das Kirchenjahr

Letzter Sonntag nach Epiphanias

Die Verklärung

Predigtanregungen

Der letzte Sonntag nach Epiphanias hat eine besondere Bedeutung, die sich auch im Thema dieses Sonntages widerspiegelt. Es stellt die Verbindung her mit Traditionen anderer Kirchen, die am Epiphaniasfest die Verklärung Jesu feierten. In der Verklärung wird Jesus, während er noch auf Erden weilt, für eine kurze Zeit den Jüngern gegenüber in seiner Herrlichkeit als der Sohn Gottes dargestellt. Es ist dies das einzige Mal, wo die Jünger die Nähe des Himmels durch Jesus physisch erfahren, und es begeistert sie so, dass sie darin bleiben wollen. Die Erzählung endet jedoch damit, dass es zurück in diese Welt geht, in der die Jünger zwar nun hoffen können, aber doch auch wieder der Not und dem Elend dieser Welt ausgesetzt sind. So stellt der letzte Sonntag nach Epiphanias die Verbindung her zwischen der Herrlichkeit des Sohnes Gottes und seinem Tod, durch den die Erlösung der Menschheit erwirkt wird, indem er selbst eben nicht von seiner Gottessohnschaft Gebrauch macht, sondern sich als Mensch opfert.

Zu den Perikopen

  • I: Ex 3, 1-8a(8b-9)10(11-12)13-14(15)

