das Kirchenjahr

Christvesper

Die Geburt des Herrn*

Predigtanregungen

In der Christvesper bereiten wir uns vor auf das Fest der Geburt des Herrn. Sie steht gewissermaßen an der Grenze zwischen Advent und Christfest.
Nach biblischem Verständnis beginnt der nächste Tag schon, wenn die Sonne am Vortag untergegangen ist. Die christliche Kirche hat dieses Verständnis übernommen und darum den großen Festen sogenannte Vespern (vesper = Abend) vorangestellt, die weniger Gottesdienst als vielmehr Andachten sind, in denen man sich auf das bevorstehende Fest mit Lied, Gebet und gegebenenfalls Schuldbekenntnis und -vergebung vorbereitet. Auch in der protestantischen Kirche lebte dieses Bewusstsein und damit auch die Praxis noch eine Weile weiter, bis die Vespern zu „Wochenschlussandachten” umgedeutet und schließlich in den meisten Gemeinden abgeschafft wurden. Einzig die Christvesper am Heiligabend hat überlebt und an Bedeutung gewonnen, so sehr, dass ihr ursprünglicher Charkter und ihre ursprüngliche Aufgabe kaum mehr wiederzuerkennen ist. Denn die Christvesper ist eine schlichte Andacht, die uns vorbereitet auf das Christfest (am 25.12.!) und deutlich auf die Ursache für das Handeln Gottes in Jesus Christus hinweist, nämlich die Sündhaftigkeit des menschlichen Wesens. Deswegen nehmen die Prophezeiungen, die auf das Geschehen in der Christnacht hindeuten, einen größeren Raum ein als die Erzählung von der Geburt des Herrn.
Mit der Perikopenrevision 2018 ist die EKD der beschriebenen Entwicklung gefolgt und hat einen Spruch für die Christvesper gewählt, der eigentlich besser und ausschließlich zur Christmette bzw. Christnacht (dem kurz vor Mitternacht verorteten Gottesdienst in der Nacht auf den 25. Dezember) zugeordnet werden sollte. Durch die Überbewertung der Christvesper hat das eigentliche Christfest zu sehr an Bedeutung verloren. Es liegt auch an denen, die für die Gottesdienste verantwortlich sind, ob sich diese Entwicklung fortsetzt oder ob das Christfest wieder sein ursprüngliches Gewicht zurückgewinnt.

In der Christvesper wird der Menschwerdung Gottes gedacht und die Geschichte von seiner Geburt gelesen. Dieses Geschehen wird als die Erfüllung der zahlreichen Prophezeiungen der heiligen Schrift verstanden. Die Predigttexte der Christvesper sind mit denen der Christnacht austauschbar, was sich dann empfiehlt, wenn die Christnacht als der wichtigere Gottesdienst empfunden wird.

In der Christvesper können folgende Weissagungen gelesen werden:

Mi 5, 1-4a (Reihe IV)
Jes 9, 5-6 (Reihe I)
Jes 11, 1-2 (Reihe III)
Jer 23, 5-6
Jer 31, 31-34

