das Kirchenjahr

Gründonnerstag

Tag der Einsetzung des Heiligen Abendmahls

Für euch gegeben

Predigtanregungen

Am Gründonnerstag wurden ehemals die zu Beginn der Fastenzeit ausgeschlossenen Sünder nach entsprechenden Bußhandlungen wieder in die Gemeinde aufgenommen. Von diesem Geschehen her mag der Name entstanden sein ("Greindonnerstag" vom "Greinen" der Sünder, von ihrem "Weinen" her gedeutet). Eine Verbindung mit der Farbe Grün herzustellen scheint weniger sinnvoll.
Der Gründonnerstag hebt sich aus dem Ganzen der Heiligen Woche heraus durch verschieden äußere und innere Elemente; er ist gewissermaßen Höhepunkt und Tiefpunkt zugleich, da er einerseits bestimmt wird durch die Sorge des Heilands um seine Gemeinde, indem er ihr das Heilige Abendmahlals Vermächtnis stiftet, und andererseits durch das von tiefster Verzagtheit erfüllte Gebet in Gethsemane.
Die liturgische Farbe des Gründonnerstag ist Weiß. Dies erklärt sich daraus, dass die Kirche an diesem Tag zurückblickt auf die Geburt des Herrn. Nun ist er im Begriff, zum Vater zurückzukehren, und läßt als Zeichen seiner Gegenwart den Kelch seines Blutes zurück, weswegen auch die frühere Bezeichnung des Gründonnerstags "Geburtstag des Kelches" lautete. Wenn wir so an den Geburtstag des Herrn denken, wird uns deutlich, dass wir ihn bei jedem Abendmahl neu feiern, dass in diesem Mahl nicht nur das Kreuz gegenwärtig ist, sondern auch das neue Leben, das uns in Jesus Christus geschenkt ist. Das Gedächtnis der Geburt des Herrn in Brot und Wein wird von der Gemeinde besonders gefeiert durch den Gesang des Gloria in excelsis Deo, das von allen Glocken begleitet wird, die darauf bis zum Ostermorgen schweigen.
Allerdings schweigt auch in diesem Gottesdienst das Halleluja und das Gloria patri; auch das Gloria in excelsis Deo erklingt zum nächsten Mal erst wieder in der Feier der Osternacht.
In vielen Gemeinden ist es üblich, nach der Feier des Abendmahls den Altar gänzlich abzuräumen. Dies hatte ursprünglich einen ganz praktischen Sinn: Der Altar wurde nur zur Feier der Eucharistie mit einem Altartuch geschmückt. Heute wird diese Handlung dahin gedeutet, dass sie die Entblößtheit Christi am Kreuz symbolisiert.
Dass die Orgel nach dieser Feier bis zum Erklingen des Liedes Christ ist erstanden (EG 99) in der Osternacht schweigt, will etwas vermitteln von der Verlassenheit Jesu, die er in Gethsemane und am Kreuz erfährt.

Zu den Perikopen

  • I: 1. Kor 11, (17-22)23-26(27-29.33-34a)

