das Kirchenjahr

Christnacht

Die Geburt des Herrn*

Predigtanregung

Die Christnacht ist wohl der bedeutendste Gottesdienst im Verlauf des Christfestes, denn er markiert die Stunde der Geburt Jesu. Die Predigttexte sind allerdings die weniger vertrauten Texte, wohl deswegen, weil die Christnacht früher selten gefeiert wurde und längst nicht so populär ist wie die Christvesper. Die Predigttexte der Christnacht sind mit denen der Christvesper jedoch austauschbar.
Die Christenheit hat schon früh diese Nacht durch einen Vigilgottesdienst (Vigil = Wache), der die ganze Nacht hindurch dauerte, besonders gefeiert. Ein solcher Vigilgottesdienst hat den Charakter eines Weges, den die Gemeinde zum eigentlichen Fest beschreitet, das mit einer festlichen Messe begangen wird. So werden in der Nacht biblische Texte gelesen, die die Heilsgeschichte Gottes mit dieser Welt verdeutlichen und zeigen sollen, wie die Verheißungen des AT in Christus erfüllt wurden.
Die Feier der Christnacht geschieht heute in der Regel nicht durch einen so ausgedehnten Vigilgottesdienst, sondern durch einen einfacheren Gottesdienst, in den aber Elemente der Vigil einfließen können. Den Abschluss dieser Feier der Christnacht bildet möglichst die Feier des Heiligen Abendmahls.
In einem Vigilgottesdienst können folgende Lesungen verwendet werden (in der angegebenen Reihenfolge):

I: 1. Mose 2, 15 - 3 24 II: Micha 5, 1-4a
III: Jes 9, 1-6 IV: Jes 11, 1-9
V: Hes 37, 24-28 VI: Röm 1, 1-7
VII: Mt 1, 1-25

Die folgenden Angaben finden sowohl im Vigilgottesdienst als auch in der Feier der Christnacht Anwendung.

Klicken Sie hier für die Anregungen für alle Predigtreihen (soweit vorhanden)

VI - Lk 2, 1-20

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Der Bericht von der Geburt Jesu ist so vertraut, dass man schnell dazu neigt, in Klischees abzugleiten. Nun ist die Christnacht ein Gottesdienst, in dem man durchaus auch etwas tiefer in diese Erzählung eindringen kann.
Zunächst ist da die geschichtliche Einordnung, die im Übrigen immer wieder zu Fragezeichen geführt hat: Quirinius (Griechisch: Kyrenius) war erst ab 6 n. Chr. Statthalter in Syrien, Herodes der Große soll nach Matthäus aber zur Zeit von Jesu Geburt gelebt haben und starb im Jahr 4 v. Chr. Die beiden liegen also mindestens 10 Jahre auseinander. Da beide Vorgeschichten unterschiedliche Interessen verfolgen, muss man wohl davon ausgehen, dass sie, diesen Interessen folgend, auch unterschiedliche historische Ereignisse mit dem Geschehen der Geburt Jesu verknüpften, ohne dabei die Historizität zu prüfen. Beiden gemeinsam ist jedenfalls, dass die Geburt in Bethlehem erfolgte.
Die Geburt im Stall als Zeichen der Armut und Niedrigkeit ist zwar wichtig, sollte aber nicht überstrapaziert werden. Denn zur damaligen Zeit waren die hygienischen Verhältnisse und die Umstände bei Geburten häufig ähnlich wie die hier beschriebenen. Die Krippe als Bett mag sogar als recht komfortabel gelten. Kinderbetten gab es meist nicht, das Kind schlief gewöhnlich im Bett der Mutter bzw. der Eltern und war dort meist gut aufgehoben. Es sei anzumerken, dass Ochse und Esel hier nicht vorkommen, ja noch nicht einmal der Stall als Geburtsort. Den Stall hat man von der Krippe abgeleitet, Ochse und Esel stammen aus dem Buch des Propheten Jesaja (Jes 1,3). Auch gibt es keine aufwendige Herbergssuche, wie sie in vielen Krippenspielen dargestellt wird. Es ist nur schlicht kein Raum in der Herberge, wo sie das Kind hinlegen konnten, ohne Gefahr zu laufen, dass es verletzt würde. Aus diesen Elementen entstand dann das Idyll des baufälligen Stalls, in dem das Kind seine ersten Besucher empfängt.
Allen voran sind dies bei Lukas die Hirten. Sie galten als Außenseiter, weil sie die meiste Zeit ihres Lebens außerhalb der Stadt zubrachten. Dass sie deswegen gering geachtet wurden, möchte ich nicht sagen, denn Hirten kümmerten sich ja um die Schafe im Auftrag ihrer Besitzer. Es gab aber wohl auch unzuverlässige Hirten, die den Ruf dieses Berufes negativ beeinflusst haben können. Ob dem wirklich so war, lässt sich kaum nachvollziehen. Ein wichtiger Aspekt scheint mir aber zu sein, dass der Engel nicht zuerst direkt am Ort der Geburt das Geschehen in die Heilsgeschichte Gottes mit uns Menschen einordnet, sondern er wendet sich zuerst an die Hirten, die draußen auf dem Felde die Schafe hüten, abseits vom Getriebe der Stadt.
Wichtig in diesem Bericht ist der Engel, der den Hirten von dem Ereignis in Bethlehem berichtet und sie gewissermaßen auch dorthin schickt. Das erste Erschrecken wird durch ein „Fürchtet euch nicht” aufgefangen. Die Nacht wird taghell durch die Herrlichkeit des Herrn, die den Engel umleuchtet, und legitimiert damit gewissermaßen das anschließende Auftreten des Engelchors. Der Lobgesang, der heute kurz als „Gloria in excelsis” bezeichnet wird, Ist zentraler Bestandteil jedes Gottesdienstes. Allerdings sind die letzten Worte nicht leicht zu übersetzen. Heute einigt man sich auf „Menschen seines Wohlgefallens”, während Luther ursprünglich „den Menschen ein Wohlgefallen” übersetzte. Eine weitere Übersetzung könnte „Menschen guten Willens” lauten, was nach meiner Ansicht dem Urtext am nächsten kommt, da in ihm ein Possessivpronomen, wie es in neueren Übersetzungen vorkommt, nicht gibt. Jede Übersetzungsweise hat ihre eigenen Schwerpunkte:
„Menschen seines Wohlgefallens”: Gott entscheidet, wem dieses Wunder gilt. Dabei ist die Geburt Jesu selbst schon ein Zeichen dafür, dass im Grunde alle Menschen gemeint sind. Es fällt aber schwer, daraus einen Anspruch auf die Gnade Gottes abzuleiten.
„den Menschen ein Wohlgefallen”: Gott wendet sich den Menschen durch Jesus zu. Es bleibt offen, was sich daraus ergeben wird. Jeder Mensch ist angesprochen, es kommt auf seine Reaktion an, was für eine Wirkung dieses Geschehen für ihn hat.
„Menschen guten Willens”: Auch wenn diese Form dem Urtext am nächsten kommt, scheint sie dem Kern des Evangeliums zu widersprechen, denn hier wird davon ausgegangen, dass das Heil und den Friede nur denen gilt, die guten Willens sind, und nicht den „Zöllnern und Sündern”, denen sich Jesus immer neu zuwandte.
Wesentlich an diesem „Auftritt” der Engel ist der Lobpreis Gottes, der in den Frieden auf Erden mündet.
Wie man darauf reagieren kann, zeigen die Hirten: sie lassen die Schafe Schafe sein und machen sich auf nach Bethlehem. Nur ein Zeichen haben sie bekommen: das Kind liegt in Windeln in einer Krippe. Wie sie es dann gefunden haben, wird nicht gesagt - es scheint, auch wenn Bethlehem nicht allzu groß war, kaum denkbar, dass sie in jedem Haus oder Stall nachsahen. Aber das ist ohnehin überflüssige Spekulation. Wesentlich ist, dass sie nicht sagen: „Wie sollen wir das Kind jemals finden?”, sondern dass sie die Worte der Engel ernst nehmen und sich sogleich aufmachen, um zu sehen, was sie bisher nur gehört haben. Und so erreichen sie das Kind (wobei die Eltern zuerst genannt werden), beten es an, erzählen, was ihnen auf dem Felde widerfahren ist, und kehren wieder zurück zu ihren Schafen.
Auf diese Weise werden die Hirten gewissermaßen die ersten Evangelisten, denn sie verbreiten die einfache und doch so bedeutungsschwere Botschaft: „Euch ist heute der Heiland geboren”.
Viele Menschen reagieren darauf mit Verwunderung, und es ist interessant, dass Maria gewissermaßen beiseite genommen wird, damit von ihr gesagt werden kann: sie behielt und bewegte alle diese Worte in ihrem Herzen. Das klingt fast so, als ob es für sie neu wäre, dabei hatte ja schon 9 Monate vorher der Erzengel Gabriel ihr Ähnliches verkündet. Und so ist es wohl eher, dass Lukas auf diese Weise seine Quelle beschreibt, von der er weiß, was damals, als Jesus geboren wurde, geschah.
Im letzten Vers kommen noch einmal die Hirten zum Zuge. Ihr Dank gegen Gott kann uns zum Vorbild werden. Denn wieviel ist uns durch Gott schon gesagt, und wie dankbar können wir dafür sein.

Liedvorschläge:

Dein Krippen glänzt hell und klar (EG 4, 4-5)
Vom Himmel hoch, da komm ich her (EG 24)
Ehre sei Gott in der Höhe (EG 26)
Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich (EG 27)
Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37)
Kommt und lasst uns Christum ehren (EG 39)
Dies ist die Nacht, da mir erschienen (EG 40)
Kommet, ihr Hirten (EG 48)
Was soll das bedeuten (HE-EG 539)
Stern über Bethlehem (NB-EG 544/HE-EG 542)

Fürbittengebet

Herr Gott, himmlischer Vater: Du schenkst uns den Glauben an deine wunderbare Güte, die du uns durch die Geburt deines Sohnes bewiesen hast. Wir danken dir dafür und bitten dich: hilf, dass wir nicht aufhören, davon zu erzählen. Lass uns Zeugen sein, Zeugen deiner Liebe, damit sich das Angesicht dieser Welt verwandelt, damit Frieden werden kann, damit dein Reich gebaut werde.
Es sind so viele, die kleinmütig geworden sind, weil dein Licht verdunkelt wurde durch die Grausamkeit dieser Welt. Schenke ihnen großen Mut. Lass die Kranken dein Heil erfahren. Wisch die Tränen ab von den Angesichtern der Trauernden. Schenke Hoffnung den Verzagten.
Es sind so viele, die Ungerechtigkeit erleiden, weil Mächtige nur ihren eigenen Vorteil suchen. Lass ihnen Gerechtigkeit widerfahren. Falle denen in den Arm, die ihn gegen Wehrlose erheben. Mache die Waffen nutzlos. Gib Frieden, Herr.
Es sind so viele, deren Vertrauen missbraucht wurde. Sie können den Weg des Vertrauens nicht mehr gehen. Lass sie erkennen, dass du zu deinem Wort stehst. Mache ihnen Mut, Vertrauen zu schenken, damit ihr Leben wieder einen Halt bekommt.
Hilf uns, Zeugen zu sein. Nimm dich unser gnädig an, wenn wir versagen in dem, was uns zu tun gegeben ist. Rette und erhalte uns, denn dir allein gebührt Ruhm, Ehre und Anbetung, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen

oder

Herr Jesus Christus. Schenke der Welt Frieden, heile die Wunden des Hasses, beende die Kriege zwischen den Völkern, dass Frieden werde auf Erden. Wir denken vor allem an die Menschen in Syrien und im Irak. Gib den Politikern den Mut, Schritte der Versöhnung zu gehen, und lass nicht zu, dass sie sich auf Kosten anderer an ihrer Macht festklammern. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Lass in den Familien das Wunder der Weihnacht wahr werden:
dass Menschen aufeinander zu gehen, wo Streit sie getrennt hat;
dass Kinder nicht aufhören, ihren Eltern zu vertrauen;
dass Versöhnungsbereitschaft wächst, wo Menschen schuldig aneinander wurden. Wir rufen zu dir: Gem.: Herr, erbarme dich.
Schenke allen Kindern, dass sich ihr Herz nicht mit Habgier füllt, sondern mit der aufrichtigen Freude über das Geschenk deiner Liebe, mit der du uns überschüttest und die wir in dieser Nacht besonders deutlich spüren. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Sei allen nahe, die am heutigen Abend unglücklich sind, weil sie allein sind und niemanden haben, der sich um sie kümmert. Sende Menschen, die bereit sind, ihnen Gesellschaft zu leisten. Schaffe Versöhnungsbereitschaft, wo Streit die Einsamkeit verursacht hat. Wehre der Eitelkeit. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wende das Schicksal der Obdachlosen und Flüchtlinge auch durch uns. Hilf, dass niemand ohne ein schützendes Dach sein muss in dieser Nacht. Zeige uns Wege, wie wir helfen können. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
Wir denken an die Verstorbenen aus unserer Mitte, und an die Menschen, die um sie trauern: schenke uns die Gewißheit, dass nichts uns trennen kann von deiner Liebe. Wir rufen zu dir:
Gem.: Herr, erbarme dich.
So lass uns dein Licht leuchten, du, dem allein Ruhm und Ehre gebührt in Ewigkeit.
Amen



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