    Ich gebe gerne zu, dass ich kein Freund von Versen in Klammern bin. Die gültige Perikopenordnung hat deren viele, und man hat oft den Eindruck, dass die Ausklammerung der Verse entweder aus Zeitgründen erfolgt ist oder weil man der Ansicht war, dass die eingeklammerten Textpassagen dem Leser bzw. Höer nicht zuzumuten wären. In diesem Fall allerdings sind die Klammern schwer nachzuvollziehen. Sicher ist die Aufzählung der fremden Völker in Vers 8b nicht wirklich wichtig. Vers 9 aber ist durchaus relevant, wiewohl man argumentieren kann, dass diese Aussage nur eine Wiederholung des Verses 7 ist. Die Verse 11 und 12 heben auf die Person des Mose ab, und da es sich hier vor allem um die Begegnung des Mose mit Gott dreht, sollten diese Verse mit berücksichtigt werden. Warum Vers 15 eingeklammert wurde, entzieht sich allen vernünftigen Überlegungen.
    Im ersten Abschnitt ist der Heiligung des Ortes der Gegenwart Gottes besondere Beachtung zu schenken. Der Ort wird nicht heilig durch die Weihe oder durch einen anderen Akt, sondern schlicht (wenn man es schlicht nennen kann) durch die Gegenwart Gottes. Dies lässt uns nachdenken über die Orte, an denen wir Gott erleben und die uns dadurch zumindest für die Zeit der Gegenwart Gottes heilig werden. Dies dürfte nicht in erster Linie die Kirche bzw. der Kirchenraum sein, sondern vielmehr die Begegnung mit Menschen, in der sich Gott immer wieder zu offenbaren vermag, oder aber auch Orte der Bewahrung und Führung. Freilich kann man sich hier den Vorwurf zuziehen, man wolle Gott an einen Ort „festnageln”. Gerade davor sollte man sich hüten. Die Erzählung macht ja deutlich, dass die Gegenwart Gottes spontan ist und nicht lokal gebunden. Dass sich Gott einen Busch aussuchte, ist gewiss verwunderlich, aber wie sonst hätte er wohl Moses Aufmerksamkeit erregen können?
    Weiter kann man sagen, dass die spontane Begegnung mit Gott zugleich ein Akt der Heiligung ist. Wie sich dies auswirkt, kann man vielleicht damit beschreiben, wie ein Mensch im Frieden Gottes stirbt. Solche Szenen werden zwar immer seltener im Familienkreis erlebt, aber wer sie erlebt, spürt denn auch die Gegenwart Gottes und verharrt still. Unsere Gesellschaft lässt leider nicht viel Raum für solche Erlebnisse. Es ist gewiss angemessen, die Zuhörer zur Besinnung zu rufen, zum Nachdenken darüber, wann sie die Nähe Gottes zuletzt gespürt haben, und dann auch anzuregen, in der kommenden Woche ganz bewusst sich für die Gegenwart Gottes zu öffnen, denn: Gott ist überall, es kann höchstens passieren, dass wir ihn verpassen.
    Der zweite Abschnitt enthält die mysteriöse Selbstidentifikation Gottes. Mysteriös deswegen, weil bisher jeder Bibelübersetzer über die hebräischen Worte gestolpert ist. Ich will hier keine sprachliche Analyse vornehmen. Vielmehr scheint mir, dass gerade die Mysteriösität dieser Selbstidentifikation eine wesentliche Charakteristik derselben ist. Gott will eben nicht einfach durchschaut werden, er will (und kann) eben nicht per Name in eine Schublade eingeordnet werden, und wenn es doch einer versucht, so muss er am Ende bekennen, dass alle Versuche vergeblich waren, denn das Sein und der Ursprung alles Seins lässt sich nicht kategorisieren, da es ja alle Kategorien umfasst.
    Merkwürdig ist darüber hinaus, dass Gott diese Aussage scheinbar dazu macht, um sich den Israeliten zu erkennen zu geben. Nun haben diese unzählige Jahre in ägyptischer Knechtschaft gelebt und können sich kaum noch an das Erinnern, was ihnen ihre Urväter erzählt haben. Eine Identifikation wie diese muss eigentlich zu einer Verweigerung führen. Auch wird nirgends davon erzählt, dass Mose den Gott seiner Väter gegenüber den Israeliten so identifiziert. Diese Beobachtungen verstärken den Eindruck, dass die Selbstidentifikation Gottes nicht wirklich dem von Mose genannten Zweck dient, sondern dem Leser das Wesen Gottes nahebringen will.
    Die kirchenjahreszeitliche Einordnung dieses Textes ist wohl durch den brennenden Busch gegeben. Dies wäre allerdings eine sehr oberflächliche und ungenügende Assoziierung. Der eigentliche Bezug zum Evangelium wird vielmehr durch die Aussage Gottes über sich selbt hergestellt: der Sohn Gottes, oder auch Gott selbst, der alles Umfassende (was durch die Sebstidentifikation dargestellt wird), kehrt zurück in sein Menschsein, um durch sein Opfer die Erlösung für die Menschheit zu wirken. Die Paradoxie des Kreuzes wird in der Gegenüberstellung der beiden Ereignisse sehr schön deutlich: der, der alles Sein umfasst, ergibt sich dem, das er umfasst, und lässt sich von ihm umfassen. Dies macht das wahre Opfer aus, das unser aller Erlösung erwirkt.