    Es ist schade, aber auch symptomatisch, dass man den Text aus dem 11. Kapitel des 1. Korintherbriefes zum größten Teil eingeklammert hat, so dass man sich nicht mit diesen unbequemen, aber doch wichtigen Abschnitten befassen muss, wenn man es nicht möchte. Alle drei Abschnitte beziehen sich aufeinander, so dass sie eigentlich nicht voneinander losgelöst werden können. Während der nicht eingeklammerte Text als Folge des ersten eingeklammerten Textes zu verstehen ist und ohne diesen eigentlich im luftleeren Raum schwebt (mit Ausnahme vielleicht des 26. Verses, aus dem man schon eine Predigt entwickeln kann), ist der zweite eingeklammerte Text (27-34) unverzichtbar mit den nicht eingekammerten Versen als bedeutende Schlussfolgerung verknüpft. Alle drei Abschnitte hängen miteinander zusammen, weswegen wohl die Perikopenmacher auch beschlossen haben, sie in dieser Form aufzunehmen und nicht nur die Verse 22c-26.
    Etwas Hintergrundinformation wird nötig sein (s. etwa das Präfamen). Die damalige Situation tritt bei uns in der Regel nicht auf, da eine Verknüpfung von Agapemahl und Eucharistie (Abendmahl) nur selten, und wenn, dann nicht unter den Voraussetzungen, unter denen sie damals miteinander verknüpft wurden, geschieht. Dennoch ist das Grundproblem auch heute höchst aktuell, ja, himmelschreiend aktuell. Die Bewegung des Fairen Handels hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir in vielerlei Hinsicht nicht nur mit den Menschen in Entwicklungsländern verbunden sind, sondern sie auch durch unser Wirtschaftssystem ausbeuten. Während allein die Zwischenhändler schon in der Lage sind, an den in unserem Land verkauften Produkten reich zu werden, können die Arbeiter, die die Waren produzieren und damit den größten Anteil verdient hätten, einen lächerlich geringen Betrag als Lohn erhalten, mit dem sie mal gerade ihr Leben fristen können. Hier spiegelt sich das Verhalten der damaligen Reichen gegenüber der armen, arbeitenden Gruppe der Gemeinde 1:1 wider. Es scheint mir unerlässlich, in diese Wunde den Finger zu legen.
    Der andere Aspekt, der sich aus dem zweiten eingeklammerten Abschnitt (V. 27-34) ergibt, geht hingegen jeden einzelnen Menschen ganz persönlich an. Sicher wird die Predigt nicht den Eindruck erwecken, über die Menschen, die auf sie hören, richten zu wollen, aber sie muss dennoch deutlich machen, dass die Eucharistie (das Abendmahl) in sich heilig ist und darum eine entsprechende innere Haltung des Empfängers oder der Empfängerin erfordert. Dabei ist es wichtig, den Hörern eine Verstehenshilfe in Bezug auf den Begriff „Unwürdigkeit” zu geben. Paulus beschreibt dies schon, indem er davon spricht, dass der unwürdige Empfänger schuldig wird am Leib und Blut des Herrn, also an Jesus Christus selbst. Es mag schwierig sein, solche Gedanken heute zu vertreten, da immer mehr Menschen der Ansicht sind, dass es eben doch nur Brot und Wein sind, die man da zu sich nimmt, und es darum egal ist, wie man das tut. Aber die Eucharistie ist die Gemeinschaft nicht nur untereinander, sondern ganz konkret auch mit unserem Herrn Jesus Christus. Dies muss kommuniziert werden, gerade in Verbindung mit diesem Predigttext.
    In den Zusammenhang der Unwürdigkeit gehört noch ein anderer Aspekt. In manchen Gemeinden ist die Feier der Eucharistie auf wenige Male im Jahr beschränkt. Das Gegenteil sollte der Fall sein. Denn dadurch, dass man sich dieses Mahles entzieht (und dadurch, dass man der Gemeinde dieses Mahl entzieht), um möglichst nicht Gefahr zu laufen, die Gaben unwürdig zu sich zu nehmen, wird man genauso schuldig, weil man die Einladung unseres Herrn ausschlägt. Eigentlich müsste jeden Sonntag die Messe (Abendmahlsgottesdienst) gefeiert werden, damit alle die Möglichkeit haben, an der Eucharistie teilzuhaben. Denn nur so können sie auch am Heil teilhaben.
    Das wird auch in dem 26. Vers deutlich: das Abendmahl ist Vergegenwärtigung des Todes und der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, und darüber hinaus auch Zeichen unserer Hoffnung auf sein baldiges Kommen (wobei „bald” nicht im zeitlichen Sinn gemeint ist). Indem wir es feiern, bekennen wir auch unseren Glauben.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist offensichtlich und muss nicht weiter erläutert werden.

