehr und mehr abwich.
Diese Prediger betonen immer wieder, was für tolle Kerle sie sind, und weisen auf Paulus als einen Schwächling. In diesem Brief finden wir dann schließlich auch die Worte, die uns daran erinnern, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist, wenn wir uns nur an seiner Gnade genügen lassen.
Denn es geht nicht darum, durch eigene Taten zu glänzen und sich dessen zu rühmen, was man alles besonderes getan hat oder tut, sondern es geht darum, Gottes Gnade durch das eigene Leben sichtbar werden zu lassen.
Das letzte Kapitel beginnt fast drohend: ich werde kommen, so schreibt der Apostel, und werde dann niemanden mehr verschonen. Noch einmal betont Paulus, wie wichtig es ihm ist, dass die Gemeinde im Glauben vollkommen wird; um diese Vollkommenheit betet er zu Gott.
Es wird deutlich, dass eine innige Verbindung zwischen der Gemeinde und Paulus besteht, wobei die vielfältigen Aufgaben des Paulus ihm offenbar zu wenig Zeit lassen, sich um die Gemeinde in Korinth ausreichend zu kümmern.
Zuletzt lesen wir dann diesen Aufruf: Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen.
Das ist schon merkwürdig – wie können Freude und Ermahnung zusammen gehen?
Sobald ja der mahnende Zeigefinger erhoben wird, wird es ungemütlich, da kann man sich nicht mehr freuen. Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen – das ist paradox.
Paulus sagt diese Worte wohl im Blick auf seinen bevorstehenden Besuch. Freut euch auf diesen meinen Besuch. Denn auch wenn ich Ernst machen werde mit dem, was ich in meinen Briefen schreibe, so werdet ihr euch doch sicher so wie ich darüber freuen, dass wir uns wiedersehen.
Lasst euch zurechtbringen. Ich werde sehen, was da bei euch geschehen ist, und euch helfen, wenn ihr nur wollt. Darüber kann man sich doch freuen.
Paulus wird dann noch etwas konkreter: habt einerlei Sinn, haltet Frieden. Lasst euch nicht in mehrere Gruppen spalten von denen, die euch dort alles Mögliche erzählen, nur nicht das, was dem Evangelium von Jesus Christus dient. Bleibt ihr als Gemeinde eins, haltet Frieden. Streitet euch nicht, vor allem nicht um meinetwillen.
Das ist ein wesentliches Merkmal christlicher Gemeinde, dass sie einerlei Sinn hat. Dass das gar nicht so einfach ist, merken wir immer wieder auch in unserer Zeit. Da hat sich eigentlich nicht viel geändert, im Gegenteil: die Existenz unzähliger verschiedener Konfessionen, die sich nach und nach von den anderen getrennt haben, belegen, wie schwer es ist, einerlei Sinn zu haben.
Doch da kommt dieser Gruß: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Hier erscheint uns die Trinität, im Sohn, im Vater und im Heiligen Geist. Darum sind diese Verse für den heutigen Tag als Predigttext ausgewählt. Aber das andere gehört eben auch dazu, damit wir verstehen, warum dieser Gruß am Ende des Briefes steht.
Paulus schließt seinen Brief mit einem Segensgruß ab. Das ist ein positives Zeichen, das er setzt, um die Gemeinde zu ermutigen, um ihnen Kraft zu geben, den falschen Predigern zu widerstehen, und Mut, einander zu vergeben und in Eintracht miteinander zu leben.
Der Gruß entfaltet Wesenszüge Gottes, wie sie den Personen der Trinität zugeordnet werden können.
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi – sie ist sichtbar geworden am Kreuz. Jesus erduldet das Kreuz, damit unsere Schuld von uns genommen wird. Wir werden durch seinen Tod begnadigt. Das ist Gnade, die wir immer aufs Neue erfahren dürfen und die uns durch diesen Gruß zugesprochen wird.
Die Gnade hat ihren Ursprung in der Liebe Gottes. Gott wendet sich uns zu durch seinen Sohn, weil er uns liebt. Die einzige Alternative wäre die Vernichtung der Menschheit, die es ja bis heute nicht geschafft hat, den Willen Gottes zu verwirklichen.
Hier wird ein Wesenszug Gottes vorgestellt, der wichtig ist: Gott schlummert nicht irgendwo, er sucht vielmehr unsere Nähe, die Nähe zu seinen Geschöpfen. Er will uns nicht aufgeben, zumal er ja weiß, dass wir zum Guten fähig sind.
Gott kommt uns mit offenen Armen entgegen, in die wir uns dann auch getrost fallen lassen dürfen.
Gott liebt uns, darum ist er uns gnädig und hat das bewiesen in seinem Sohn Jesus Christus.
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes – sie machen uns demütig, aber nicht in dem Sinne, dass wir zerknirscht sind und sagen, was für undankbare Geschöpfe wir doch sind, sondern in dem Sinne, dass wir alles daran setzen, dieser Gnade und Liebe Wert zu sein.
Und wie das aussehen kann, zeigt uns dann der dritte Teil dieses Grußes auf:
Da ist die Rede von der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Das nimmt wieder auf, was zuvor schon angesprochen wurde: habt einerlei Sinn.
Der Heilige Geist stiftet letztlich erst die Gemeinschaft untereinander und die Einigkeit, wobei damit niemals Gleichmacherei gemeint sein kann. Denn Gott begabt uns ja auf ganz unterschiedliche Weise, und so ist es auch ganz selbstverständlich, dass die Gemeinde Jesu Christi nicht gleichförmig ist, sondern dass es in ihr eine erfrischende Vielfalt gibt. Doch wird das alles zusammen geführt durch den Heiligen Geist, der uns öffnet für die Andersartigkeit unserer Glaubensgeschwister.
So sehr es nun verschiedene Gaben gibt, so sehr ist auch die Einheit wichtig. Sie gehört zum Christsein dazu. Darum betont Paulus sie immer wieder in seinen Briefen, ermahnt dazu, einerlei Sinnes zu sein, auch wenn es viele Unterschiede gibt.
Und so müssen wir bekennen, dass uns doch noch etwas fehlt. Denn wenn Paulus sagt, dass wir einerlei Sinn haben sollen, so meint er damit gewiss, dass wir uns nicht über Fragen des Glaubens entzweien, sondern bereit sind, unsere Zweifel und Fragen hintan zu stellen um der Gemeinschaft willen. Denn die Gemeinschaft ist das Wesentliche christlicher Gemeinde, dem sich alles andere zunächst unterordnet.
Eine solche Gemeinde wäre wohl eine Gemeinschaft, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner basiert – alles, was diese Gemeinschaft behindern könnte, muss außen vor bleiben. Aber ist das dann schon alles? Eine Gemeinschaft, die auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner basiert, ist nicht gerade eine stabile Gemeinschaft. Wir stellen das auch in unserer Kirche fest. Von allen Kirchenmitgliedern nehmen vielleicht 1% aktiv am Gemeindeleben teil. Höchstens 10 Prozent besuchen mehr als einmal im Jahr den Gottesdienst und erleben dabei auch nicht unbedingt Gemeinschaft, zumindest nicht untereinander.
Da scheint eine Stammtischrunde stabiler als die christliche Gemeinde.
Aber was ist denn nun christliche Gemeinde? Sie basiert auf dem, was in diesem Gruß des Paulus genannt wird: auf Gnade und Liebe. Die Gemeinschaft selbst wird vom Heiligen Geist gewirkt.
Christliche Gemeinde ist offen, sie ist nie exklusiv, d.h. sie schließt niemanden aus, sofern er sich auf die Gnade und Liebe Gottes einlassen will.
Gnade und Liebe, das bedeutet immer: Bereitschaft zur Vergebung. Bereitschaft, nachzugeben. Es bedeutet, sich auseinander zu setzen, um Wege zu finden, die gemeinsam gegangen werden können.
Wir sind solche Gemeinde. Christliche Gemeinde. Quartiersgemeinde, Wolfenbütteler Gemeinde, Weltgemeinde. Wenn wir das umsetzen, dann werden wir als christliche Gemeinde Zeichen setzen, die das Antlitz dieser Welt verändern – durch die Gnade Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Ich lobe dich von ganzer Seele (EG 250)
Nun lob, mein Seel, den Herren (EG 289)
Nun freut euch, lieben Christen g'mein (EG 341)
Ach bleib mit deiner Gnade (EG 347)
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus (KHW-EG 561)
Die Gnade unsres Herrn Jesu Christi (W-EG 570)


Zurück zum Anfang

Predigtvorschläge zu Reihe II - 4. Mose 6, 22-27 (= Num 6, 22-27)

Liebe Gemeinde!
Segen - das Wort stammt ab von dem lateinischen Wort »signum«, Zeichen. Durch den Segen wird man also »gezeichnet«, man bekommt ein Zeichen »übertragen«. Dieses Zeichen geht mit einem, es bleibt bei einem. Bei Segenshandlungen verwenden wir fast immer das Kreuz, manchmal ist es auch einfach nur die Handauflegung. Im Predigttext, den wir gerade gehört haben, ist das Zeichen der Name Gottes. Es ist ein unsichtbares Zeichen, so wie der Segen selbst unsichtbar, aber doch deutlich erfahrbar ist. Dieses Zeichen, der Name Gottes, ist zugleich die Garantie dafür, dass Gott selbst die Menschen segnet, denn erst durch seinen Namen wird Gott bekannt. Das jüdische Volk hat schon vor über zweitausend aufgehört, den Namen Gottes auszusprechen, aus Furcht, gegen das 2. Gebot zu verstoßen: du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnützlich führen. Die christliche Kirche hat diesen Brauch übernommen, auch weil wir Gott mit dem Namen seines Sohnes, Jesus, benennen können. Und dennoch - zumindest in diesem Segen müsste der echte Name Gottes eigentlich ausgesprochen werden. Das einzige Problem dabei ist, dass wir gar nicht so genau wissen, wie er eigentlich ausgesprochen werden muss. Die Zeugen Jehovas haben aufgrund eines Lesefehlers die Bezeichnung »Jehova« gewählt. Richtiger wäre, aller Wahrscheinlichkeit nach, »Jahwe«. Aus Respekt vor dem jüdischen Volk hat auch Luther selbst den Brauch gewahrt, den Namen Gottes nicht auszusprechen. Anstelle des Namens lesen die Juden das Wort Adonai, das bedeutet »Herr«. Martin Luther hat in seiner Übersetzung dieses Wort immer mit Kapitälchen, also in Großbuchstaben, drucken lassen, damit man wusste, dass hier eigentlich der Name Gottes steht. Und genauso ist es im aaronitischen Segen zu finden:
Adonai segne dich und behüte dich.
Adonai lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Adonai erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Diese Segensformel, die in unserem Predigttext erklingt, ist uns allen vertraut, nur dass wir anstelle von Adonai eben »Der Herr« hören und lesen. Sie ist auch bekannt als »Aaronitischer Segen«, weil es die Segensformel ist, die dem ersten Priester des jüdischen Volkes, Aaron, von Gott mitgeteilt wurde. Und darin ist diese Segensformel sicher einzigartig: nach biblischer Überlieferung stammt sie direkt von Gott, wurde von Gott den Priestern in den Mund gelegt.