  • II: Offb 1, 9-18

    Zur Auswahl: Stücke aus der Offenbarung auszulegen, ist ein recht schwieriges Unterfangen. Zu leicht verliert man sich in den zahlreichen Details der Visionen, während doch die Offenbarung eigentlich als einheitliche Komposition – vom ersten bis zum letzten Wort – angesehen werden müsste.
    Der vorliegende Abschnitt wurde sicherlich deswegen in die Perikopenreihe aufgenommen, weil hier eine Vision Jesu beschrieben wird, wie er im Himmel thront. Diese Vision passt zum Thema der Verklärung, auch wenn es sich nicht um eine Verklärung handelt. Denn die Verklärung selbst erlaubte den Jüngern ja, Jesus in seiner Herrlichkeit als der Sohn Gottes zu schauen.
    Zum Predigttext: Man kann im Text zwei Abschnitte erkennen: die Vorstellung des Propheten selbst (9–11), in der er auch erklärt, warum er dieses Buch (die Offenbarung) geschrieben hat, und dann die erste Vision (12–18). Sicherlich kann man den ersten Abschnitt getrost vernachlässigen. Es könnte aber auch interessant sein, gerade dieser Person des Johannes nachzugehen und zu fragen, was für eine Geschichte er selbst durchgemacht hat und ob diese Erfahrungen evtl. selbst Motivation für die Verfassung der Offenbarung sind. Dabei würde dann allerdings pauschal in Frage gestellt, ob diese Visionen nun wirklich von Gott her kommen.
    Nicht ganz unbedeutend, allerdings wohl mehr für die exegetische Arbeit und für die Gesamtheit der Offenbarung, ist die Aufzählung der sieben Gemeinden. Was hebt diese Gemeinden hervor, was macht sie zu etwas Besonderem, warum wird gerade an sie diese Offenbarung gerichtet?
    Vom kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang her ist der Schwerpunkt wohl auf die Vision selbst zu legen. Die Gestalt wird sehr detailliert beschrieben, viele Symbole werden genannt (die Zahl 7, das zweischneidige Schwert, weißes Haar, goldener Gürtel...), die, wie schon gesagt, leicht den Blick vom Wesentlichen ablenken. Noch einmal taucht in der Vision der Prophet selbst auf, der sich auf den Boden wirft, wohl weil ihm mindestens schwindelig wurde angesichts dieses Anblicks. Aber dann spricht ihn der, der einem Menschensohn gleicht, an und macht ihm Mut: Fürchte dich nicht!
    Wie dieser sich dann selbst beschreibt, mag das Wesentliche dieses Textes sein: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.” Diese drei Eigenschaften nebeneinander sagen über ihn aus, dass er der Schöpfer und der Richter ist, der offenbar nicht nur an diesen Eckpunkten in Aktion tritt, sondern auch „zwischendurch”, weil er der Lebendige ist, der nicht schläft noch schlummert. Mit dem letzten Satz identifiziert sich der Gesehene indirekt als Jesus: „Ich war tot.” Nun hat er gesiegt, er ist lebendig, und hat die Schlüssel des Todes und der Hölle in Händen.
    Diese Vision ist ganz eindeutig keine Schreckensvision. Jesus (nun davon ausgehend, dass der Gesehene Jesus ist) will Johannes nicht erschrecken, sondern ihm Mut machen. Darum gibt er sich ja zu erkennen. Sonst hätte die schönste und wunderbarste Vision immer auch mit Zweifel zu tun.
    Zur Predigt: Ich könnte mir vorstellen, dass eine Predigt zu diesem Text versucht, das Wunderbare der Vision zu schildern. Vielleicht nicht mit so vielen Symbolen, sondern einfach nur so, dass man die Möglichkeit hat, staunend dazustehen und voll Dankbarkeit und Freude Gott zu loben. Es bietet sich an, die Predigt mit Hilfe von Liedstrophen zu gliedern. Es sollte in dieser Predigt kein moralischer Zeigefinger erhoben werden. Die Gemeinde soll sich wohlfühlen, ihr soll die Furcht genommen werden, denn Jesus ist der Lebendige, der um unseretwillen den Tod überwunden hat.

    Ein Predigtvorschlag

  • III: 2. Petr 1, 16-19 (20-21)