  • II: Ex 12, 1-4(5)6-8(9)10-14

    Das Passahmahl ist das Mahl, das Jesus benutzte, um das Abendmahl einzusetzen. Es stellt also die Grundlage des Abendmahls dar. Es ist darum sicher interessant und hilfreich, sich diese Einsetzung des Passahmahls zu vergegenwärtigen. Hier geht es um das allererste Mahl, das der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten dient.
    Das Lamm, das geschlachtet wird, soll bei dem Mahl vollständig gegessen werden. Um das zu erreichen, lädt man die Nachbarn ein. Hier wird schon der wichtige Charakter als Gemeinschaftsmahl deutlich. Es muss vorher abgesprochen werden, wer wen einlädt, denn sicher gab es viele Familien, die nicht groß genug waren, um ein ganzes Lamm zu verzehren.
    In voller Montur soll man dieses Mahl halten, weil sie dann den Weg in die Freiheit in Eile antreten müssen. Das Blut des Lammes schützt die Häuser der Israeliten vor dem "Todesengel". Schließlich wird das Mahl zur "ewigen Ordnung" erhoben, es soll Jahr für Jahr am gleichen Tag (nach dem jüdischen Kalender) zum Gedenken an die Befreiung aus der Sklaverei gefeiert werden.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist einleuchtend. Wie schon erwähnt, benutzte Jesus das Passahmahl, um das Abendmahl einzusetzen. Er deutete die Gaben Brot und Wein um. Das Brot wird in der Perikope nicht genannt, es ist das ungesäuerte Brot, das schnell gebacken wurde als Wegzehrung (wenn man bedenkt, dass sie gerade Lämmer geschlachtet hatten, wird noch deutlicher, dass es bei diesem Mahl darum geht, die Gemeinschaft zu stärken; die Sättigung steht an zweiter Stelle, denn sonst hätte ja doch jede Familie und jede Person ein Lamm schlachten und den Rest mit auf den Weg nehmen können). Jesus hat mit seinen Jüngern auch das Passahlamm gegessen, danach bricht er das Brot. Die Wegzehrung ist nun sein Leib, der Wein, der auf das Blut des Lammes hindeutet, das ihnen Schutz gewährt hat, ist nun sein eigenes Blut.
    In der Predigt sollte besonders auf den Charakter des Seder-Mahls eingegangen werden, auf die Betonung der Gemeinschaft und der Befreiung. Es ist kein Sättigungsmahl, sondern ein Erinnerungsmahl, das über die Erinnerung hinaus eine gemeinschaftsfördernde Qualität hat. Bei jeder Wiederholung der Feier erfährt der Jude darüber hinaus die Gewissheit, dass sich Gott für das jüdische Volk einsetzt und ihm Schutz und Hilfe gewährt.
    So auch das Abendmahl. In ihm erfahren wir die befreiende Kraft Gottes, die durch seinen Sohn Jesus Christus wirksam wurde. Darüber hinaus führt uns das Mahl in Gemeinschaft zusammen. Diese Gemeinschaft geht, wie beim Passahmahl, weit hinaus über die, die gerade zum Mahl versammelt sind. Sie umschließt die gesamte Christenheit (beim Passahmahl das ganze jüdische Volk), dazu die, die zuvor gestorben sind.

  • III: Mt 26, 17-30

    Die Erzählung vom letzten Mahl ist eng verknüpft mit der Gestalt des Judas, und man mag sich fragen, warum dies so ist. Wenn man die Erzählungen der verschiedenen Evangelisten nebeneinander betrachtet, wird man erkennen, dass sich die Beurteilung der Person des Judas verändert. Dabei ist es vor allem der Raum, der seiner Gestalt gewährt wird, die ihm eine entsprechend negative Bedeutung zumisst. Im Johannes- Evangelium wird Judas nahezu durchgängig mit dem Teufel in Verbindung gebracht, während die synoptischen Evangelien zwar die Wort aus Vers 24 aufnehmen, aber ansonsten nicht unbedingt so viel Raum geben wie hier bei Matthäus.
    Die Predigt kann versuchen, den Blick von Judas weg zu lenken. Denn am Anfang des Mahles steht das Entsetzen der Jünger über die Ankündigung. Niemand weiß, ob nicht er es sein wird, der seinen Herrn und Meister verrät. „Bin ich's?” Diese Frage stellten sich alle Jünger. Und so muss sich auch die Gemeinde, die heute diese Worte hört, fragen: Bin ich's? Es wäre viel zu einfach, mit dem Finger auf Judas zu zeigen und zu sagen: der ist's, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.
    Abgesehen davon darf auch die Frage gestellt werden: was wäre, wenn Judas nicht gewesen wäre? Hätte das ganze Heilsgeschehen denn dann stattfinden können? Brauchte Gott wirklich den Verräter?
    Darüber hinaus steht natürlich die Feier des Passah-Mahles im Vordergrund und Jesu Umdeutung hin auf seinen Tod. Es hat zahlreiche Überlegungen gegeben, wie Jesus diese Worte gemeint haben könnte. In meinen Augen sind diese Überlegungen jedoch müßig. Die Worte sind klar, die Umdeutung ist klar auf das Opferlamm bezogen, das der Evangelist Johannes ja schon zu Beginn seines Evangeliums in Jesus Christus erkennt. Das Passah-Lamm bekommt in und durch Christus eine neue Bedeutung. Es sühnt für die Sünden aller, die an ihn glauben.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist offensichtlich und muss nicht weiter erörtert werden.