Viele Jahrhunderte, ja Jahrtausende ist der Segen ein wichtiger Bestandteil menschlichen Lebens gewesen. Man unternahm keine Reise ohne den Segen Gottes. Man wagte sich nicht an ein neues Unternehmen, wenn nicht vorher der Segen gesprochen wurde. Ein neues Haus, das nicht gesegnet worden war, konnte man nicht ohne Gefahr für Leib und Leben bewohnen. Werdende Mütter wurden während der Schwangerschaft, Neugeborene sofort nach der Geburt gesegnet.
Dass der Segen zum alltäglichen Leben dazugehörte, erkennen wir an manchen Redewendungen, die man fast automatisch auch heute noch von sich gibt. 'Ein Segen, dass uns nichts passiert ist', sagen manche Menschen. Damit bringen sie zum Ausdruck, dass ihr Gutgehen nicht selbstverständlich ist, sondern von einer Kraft abhängt, die jenseits unserer begrenzten Welt existiert. Allerdings wird dies den wenigsten heute in unseren Breitengraden noch bewusst. Wenn man so von Segen redet, denkt man nicht mehr an eine konkret erfahrbare Kraft, so wie früher der Segen empfunden wurde. Wenn es so wäre, dann würden doch mehr Menschen um den Segen bitten - z.B. für die Ehe, für ein neu erbautes Haus, für das neugeborene Kind, oder für die Kranken. In Indien erlebten wir, wie in jedem Gottesdienst Raum war für Segnungen Einzelner - z.B. nach der Geburt eines Kindes oder vor Antritt einer Reise. Hier bei uns fehlen solche Gelegenheiten, und ich glaube, dass uns damit eine ganz wichtige Erfahrung entgeht.
Der Segen ist nicht frei verfügbar. Man kann nicht selbst für sich den Segen erbitten und damit dann auch den Segen haben. Segen muss, das erkennen wir aus dem Predigttext, zugesprochen werden. Dabei ist es allerdings ganz gleich, ob diesen Segen der Pastor oder ein anderer Mensch spricht. Er muss eben nur zugesprochen werden. In der Bibel gibt es viele Geschichten, in denen z.B. der Vater seinen Sohn segnet oder die Mutter ihre Tochter. Und auch nach der Zeit der Bibel haben Menschen frei und ohne Hindernis den Segen über andere gesprochen, ganz unabhängig von ihrem Beruf. Es gibt viele russische Geschichten, in denen erzählt wird, wie alte Menschen um ihren Segen gebeten werden, oft auch von ganz fremden Menschen.
Es gibt mittlerweile einige Segenslieder. Daran erkennen wir, dass es doch Menschen gibt, denen der Segen wichtig ist. Doch wenn wir diese Lieder näher betrachten, stellen wir fest, dass es alles nur Bitten um den Segen Gottes sind. »Komm, Herr, segne uns«, heißt es da, oder »Herr, wir bitten, komm und segne uns« - die zwei wohl bekanntesten Lieder aus diesem Bereich. Es geschieht immer häufiger, dass auch Pastorinnen und Pastoren sogar den aaronitischen Segen abändern und sprechen: »Der Herr segne uns und behüte uns...« usw.
Diese Beobachtung weist auf ein Problem hin: wir können mit der Segnung als einer Handlung von Menschen an Menschen immer weniger anfangen. Es kommen leicht etwa solche Gedanken auf: Wenn der Segen besondere Kraft vermittelt, dann muss der oder die Segnende ja auch eine besondere Person sein. Als Segnender spärt man, dass man selber Segen empfangen möchte, und wandelt darum den Zuspruch in eine Bitte um. Dabei wird vergessen, dass eine Bitte offen ist. Sie kann erhört werden oder nicht - wir wissen es nicht. Es bleibt für uns eine Unsicherheit zurück, denn im Grunde ist es ja gar kein Segen.
Jeder Mensch kann segnen, und keiner segnet besser als ein anderer. Denn durch den Segen wird Gott an uns wirksam. Nichts am Segen hängt von dem Menschen ab, der den Segen spricht. Der Segen ist natürlich etwas, womit man nicht leichtfertig umgeht. Aber sicher kennen Sie Situationen, in denen Sie gerne den Segen empfangen hätten, nur sich nicht getraut haben, darum zu bitten.
Heute ist eine gute Gelegenheit zum Segnen, denn heute steht der Segen im Mittelpunkt dieses Gottesdienstes. Darum möchte ich Sie ermutigen, zu segnen. Sprechen Sie zueinander: Der Herr segne dich. Dabei können Sie die Hände auf den Kopf des anderen legen oder die Hände halten. Ich möchte Sie nicht nur dazu ermutigen, ich bitte Sie, es jetzt zu tun. Wenden Sie sich ihrem Nachbarn oder Ihrer Nachbarin zu, und wenn Sie niemanden links oder rechts neben sich sitzen haben, dann gehen Sie die paar Schritte zur nächsten Person. Sprechen Sie sich den Segen Gottes gegenseitig zu mit den Worten: Gott segne dich.
...
Der dreieinige Gott, der Vater, Sohn und Heilige Geist, ist mitten unter uns mit seinem Segen und seiner Kraft.