Zu den Perikopen

  • I: Jes 9, 1-6

    Gerne hat die Christenheit diese Prophezeiung auf Jesus hin interpretiert, spricht sie doch von einem Kind, das bereits Herrscher ist und Qualitäten hat, die denen Jesu gleich sind. Der historische Kontext wurde genauso missachtet wie die Tatsache, dass hier eindeutig von einem Menschen geredet wird, der die irdische Herrschaft über Israel annehmen und der dieses irdische Königreich stärken wird. Das Volk Israel erwartet, dass Gott diesen Herrscher einsetzt und Israel wieder zu dem alten Ruhm bringen wird, den es als Volk Gottes hatte zu der Zeit, als ein gottesfürchtiger Herrscher, David, an der Spitze des Volkes stand.
    Die Einleitung dieser Prophetie ist unverfänglicher, aber definitiv auch vom historischen Kontext geprägt. Die Rede ist hier von Israel im Exil, das nun darauf hoffen darf, wieder in sein Land zurückzukehren. Der Gegensatz von Licht und Dunkelheit passt gut in die Zeit des Christfestes, das gerade diesen Gegensatz ausnutzt, um die Botschaft von der Geburt des Heilandes, des Lichtes der Welt, zum Ausdruck zu bringen. So sehr diese Verse 1-4 auf Israel bezogen sind, so sehr lassen sich vor allem die ersten zwei Verse auf alle die anwenden, die Gottes Willen hören und tun wollen. Die Verse 3 und 4 reden dann von dem Ende der Unterdrückung und Kriege, ein heute wie damals aktuelles Thema, wenn auch nicht unbedingt unmittelbar für uns.
    Schwieriger ist das mit den Versen 5-6, denn sie können nicht ohne weiteres auf Jesus angewendet werden. Es wäre daher für die Predigt zu erwägen, den Schwerpunkt auf die Auslegung der ersten Verse zu setzen. Dabei wird es ein Leichtes sein, die Dunkelheit zu beschreiben, die uns umfasst und in der wir gefangen sind. Das Licht, das uns leuchtet in dieser Zeit, ist das Kind in der Krippe, das nun die Zuwendung Gottes zu allen Menschen bedeutet. Auch dies ein einfacher Weg. Ist es nicht zu einfach?
    Weihnachten ist eine Provokation. Die Geburt Jesu war eine Provokation, durch sie wurden die Herrscher der Welt und alle Menschen herausgefordert. Gott wendet sich den Menschen zu, und was tut der Mensch? Wie antworten wir auf dieses Geschehen? Was haben wir gelernt? Auch wenn das wenig dazu geeignet sein dürfte, die wohl erwartete Harmony und Beschaulichkeit des Heiligen Abends zu fördern, halte ich es für ratsam, eine Predigt zu erwägen, die provoziert. Es geht darum, eine Antwort zu provozieren, eine Reaktion auf dieses weihnachtliche Geschehen, dessen wir Jahr für Jahr gedenken. Und wenn man meint, dass die Reaktion evtl. eine Abwendung sein könnte, ein entrüstetes Verlassen der Kirche - mag sein, aber falls dies wirklich geschieht, dann hat es wenigstens eine Antwort gegeben, und man kann sicher sein, dass die Predigt nachwirkt.
    Wie kann eine Predigt provozieren? Sie kann z.B. verfälschen; das, worum es geht, wird anders dargestellt, mit einem offenen Ende, das unter Umständen sogar einen negativen Abschluss nahelegt, weil es nicht positiv enden kann ohne das Eingreifen des Zuhörers.

  • II: Hes 37, 24-28

    Gott besucht nicht nur die Menschen, er weilt unter ihnen. Das haben Christen über die Jahrhunderte in diesem Text gelesen. Der Begriff "Heiligtum", der hier verwendet wird, kann u.U. tatsächlich so verstanden werden, denn für das Volk Israel bedeutete die Existenz des Tempels, des Heiligtums, die Nähe Gottes. So war das Exil dementsprechend Gottesferne. Dazu kommt, dass das Volk Gottes, Israel, hier als "Vermittler" angesehen wird, durch den die Heiden (also alle die, die nicht zum jüdischen Volk gehören) Gott erkennen und kennenlernen. Freilich hat diese Prophetie ihren tieferen Sinn in der Rückkehr aus dem Exil und dem Wiederaufbau des Tempels - es wird schwer fallen, dies nicht zu berücksichtigen, zumal wir die Bindung Gottes an das Heiligtum kaum nachvollziehen können (und auch von der jüdischen Gemeinde heutzutage so nicht mehr nachvollziehbar ist).
    Wohl aber können wir einen Bezug zum Heiligen Abend darin erkennen, dass durch das Volk Israel Gott unter den Heiden erfahrbar wird. Dies ist das Besondere, dass Gott nun die Heiden mit einbezieht - sie werden mit eingeschlossen in den Heilsplan Gottes.
    Es kann eigentlich nicht oft genug geschehen, dass wir uns immer wieder dessen bewusst werden, dass wir die Heiden sind, von denen hier die Rede ist. Dies sollte eine wichtige Aufgabe der Predigt sein. Zugleich aber ist es durchaus legitim, das Wunder, das in dieser Nacht geschah, in den Mittelpunkt zu stellen: Gott besuchte die Menschheit und hinterließ einen "bleibenden Eindruck".

  • III: Jes 11, 1-10

    Wenn wir uns am Heiligabend mit dieser Prophezeiung auseinandersetzen, muss uns klar sein, dass die hier gemachte Prophezeiung Elemente enthält, die sich noch nicht bewahrheitet haben. Es fehlt die Versöhnung der Kreatur. Bis heute fressen Löwen kein Stroh, Säuglinge müssen nach wie vor vor dem Biss der Schlange geschützt werden, usw. Auch ist die Menschheit weit davon entfernt, keine Sünde mehr zu begehen. Dennoch hat die frühe Christenheit schon diesen Text ganz selbstverständlich auf Christus bezogen. Denn auch wenn sich die Kreatur noch nicht in dieser Weise verändert hat, wie es in diesem Text beschrieben wird, so hat sich doch eine ganz wesentliche Änderung vollzogen: Menschen, die durch Jesus Christus von ihrer Sünde befreit wurden, beginnen, die Welt mit Gottes Augen zu sehen. Ihr Handeln ist bestimmt von der vergebenden Liebe Gottes, und dementsprechend sehen sie nicht mehr das Zerstörerische, das Böse, das in dieser Welt die Oberhand zu behalten scheint, sondern sie sehen in jedem Mitmenschen einen Menschen, der von Gott geliebt ist. Was dieser Mensch daraus macht, ist seine Sache. Die Welt ist nicht mehr böse, sondern sie ist das, was Gott von Anfang an gewollt hat. Freilich darf dieser Blick nicht trügerisch werden und zu blinder Naivität führen; wohl aber darf er über das augenscheinliche hinaussehen und das wahre Bild der Schöpfung Gottes sehen.
    Man kann sich in der Predigt natürlich auf die ersten Verse beschränken (1-5), aber die folgenden Verse gehören nun einmal dazu und bedürfen zumindest einer Erklärung, denn oft wird den Christen der Vorwurf gemacht, sie vereinnahmten die Texte der Propheten ohne Grund für ihre eigenen Zwecke. Wir können also die ersten Verse nur dann auf Jesus hin deuten und auslegen, wenn wir auch die folgenden Verse mit berücksichtigen.
    In dem, was Jesaja anfangs schreibt, können wir Jesus allerdings recht gut erkennen, und es dürfte nicht schwer fallen, auf der Grundlage der ersten Verse deutlich sichtbar zu machen, wozu Gott in Jesus Christus Mensch wurde. Es geht um Gerechtigkeit (nicht nach dem Gesetz), die jedem gebührt, der bei ihm Zuflucht sucht.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist offensichtlich und muss nicht näher erläutert werden.

  • IV: Micha 5, 1-4a

    Die Prophezeiung des Propheten Micha weist nicht nur auf den Ort hin, aus dem der erwartete Messias kommen soll, sondern sie beschreibt auch, um wen es sich dabei handelt. Es ist kaum verwunderlich, dass die Kirche diese Prophetie auf Jesus Christus hin gedeutet hat. Es muss aber auch stets bedacht werden, dass diese Prophezeiung nicht das Volk der Christen anspricht, sondern das Volk Israel. Insofern muss Jesus erneut als der betrachtet werden, der seine Wurzel im Volk Israel hat. Als Christen können wir uns der Verbindung mit diesem Volk nicht entziehen, wir sind gewissermaßen Geschwister, auch wenn diese Betrachtungsweise wohl nur von christlicher Seite aus relevant ist. Der Text kann uns Ansporn sein, Kontakt zu jüdischen Mitbürgerinnen und -bürgern zu suchen, sofern solche am Ort leben.
    Die Predigt wird der Verwurzelung des Textes in der Geschichte des Volkes Israel Rechnung tragen müssen, darf aber darüber hinaus gehen und in der Deutung auf Christus hin feststellen, dass es noch Defizite und Fragen gibt. Das beginnt mit dem Verständnis des ersten und zweiten Verses. Wer ist mit dem „er” zu Beginn des zweiten Verses gemeint? Der aus Bethlehem Kommende (der Messias) oder Gott? Es dürfte sich wohl um Gott handeln, denn die knappe Beschreibung der Geburt bezieht sich dann auf den aus Bethlehem Kommenden. Das bedeutet, dass bis zum Zeitpunkt der Geburt das Volk noch Not leidet, weil andere über es herrschen. In die Zeit des Exilsendes hinein gesprochen, verheißt der Text das Wiederkommen aller in die Heimat, die so lange wüst gelegen hat. Nun wird aber nicht nur von der Rückkehr gesprochen, die ja tatsächlich stattgefunden hat, sondern es wird auch die Herrschaft des Messias beschrieben. Und hier kommt es zur Beobachtung der Defizite:
    Wenn wir auf Israel heute blicken, ist leicht festzustellen, dass es dort keinen Frieden gibt. Die Menschen leben nur beschränkt in Sicherheit - was für alle Menschen in der ganzen Welt gilt, aber wohl doch besonders für Israel. Der Aspekt, den man mitnehmen kann, ist in Vers 3 genannt: „er wird zur selben Zeit herrlich werden, so weit die Welt ist”. Denn die Botschaft des Evangeliums ist über die ganze Welt gegangen und hat viele Menschen zum Glauben an Jesus Christus geführt. Hier könnte man etwas von der Botschaft der Heiligen Nacht erkennen, denn in ihr wurde der Heiland aller Menschen geboren.
    So wird hier und nicht so sehr in der Ortsbestimmung auch der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang erkennbar. Durch den Messias kommt es zu einer Änderung, die nicht nur das Volk Israel angeht, sondern die ganze Welt. Und so warten wir mit Israel auf den Tag, an dem die Menschheit erlöst wird von allem, was das Leben beschwert und mitunter sogar unmöglich macht.

  • V: Lk 2, 1-20

    Der Bericht von der Geburt Jesu ist so vertraut, dass man schnell dazu neigt, in Klischees abzugleiten. Wenn man bedenkte, dass dieser Text die Grundlage einer Ansprache in einem Familiengottesdienst sein soll, wird es aber schwierig, die wesentlichen Punkte dieses Textes zu beleuchten.
    Zunächst ist da die geschichtliche Einordnung, die im Übrigen immer wieder zu Fragezeichen geführt hat: Quirinius (Griechisch: Kyrenius) war erst ab 6 n. Chr. Statthalter in Syrien, Herodes der Große soll nach Matthäus aber zur Zeit von Jesu Geburt gelebt haben und starb im Jahr 4 v. Chr. Da beide Vorgeschichten unterschiedliche Interessen verfolgen, muss man wohl davon ausgehen, dass sie auch unterschiedliche historische Ereignisse mit dem Geschehen der Geburt Jesu verknüpften. Beiden gemeinsam ist jedenfalls, dass die Geburt in Bethlehem erfolgte.
    Die Geburt im Stall als Zeichen der Armut und Niedrigkeit ist zwar wichtig, sollte aber nicht überstrapaziert werden. Denn zur damaligen Zeit waren die hygienischen Verhältnisse und die Umstände bei Geburten häufig ähnlich wie die hier beschriebenen. Die Krippe als Bett mag sogar als recht komfortabel gelten. Kinderbetten gab es meist nicht, das Kind schlief im Bett der Mutter bzw. der Eltern und war dort meist gut aufgehoben. Es sei anzumerken, dass Ochse und Esel hier nicht vorkommen, ja noch nicht einmal der Stall als Geburtsort. Den Stall hat man von der Krippe abgeleitet, Ochse und Esel stammen aus dem Buch des Propheten Jesaja (Jes 1,3). Aus diesen Elementen entstand dann das Idyll des baufälligen Stalls, in dem das Kind seine Besucher empfängt.
    Allen voran sind dies bei Lukas die Hirten. Sie galten als Außenseiter, weil sie die meiste Zeit ihres Lebens außerhalb der Stadt zubrachten. Dass sie deswegen gering geachtet wurden, möchte ich nicht sagen, denn Hirten kümmerten sich ja um die Schafe im Auftrag ihrer Besitzer. Es gab aber wohl auch unzuverlässige Hirten, die den Ruf dieses Berufes beeinflussten.
    Wichtig in diesem Bericht ist der Engelchor, der den Hirten von dem Ereignis in Bethlehem berichtet und sie gewissermaßen auch dorthin schickt. Das erste Erschrecken wird durch ein „Fürchtet euch nicht” aufgefangen. Die Nacht wird taghell durch die Herrlichkeit des Herrn, die den Engel umleuchtet, und legitimiert damit gewissermaßen das Auftreten der Engel. Der Lobgesang, der heute kurz als „Gloria in excelsis” bezeichnet wird, Ist zentraler Bestandteil jedes Gottesdienstes. Allerdings sind die letzten Worte nicht leicht zu übersetzen. Heute einigt man sich auf „Menschen seines Wohlgefallens”, während Luther ursprünglich „den Menschen ein Wohlgefallen” übersetzte. Eine weitere Übersetzung könnte „Menschen guten Willens” lauten, was nach meiner Ansicht dem Urtext am nächsten kommt, da in ihm ein Possessivpronomen, wie es in neueren Übersetzungen vorkommt, nicht gibt. Jede Übersetzungsweise hat ihre eigenen Schwerpunkte, die man beleuchten könnte, aber wohl kaum nicht in einer Christvesper. Wesentlich an diesem „Auftritt” der Engel ist der Lobpreis Gottes, der in den Frieden auf Erden mündet.
    Wie man darauf reagieren kann, zeigen die Hirten: sie lassen die Schafe Schafe sein und machen sich auf nach Bethlehem. Nur ein Zeichen haben sie bekommen: das Kind liegt in Windeln in einer Krippe. Wie sie es dann gefunden haben, wird nicht gesagt - es scheint, auch wenn Bethlehem nicht allzu groß war, kaum denkbar, dass sie in jedem Haus oder Stall nachsahen. Aber das ist ohnehin überflüssige Spekulation. Wesentlich ist, dass sie nicht sagen: „Wie sollen wir das Kind jemals finden?”, sondern dass sie die Worte der Engel ernst nehmen und sich sogleich aufmachen, um zu sehen, was sie bisher nur gehört haben. Und so erreichen sie das Kind (wobei die Eltern zuerst genannt werden), beten es an, erzählen, was ihnen auf dem Felde widerfahren ist, und kehren wieder zurück zu ihren Schafen.
    Auf diese Weise werden die Hirten gewissermaßen die ersten Evangelisten, denn sie verbreiten die einfache und doch so bedeutungsschwere Botschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren”.
    Viele Menschen reagieren darauf mit Verwunderung, und es ist interessant, dass Maria gewissermaßen beiseite genommen wird, damit von ihr gesagt werden kann: sie behielt und bewegte alle diese Worte in ihrem Herzen. Das klingt fast so, als ob es für sie neu wäre, dabei hatte ja schon 9 Monate vorher der Erzengel Gabriel ihr Ähnliches verkündet. Und so ist es wohl eher, dass Lukas auf diese Weise seine Quelle beschreibt, von der er weiß, was damals, als Jesus geboren wurde, geschah.
    Im letzten Vers kommen noch einmal die Hirten zum Zuge. Ihr Dank gegen Gott kann uns zum Vorbild werden. Denn wieviel ist uns durch Gott schon gesagt, und wie dankbar können wir dafür sein.

  • VI: Gal 4, 4-7

    Wir sind Kinder Gottes, das ist die große Botschaft dieses Textes, die uns heutzutage fast selbstverständlich ist - vielleicht viel zu selbstverständlich. Zu Kindern wurden wir erst dadurch, dass Jesus Christus für uns den Tod erlitt, um uns vom Gesetz zu erlösen. Dabei geht es um das Gesetz, das unwiderruflich Sünde erzeugt, weil es unmöglich vollkommen eingehalten werden kann. Allein Jesus hat dies vollbracht und demnach das Gesetz überwunden. Das macht uns zu Kindern Gottes, die Freiheit vom Gesetz. Dabei ist natürlich, das wissen wir, keine Gesetzlosigkeit gemeint. Im Gegenteil. Ein Leben ohne das Gesetz ist nur deswegen möglich, weil wir teilhaben an der Liebe Gottes, und diese Liebe weitergeben. So erklärt sich auch die Kindschaft, die hier angesprochen wird.
    Dies wird gerade in unserer Zeit so brisant, wo die Fähigkeiten des Menschen mittlerweile so dicht an die schöpferischen Fähigkeiten Gottes heranreichen, dass es schon Angst machen kann. Ist es richtig, wenn man sich den Charakter seines Kindes noch vor der Zeugung aussuchen kann, und wenn die Zeugung dann auf künstlichem Wege mit Hilfe recht genau definierten genetischen Materials erfolgt?
    Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich noch aus der Aussage, dass wir Erben Gottes sind. Was erben wir? Wohl das ewige Leben. Vielleicht aber ist hier auch schlicht gemeint, dass die Heidenchristen, an die dieser Brief gerichtet ist und zu denen auch wir zählen, nun zum Volk Gottes dazugehören, das sonst den Titel "Erbe Gottes" für sich allein in Anspruch nahm.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ergibt sich aus Vers 4, wo auf die Geburt Jesu hingewiesen wird. Spitzfindige Leser mögen hier einen Beweis dafür finden, dass Maria zur Zeit der Geburt Jesu keine Jungfrau mehr war. Diese Beobachtung ist aber völlig nebensächlich. Es geht hier nur darum, darauf hinzuweisen, dass der Sohn Gottes von einem Menschen geboren wurde und nicht vom Himmel herabstieg, so wie Götter sonst in der Mythologie zu tun pflegen, wenn sie gebraucht werden.Es ist also entscheidend, dass Jesus das Leben eines Menschen führte, unter das Gesetz getan, also die Grenzen akzeptierend, die gar nicht für ihn bestimmt sind und jenseits deren er als Gott existiert. Nun hat er diese Grenzen überwunden und uns damit einmalige Möglichkeiten eröffnet.
    Es ist im Grunde ein Widerspruch, wenn in der Predigt zunächst diese Freiheit dargestellt, dann aber auch gleich wieder dieselbe Freiheit eingeschränkt würde. Dieser Widerspruch muss dennoch ausgehalten werden. Denn die Einschränkung der Freiheit geschieht ja nicht mit Hilfe neuer Gesetze, sondern allein aus der Freiheit heraus, die uns geschenkt ist: wir erkennen, dass manche Dinge nicht gut sind und darum besser nicht getan werden.

  • Marginaltexte: 2. Sam 7, 4-6.12-14a
    Ps 2
    Joh 3, 31-36
    1. Joh 4, 9-10

    folgt später



Buchempfehlungen: