das Kirchenjahr

Invokavit

Versuchung

Predigtanregung

Der Name des Sonntags Invokavit leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon ab: „Invocavit me, et ergo exaudiam eum” (Ps 91, 15; deutsch s. unten, wörtliche Übersetzung von „Invokavit” hervorgehoben).
Der Sonntag Invokavit hat die Geschichte der Versuchung Jesu zum Thema. Versuchung ist inzwischen zu einem altertümlichen Begriff geworden, vor allem deshalb, weil die Frage nach dem Versuchenden immer deutlicher gestellt wurde und wird. Gibt es ihn überhaupt? Entspringt die Versuchung nicht ausschließlich in einem selbst? Diese Entwicklung muss auf jeden Fall berücksichtigt werden, wenn wir von Versuchung sprechen. Die Vorstellung eines leibhaftigen Versuchers als des Teufels ruft höchstens noch ein müdes Lächeln hervor; das Arbeiten mit solchen Bildern in der Predigt ist heutzutage ausgesprochen schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Die Frage nach dem Versuchenden bleibt, sei es nun die Person selbst oder eine von außen wirkende Kraft. Und immerhin finden wir den Begriff noch in der deutschen Sprache, wenn z.B. gesagt wird: „Ich bin versucht, das und das zu kaufen.” Aber hier hat es gewiss nicht mehr den Sinn, den es in der Bibel hat.

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V - Hiob 2, 1-13

Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Herrn traten, dass auch der Satan unter ihnen kam und vor den Herrn trat. 2 Da sprach der Herr zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. 3 Der Herr sprach zu dem Satan: Hast du Acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben.
4 Der Satan antwortete dem Herrn und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. 5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: was gilt's, er wird dir ins Angesicht absagen! 6 Der Herr sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben!
7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. 8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. 9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Sage Gott ab und stirb! 10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.
11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie waren eins geworden hinzugehen, um ihn zu beklagen und zu trösten. 12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt 13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Der Text ist voller Merkwürdigkeiten, während es im ganzen Buch Hiob doch eigentlich nur um eine einzige Frage geht: Warum? Es ist die Frage, die Eltern junger Kinder ratlos machen kann. Es ist die Frage, für die Gott immer wieder herhalten musste, weil man selbst keine Antwort geben konnte. Aber bei Hiob kann man so nicht antworten, denn hier geht es ja um die Frage, warum Gott Leid über die Menschen, die ihm immer treu sind, kommen lässt, während Übeltäter sich in der Sonne räkeln und des Lebens freuen.
Natürlich finden wir die Frage auch in dieser Perikope, aber es ist durchaus legitim, auch auf die Merkwürdigkeiten einzugehen. Da ist zunächst das Gespräch Gottes mit seinen „Söhnen”. Allein die Vorstellung, dass es einen solchen himmlischen Thronsaal gibt, in dem sich Gott wie der Vorsitzende in einem Aufsichtsrat über die Vorgänge in seiner Firma informiert, wirkt äußerst befremdlich. Wenn Gott allmächtig und allwissend ist, braucht er so etwas doch nicht.
Darüber hinaus erfahren wir hier, dass Satan seinen Platz im Himmel hatte. Dabei ist er offenbar der Versucher par excellence: er schafft es sogar, Gott dazu zu überreden, dem Frömmsten aller Frommen (Hiob) noch mehr Leid zuzufügen, als ihm bisher schon widerfahren war. Denn in Kapitel 1 des Buches Hiob wird das geschildert, was die Ursache für das bekannte Wort „Hiobsbotschaft” ist: eins nach dem andern bricht alles zusammen: seine Kinder sterben, sein Vieh kommt um, seine Ernte ist vernichtet. Satan hatte da schon einmal die Genehmigung bekommen, Hiob zu schaden, nur unter der Auflage, ihn selbst nicht anzutasten. Nachdem Satan nun feststellen musste, dass Hiob in dieser Situation noch immer sagen konnte: „der Name des Herrn sei gelobt”, will er es, anstatt sich geschlagen zu geben, noch einmal versuchen, nur diesmal, indem er sein Fleisch antastet.
ich möchte noch etwas bei der Figur des Satans verweilen, denn es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind, was das bedeutet: „das Böse”, was wir oft als Satan bezeichnen, hat demnach seine Legitimation (aber auch seine Kontrolle, d.h. seine Grenzen) von Gott her. Es fällt zunehmend schwerer, eine solche Beobachtung zuzulassen, denn wir wollen uns Gott so nicht vorstellen. Heute neigt man ja eher dazu, in Gott den „Ofen der Liebe” zu sehen, von dem nichts Böses ausgehen kann. Dieses Empfinden geht ja so weit, dass man die 6. Bitte des Vaterunser am liebsten umformulieren möchte. Dabei bin ich überzeugt, dass es sich bei dieser Bitte weder um einen Verständnis- noch um einen Schreibfehler handelt. Es ist tatsächlich möglich, dass Gott uns in die Versuchung hineinführt, also dem Bösen aussetzt.
Wir müssen bedenken, dass schon vom Schöpfungsgedanken her klar sein muss: wenn Gott das Gute schuf, dann hat er auch das Böse geschaffen - oder es wenigstens durch die Schöpfung ermöglicht. Wenn wir nun diese Beobachtung akzeptieren, erkennen wir darin auch einen Vorteil: das Böse unterliegt dann nämlich der Kontrolle Gottes! Und das ist gut so.
In unserem Predigttext wird diese Kontrolle ausdrucksvoll verdeutlicht, indem Gott dem Satan (erneut) seine Grenzen setzt. Bis dahin und nicht weiter.
Dann begegnen wir der Frau des Hiob. Sie sagt nur zwei Sätze, die es aber in sich haben und regelrecht von Verachtung strotzen. Dass da überhaupt keine liebevolle, tröstende Zuwendung zu erkennen ist, wie man sie von einem (liebevollen und geliebten) Ehepartner erwarten können sollte, muss schockieren. Interessant ist aber eigentlich die Formulierung, mit der sie zwei Dinge deutlich macht: zum einen ist Frömmigkeit zu nichts nütze, und zum andern ist man ohne Glaube nicht lebensfähig. „Sage Gott ab und stirb.” Können solche Worte von einem Menschen kommen, der auf Gottes liebevolle Zuwendung, seine Gnade und Güte vertraut?

Liedvorschläge:

Befiehl du deine Wege (EG 361)
Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362)
Was mein Gott will gescheh allzeit (EG 364)
Von Gott will ich nicht lassen (EG 365)
Was Gott tut, das ist wohlgetan (EG 372)



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