    Wieder müssen wir uns zunächst mit der Frage auseinandersetzen, ob die Verse 20–21 mit hinzugenommen werden sollen, oder ob man die eingeklammerten Verse lieber ganz unberücksichtigt lässt. Diese Frage lässt sich mit Blick auf das Thema dieses Sonntags leicht beantworten. Die Verse 20–21 thematisieren vor allem die Frage, was Offenbarung ist, und bleiben daher deutlich hinter dem Thema zurück. Zwar geht es in diesem Text in gewisser Weise darum, den Beweis zu führen, dass Petrus eine Vorrangstellung innehat und gerade er (mit den zwei anderen Jüngern, die bei der Verklärung zugegen waren) darum mit Sicherheit das prophetische Wort in der Autorität Gottes verkündet. Auf der anderen Seite kann man natürlich überlegen, nun gerade diese Verse hinzuzunehmen, denn immerhin geht es hier ja um die oft verhandelte Frage, ob es – grob vereinfacht – bessere und schlechtere Christen gibt, ob also eine Unterscheidung zulässig ist. Doch steht diese Frage vom kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang her nicht im Vordergrund. Betrachtet man die Perikope so, dann müssen wir feststellen, dass dieser Text eigentlich denkbar ungeeignet ist für diesen Sonntag.
    Der Text versucht zu belegen, dass der christliche Glaube nicht auf Hörensagen beruht, sondern auf Tatsachen, wobei sich der Verfasser besonders mit der Figur des Petrus identifiziert, indem er auf das Ereignis der Verklärung eingeht, dessen Zeuge nach den Evangelien Petrus gewesen ist. Sicher befindet sich der Verfasser des Briefes, der wohl kaum Petrus ist, in guter Tradition. Notwendig wird dieses Vorgehen offenbar dadurch, dass die Autorität des Petrus angezweifelt wird. Man mag sich fragen, wie es zu diesen Zweifeln kommt, aber vielleicht ist es genau der Zweifel, der jede(n) Glaubende(n) plagt, denn letztlich ist Glauben ja auf das zu Vertrauen, was wir nicht sehen oder mit unserem Verstand begreifen könnten. Da kann auch dieser Text nicht helfen, denn wir wissen ja mittlerweile, dass der Verfasser nicht Simon Petrus ist.
    Schauen wir nun auf den Abschnitt, der die Auswahl des Textes für diesen Sonntag motiviert hat, so stellen wir fest, dass die Ausbeute eigentlich recht mager ist. Offenbar ist die Verklärung Jesu vor allem dadurch etwas Besonders, dass Gott ihn zu diesem Zeitpunkt als seinen Sohn bezeichnet hat – oder will der Vf. damit nur die Glaubensaussage unterstützen, dass Jesus Gottes Sohn ist, indem er sich selbst als Zeugen zur Verfügung stellt? Jedenfalls greift er auf aus der Überlieferung allgemein Bekanntes zurück, und es ist schon beachtenswert, dass es im Grunde nur diese Aussage Gottes ist, die das Ereignis zu etwas Besonderem werden lässt. Ohne diesen Satz blieben immerhin noch Elia und Mose sowie das strahlend weiße Gewand – alles Dinge, die angesichts dieser wichtigen Aussage Gottes so stark verblassen, dass der Vf. keine Notwendigkeit sieht, sie zu erwähnen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wurde bereits erörtert. Beschränken wir uns in der Predigt darauf, was sicher gut wäre, dann bleibt für uns die Herausstreichung der Tatsache, dass Jesus der Sohn Gottes ist, und nicht irgendein Mensch mit einer besonderen Begabung und Berufung, wie es auch heute immer wieder Menschen gibt. Tatsächlich scheint es manchmal nötig, diese Tatsache, die doch nur im Glauben festgehalten werden kann, hervorzuheben, besonders in einer Zeit des wachsenden Zweifels und der zunehmenden Unsicherheit. Jesus ist der Sohn Gottes – genau das will uns der Verfasser dieser Perikope vermitteln, und das sollen wir predigen.
    Dabei gerät die Verklärung selbst schon wieder etwas in den Hintergrund. Vielleicht sollten wir versuchen, Jesus für die Zuhörer zu verklären derart, dass sie die Stimme Gottes vernehmen können: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Ob uns das gelingt?

  • IV: Ex 34, 29-35

    Es ist das zweite Mal, dass Mose die Gesetzestafeln vom Berg Sinai herunterholt, weswegen das Volk Israel hier auch nicht um das goldene Kalb tanzend dargestellt wird. Diese Episode ist bereits Geschichte und hat ein, gelinde gesagt, unangenehmes Gericht nach sich gezogen. Hier erlebt das Volk, das dieses Mal bereitwillig gewartet hatte, die Begegnung mit dem Göttlichen durch einen Menschen, nämlich Mose. Das Glänzen, das von seinem Gesicht ausgeht, steht nicht für ein verklärtes Lächeln oder ein fröhliches „Strahlen”, sondern es ist so hell, dass das Volk Angst hat, ihm zu nahe zu kommen. Denn die Menschen verstehen sofort, dass Mose nicht nur auf den Berg gestiegen ist, sondern Gott wahrhaftig begegnet ist. Die Furcht bezieht sich also nicht unbedingt darauf, dass sie evtl. geblendet werden könnten, sondern darauf, dass Gott so unmittelbar bei und mit Mose ist, dass eine Annäherung an Mose einer Annäherung an Gott entsprechen könnte. Und eine solche Annäherung kann den eigenen Tod bedeuten, denn allen ist bewusst (oder sollte es sein), dass sie vor Gott nicht bestehen können - man würde als Unheiliger dem Heiligen begegnen, und solch ein Miteinander ist undenkbar.
    Aus christlicher Sicht ist diese Erzählung ein klassisches Beispiel dafür, dass der Mensch des ersten Bundes (des Alten Testamentes) ganz unter das Gesetz getan ist, also nur dann vor Gott bestehen kann, wenn er alle Gebote gewissenhaft und nicht nur äußerlich erfüllt. Dass dies keinem Menschen möglich ist, hat Jesus Christus durch seine Antithesen in der Bergpredigt deutlich gemacht. Zugleich ist durch ihn (Jesus), indem er sich kreuzigen ließ, das Gesetz erfüllt und damit alle, die an ihn glauben, zu Gottes Kindern gemacht worden. Die Angst, die in der vorliegenden Erzählung seitens des Volkes Israel beschrieben wird, brauchen Christen nicht zu haben. Und dennoch muss uns diese Erzählung zur Mahnung dienen, denn Gott gebührt Ehre und Lob, selbst dann, wenn uns Schlimmes widerfährt und wir der Ansicht sind, dass Gott das doch hätte verhindern können oder gar sollen. Aber er bleibt in Allem der Souverän, dessen Handeln wir beim besten Willen nicht durchschauen können. Das Geschenk der Gnade, das er uns durch Jesus Christus machte, befreit uns von unserer Sünde, aber es muss uns umso ehrfürchtiger machen vor dem, der uns so befreit hat.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ergibt sich aus der Begegnung mit dem Göttlichen, die auch den Jüngern bei der Verklärung widerfuhr. Aber dort scheinen die Jünger ganz unbefangen, denn sie begreifen nicht, was sie da erleben. Erst als sie die Stimme Gottes hören, erschrecken sie und fallen zu Boden.
    Es ist zunehmend erlebbar, dass Räume, die früher einzig der Begegnung mit Gott gewidmet waren, (teil-)säkularisiert werden (Nutzung für Veranstaltungen jeglicher Art bis hin zum Kabarett, das sich über den Glauben oder die Kirche (als Institution) lustig macht. Das hat sicher auch gute Gründe, aber es ist ein Zeichen dafür, dass wir immer weniger in der Lage sind, Gott als den Allmächtigen und Erhabenen anzusehen, dem Respekt und Ehre gebührt. Nun sind natürlich z.B. Kirchenräume nur Räume, sie sind nicht der Wohnort Gottes. Aber ihre wichtigste und eigentlich einzige Aufgabe ist, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, mit Gott ins Gespräch zu treten, also ihm zu begegnen. Das wird mitunter durch Fremdnutzung erschwert oder gar unmöglich gemacht.
    Die Predigt sollte versuchen, das Besondere der Begegnung mit Gott so zu vermitteln, dass sich eine freudige Erwartung auf solche Begegnung hin entwickelt. Es kann also nicht, auch wenn der Predigttext das eher hergibt, Angst vor dieser Begegnung geschürt werden. Vielmehr muss das freundliche Antlitz Christi, das Antlitz der Gnade und Güte Gottes, erkennbar werden. Durch ihn sind wir zu Kindern Gottes geworden, weswegen es keinen Grund zur Furcht mehr gibt (auch wenn sich manchmal Kinder vor der Begegnung mit dem Vater fürchten, weil sie etwas ausgefressen haben - aber doch immer zu ihm zurück kehren).

  • V: Mt 17, 1-9

    Irgendwie fällt es schwer, diesem Text etwas für unsere Situation abzugewinnen. Es ist alles so „abgehoben”... Aber genau darum geht es wohl auch. Denn es ist gut, wenn wir nicht allzu erdlastig sind, nicht allzu sehr nach unten gezogen werden. Wenn wir nach oben schauen, zu Gott hin, mag vielleicht auch uns die Verzauberung ergreifen, die die Jünger ergriff und die Petrus zu der recht dummen Ankündigung veranlasst, drei Hütten bauen zu wollen. Er will sie natürlich halten, diese drei, und geht damit schon einen Schritt zu weit. Denn was dann? Der Dienst Jesu wird nicht im Himmel vollzogen, sondern unter den Menschen, und so ist auch das Leben des Christen nicht abgehoben und losgelöst von dieser Welt, sondern sehr irdisch. Aber auch nicht ganz. Gott gönnt es uns ab und zu, diesen Blick in den Himmel, damit wir nicht ganz und gar verzagen.
    Aber auf die Verzauberung folgt Bestürzung, ein Schreck durchfährt sie, denn eine Stimme erschallt „aus der Wolke”, die das Licht etwas dämmt. Während die Jünger gar keine Probleme damit hatten, Mose und Elia neben Jesus zu sehen, haben sie mit dieser Stimme wohl doch Probleme. Da redet Gott sie an, und schon überfällt sie die Angst. Dabei ist das, was Gott sagt, doch recht vernünftig. Woher kommt diese Angst? Ist es nur Ehrfurcht? Es besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der vorbehaltlosen Annahme der Erscheinung der zwei Propheten und diesem „heiligen” Erschrecken. Vielleicht ist es einfach nur ein Element, wodurch verhindert werden soll, dass sie sehen, wie Mose und Elia wieder verschwinden. Aber für solch eine Konstruktion besteht eigentlich kein Bedarf.
    Es kommt durch die Diskrepanz eher zum Ausdruck, dass die Erscheinung von Mose und Elia immer noch etwas ganz Natürliches zu sein scheint, was vielleicht auch daran liegt, dass man zumindest von Elia aus der Bibel weiß, dass er nicht gestorben ist, sondern in den Himmel auffuhr (2. Kön 2). So kann er sich also auch frei bewegen, so wie es die Engel tun, die Boten sind zwischen Gott und den Menschen. Gott selbst aber ist fern und redet nicht mit den Menschen – er tut es nur durch diese Boten. Und als seine Stimme erschallt, wird den Jüngern ein Privileg zuteil, das nur wenigen in dieser Form zuteil wurde. Das verursacht den Schreck, der sie niederfallen lässt.
    Jesus richtet sie wieder auf. Denn wie schon gesagt, das, was aus Gottes Mund erklingt, ist nicht dazu gedacht, sie zu verurteilen, sondern aufzubauen. Dies ist mein lieber Sohn – den sollt ihr hören! Wenn nicht schon durch die Geburt, dann doch spätestens hier wird offenbar, wer Jesus wirklich ist. Und vielleicht ist es das, was die Jünger erschrecken lässt. Mit ihm hatten sie Umgang wie mit einem Menschen, er war für sie ein Mensch, und nun soll er der Sohn Gottes sein? Da ist es notwendig, dass Jesus dann auf sie zugeht, sie anrührt und zu ihnen ermutigende Worte spricht. Das Unwirkliche der Situation löst sich hier wieder auf, es kehrt alles wieder zum Alten zurück, und doch wird es nie mehr so wie vorher sein.
    Dieses Evangelium gibt dem Sonntag sein Thema und bestimmt den kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang. Es ist ein klassisches Thema der Epiphaniaszeit. Die Predigt sollte ihm Raum geben, aber dabei natürlich auch die Frage beantworten, welchen Sinn diese Erzählung für uns hat. Es ist im weiteren Sinn auch eine Ostergeschichte, die den Auferstandenen schon darstellt, und darum kann hier die Brücke geschlagen werden von der Vergänglichkeit unserer Welt zu der Unvergänglichkeit der Welt, auf die wir uns in diesem Leben vorbereiten.