  • IV: 1. Kor 10, 16-17

    Dieser Text birgt ein theologisches Problem in sich, das mit der Einführung verschiedener Abendmahlspraktiken (hier vor allem Einzelkelche) erst in den letzten Jahrzehnten aufgekommen ist. Da dieser Tag das Abendmahl wie kein anderer Tag thematisiert, wäre es kaum verkehrt, darauf in der Predigt auch einzugehen. Darüber darf der in diesen wenigen Worten enthaltene Zuspruch aber nicht verloren gehen.
    Was zunächst auffällt, ist, dass Paulus diese Worte, wie wir wissen, schreibt, noch bevor die Evangelien verfasst wurden. Dabei greift Paulus Stücke auf, die offenbar schon Tradition sind. Es ist leicht abzuleiten, dass diese im wahrsten Sinne urchristliche Tradition davon ausgeht, dass die Gemeinde einen Kelch segnet und ein Brot isst. Ob die Segnung eines Kelches auch bedeutet, dass aus diesem einen Kelch getrunken wird, ist daraus aber nicht ersichtlich. Die Einsetzungsworte aus den Evangelien lassen aber vermuten, dass dies der Fall war.
    Offensichtlich aber gehören Kelch und Brot zum Abendmahl, das nun von Paulus charakterisiert wird als ein Mahl der Gemeinschaft mit Christus, und zwar mit seinem Leiden und Sterben. Das wird deutlich daraus, dass direkt auf das Opfer Christi Bezug genommen wird, das er gegeben hat, indem er Blut und Leib dahingab. Die Gemeinschaft mit diesem Blut und Leib ist also die Gemeinschaft mit Jesu Leiden und Sterben.
    Darüber hinaus betont Paulus die Gemeinschaft der Christen untereinander. Alle sind ein Leib, sie gehören zusammen. Streitereien und Zwistigkeiten sind innerhalb dieser Gemeinde zwar denkbar, dürfen aber nicht zur Trennung führen. Bevor dies geschieht, muss sich die vergebende Liebe Jesu an allen erweisen, die an diesem Mahl der Liebe teilhaben.
    Für die Predigt kann dieser Aspekt der Schwerpunkt werden. Einigkeit, die sich nicht daraus ergibt, dass man sich duckmäuserig verhält, allen Ärger hinunterschluckt und sich "missbrauchen" lässt, sondern daraus, dass man bereit ist, einander zu vergeben, Raum zu geben für die Liebe Gottes, an der wir alle teilhaben.

  • V: Lk 22, 39-46

    folgt später

  • VI: Joh 13, 1-15.34-35

    Warum haben die Väter der Perikopenordnung diesen Text als Evangelium ausgewählt, anstelle einer Darstellung des Abendmahls? Vermutlich wohl, um zu verhindern, dass dieses Ereignis vergessen wird. Gut, dass in der Perikopenrevision von 2018 dies nicht geändert wurde.
    Johannes berichtet als einziger davon, vielleicht ist es sogar seine eigene „Erfindung”, denn so ein markantes Ereignis hätten die anderen Evangelisten wohl kaum vergessen können. Vielleicht hatte es woanders seinen Platz. Niemand weiß es. Es wäre auch nur müßige Spekulation, denn auch diese Erzählung vermittelt eine wichtige Botschaft.
    Jesus vollzieht einen Ritus: der Gastgeber wäscht den Gästen die Füße, nicht als Zeichen der Demut, sondern als Geste der Gastfreundschaft. In den meisten Haushalten wurde diese Handlung von einem Sklaven vorgenommen. Der Ritus wird hier aber nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Denn eigentlich ist Jesus weder Hausherr noch Gastgeber. In wessen Haus befinden sie sich eigentlich? Es bleibt offen. Auch, wer das Mahl zubereitet hat, wird nicht erwähnt. Darüber hinaus wäscht Jesus die Füße während des oder nach dem Mahl, das nicht näher beschrieben wird, während der Hausherr die Füße normalerweise beim Betreten des Hauses wäscht bzw. waschen lässt, also vor dem Mahl. Irgendetwas hat Jesus bewegt, aber was, bleibt ebenfalls unklar. Es scheint, als sei er schon mit allem zum Abschluss gekommen - der Weg ist vor ihm ausgebreitet, er muss ihn nur noch gehen. Wird ihm bei diesem Mahl bewusst, was seinen Jüngern noch fehlt?
    Vielleicht ist es gerade die Tatsache, dass es keinen echten Hausherrn oder Gastgeber gibt, die dieser Handlung ihre Brisanz gibt: Jesus schlüpft nicht in die Rolle des Gastgebers, er vollzieht nicht, was seine Pflicht wäre. Er macht sich zum Sklaven, einem Menschen, der selbst nicht frei ist. Denn in diese Rolle passt hier eigentlich nur noch der Sklave. Jesus unterwirft sich so vollkommen, wie es kein freier Mensch zu tun bereit wäre.
    Ein Beispiel hat er gegeben. Damit macht er deutlich: werdet selbst wie Sklaven. Unterwerft euch. Dadurch, dass ihr es aus freien Stücken tut, seid ihr aber keine Sklaven. Ihr seid frei, auch über euch selbst zu verfügen. Und wie das aussehen soll, macht Jesus vor: Dient einander. Seid füreinander da. Erfüllt am andern nicht nur eure Pflicht, sondern tut das, was ihr sonst nur einem Sklaven zumuten würdet.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nur durch den Zeitpunkt, an dem sich dies ereignet, offensichtlich. Aber so, wie Jesus bereit ist, sich selbst in Brot und Wein uns ganz und gar hinzugeben, so wird es auch in dieser Szene deutlich: die totale Hingabe, die wir selbst nie in der Lage sind, nachzuvollziehen, wird hier deutlich.
    Man kann in ein Dilemma kommen, will man diesen Text predigen. Einerseits soll die Gemeinde für etwas eintreten, mit dem klaren Bewusstsein, dass sie dabei das richtige tut. Andererseits legt dieser Predigttext nahe, der Gemeinde eine weitgehende Zurückhaltung, ja, Demut ans Herz zu legen. Beides ist richtig, beides ist Bestandteil des Evangeliums. Denn Demut ist nötig, solange es um die eigene Person geht. Mut und Stärke aber ist nötig, um für andere einzutreten und ihnen das Gute zu tun, das wir eigentlich allen Menschen, die in Not sind, schuldig sind.

  • Marginaltexte: 2. Mose 24, 1-11 (= Ex 24, 1-11)
    Mk 14, 17-26
    Hebr 2, 10-18

    Zu Mk 14, 17-26:
    Diese Perikope ist "geladen". Da haben wir zunächst den "Verräter" und dessen Verdammung, dann die Einsetzung des Abendmahls, ferner die Ankündigung des Todes Jesu und schließlich die Einordnung in das jüdische Sedermahl. Es ist wichtig, die Predigt selbst nicht mit all diesen Themen zu überfrachten. Jedoch kann nur vor Ort entschieden werden, welcher Themenbereich "dran" ist.
    Der "Verräter" wird nicht namentlich genannt, auch der Vorgang des gemeinsamen "In-die-Schüssel-Tauches" des Brotes wird nicht geschildert. Dafür spricht Jesus einen Fluch über den Verräter aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Verdammung eine spätere Einschiebung ist. Dies schließe ich daraus, dass sonst nur wenig Interesse an dieser Person bei Markus zu finden ist. Auch später wird der Akt des Verrats wie ein normaler Vorgang geschildert, Jesus hat dort keine verdammende Rede parat, es geschieht, weil es geschehen muss. Das soll nun aber nicht heißen, dass auf der Kanzel diese Details dargestellt werden. Im Gegenteil: es geht nur darum, zur Behutsamkeit zu mahnen. U.U. ist es angebracht, Jesu Verdammung anzuzweifeln: warum sollte der Verräter besser nicht geboren worden sein? Wenn nicht, was wäre dann mit Jesus geschehen? Interessant ist an dieser Stelle die Beobachtung, dass im Griechischen das Wort "Auslieferer" oder noch genauer "Überlieferer" steht, also gar nicht von einem Verräter gesprochen wird. Warum also soll derjenige, der Jesus ausliefert, besser nicht geboren worden sein? Könnte es sein, dass dies mit dem Tod des Judas zu tun hat? Könnte es sein, dass Jesus schlicht auf die Not hinweist, die Judas verspüren muss, weil er plötzlich erkennt, dass er seinen Herrn in den Tod geführt hat? Könnte es sein, dass Jesus mitfühlt mit Judas und dieser Satz eben kein Fluch ist, sondern Ausdruck von Sympathie? Eine Predigt, die sich um die Figur des Judas rankt, könnte auf die Not vieler Menschen, die zu spät die Konsequenzen ihres Handelns erkennen, eingehen. Dabei könnte unter Verweis auf diese Stelle deutlich gemacht werden, dass Jesus auch diesen Menschen vergibt, nur dass diese Menschen es oft ungleich schwerer haben, diese Vergebung anzunehmen.
    Die Einsetzung des Abendmahls selbst ist nicht leicht in eine Predigt umzusetzen. Einen theologischen Diskurs kann man nicht führen, es nützt auch nicht viel, die lutherische Abendmahlstheologie auszubreiten. Dazu kommt eine gewisse Problematik der Worte bei Markus: das Blut wird nur für "viele" vergossen, nicht für "euch" oder gar für "alle". Der Begriff "viele" schließt aus, er ist nicht inklusiv. Gewiß kann man in der Predigt über die Wichtigkeit des Abendmahls nachdenken und über seine heilsame Wirkung. U.U. ist ene Verknüpfung mit dem Seder-Mahl angebracht, worauf dann auf die von Jesus eingeführten Besonderheiten hingewiesen werden kann. Dass ein Element des Seder-Mahls später noch einmal erwähnt wird (der abschließende Lobgesang), kann zu diesem Ansatz ermutigen. Damit wird dann die jüdische Tradition, aus der heraus das Christentum entstanden ist, besonders deutlich, aber auch das Besondere der christlichen Botschaft.
    Schon fast amüsant kann der Vers 25 sein, wenn man ihn mal von der ganz anderen Seite betrachtet: da wird also im Himmel Wein getrunken! Auch hier ist wohl an die Nähe zum Seder-Mahl zu denken, denn der Wein, von dem hier geredet wird, ist ja der Wein des Seder-Mahls. Darin könnte man einen Hinweis auf die Gemeinschaft Jesu mit dem Volk Israel und mit seinen Jüngern erkennen. Es ist aber wohl wahrscheinlicher, dass dieser Vers zum Ziel hat, zu verdeutlichen, dass Jesus nun bald in den Tod geht und dieser nur ein Übergang in das Reich Gottes ist - eine Vorstellung, die der jüdischen Welt damals noch nicht ganz so selbstverständlich war.
    Das Seder-Mahl scheint in dieser Perikope in der Tat den Rahmen zu bilden. Die Predigt sollte daher darauf eingehen, um die Tradition, in der sich Jesus bis zu seinem Tod zu Hause fühlte, lebendig werden zu lassen. Das Seder-Mahl erinnert an die Befreiung des Volkes Israel. Von daher kann das durch Jesus eingesetzte Abendmahl hier auch als Befreiungsmahl gedeutet werden: zur Befreiung von Sünden.

    Zu Hebr 2, 10-18:
    Dieser Abschnitt des Hebräerbriefes enthält zentrale Aussagen des christlichen Glaubens. Dennoch ist es schwierig, der "Beweisführung" zu folgen, die sich aus der Schrift hier und da einen Vers herauspickt. Denn diese Beweisführung ist natürlich auch davon abhängig, wie die zitierten Stellen interpretiert werden. Da dies aber die Art und Weise ist, wie damals eine Aussage Über Gott und sein Wirken bewiesen wurde, muss der Prediger/die Predigerin es erst einmal so hinnehmen und damit so umgehen, dass es nicht den Anschein erweckt, er bzw. sie habe irgendwo den Verstand abgegeben.
    Es geht vor allem darum, klar zu machen, dass Christus ein Mensch war, "in allem seinen Brüdern (und Schwestern) gleich". Dies versucht der Verfasser in diesem Predigttext zu beweisen. Dabei beginnt er mit der merkwÜrdigen Aussage, dass Gott "viele SÖhne" zur Herrlichkeit gefÜhrt habe. Andere Übersetzungen schreiben hier, dass Gott viele SÖhne zur Herrlichkeit fÜhren wollte, was sinnvoller erscheint, denn dadurch erst bekommt das Nachfolgende ErzÄhlen von Jesu Leiden als AnfÄnger ihres Heils erst einen Sinn. So ist das FÜhren zur Herrlichkeit etwas, das dem Anfang, der durch Jesus gemacht ist, nachfolgt.
    Darauf stellt sich natÜrlich die Frage: wer ist mit den "SÖhnen" gemeint? Es mÜssen wohl alle Menschen sein, die ja als GeschÖpfe Gottes in gewissem Sinn auch als dessen SÖhne bezeichnet werden kÖnnen, wie der Verfasser im Vers 11 auch darzustellen versucht. Dass er dazu Ps 22,23 als Beweis heranzieht, ist allerdings fragwÜrdig. Der Psalm ist das Lied eines Menschen, der durch Leid hindurch von Gott gerettet wurde (Ps 22 wird auch als Gebet Jesu am Kreuz zitiert, allerdings nicht vollstÄndig, sondern nur aus dem Teil, der sich auf das Leiden bezieht).
    Auch der nachfolgende Schriftbeweis geht davon aus, dass das dort Geschriebene aus dem Mund Jesu kommt (Jes 8, 17-18), dabei ist uns lÄngst klar, dass dies so nicht richtig ist. Allerdings kann man auch die Wendung "die Kinder, die Gott mir gegeben hat" so verstehen, dass es sich hierbei um Kinder Gottes handelt.
    Auf diese Ebene der Kinder Gottes stellt sich jedenfalls Gott selbst, indem er ihre Gestalt, ihr Fleisch und Blut, annimmt. So begegnet er uns, als einer von uns, um, wie der Verfasser schreibt, den, der die Macht Über den Tod hatte, zu entmachten (Vers 14). In Vers 16 wird nun durch den Hinweis auf die Engel noch einmal der Vers 10 ins Bewusstsein gerÜckt: Kann es sein, dass dort die Engel mit den SÖhnen Gottes gemeint sind? Sie wÄren ja schon zur Herrlichkeit gefÜhrt worden. Die Frage stellt sich nur: wo kommen diese SÖhne her? Es gibt in der Bibel nur einen einzigen, vagen Hinweis in Genesis 6, 1-4. Da dies fÜr die Predigt nicht von Bedeutung ist, sei hier davon abgesehen, der Sache weiter nachzugehen.
    Weil sich Gott den Menschen aus Fleisch und Blut zuwendet, muss er selbst den Menschen ganz gleich werden, denn sonst kann er ja nicht ihre Leiden nachvollziehen und fÜr sie die Strafe ertragen. Weil er dann alles so erlitten hat wie ein Mensch, darum kann er dann auch den Menschen helfen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird vielleicht darin deutlich, dass Jesus an diesem Tag seinen Leib und sein Blut, also die Attribute, die ihn zum Menschen machen, fÜr uns in einer "essbaren" Form zugÄnglich macht. Ansonsten fÄllt es schwer, einen Bezug zu erkennen. Man kÖnnte noch anfÜhren, dass die NÄhe, die wir zu ihm im Abendmahl erfahren, nur deswegen mÖglich ist, weil er Mensch wurde, so wie wir.
    In der Predigt muss wohl dieser Gedanke im Vordergrund stehen, will man eine Verbindung zur Einsetzung des Abendmahls knÜpfen. Will man darauf verzichten, kann man den Schwerpunkt auf Vers 17 legen, wo deutlich wird, dass Gott barmherzig wurde, weil er Mensch geworden ist.



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