Amen

oder

Liebe Gemeinde, Jeder - oder fast jeder – Gottesdienst endet mit den Worten, die wir eben gehört haben. Es ist der übliche Ablauf. Oftmals hört man die Worte, ohne über die Bedeutung richtig nachzudenken. Darum finden manche es wohl richtig, andere Worte zu wählen, wenn die Zeit des Segens gekommen ist. Da gibt es durchaus schöne Formulierungen, aber ich wage zu behaupten: keine ist so schön wie diese, die Gott selbst seinen Dienern in den Mund legt. Lassen Sie uns etwas über diese Worte nachdenken. Gott spricht mit Mose und sagt, wie die Priester, die aus der Mitte des Volkes gewählt wurden, das Volk segnen sollen. Allein dies sollte ja schon Ansporn sein, sich an diese Worte zu halten. Nun ist es natürlich das Volk Israel, von dem die Rede ist. Die christliche Kirche ist nicht das Volk Israel – dennoch ist sie Teil des Gottesvolkes durch Jesus Christus, der ein Nachkomme Davids ist und sich selbst als Kind des jüdischen Volkes sah. Also dürfen wir diese Worte auch für uns in Anspruch nehmen: So sollt ihr sagen zu den Israeliten – und auch zu den Christen – wenn ihr segnet. Und dann kommen die Worte, die gerade jungen Menschen heutzutage schwer verständlich sind. Der erste Satz geht ja noch gut ein: „Der Herr segne dich und behüte dich.“
Das ist ein Wunsch, den man nachvollziehen kann, wobei nicht immer klar ist, was Segen bedeutet. Manche meinen, Segen spiegele sich wieder in Gesundheit und Wohlstand. Andere fühlen sich in Krankheit und Armut gesegnet. Nun, Segen ist die spürbare Gegenwart Gottes. Ob das nun in Not und Leid oder in Wohlstand und Gesundheit erfahren wird, ist zunächst einmal ganz unbedeutend. Wer Gottes Nähe erfährt, ist gesegnet. Das Zweite dieses ersten Satzes klingt so: „Der Herr behüte dich“. Das ist dann der ganz materialistische Wunsch, dass Gott uns vor Schaden und Gefahr behütet. Doch wenn wir dennoch einen Unfall erleiden, heißt das nicht, dass wir nicht gesegnet sind. Im Gegenteil: es kann sein, dass sich gerade darin der Segen Gottes offenbart.
Die folgenden zwei Sätze sind eine Entfaltung des ersten: „Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig.“ Ja, man darf sich das schon wie eine Leuchte, wie ein Licht vorstellen. Gott erhellt unseren Weg. Er lässt uns sehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind, und gibt uns die Möglichkeit, dorthin zurück zu kehren, wenn wir vom Weg abgekommen sind. Das Licht Gottes scheint in unsere Herzen und erhellt die hintersten Ecken. Er bringt ans Licht, was wir gerne verborgen sein lassen möchten, weil es unsere schlechten Seiten sind. Aber er tut das nicht, um uns wehzutun. Sondern im Segen erfahren wir auch seine Gnade: er vergibt, er nimmt alle Schuld von uns, er hilft uns wieder auf.
Der dritte Satz klingt ganz ähnlich, ist aber doch anders. So wie der zweite nimmt er den ersten Satz auf. „Der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“
Gottes Angesicht erhoben über uns: wie muss man sich das vorstellen? Nun, ich denke da an so etwas wie eine Fahne, die weithin sichtbar ist: wir sind Gottes Kinder. Wir gehören zu Gott. Und das machen nicht wir bekannt, sondern er selbst, indem er sich hoch über uns aufrichtet. Der Herr hebe sein Angesicht über dich... Und wenn das so ist, wenn niemand es übersehen kann, dass wir zu Gott gehören, weil sein Angesicht über uns erhoben ist, dann haben wir auch Frieden. Denn niemand wird uns den Frieden nehmen können, weil Gott selbst für uns streitet. Nun ist aber noch eins in diesem Segen, das manche merkwürdig finden und weswegen der Segen manchmal verändert wird. Dort heißt es ja: „Der Herr segne dich und behüte dich.“ Es ist immer nur eine Person angeredet. Und das, obwohl dieser Segen doch allen Menschen des Volkes Israel zugesprochen sein soll. Klingt das nicht auch komisch in der Kirche? Nun, das „du“ dieses Segens sieht nicht den einzelnen, sondern die Gemeinschaft. In der Gemeinschaft ist zwar jeder einzelne auch angesprochen, aber der Segen gilt natürlich allen und nicht nur einem einzelnen. Die Gemeinschaft ist dabei nicht nur vorübergehend, sondern hat andauernden Bestand. Sie ist nicht nur die Gottesdienstgemeinde. Der Segen gilt dem Volk Gottes. Und darum allen, die zu diesem Volk gehören. Darum wäre es falsch, zu sagen: Der Herr segne euch und behüte euch. Es ist gut, dass Gott uns diese Segensworte in den Mund gelegt hat. Sie bieten uns, was wir in unserer Welt dringend brauchen: Verlässlichkeit, Hoffnung, Zuversicht.
So gewähre uns Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, dass sein Segen über uns komme und bei uns bleibe. Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Komm, Gott Schöpfer (EG 125)
Brunn alles Heils (EG 140)
Es wolle Gott uns gnädig sein (EG 280)
Ich heb mein Augen sehnlich auf (EG 296)
Nun lasst uns Gott dem Herren (EG 320)
Ach bleib mit deiner Gnade (EG 347)
Segne und behüte uns durch deine Güte (KHW-EG 562)
Herr, wir bitten: Komm und segne uns (KHW-EG 590; NB-EG 561)


Zurück zum Anfang

Predigtvorschläge zu Reihe IV - Röm 11, (32)33-36

Liebe Gemeinde!
Reich sein, das hat schon was. Sich keine Sorgen machen, den Pfennig bzw. das Cent-Stück nicht umdrehen müssen, sich alles, was man will, kaufen können – das ist doch nicht schlecht.
Aber man muss sich ja gar nicht alles kaufen. Es genügt doch schon die Möglichkeit, zu wissen, dass es kein Objekt der Begierde gibt, das man nicht auch in seinen Besitz bringen kann. Dann kann man sich entspannt zurücklehnen, andere, die sich abrackern, vielleicht auch mitleidig belächeln, und ansonsten das Leben genießen.
Aber die meisten von uns werden wohl mit weniger schon längst zufrieden sein. Es ist doch genug, wenn man sein Auskommen hat, wenn die Rente reicht, wenn die Rückzahlung der Hypothek gesichert ist, wenn man hin und wieder mal in ein Restaurant oder in ein Kino gehen kann – auch damit kann man sich schon reich, auf jeden Fall aber zufrieden, fühlen, so, dass man das Leben auch genießen kann.
Reichtum ist messbar. Es gibt Listen der reichsten Menschen der Welt. Da geht es dann um Milliardenvermögen – also Tausende von Millionen. Das kann man in einem Leben nicht verbrauchen, zumindest nicht für einen selber. Aber wer so reicht ist, verfügt auch über viel Macht. Manche der Reichen nutzen diese Macht gerne mal aus.
Auch Armut ist messbar. Aber es gibt keine Liste der ärmsten Menschen der Welt. Denn sie sind nicht nur uninteressant. Wir kennen sie nicht. Sie werden nicht alt, denn sie verhungern häufig noch als Kinder. Sie haben nichts zu sagen. Der Mangel an Reichtum nimmt ihnen alle Möglichkeiten, Macht auszuüben. Warum soll man sich für diese armen Menschen interessieren?
Unser Predigttext redet von Reichtum. Aber es ist kein messbarer Reichtum. Es geht nicht um Geld, sondern um Weisheit und Erkenntnis.
O, welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! - ruft Paulus aus.
Über die Jahrhunderte und Jahrtausende hat man schon immer gewusst: in Wahrheit reich sind nicht die Menschen, die viel Geld ihr Eigen nennen, sondern die, die Gott kennen.
Dabei ist natürlich nicht gemeint, dass sie Gott kennen, so wie man etwa Karl Albrecht, den Eigentümer von Aldi Süd und reichsten Mann Deutschlands, kennen könnte.
Vielmehr ist schlicht das Wissen gemeint, dass es Gott gibt, dass man seine Existenz nicht leugnet oder auch nur vergisst.
Denn wirklich Gott kennen, sein Handeln verstehen und erklären – das können wir dann doch nicht. Nicht umsonst hören wir von der Kanzel den Gruß: der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der also alles Vernünftige übersteigt, der von uns schlicht nicht verstanden werden kann … Gott lässt sich nicht begreifen.
Hier wird auch etwas deutlich von der Tiefe des Reichtums, die wir doch nicht durchmessen könnten, weil sie so unermesslich ist.
Gott handelt aufgrund von Maßstäben, die nicht wir gesetzt haben oder setzen. Es sind immer seine Maßstäbe.
Und so scheitern wir manchmal auch bei unserem Versuch, Gott zu verstehen.
Zum Beispiel wenn sich ein schlimmer Unfall ereignet, durch den ein junger Mensch ums Leben kommt, der vielleicht noch aktiv in der Jugendgruppe seiner Kirchengemeinde tätig war, der gerne an den Gottesdiensten teilnahm und immer hilfsbereit war. Oder wenn eine Flutwelle tausenden von Menschen das Leben kostet. Oder wenn ein Sturm nicht nur die Behausungen der ärmsten Menschen, sondern auch ihre Felder und damit ihre Lebensgrundlage vernichtet.
Oder wenn Menschen an Krankheiten sterben, die eigentlich mit wenig Aufwand geheilt werden könnten – wenn sie nur Zugang zu den nötigen Medikamenten hätten.
Oder wenn eine liebevolle, fromme Mutter, die es so gar nicht verdient hat, stirbt und ihre jungen Kinder als Halbwaise zurück lässt.
O, welch eine Tiefe des Reichtums...
Ich kann mir vorstellen, dass manchen von uns diese Worte im Hals stecken bleiben, wenn man sich mit solchen Ereignissen auseinandersetzt.
Warum kann nicht wenigstens Gott für etwas Gerechtigkeit sorgen? Das Magnifikat, der Lobgesang der Maria, nimmt diesen Gedanken ja auf:
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.
Aber wo sehen wir das? Ist es nicht im Gegenteil so, dass die Gewaltigen fest im Sattel – oder besser: auf ihrem Thron – sitzen, während die Niedrigen immer stärker runtergedrückt oder auch unterdrückt werden?
Wir erleben es gerade ja wieder: Die durch die Reichen verursachte Finanz- und Wirtschaftskrise soll nun doch wieder auf Kosten der Armen und Niedrigen aufgefangen werden. Ohne mit der Wimper zu zucken fordern Politiker die Kürzungen der Sozialleistungen, um unseren Haushalt wieder in Schwung zu bringen.
Wo ist da der Reichtum der Weisheit und Erkenntnis Gottes? Wo ist da das, was Maria in ihrem Lobgesang verkündet?
In unserem Predigttext werden diese Fragen gleich verworfen. Wir haben nicht das Recht, so zu fragen. Wir sind keine Ratgeber Gottes, wir könnten es auch nie sein. Und wir können Gott nichts geben, was er nicht längst schon hätte. Wir können keinen Einfluss auf ihn nehmen, so wie Reiche mit ihrem Geld durchaus die Möglichkeit haben, das Handeln der Politiker zu beeinflussen.
Aber das hat ja auch etwas Gutes. Stellen wir uns nur vor, wenn diese Reichen ihren Einfluss auch bei Gott geltend machen würden... Doch da haben sie keine Chance.
Gott handelt auf seine Weise, nach seinem Ratschluss. Seine Gerichte sind unbegreiflich, seine Wege sind unerforschlich.
Wir wissen nicht, was morgen sein wird, weil wir nicht wissen, wie der Plan Gottes aussieht. Und das ist, so meine ich, auch gut so. Man stelle sich nur vor, wir wüssten, dass morgen ein lieber Mensch, der uns nahe steht und der heute noch ganz vergnügt ist, sterben wird. Wie würden wir reagieren? Immerhin, wir hätten die Chance, richtig Abschied zu nehmen. Aber alles, was wir heute erleben, würde allein von dem morgigen Ereignis her bestimmt sein.
Ob das gut ist? Und: würden wir nicht auch versuchen, dieses Ereignis zu verhindern, es hinauszuschieben, weil wir damit nicht einverstanden sind? Würden wir nicht doch wie Gott sein und alles selbst in die Hand nehmen wollen?
Die Überheblichkeit, die Hybris der ersten Menschen sitzt tief in uns drin. Ob wir es nun können oder nicht: wir wollen die Kontrolle haben über alles, was in dieser Welt geschieht, und damit natürlich auch über Gott.
Dabei wäre es so einfach und sicher auch angenehmer zu leben, wenn wir uns einfach von Gott beschenken ließen. Wenn wir die Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkentnis Gottes so tief sein ließen, wie sie eben ist, und einfach nur dankbar sind für das, was wir von ihm empfangen haben, was er uns möglich macht und was er uns eröffnet.
Denn auch ganz traurige, ja, grausame Ereignisse fügen sich ein in den Plan Gottes. Ich wäre jedenfalls wohl kaum heute hier an dieser Stelle, wenn nicht meine Mutter gestorben wäre, als ich gerade 12 Jahre alt war.
So lasst uns dankbar aus der Hand Gottes nehmen, was er uns gibt – sei es nun Gutes oder Böses. Denn letztlich führen alle Dinge zu Gott hin. Und das ist doch eine wunderbare Aussicht, die nur die genießen können, die die Tiefe des Reichtums der Weisheit und der Erkenntnis Gottes wenigstens erahnen!
Heute feiern wir Gemeindefest. Wir wollten Ihnen, den Gemeindegliedern, danken für Ihren Einsatz, nicht nur für die Renovierung der Kirche, sondern im Großen wie im Kleinen, für all das, was Sie zum Leben dieser, Ihrer Gemeinde beitragen.
Das Wetter ist nun nicht so, wie wir es uns erhofft hatten. Es wäre schön gewesen, hätte die Sonne geschienen. Wir könnten dann nachher draußen das Mittagessen genießen und uns aneinander und an der Natur freuen.
Aber Gott will es anders, und das hat sicher auch seinen Grund, den wir nun nicht suchen wollen. Auch so können wir feiern, und es geht vielleicht sogar etwas leichter, denn wir sind dichter beieinander. Lasst uns feiern, und dabei den nicht vergessen, der uns diesen Tag schenkt, den wir mit unseren Liedern und unserem Gebet loben.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16, 1.4-5)
Wer ist hier, der vor dir besteht (EG 64, 3-6)
Komm, Gott Schöpfer, Heilger Geist (EG 126)
Gelobet sei der Herr (EG 139 - Wochenlied!)
Brunn alles Heils, dich ehren wir (EG 140)
Allein Gott in der Höh sei Ehr (EG 179)
Nun jauchzet dem Herren, alle Welt (EG 288)
Großer Gott, wir loben dich (EG 331)
Gott wohnt in einem Lichte (EG 379)
Der du bist drei in Einigkeit (EG 470)
Dass du mich einstimmen lässt (KHW-EG 580)


Zurück zum Anfang

Predigtvorschläge zu Reihe V - Jes 6, 1-13

Liebe Gemeinde!
Trinitatis – Trinität – Dreieinigkeit – Dreifaltigkeit:
Bei diesen Worten geraten Christen in aller Regel in Erklärungsnot. Ich auch. Denn die Sache mit der Dreieinigkeit ist gar nicht so einfach und eigentlich logisch gar nicht so richtig zu erklären. Denn im Grunde ist es ja so:
Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sind der eine Gott. Aber dann heißt es wiederum: Der Vater ist nicht der Sohn und auch nicht der Heilige Geist, usw. Wie können die drei dann eins sein?.
In der jahrhundertelang dauernden Diskussion darum, welche Stellung der Vater, der Sohn und der Heilige Geist zueinander haben, ging es letztlich um Begriffe wie „Wesenheit“ und „Personen“, wobei die Wesenheit Gott ist und die Personen eben der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.
Die drei Personen sind unterschiedlich, haben aber alle drei das eine Wesen: Gott. Sind das nur Spitzfindigkeiten? Die Diskussionen darum hätten wohl nicht mehrere Jahrhunderte gedauert, wenn es für die Christen damals von geringer Bedeutung gewesen wäre.
Wir haben vorhin im Nizäno-Konstantinopolitanum, das wir einfacher das Nizänische Glaubensbekenntnis nennen und das im Jahr 451 festgeschrieben wurde, die Trinität deutlicher als im sonst üblichen apostolischen Glaubensbekenntnis ausgesprochen.
Hier werden, nachdem zunächst Gott, der Vater, als der Schöpfer aller Dinge, der sichtbaren und der unsichtbaren Welt, beschrieben wird, die beiden anderen Personen, Jesus und der Heilige Geist, in das rechte Verhältnis zum Vater gesetzt:
Jesus ist Gottes eingeborener Sohn, der aus dem Vater geboren wurde vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen.
Und der Heilige Geist ist Herr und macht lebendig, er geht aus dem Vater und Sohn hervor, er wird mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht.
Ob wir das mit der Trinität jetzt besser verstehen? Vielleicht soll es ja doch ein unergründliches Geheimnis bleiben, wie die drei zueinander stehen. Aber dann wiederum: wir glauben ja, dass in allen dreien Gott wirksam wird und wirkt.
Vielleicht genügt uns das für's erste.
Denn da kommt ja heute noch dieser Predigttext hinzu, die Berufungsgeschichte des Jesaja. Sie öffnet vor uns eine Bilderwelt, die überwältigend ist. Aber sie scheint rein gar nichts mit der Trinität zu tun zu haben. Der Herr sitzt auf seinem erhabenen Thron, da ist kein Sohn oder Heiliger Geist in Sicht. Oder vielleicht doch? Die Überschrift „Jesajas Berufung zum Propheten“ gibt ja nur einen Teil dessen wieder, was da beschrieben wird.
Jesaja schildert eine Gottesbegegnung, die eigentlich nur zwei Reaktionen auslösen kann: kopfschüttelndes Abwenden oder ehrfurchtsvolles Staunen.
Ich für meinen Teil gehöre zu den Staunenden.
Ich staune darüber, dass ich tatsächlich versuche, Gott zu erklären, ihn für uns verständlich zu machen, obwohl ich doch weiß, dass das eigentlich gar nicht möglich ist.
Ich staune darüber, dass wir uns nicht damit abfinden können, Geschöpfe zu sein, sondern immer das Verlangen haben, selbst Schöpfer zu werden.
Ich staune darüber, dass wir immer noch, trotz all der Schuld, die die Menschheit im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende auf sich geladen hat, leben dürfen, dass wir immer noch sein dürfen.
Und ich staune darüber, dass Jesja seine Vision mit vielen Details beschreibt, aber den Herrn Zebaoth noch nicht einmal zu beschreiben versucht.
Wir lesen nur dies:
Ich sah den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel.“ (Jes 6, 1)
und wenig später dann:
Weh mir, ich vergehe! ...Denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.“ (Jes 6, 5)
Gott von Angesicht zu sehen, wird in der Bibel immer als unmöglich beschrieben, denn die Herrlichkeit Gottes muss uns derart überwältigen, dass wir vergehen müssen. Darum ist es bei den Gottesbegegnungen, die sonst beschrieben werden, meist so, dass Gott selbst den Menschen vor diesem Anblick schützt.
Für Jesaja aber ist es zu spät. Er kann nur noch die Konsequenz dessen, was er sieht, feststellen: „Weh mir, ich vergehe!“
Aber das geschieht dann doch nicht. Jesaja vergeht nicht. So wenig es möglich ist, Gott zu beschreiben, gibt es offenbar doch die Möglichkeit, ihn zu sehen.
Doch was für ein Sehen ist das? Und wem ist es vergönnt?
Jesaja ist von der Herrlichkeit Gottes geblendet, deswegen sieht er im Grunde nicht, sondern kann nur feststellen, dass er Gott gesehen hat.
Es ist wie der Blick in die Sonne am Mittag. Eigentlich ist er unmöglich. Nur mit Hilfe von entsprechenden Filtern können wir direkt hinein schauen, ansonsten riskieren wir unser Augenlicht. Die Intensität der Sonnenstrahlen ist so groß, dass sie unsere Netzhaut verbrennen kann. Darum können wir die Sonne nie in all ihrer Pracht sehen.
Nur am Morgen und Abend können wir direkt hineinschauen, weil das Sonnenlicht einen viel längeren Weg durch die Atmosphäre zurück legen muss und die Atmosphäre wie ein Filter wirkt. Dafür wirken Sonnenauf- und untergang um so schöner: das rötliche Licht, das sich oft am Horizont ausdehnt und an den Wolken auf wunderbare Weise widergespiegelt wird, fasziniert Maler und Fotografen immer wieder neu.
Was wir von Gott gewissermaßen sehen können, ist alles schon unendliche Male gefiltert, denn sonst könnten wir es nicht sehen, es würde unsere Möglichkeiten sprengen, ja, zerstören. Wir würden vergehen. Was wir da sehen, ist von unendlicher Schönheit, aber eben: alles gefiltert, nur ein Abglanz dessen, was in Wahrheit ist.
Aber immerhin ist uns Gott in Jesus Christus so begegnet, dass wir keinen Schaden nehmen mussten, im Gegenteil – er hat allen Schaden auf sich genommen. Aber auch das war unendliche Male gefiltert. Wir konnten Gott nur als Menschen sehen, aber wir konnten es! Die Beschreibungen in den Evangelien sind uns bis heute erhalten, und so sehen wir ihn auch heute.
Wenn Menschen diese Kirche betreten, dann sind sie oft erst einmal überwältigt. Der Kirchbau und seine Malereien sind beeindruckend. Viele kommen, um das Bauwerk, seine Architektur und eben die Malereien, die tätowierten Wände, zu sehen.
Aber manche fühlen sich, wenn sie diesen Kirchraum betreten, auch ergriffen: sie meinen, hier etwas von Gott zu spüren. Sie können es nicht beschreiben, sie können nur feststellen: Gott ist da.
Natürlich ist er auch andernorts, Gott ist allgegenwärtig. Aber an solchen Orten wie dieser Kirche ist seine Gegenwart manchmal greifbar, es ist, als würden wir den Thronsaal betreten, den Jesaja da beschreibt.
Was sehen wir? Heute, jetzt? Sind es nur die Gemälde? Ist es nur die Baukunst? Oder sehen wir den Schöpfer, der die Architekten und den Maler inspirierte, ein solches Gebäude zu schaffen?
Gott ist allgegenwärtig. Er geht mit uns, auch wenn wir diese Kirche wieder verlassen. Manchmal wird das gar nicht wahrgenommen. Aber ich möchte es schon behaupten oder, noch deutlicher, ich möchte es feststellen: Jeder, der diese Kirche betritt, verlässt sie nicht ohne Begleitung. Gott geht mit allen, die hierher kommen, denn das ist es, was Gott uns zugesagt hat durch Jesus Christus: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Mt 28, 20b) Und vielleicht hat dieser Ort dazu geholfen, dass sie es dann doch wahrnehmen.
Nicht alle nehmen Gottes Gegenwart wahr. Manche wollen sie nicht wahrnehmen. Sie sperren sich, sie wollen mit Gott nichts zu tun haben, für sie ist das alles nur Phantasterei.
Andere würden es gerne wahrnehmen, können aber beim besten Willen nichts spüren. Sie suchen die Nähe Gottes und verzweifeln, weil die Visionen ausbleiben und die Wunder, die seine Gegenwart beweisen würden.
Aber wie muss man die Gegenwart Gottes denn eigentlich spüren? Mit welchem Organ wollen wir das tun? Mit den Augen? Mit den Händen? Mit der Haut? Mit den Ohren?
Wir können Gott doch überall wahrnehmen: hier in der Kirche, im Gottesdienst, oder auch, wenn Begegnungen anders ausgehen, als wir es erwartet haben, oder wenn es zu Begegnungen kommt, die wir überhaupt nicht vorhersehen konnten, die uns aber gut tun.
Es fällt nicht schwer, Gottes Nähe zu erfahren, wenn wir nur die Dinge, die sich in unserem Alltag ereignen, von Gott her zu deuten versuchen, wenn wir nicht mehr fragen: „was tue ich als Nächstes?“, sondern: „Gott, was willst du, das ich tun soll?“
Mit einer solchen Haltung ist damals Jesaja seinem Herrn begegnet. Am Anfang stand freilich das Entsetzen, die Überwältigung ob der Unbeschreiblichkeit des Allmächtigen, die ihm die Angst in die Glieder trieb: „Weh mir, ich vergehe!“ Dabei hatte er sich ja vermutlich auch selbst danach gesehnt, mal ein Zeichen der Gegenwart Gottes zu bekommen. Aber mit dieser Wucht hatte er es dann doch nicht erwartet.
Wer sich auf den Allmächtigen einlässt, wer seine Gegenwart zulässt, wer sich ihm öffnet, der sollte jedoch mit allem rechnen, und er muss dann auch die Konsequenzen tragen.
Für Jesaja ist es die Berufung zum Propheten. Doch sagt der Herr Zebaoth nicht: Jesaja, du musst jetzt dies und das tun.
Vielmehr fragt er in die Runde: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? (Jes 6, 8a)
Gott nimmt uns unseren freien Willen nicht, auch dann nicht, wenn er uns schon längst erwählt hat. Gott ist der Ewige, der die Zukunft und die Vergangenheit vereint, für den es keine Zeit gibt. Er kennt so auch unsere Zukunft. Aber er nimmt sie nicht vorweg. Er nimmt uns nicht unsere Freiheit, sondern wartet auf unsere Antwort.
Jesaja wartete nicht lange, sondern sprach: „Hier bin ich, sende mich!“ (Jes 6, 8b)
Für Jesaja ist es die Konsequenz dieser Gotteserfahrung. Warum sonst sollte sich Gott ihm so offenbaren, wenn nicht um ihn zu senden?
Dabei ist der Thronsaal angefüllt mit Wesen, die alle hätten diese Aufgabe übernehmen können. Jesaja ist der einzige, der nicht dazugehört, der eigentlich nur Zuschauer hätte sein können. Doch nein: wer Gott schauen darf, der kann sich nicht anschließend wieder ab- und dem Alltag zuwenden, so als habe er ein Konzert oder eine Theateraufführung besucht. Wer Gott schauen darf, der muss auch in den Dienst Gottes treten. Dieses „muss“ ist aber nicht als Zwang zu verstehen. Es ist vielmehr die einzig mögliche Folgerung.
Und doch bleibt die Möglichkeit des „Nein“ durch die Frage Gottes bestehen. Wen soll ich senden?
Ja, wen soll Gott senden? Diese Frage richtet sich auch an uns heute. Sind nicht wir die Gesandten Gottes, seine Boten, seine Engel? Denn das Wort Engel bedeutet ja nichts anderes als „Gesandter“ oder „Bote“.
Wir versammeln uns zum Gottesdienst, um Kraft zu schöpfen für unseren Alltag. Wir verlassen diesen Gottesdienst unter dem Segen Gottes, als Gesandte des Herrn.
Und dazwischen haben wir Gott vielleicht auf einzigartige Weise erfahren dürfen, in unseren Liedern und Gebeten, im Hören auf das Wort Gottes, in der Stille.
Gott ist in der Mitte, alles in uns schweige
und sich innigst vor ihm beuge.
“ (EG 165, 1), so haben wir vorhin gesungen. Mehr können wir nicht tun, mehr brauchen wir nicht tun, um ihn schauen zu können. Räumen wir also alles Gerümpel beiseite, das sich in unserem Herzen breit gemacht hat, und schaffen ihm Raum, damit er unsere Mitte sein kann. Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Komm, Gott Schöpfer, Heilger Geist (EG 126)
Gott der Vater steh uns bei (EG 138)
Gelobet sei der Herr (EG 139)
Herr Jesu Christ, dich zu uns wend (EG 155)
Gott ist gegenwärtig (EG 165)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Lobt Gott, den Herrn der Herrlichkeit (EG 300)
Großer Gott, wir loben dich (EG 331)
Er weckt mich alle Morgen (EG 452)


Zurück zum Anfang