  • VI: 2. Kor 4, 6-10

    Paulus beschreibt zunächst seinen Auftrag auf sehr eindrückliche Weise. Es tauchen in diesem einleitenden Satz (Vers 6) viele Bilder auf: „Durch uns soll die Erleuchtung entstehen” (Erleuchtung im Sinne von „mir geht ein Licht auf”); „die Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu” – eine Herrlichkeit, die den Gott erkennt, der bereit ist, alles, was er liebt, hinzugeben, um die sündhafte Menschheit zu retten; „ein heller Schein ist in unsere Herzen von Gott gegeben” – ein Schein, den wir nicht für uns behalten können.
    Doch auf diese Einleitung, die so sehr zum Verweilen einlädt, folgt die Realität des Daseins eines Missionars. Dabei geht Paulus gewiss davon aus, dass jeder Christ die Funktion eines Missionars wahrnimmt. Denn die Pluralform, die er verwendet, ist sicher nicht die des pluralis majestatis, und auch nicht bezogen auf ihn und vielleicht einen Gefährten, der mit ihm reist. Er redet von dem Auftrag, der an alle ergeht, die sich von der Herrlichkeit Gottes in Christus haben erleuchten lassen. Die Einschränkung, dass dieser Schatz, d.h. die Herrlichkeit Gottes, in irdenen Gefäßen ist, soll deutlich machen, dass wir als Menschen eigentlich nicht wert sind, sie mit uns herumzutragen. Wir sind schlicht und ergreifend unzulänglich. Diese Unzulänglichkeit wird deutlich in den verschiedenen Bedrängnissen und Nöten, die einen Christen umgeben und die Paulus nun beschreibt. Merkwürdig, dass er zunächst zu meinen scheint, ein Christ kenne keine Angst, und dann doch einschränkt: Bange ist uns schon, aber wir verzagen nicht. In Verfolgung und Unterdrückung wissen wir, dass wir nicht allein sind.
    Ganz wichtig ist jedoch der 10. Vers: ein Christ lebt in der Nachfolge Christi, d.h. er versucht Jesus nachzuahmen (imitatio Christi). Indem er dies tut, trägt er auch den Tod Jesu an seinem Leib: er zieht die Bedrohung an, der Jesus ausgesetzt war, denn oft genug wird er gegen den Strom schwimmen müssen, so wie Jesus es tat. Er wird sich für die Schwachen und Ausgestoßenen einsetzen, er wird die Wahrheit suchen und fordern von denen, die sie verleugnen, er wird die Mächtigen zu Gerechtigkeit ermahnen. Am Ende eines solchen Weges steht der Tod – ein unehrenhafter dazu.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird in diesem Text überhaupt nicht recht deutlich. Man muss sich schon bemühen, um von dem hellen Schein, den Gott in unsere Herzen gegeben hat, auf die Verklärung Jesu zu kommen. Aber so ist es wohl zu verstehen: Jesus ist in unseren Herzen verklärt. Wichtig ist sicher, dass man in der Predigt nicht dabei verweilt, so wie Petrus seinerzeit gleich Hütten bauen wollte. Es ist gut, dass Gott uns diesen Schein in unsere Herzen gegeben hat, aber er wird auch von uns weitergegeben. Er dient nicht dazu, dass wir uns ausruhen und den Rest der Welt sich selbst überlassen können. Mit diesem Schein in unseren Herzen ist uns Christen eine große Verantwortung übertragen.

  • Marginaltexte: Ex 24, 1-2.9-11 (15-18) = 2. Mose 24, 1-2.9-11 (15-18)
    Joh 12, 32-36(37-41)

    Zu Joh 12, 32–36(37–41):
    Die eingeklammerten Verse 37–41 sind für die Predigt nicht notwendig, wohl aber für die Vorbereitung. Es schadet nicht, sie mit einzubeziehen und auch vorzutragen.
    Der Dialog zwischen dem Volk (!) und Jesus spielt sich auf dem Hintergrund jüdischer Tradition ab. Der Messias (=Christus) soll in Ewigkeit unter dem Volk bleiben, er soll ja das neue Königreich Israel errichten und erhalten (es soll hier wohl Ps 110 als Grundlage dienen; es handelt sich aber um allgemeines Gedankengut der damaligen Zeit). Die Frage, die das Volk dann aber stellt, steht in krassem Gegensatz zu dem, was vorher von Jesus selbst gesagt wurde: er sprach nicht vom „Menschensohn”, sondern von sich selbst („wenn ich erhöht werde”, Vers 32). Daher ist gerade die Frage, wer dieser Menschensohn sei, eigentlich absurd. Und interessanterweise geht Jesus dann ja auch nicht auf diese Frage ein, sondern einzig auf die Frage, warum der Menschensohn erhöht werden müsse. Dabei antwortet er aber nur indirekt: 'ihr habt das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. ...Glaubt an das Licht...'
    Es ist schwer vorstellbar, dass Johannes, der sein Evangelium mit großer Sorgfalt geschrieben hat, diese Diskrepanz aus Versehen so stehen ließ, weil er sie nicht bemerkte, als er den Text, der ihm dann schon vorgelegen haben musste, in sein Evangelium einfügte. Der Sinn wird deutlich, wenn man noch etwas weiter zurückgeht. In Vers 23 leitet Jesus die folgende Rede ein mit „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.” In Vers 32 identifiviert er sich dann mit dem Menschensohn. Also ist die Frage des Volkes eine Frage des Zweifels. Während er als der Messias angesehen wurde, nun aber von sich als dem Menschensohn redet, der erhöht werden muss, fragt sich das Volk nun natürlich: ist er der Messias? Und darum auch die Frage: Wer ist der Menschensohn? Denn wenn Jesus tatsächlich der Menschensohn ist, dann stimmt entweder ihre Vorstellung vom Messias nicht, oder Jesus ist nicht der Messias.
    Dass Jesus nicht auf die Frage eingeht, mag daran liegen, dass er es für müßig hält, auf den Zweifel zu reagieren. Es ist eben nur noch eine kleine Zeit, dass er unter ihnen weilt, und diese Zeit sollten sie vielmehr ausnutzen, anstatt sich mit Zweifeln zu plagen. Dies ist wohl auch der Gedanke, der in der Predigt zum Klingen kommen sollte.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird allerdings nicht ohne Weiteres ersichtlich. Die Verklärung wird nicht angesprochen, wohl aber Jesu Erhöhung, wenn er gekreuzigt wird (das Kreuz gewissermaßen als Thron) und dann schließlich zur Rechten Gottes sitzen wird. Die Verklärung bedeutet ja, dass etwas von Jesu Gottheit sichtbar wird unter uns. Dies finden wir in dem Text nur dort, wo Jesus von sich als dem Licht redet, das alles erleuchtet.
    Problematisch für die Predigt ist sicherlich, dass Jesus hier davon redet, dass er leibhaftig unter den Menschen ist und dies ausgenutzt werden solle. Wir leben nun in der Zeit nach seinem Wandel auf Erden, und diese Rede muss übertragen werden. Es ist zwar möglich, zu sagen, dass auch heute das Licht unter uns ist, aber zu oft scheint es das auch nicht zu sein. Es ist also keine Tatsache, die wir so ohne Weiteres voraussetzen können. Es ist vielmehr ein Akt des Glaubens geworden. Die Gegenwart des Lichtes erfahren wir daher besonders im Abendmahl oder schlicht im Gottesdienst.
    Vielleicht lässt sich dies in der Predigt verarbeiten. Es trifft nur eben nicht zu, dass wir Jesus nur eine kleine Zeit unter uns haben – im Grunde, in dem Sinn dieser Worte, haben wir ihn gar nicht mehr unter uns. Dafür ist er auf andere Weise mit uns. Kinder des Lichtes können wir werden, indem wir daran glauben, seine Existenz also voraussetzen, auch wenn wir es nicht wahrnehmen. Die Predigt sollte versuchen, deutlich zu machen, wo das Licht unter uns zum Scheinen kommt, und Mut machen, dieses Licht anzunehmen und daran zu glauben.



Buchempfehlungen: