Sie dürfen gerne meine Predigten benutzen und den Gegebenheiten anpassen. Wenn Sie einen meiner Predigtvorschläge in einem Gottesdienst verwenden wollen, teilen Sie es mir bitte mit. Eine Genehmigung müssen Sie dafür aber nicht abwarten.
Jegliche andere Form der Vervielfältigung, auch im Internet, ist nur mit meiner ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung erlaubt. Weisen Sie bei der Verwendung des Materials bitte auf die Quelle hin.
Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe II - Tit 3, 4-7
Liebe Gemeinde!
Was ist das Weihnachtliche an diesem Text? Man hört vom Bad der Wiedergeburt – also
der Taufe – gerecht geworden durch die Gnade Jesu Christi – hier haben wir die Gnade,
von der auch gestern die Rede war – und doch ist der Bezug zur Christgeburt schon ganz
am Anfang des Textes gesetzt: Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe
Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig.
Paulus redet hier von nichts anderem als von der Menschwerdung Gottes, von der Geburt
unseres Heilands. In dem Kind wurde die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes offenbar.
Freundlichkeit und Menschenliebe – wenn man sich das anhört, denkt man schon fast an
ein formelles Vorstellungsgespräch, in dem man jedes seiner Worte sorgfältig abwägt
und möglichst vermeidet, irgendwelche Gefühle zu zeigen. Man bleibt nüchtern, neutral.
Und so erscheint einem diese Einleitung recht unpersönlich.
Freundlichkeit und Menschenliebe – man könnte zumindest die Freundlichkeit auch anders
übersetzen: etwa mit Güte oder Milde. Das kommt dem Wort im griechischen Urtext näher
und hört sich schon etwas persönlicher an.
Es würde auch zu dem passen, wohin diese Erscheinung der – sagen wir es jetzt mal so –
Güte und Menschenliebe Gottes führt: dass er uns selig macht. Denn da geht es ja an
unsere Substanz, es geht um unsere Existenz.
Selig – da denke ich an manche Konfirmanden, die bei dem Wort völlig ratlos sind. Was
bedeutet es? Ich würde „wunschlos glücklich“ sagen. Und zwar im wahrsten Sinne des
Wortes. Es gibt keine Wünsche mehr. Wer selig ist, befindet sich in einem paradiesischen
Zustand, ohne jedes Verlangen, ohne jede Sehnsucht. Alles ist vollkommen. Das bedeutet
„selig“.
Wenn man sich diese Bedeutung vergegenwärtigt, muss man natürlich auch fragen: sind
wir das? Sind wir selig?
Paulus spricht in der Vergangenheit – Gott machte uns selig. Es ist also nichts, was
vielleicht noch geschehen könnte. Es ist bereits geschehen. Und es gibt auch keine
Anzeichen dafür, dass diese Seligkeit bereits vorüber sein könnte. Es heißt nicht: er
machte die Menschen damals selig, doch das ist jetzt vorbei. Nein: Gott machte uns
selig. Und mit diesem „uns“ sind selbstverständlich auch wir gemeint.
Und so ergibt sich die Frage: hat die Güte und Menschenliebe Gottes uns selig gemacht?
Man kann durchaus den Eindruck haben, dass das nicht der Fall ist. Wenn es nicht die
Sorge um das tägliche Auskommen ist, dann sind es andere Dinge, die einem das Leben
versauern. Etwa eine Krankheit, oder Ärger mit den Nachbarn, oder Probleme in der
Ehe, oder der Verlust eines lieben Menschen. Manche sind so belastet von all den
Problemen, mit denen sie sich tagtäglich auseinandersetzen müssen, dass sie kaum
mehr eine Ahnung davon haben, was es bedeutet, glücklich zu sein, geschweige denn
wunschlos glücklich.
Aber die Sehnsucht danach ist durchaus da. Wir wollen es schon erleben, diese Seligkeit,
von der Paulus redet. Und das geht nicht nur uns Christen so, sondern allen Menschen:
Denn wunschlos glücklich, also selig zu sein, ist ein sehr erstrebenswerter Zustand.
Aber es gibt da natürlich Menschen, die sagen, dass es unmöglich sei, solche Seligkeit
erlangen zu können. Es sei Utopie.
Andere sagen, es gehe vielleicht für einen kurzen Moment, für einen Augenblick, höchstens
für wenige Stunden. Frisch Verliebte zum Beispiel erleben so etwas vielleicht, wenn sie
zusammen sind. Denn wenn sie sich haben, brauchen sie nichts anderes.
Aber die Realität des Lebens holt einen ja doch immer wieder ein. Und dort, im Alltag,
so scheint es, gibt es solche Seligkeit nicht.
Der Mensch ist eben keine Insel, auf der alles gut zusammenpasst und wo niemand reinpfuschen
kann; man kann sich nicht von seinen Mitmenschen loslösen und so tun, als gäbe es sie
nicht. Immer ist das Leben ein Zusammenspiel vieler Elemente, von denen man nur einen
kleinen Teil wirklich beeinflussen kann.
Aber es gibt Menschen, die versuchen es dann doch, selig zu sein oder zu werden. Sie
schotten sich ab von allen anderen, geben alles auf, um diesen Ort der Seligkeit zu
finden – oder suchen die Seligkeit im Reichtum, der sie doch nicht reich macht und
erst recht nicht glücklich machen kann.
Andere tun wenigstens ab und zu etwas dafür, selig zu sein. Die Wellness Center zum
Beispiel, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen, sind ein Beleg
für das Verlangen nach Seligkeit, und vielleicht gibt es ja auch Menschen, die sich
durch die fürsorgliche Behandlung dort tatsächlich in den siebten Himmel versetzt
fühlen.
Aber es bleibt nur für einen Augenblick, denn der Effekt tritt einzig dadurch auf,
dass man für eine kurze Zeit herausgenommen wird aus dem Alltag, dem man sich danach
dann aber wieder stellen muss.
Die Art und Weise, wie viele Menschen mit dem Christfest umgehen, lässt ebenfalls
erkennen, dass es eine Sehnsucht nach der Seligkeit gibt. Man beschenkt sich, um
die andere Person glücklich zu machen, vielleicht sogar so glücklich, dass keine
Wünsche mehr offen bleiben.
Und man wünscht für sich selbst insgeheim das Gleiche.
Aber wir merken schnell, dass es so nicht funktioniert. Auf den einen erfüllten Wunsch
folgt bald der nächste unerfüllte. Es gibt wieder etwas, wovon wir glauben, dass es
uns dazu hilft, selig zu werden. Und andererseits die Erfahrung, dass wir es nicht
sind. Und so könnte es endlos weitergehen.
Aber das Christfest ist durchaus dazu geeignet, uns selig zu machen – das sagt Paulus,
und dem wollen wir noch etwas nachgehen.
Als die Güte und Menschenliebe Gottes erschien, machte er uns selig – es ist nun mal
etwas, was geschehen ist – und Paulus deutet in keiner Weise ein „nun aber sind wir
es nicht mehr“ an.
Aber wie kommt es, dass wir so wenig davon merken?
Es hat gewiss damit zu tun, dass es rund zweitausend Jahre her ist. Anfangs hatte man
noch mit dem baldigen Kommen des Herrn gerechnet; man hatte erwartet, dass er sein Reich
bald aufrichten würde; da brauchte man dann auch nichts. Doch das Kommen des Herrn blieb
aus, und so begann man wieder, sich mit der Welt zu arrangieren.
Doch Paulus hat das nicht getan.
Er weist vielmehr auf das hin, was die Seligkeit in uns erhalten kann in allem Warten
und Hoffen: es ist der Heilige Geist. Den hat Gott reichlich über uns ausgegossen durch
Jesus Christus, damit wir Erben des ewigen Lebens würden. (Tit 3, 6-7a)
Gott schenkt uns eine Hoffnung durch seinen Geist, die über dieses Leben hinausweist, und
zwar dauerhaft. Wir sind durch seine Gnade gerecht geworden, d.h. es gibt nichts, was uns
von Gott trennen könnte. Denn es kommt nicht darauf an, was wir getan haben.
Gott hat den Heiligen Geist reichlich über uns ausgegossen, und das heißt ja: im Überfluss,
mehr als nötig. Und darum dürfen wir auch fest darauf vertrauen, dass wir Erben des
ewigen Lebens sind, wie Paulus sagt.
Was für ein großartiges Geschenk! Und es ist ein wahres Geschenk. Denn Gott erwartet
kein Gegengeschenk, außer, dass wir auf seine Zusage vertrauen – und das kostet uns
ja nichts.
Ausdrücklich weist Paulus darauf hin, dass es die Barmherzigkeit Gottes ist, an der
wir teilhaben durch das Bad der Wiedergeburt – die Taufe.
Der Heilige Geist erinnert uns immer wieder daran.
„Ich bin getauft“ - diese drei Worte können schon selig machen. Denn sie bedeuten: Gott
nimmt mich an, so wie ich bin. Er lässt mich teilhaben an seiner Güte, und er erweist
mir seine Gnade. Ich bin frei, ihm zu begegnen, ohne Wenn und Aber. Ich darf das ewige
Leben ererben.
Im Abendmahl erfahren wir Gottes Geschenk zum Christfest auf eigene Weise. Gott schenkt
sich uns. Er gibt sich uns hin im Brot und im Saft der Reben. So wie er damals Mensch
wurde und sich den Menschen auslieferte, so schenkt er sich uns, wenn wir das Abendmahl
feiern.
Was könnte uns seliger machen als dieses großartige Geschenk der Liebe Gottes?
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Freuet euch, ihr Christen, alle (EG 34)
Nun singet und seid froh (EG 35)
Fröhlich soll mein Herze springen (EG 36)
Kommt und lasst uns Christum ehren (EG 39)
Ich bin getauft auf deinen Namen (EG 200)
Singet frisch und wohlgemut (NB-EG 539)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe III - Jes 52, 7-10
Die nachfolgende Predigt wurde am 4. Adventssonntag gehalten (als dieser Text noch in der Reihe dieses Sonntags seinen Platz hatte).
Dementsprechend sind wohl Anpassungen erforderlich.
Liebe Gemeinde!
Wenn ich das Wort „lieblich“ höre, denke ich an verschiedene Dinge. Eins,
was mir spontan einfällt, stammt aus dem Bereich der Weinkenner: „lieblich
im Abgang“, sagt man da etwa. Ich kann mir darunter nicht viel vorstellen,
nur in etwa so viel: ein Wein, dem man das bescheinigt, ist ein guter Wein.
Dann fällt mir noch die „liebliche Minne“ ein. Da geht es um die Freude
der Liebe – die sich ja schon im Wort „lieblich“ verbirgt.
Wenn etwas als lieblich bezeichnet wird, dann ist es also in der Regel
etwas, das Freude verursacht. Z.B. der liebliche Duft einer Rose, oder
die liebliche Stimme einer Frau, oder die liebliche Musik, oder der
liebliche Duft des Weihnachtsgebäcks, der sich in manchen Stuben ausbreitet.
Immer meint das Wort „lieblich” etwas Schönes, Angenehmes.
Aber Füße? Hat sich der Prophet da nicht doch ein bisschen vergriffen? Zumal,
wenn diese Füße einen langen Weg hinter sich haben? Man stelle sich diese
Füße einmal vor... ich glaube, wir würden nichts Liebliches an ihnen finden.
Es wäre natürlich nichts zu sagen, wenn Jesaja geschrieben hätte: Wie lieblich
sind die Stimmen der Boten... usw. Aber nun hat er das nicht getan, und wir
dürfen wohl die Frage stellen: Warum sind ihm die Füße so wichtig?
Nun, man muss sich wohl die Geschichte etwas vergegenwärtigen. Das jüdische
Volk war niedergeschlagen, denn die Stadt Jerusalem lag in Trümmern, der
Tempel, das Zentrum allen Lebens, war zerstört. Es war ein Weckruf gewesen,
der z.B. den 137. Psalm hervor brachte:
„An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
2 Unsere Harfen hängten wir
an die Weiden dort im Lande.
3 Denn die uns gefangen hielten,
hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein:
»Singet uns ein Lied von Zion!«
4 Wie könnten wir des HERRN Lied singen
in fremdem Lande?
5 Vergesse ich dich, Jerusalem,
so verdorre meine Rechte.
6 Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben,
wenn ich deiner nicht gedenke,
wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.“
Das Volk empfand tiefe Reue, es sehnte sich je länger, je mehr nach der Rückkehr
und dem Wiederaufbau Jerusalems und vor allem des Tempels.
Nun stellen wir uns einmal vor, wie sie dort in der Fremde waren, voller Sehnsucht
danach, die Botschaft zu hören: ihr dürft zurückkehren, ihr dürft wieder in die
Heimat!
Da können auch schon die Schritte der Boten, die diese Nachricht übermitteln,
Freude verursachen.
Aber etwas merkwürdig bleibt es doch, denn woher weiß man, dass diese Boten eine
gute Nachricht übermitteln werden?
Ein bisschen muss ich an die Emmaus-Jünger denken, die den Weg von Jerusalem nach
Emmaus gingen, begleitet von Jesus, aber nicht wissend, dass es Jesus ist, der da
mit ihnen ging. Doch als er mit ihnen das Brot bricht und plötzlich verschwindet,
da sagen sie untereinander: „brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete
auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ (Lk 24, 32)
Erst im Nachhinein erkennt man manchmal, dass man etwas Besonderes gespürt hatte,
noch bevor klar wurde, was da eigentlich geschieht. Man spürt etwas, ohne es
wirklich konkretisieren zu können. Da ist etwas Besonderes, aber es ist nicht
möglich, zu sagen, was das Besondere eigentlich ist.
Und so könnte es auch Jesaja meinen. Es ist vielleicht so wie die Vorfreude eines
Kindes, das gespannt der Bescherung zum Christfest entgegenfiebert und aufmerksam
die Signale aufnimmt, die seitens der Eltern vielleicht bewusst, meist aber wohl
eher unbewusst ausgesendet werden. Das Kind versucht mitunter schon, raus zu
bekommen, was es wohl für Geschenke bekommen wird. Aber das allein verursacht
nicht die Freude, sondern auch das Besondere der Weihnachtsstube, der Baum, die
Kerzen, kurz, alles, was so außergewöhnlich ist und dieses Fest so besonders macht.
Und nun sendet Gott Signale aus durch den Propheten, die eine ähnliche, ungeheure
Vorfreude auslösen können.
Das war damals so, vor gut 2500 Jahren, und auch vor knapp 2000 Jahren, als sich
jenes Wunder ereignete, das die damalige Welt fast vollständig ignorierte, dann
aber doch nach und nach in der ganzen Welt bekannt gemacht wurde und das Leben
unzähliger Menschen veränderte.
Irgendwie haben sie alle etwas gespürt von dem Wunderbaren, das da in der Luft
liegt, von dem „Lieblichen“ der Füße der Freudenboten, die da verkündigten: „Siehe,
euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“
Und heute? Vorfreude auf das Christfest? Ich weiß nicht so recht. Der Brauch, einander
etwas zu schenken, ist in unserer Zeit eher zu einer Last geworden. Eltern können da
durchaus verzweifeln, wenn die Wünsche der Kinder nicht so bescheiden ausfallen, wie
man es eigentlich erhofft hatte. Was schenkt man als Ersatz, über den sich die Kinder
dann doch noch freuen? Oder wird man doch nachgeben und den eigentlich maßlosen Wunsch
erfüllen?
Wie kann man dem Partner oder der Partnerin eine Freude machen, ohne dabei ins
Fettnäpfchen zu treten?
Und was ist mit denen, die niemanden haben, der sie beschenkt? Oder die vielleicht
gar keinen anderen Wunsch haben als den, besucht zu werden – und dann doch allein
bleiben? Oder die nur gerne ein Dach über dem Kopf hätten, nachdem ein Unwetter
ihre Behausung zerstört hat? Oder die am Heiligen Abend nichts zu essen haben?
Worüber freuen wir uns eigentlich in dieser Zeit? Schenken wir uns vielleicht nur
darum etwas, damit wir Freude empfinden? Sind wir so weit von dem Wesentlichen
dieses Festes entfernt, dass wir das eigentliche, größte Geschenk gar nicht mehr
wirklich wahrnehmen können?
„Seid fröhlich und rühmt einander, ihr Trümmer Jerusalems“, ruft der Prophet
Jesaja aus. Ja, was haben denn die Trümmer Jerusalems zu jubeln oder zu rühmen?
Es liegt doch alles noch im Argen. Trümmer, so weit das Auge reicht. Nichts Schönes,
nichts Liebliches, nur der Hall der Füße, die da herbeigeeilt kommen, um es zu
verkünden: Gott kommt, er will wieder unter den Menschen wohnen.
Und plötzlich verfällt der Prophet in die Vergangenheit, es ist schon geschehen,
jetzt schon, obwohl noch alles in Trümmern liegt: „Der Herr hat sein Volk getröstet
und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller
Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.“ (Jes 52, 9f)
Ist es nicht so auch mit dem Christfest? Der Herr ist Mensch geworden, er hat seinen
heiligen Arm vor den Augen aller Völker offenbart! Und doch liegt noch alles eigentlich
in Trümmern, auch wenn unsere Häuser natürlich schön hergerichtet sind, die Mauern
fest stehen und die Dächer dicht sind.
Das Elend in der Welt bleibt genauso wie das Verlangen nach Wohlstand und materieller
Sicherheit, das im Grunde nur das Elend unserer Herzen überdecken soll. Nichts ist
vollkommen, alles liegt im Argen.
Rührt uns da die Botschaft nicht doch an, dass der Grund unserer Freude nicht darin
liegt, dass wir zum Christfest das eine oder andere Geschenk bekommen, sondern darin,
dass Gott auf dem Weg zu uns ist, dass er uns an diesem Tage wieder ein Stück näher
gekommen ist, und wir ihm entgegen?
Gott kommt, daran erinnern wir uns in diesen Tagen besonders, obwohl es eigentlich die
Botschaft ist, die unser ganzes Leben prägt. Das geschichtliche Ereignis der Geburt
Jesu ist da nur ein Aufhänger, an dem wir es fest machen: Gott gibt uns nicht auf, er
lässt uns nicht im Stich. Das hat er in Jesus Christus bewiesen, und darum dürfen wir
ihn voller Freude erwarten.
Es ist nur ein schwaches Signal, das wir da empfangen, denn immerhin ist es gute 2000
Jahre alt. Aber es genügt ja doch, um die Vorfreude in uns auszulösen, die weit über
das liebliche Weihnachten, das in vielen Häusern für eine ganz besondere Stimmung sorgt,
hinaus geht und unser ganzes Leben zu bestimmen vermag.
Gott kommt, und zwar heute, jetzt, er ist auf dem Weg, und unser Weg führt uns ihm
entgegen.
Das Christfest sagt uns, dass wir die Begegnung mit ihm nicht fürchten müssen, sondern
dass wir uns von ganzem Herzen auf Sein Kommen freuen können. Und so ist es gut, dass wir heute
auch wieder einen Vorgeschmack haben dürfen, indem wir gemeinsam Abendmahl feiern und
die Liebe Gottes durch Jesus Christus erfahrbar wird in Brot und Wein.
Möge Gott uns diese Tage in besonderer Weise segnen und uns deutlich spüren lassen, wie
nahe er uns ist.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16)
Weil Gott in tiefster Nacht erschienen (EG 56)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Licht, das in die Welt gekommen (KHW/HN-EG 593)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe IV - 1. Joh 3, 1-2(3-5)
Liebe Gemeinde!
Heute ist der Tag der Geburt des Herrn. Viel populärer ist zwar der Heilige Abend,
der Vorabend dieses Festes, aber die Stimmung, die gestern anhob, umfängt uns heute
und in den folgenden Tagen natürlich auch, vor allem in den Abendstunden, wenn die
Kerzen in der Stube angezündet werden.
Es ist endlich ruhiger geworden. Die Weihnachtslieder, die wir singen, strahlen
Freude und Dankbarkeit aus. Manche dieser Lieder sind schon durch ihre Melodie dazu
geeignet, unsere Herzen anzurühren.
Dies ist das Fest des Friedens, so haben viele bei einer Befragung durch unsere
Konfirmandinnen und Konfirmanden geantwortet, als sie nach der Bedeutung des Christfestes
für sie gefragt wurden.
Im Jahr 1914, im ersten Weltkrieg, kam es am Heiligabend und am Christfest an der
Westfront sogar zum Waffenstillstand. Diejenigen, die sich wenig später dann wieder
bekämpfen sollten, feierten miteinander dieses Fest des Friedens.
Merkwürdig ist das. Merkwürdig ist es, was dieses Fest in uns auslöst. Es ist eine
tiefe Sehnsucht nach dem, was noch nicht ist, aber zeichenhaft doch schon sichtbar
geworden ist durch das Kind in der Krippe, durch unseren Gott, der uns so sehr liebt,
dass er Mensch wurde.
Wir hoffen, dass einmal die Zeit kommen wird, wo alle es so empfinden, und dann nicht
nur am Heiligen Abend und am Christfest, sondern tagaus, tagein: der Friede, Gottes
Liebe spürbar unter uns.
"Wir sind schon Gottes Kinder", ruft uns Johannes zu, und er hat so Recht! Gerade das
erfahren wir in dieser Zeit ganz besonders: Wir gehören zu Gott, der dies alles möglich
macht. Wir sind geliebt.
Diese Botschaft des Christfestes weckt in uns die Sehnsucht nach Sicherheit, nach
Geborgenheit, nach Frieden. Denn wir wissen ja, dass es nur ein vorübergehender
Zustand ist. Der Alltag wird uns bald wieder haben. Die Kriege in der Welt, die
Hungersnöte, die Katastrophen, die das Elend der Menschheit an manchen Orten unserer
Erde offenbaren, der Streit mit dem Nachbarn oder auch in der Familie, die unüberwindlich
scheinenden Hindernisse auf dem eigenen Weg, die zerbrochenen Ehen, der Tod eines
lieben Menschen: All das wird uns wieder einholen, schneller, als wir es möchten.
Genau daran knüpft unser Predigttext an.
Johannes stellt die christliche Gemeinde, er stellt also uns der Welt gegenüber. "Die
Welt kennt uns nicht, weil sie den Vater nicht kennt", sagt er.
Für die Welt ist die Liebe Gottes unwichtig. Das Kind in der Krippe - es mag zwar zur
Weihnacht dazugehören, aber wichtiger ist wohl der geschmückte Baum in der Stube, ein
paar Kerzen, die Lichterketten draußen in den kahlen Sträuchern, die Lichter in den
Fenstern.
Mit anrührenden Filmen und entsprechender Musik von CD oder aus dem Radio bringt man
sich dann in Weihnachtsstimmung.
Aber was für eine Stimmung ist das? Das Fest der Familie, so haben viele auch gesagt,
und das ist sicher auch ein Aspekt: wenn die Kinder erwachsen sind und nicht mehr bei
den Eltern wohnen, dann ist der Heilige Abend meist der Ort, wo die Familie wieder
zusammenfindet: Großeltern, Eltern und Kinder zusammen, manchmal sogar noch Onkel und
Tanten, Neffen und Nichten, Cousinen und Cousins, die Großfamilie eben, die ansonsten
in unserer Zeit völlig in den Hintergrund getreten ist.
Die Alten werden an ihre Kindheit erinnert, an die freudige Erwartung, an das Staunen
über den Lichterglanz, denn sie sehen die Kinder heute, die sich genauso daran
erfreuen - oder nicht?
Manchmal verkommt das Christfest dann doch wohl eher zu einem Geschenkebasar.
Man freut sich dennoch an den Kindern, die ihre Freude über die Geschenke manchmal so
zum Ausdruck bringen, dass man darüber schmunzeln muss.
Fest der Familie - denn die Heilige Familie ist Sinnbild dafür, dass die Familie
zusammen gehört.
Die Welt kennt das Christfest - aber sie kennt den Vater nicht. Der Gottesdienstbesuch
an diesem Tag im Vergleich zu gestern mag ein Zeichen dafür sein.
Insgesamt waren gestern über ..... Menschen in dieser Kirche, heute sind es .......
Dabei ist das eigentliche Fest erst heute, das wir gebührend mit dem Heiligen Abendmahl
feiern.
Aber der Heiligabend hat sich längst etabliert, schon weil man da ja auch Bescherung
hat. Da gehört gerade mit kleineren Kindern der Gottesdienstbesuch mit dem Krippenspiel
dazu.
Die Botschaft dieser Nacht: sie versinkt zwischen sofort wieder nach dem Gottesdienst
zwischen all den Geschenken.
Das Fest der Liebe wird es genannt. Richtiger wäre wohl: das Fest der Liebe Gottes.
Das Fest der Familie wird es genannt. Richtiger wäre wohl: das Fest der Gemeinschaft mit
Gott, dass wir seine Kinder sind.
Wir stehen vor der Krippe und staunen über das Wunder der Menschwerdung Gottes. Gott wird
Mensch - das ist der eine Weg, das ist die Offenbarung der unverbrüchlichen Liebe Gottes
zu uns.
Johannes schreibt von dem anderen Weg: wir werden Gott gleich sein, weil wir ihn sehen
werden, wie er ist. Wir werden Gott. Kann das sein?
Wenn wir konsequent die erste Aussage des Johannes weiterdenken, dann schon. Denn wenn
wir Gottes Kinder sind, dann erben wir zwangsläufig auch seine Eigenschaften.
Johannes begründet seine Aussage aber nicht damit, sondern allein mit dem Umstand, dass
wir Gott sehen werden, wie er ist.
Und wie ist er? Darüber schweigt sich Johannes im Rahmen unseres Predigttextes aus,
natürlich, denn noch können wir Gott auf diese Weise nicht sehen. Aber wir ahnen es
schon, und Johannes formuliert es dann ja auch wenig später: Gott ist die Liebe.
Und das ist es also, was wir auch werden. Das ist gewissermaßen das Erbgut, das in uns
reift und zur Vollkommenheit gelangen soll.
Denn um nichts anderes geht es dem Johannes: die Liebe, die alles durchdringt, jeden
Gedanken, jeden Handgriff, jedes Planen und Hoffen, jedes einzelne Wort, das wir sprechen.
"Ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist."
Wohl kaum könnten wir so rein sein, wenn nicht - und hier ist es schon wieder - durch das
Kind in der Krippe.
Jesus von Nazareth, in Bethlehem geboren, "hat versöhnt des Vaters Zorn", heißt es im
Quempas. Er hat alle Schuld von uns gewaschen. Darauf dürfen wir vertrauen, darauf dürfen
wir unser Leben aufbauen. Aber nicht so, als sei es unsere eigene Errungenschaft, sondern
so, als sei es ein unverdientes Geschenk, das wir gerne weitergeben, ohne es dabei zu
verlieren.
Denn wer Liebe weitergibt, wird feststellen, dass sie sich vermehrt. Hass kann gegen die
Liebe nicht bestehen. Es ist wie das Licht einer Kerze: wenn man es weitergibt, wird es
mehr und nicht weniger. Was anfangs nur ein sanfter Schimmer war, wird zum strahlenden
Licht.
Und so mögen wir das Wort des Johannes verstehen: noch ist nicht offenbar geworden, was
wir sein werden. Aber wenn es offenbar wird, dann werden wir Gott gleich sein: reine,
unverbrüchliche, ja, unüberwindliche, aber alles überwindende Liebe.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Des sollt ihr alle fröhlich sein (EG 25, 3-6)
Lobt Gott, ihr Christen alle gleich (EG 27)
Jauchzet, ihr Himmel (EG 41)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe V - Kol 2, 3(4-5)6-10
Liebe Gemeinde!
Waren Sie schon mal auf einer Schatzsuche?
Ich war's jedenfalls nicht. Aber ich erinnere mich an den Film „Die Schatzinsel“ -
das Buch habe ich vermutlich auch mal als Kind gelesen, aber der Film hat sich mir
dann doch wesentlich tiefer eingeprägt.
Und ich habe aus diesem Film gelernt, dass eine Schatzsuche etwas ungeheuer
Gefährliches ist.
Zum einen ist die Chance, überhaupt den Schatz zu finden, sehr gering, und der
Weg dahin ist sowieso ausgesprochen beschwerlich und mitunter lebensbedrohlich.
Zum andern muss man damit rechnen, dass man wegen des Schatzes getötet wird, denn
wenn einer erst einmal begriffen hat, wie viel der gefundene Schatz wert ist,
will er natürlich alles haben und duldet keine Teilhaber mehr.
Mit der Zeit lernt man natürlich, solche Eindrücke aus der Kindheit zu relativieren.
Der Inhalt des Buches „Die Schatzinsel“ spielt in vergangenen Zeiten, sie ist
Fiktion, und heute gibt es das, was darin geschildert wird, sicher nicht mehr.
Piraten gibt es zwar, die haben es aber nicht auf Schätze abgesehen, sondern auf
Frachtschiffe, deren Fracht sie dann verkaufen wollen.
Aber so ganz ist die Schatzsucherei dann doch nicht vorbei. Es gibt Menschen, die
jagen immer noch sagenhaften Schätzen nach: sie machen sich auf und suchen nach
versunkenen Schiffen, die mitunter tatsächlich eine Menge wertvoller Sachen verbergen,
manchmal auch Gold. Sie hoffen auf das große Glück, so wie es Woche für Woche
Abermillionen Menschen beim Lottospiel tun.
Ganz so schwer und aufwendig und so aussichtslos ist es allerdings nicht, den Schatz
zu finden, von dem Paulus in unserem Predigttext schreibt. Wir können ihn eigentlich
ganz einfach bergen: es bedarf nur der Hinwendung zu Jesus Christus. Denn in ihm, so
sagt Paulus, liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.
Sicher wird der eine oder die andere fragen, was an Weisheit und Erkenntnis denn so
Wertvolles ist. Man kann sich jedenfalls nichts davon kaufen, das ist sicher, es sei
denn, man ist Unternehmensberater und vergoldet auf diese Weise seine Weisheit.
Aber da fängt es ja schon an: wenn solch ein Mensch Weisheit und Erkenntnis hätte,
dann würde er wohl alles tun, um noch mehr von diesem Schatz zu bergen, denn er
wüsste: nichts ist besser, als Weisheit und Erkenntnis zu haben. Und er täte das
nicht, um diese Eigenschaften irgendwie zu vergolden, sondern er täte es, weil ihm
dadurch die Möglichkeit gegeben würde, den Sinn seines eigenen Lebens - und der
Menschheit schlechthin - besser zu verstehen.
Wenn nun aber in der Bibel von Weisheit und Erkenntnis die Rede ist, dann ist damit
nicht zwangsläufig jene Weisheit gemeint, die oft älteren Menschen eigen ist und auch
unter dem Oberbegriff „Lebenserfahrung“ zusammengefasst werden könnte. Es ist auch
nicht die Erkenntnis gemeint, die sich die Wissenschaftler erworben haben und erwerben.
Solche Weisheit und Erkenntnis sind in der Regel gut nachvollziehbar, man weiß, woher
sie ihren Ursprung haben. Man kann sie dann z.B. in Büchern verbreiten und auf diese
Weise allen Menschen zugänglich machen. Oder man kann sie in der Begegnung mit solchen
Menschen aufnehmen und sich zu eigen machen.
In der Bibel geht es aber um eine Form von Weisheit und Erkenntnis, die sich nicht so
einfach erwerben lässt. Es geht vielmehr um die Erkenntnis Gottes, und die Weisheit
ist nichts anderes als ein Ableger ebendieser Erkenntnis.
Wer Gott erkannt hat, der ist weise, weil er sein Leben nicht nach seinem eigenen
Verlangen, sondern nach dem Willen Gottes gestaltet.
Darum kann Paulus Weisheit und Erkenntnis als Schätze bezeichnen, weil sie die eigene
Existenz erhellen.
Die Quelle, woher wir diese Weisheit und Erkenntnis beziehen können, ist Jesus Christus
selbst. Und indem Paulus das sagt, beginnt er eine Reihe von Mahnungen, die alle im
Grunde auf das gleiche hinauslaufen: „Lebt in Christus!“, ruft er uns zu.
Denn es gibt viele Menschen, die es besser zu wissen meinen, die versuchen, uns von
ihren eigenen Ansichten zu überzeugen. Und ich vermute mal, dass Paulus damit nicht
nur jene meint, die nicht an Christus glauben, sondern auch solche, die sich selbst
als Christen bezeichnen und nur der Meinung sind, dass mein Glaube falsch sei.
Paulus hat viele Briefe geschrieben und sich lange in den Gemeinden aufgehalten, um
ihnen deutlich zu machen, worum es beim christlichen Glauben geht.
Der Kern christlichen Glaubens ist, dass wir durch Christus befreit sind von der
Macht des Todes und der Sünde. Und darum bemüht er sich immer wieder, den Tendenzen,
neue Bindungen zu schaffen, zu wehren.
Denn weil wir durch das Kreuz Jesu Christi frei geworden sind, Gottes Kinder zu
heißen, und es auch sind, darum darf es nichts geben, das uns hier binden will.
Und so ermutigt uns Paulus, selbständig unseren Weg als Christenmenschen zu gehen,
im Vertrauen darauf, dass Christus uns den rechten Weg weist. Dabei kann natürlich
der Rat anderer hilfreich sein, und die Gemeinschaft der Heiligen, zu der wir ja
gehören, ist der Rahmen, in dem wir uns ohne Schaden bewegen können. Das alles
sollten wir nicht achtlos wegwischen, denn christlicher Glaube gründet sich ja in
der Gemeinschaft. Aber das Hören auf Christus, das ist jedem selbst aufgegeben, auch
wenn es nicht immer einfach ist.
So kommen wir von dem oberflächlich betrachtet ganz unweihnachtlichen Text doch noch
zu dem Ereignis, das vor gut 2000 Jahren geschah und an das wir in dieser Nacht erinnern:
Die Geburt Jesu.
Dieses Kind in der Krippe hat die Welt verändert. Es hat uns zu Gottes Kindern gemacht,
die durch keine Fesseln gebunden werden können, sondern die frei sind von allen Mächten
dieser Welt.
Manche haben das damals so wörtlich genommen, dass sie alle gesellschaftlichen Konventionen
der damaligen Welt zurückließen und nur noch nach dem Lustprinzip lebten. So etwa nach
dem Motto: alles ist erlaubt, was mir Spaß macht.
Aber so ist es nicht gemeint. Paulus spricht die Kolosser auf ihre Lebensweise an und
sagt: Ich „freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe.“
Ohne Ordnung geht es auch dann nicht, wenn wir Gottes Kinder sind – denn wir sind ja
nicht alle Einzelkinder, sondern wir gehören zu einer sehr großen Familie. Und deswegen
müssen wir schon um der anderen willen bereit sein, hier und da Rücksicht zu nehmen und
nicht nach Lust und Laune zu leben.
Aber wir tun das dann aus freien Stücken, weil wir erkennen, dass dem anderen Menschen
die gleiche Liebe Gottes gilt wie mir selbst.
„Lebt in Christus!“ - Damit meint Paulus durchaus auch, dass wir uns etwas von dem, was
wir in dieser Nacht spüren, auch im nächsten Jahr noch bewahren sollen. Denn das Heilige
der Christnacht, es ist nicht auf diesen einen Tag des Jahres beschränkt. Es durchdringt
das Leben eines jeden Christenmenschen, es heiligt uns, und es verpflichtet uns.
Und darum meint Paulus mit dieser Aufforderung, in Christus zu leben, auch, dass wir uns
um Frieden mit unseren Mitmenschen bemühen, sei es nun der kleine Streit mit dem Nachbarn
oder die Polemik gegen ganze Völkergruppen. Ihnen allen gilt die Liebe Gottes, und das
sollten wir in unserem Leben, Handeln, Reden und Denken auch deutlich machen.
Diese Heilige Nacht ist kein Fest der Erinnerung an ein längst vergangenes Ereignis. Es
ist die Erinnerung an die Liebe Gottes, die so überwältigend ist, dass wir nicht anders
können als allen Menschen mit der gleichen überwältigenden Liebe zu begegnen.
So lasst uns dankbar das Geschenk annehmen, das uns Gott durch seinen Sohn gemacht hat,
und der Welt die frohe Botschaft verkünden: Euch ist heute der Heiland geboren!
Amen.
oder
Liebe Gemeinde!
Stille Nacht, heilige Nacht – geheiligt durch das Ereignis, das diese Welt veränderte: die
Geburt Jesu. Doch während ich noch diesen Satz formuliere, frage ich mich: wie sehen das
eigentlich die Menschen, die nicht an Jesus Christus glauben? Sicher können sie diesen
Satz nicht nachvollziehen, aber was noch bedrückender ist: sie hätten unzählige Beweise,
die ihre Behauptung unterstützen würde: nichts hat sich verändert!
So wie vor der Geburt Christi, hat es auch danach immer wieder Kriege gegeben mit immer
zerstörerischer Kraft. Die Kreuzzüge sind das bedrückendste Beispiel missverstandenen
Evangeliums.
Heute sind wir soweit von einem friedlichen Miteinander entfernt wie vor 2000 Jahren.
Zwar fallen die europäischen Grenzen, aber damit kommt Angst vor wachsender Kriminalität
aus den noch fremden Ländern.
Soldaten aus der ganzen Welt, auch aus unserem Land, sind an sogenannten „Friedensmissionen“
in verschiedenen Ländern beteiligt und begeben sich damit in Lebensgefahr. Früher gab es
um Weihnachten herum wenigstens Waffenstillstand. Die heutige Kriegsführung macht auch
vor solchen religiösen Gefühlen keinen Halt mehr.
Laut einer gerade veröffentlichten Studie, die das Innenministerium in Auftrag gegeben
hat, müssen wir große Angst haben vor den islamischen Fundamentalisten.
Es hört also nicht auf, oder: nichts hat sich verändert. Die Welt, wir Menschen, werden
von Angst und Misstrauen beherrscht. Da hat die Geburt des Heilands überhaupt keine
Bedeutung.
Stille Nacht, heilige Nacht: Wer so tut, als ob wir in einer heilen Welt lebten, und
sei es auch nur für diese eine Nacht, der macht sich selbst etwas vor.
Aber warum ist das so? Warum hat das Wunder der Heiligen Nacht nichts in dieser Welt
verändert?
Die Worte des Paulus aus dem Kolosserbrief sind eine Antwort darauf. Im Grunde sind es
die wenigen Worte des Anfangs:
In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
In Christus!
Nicht in George W. Bush, auch nicht in Angelika Merkel, ebensowenig in Herrn Struck liegen
die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen, und natürlich auch nicht in den
sogenannten 5 Wirtschaftsweisen. Denn alle diese Personen oder Personengruppen schauen
auf unsere Welt mit einer Brille, die ganz bestimmte Sichtweisen zulässt, daneben aber
keine anderen Sichtweisen duldet.
Und davor warnt Paulus. In Christus liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis,
hält er gegen diejenigen, die behaupten, sie wüssten, was das Beste wäre. Denn Menschen
kann es nicht gelingen, alles Wissen in sich zu vereinen. Sie sehen immer nur einen
Ausschnitt, der dazu noch ziemlich klein sein kann.
Verheerende Folgen sind z.B. der Nord-Süd-Konflikt, der den Ost-West-Konflikt mehr oder
weniger abgelöst hat, und die rapide zunehmende Umweltbelastung, die mittlerweile durch
starke Veränderungen des Klimas sichtbar wird.
Paulus hat gut Reden, kann man nun einwenden. Für ihn ist Jesus noch eine fast greifbare
Realität. Es gibt Menschen, die ihn leibhaftig gesehen haben, die von ihm erzählen. Da
ist ein Bild, das lebensnah ist.
Hingegen haben wir Bilder, die teilweise doch recht verklärt sind. Die Idylle des Stalls
etwa gehört dazu. Wir haben nur diesen einen Bericht aus dem Lukasevangelium, aber der
füllt die Kirchen jedes Jahr auf's Neue mit fünfundzwanzig mal mehr Menschen als an
den übrigen Sonntagen im Kirchenjahr. Dabei haben wir diese Idylle ja erst über die
Jahrhunderte zusammen gezimmert. Wie es in Wahrheit aussah, weiß niemand so genau.
Und darauf kommt es auch nicht an. Paulus ermutigt uns nur zu dem einen: fest im
Glauben an Jesus Christus zu bleiben und nicht zuzulassen, dass andere mit ihren
Erkenntnissen wegnehmen, was wir durch den Glauben gewonnen haben.
Und das ist eben nicht dies, dass Jesus in einem Stall geboren wurde, sondern dass
er am Kreuz gestorben und nach drei Tagen wieder auferstanden ist. Es ist die
Botschaft, dass wir teilhaben dürfen an der Herrlichkeit Gottes, dass dem Tod
die Macht genommen ist.
Dazu kann freilich auch dies andere hinzukommen, woran wir heute denken: dass Gott
Mensch wurde, dass er dabei auf allen Prunk und Herrlichkeit verzichtete, ja, es
sogar verachtete. Dass er sich denen zuwandte, die ihn am nötigsten hatten, und
nicht denen, die auch gut ohne ihn auskommen.
Aber das ist eben nicht alles. Lasst Christus eure Mitte sein. Denn in ihm allein
liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.
Und da kommen wir noch zu einer letzten Frage: Was sind diese Schätze der Weisheit
und der Erkenntnis?
Es gibt wohl verschiedene Arten von Weisheit, und jede Religion kennt ihre eigene
Weisheit, die sich mehr oder minder voneinander unterscheiden. Ich würde die Weisheit
christlichen Glaubens gerne so beschreiben:
sich ganz auf Gott einzulassen und darauf zu vertrauen, dass er nicht von unserer
Seite weicht, dass er bereit ist, uns aufzufangen, wenn wir fallen, und uns zu
stärken, wenn wir schwach werden. Das ist Glaube, und genau darum geht es. Wir
müssen dafür nichts in Stein meißeln, im Gegenteil. Gott ist lebendig, kein Relikt
aus längst vergangenen Zeiten. Er tritt in unsere Mitte, wann immer zwei oder drei
sich in seinem Namen versammeln.
Christliche Erkenntnis lässt sich so auf ganz ähnliche Weise zusammenfassen: dass
nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, weder Mächte noch Gewalten, weder
Hohes noch Tiefes, Weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges.
Und darum dürfte es auch nicht schwer fallen, den Meinungen von Politikern oder
Wirtschaftsweisen oder wem auch immer zu widerstehen und an deren Stelle dies eine
zu stellen, was uns durch Jesus Christus geschenkt wurde: die Liebe Gottes.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23 - Wochenlied!)
Wunderbarer Gnadenthron (EG 38)
Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel (EG 41)
Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe M - Joh 3, 31-36
1. Kor 8, 5-6
1. Joh 4, 9-10
zu Joh 3, 31-36:
Liebe Gemeinde!
Seit der letzten Perikopenrevision, die auf EKD-Ebene durchgeführt wurde und seit dem 1. Adventssonntag
2018 Gültigkeit hat, ist der Text, den ich gerade vorgelesen habe, zum Marginaltext geworden, d.h. er ist
kein regulärer Predigttext mehr, wie es in den Jahren davor der Fall war.
Auf den ersten Blick mag das auch richtig sein, denn er scheint mit dem Christfest, mit der Geburt unseres
Herrn, so gar nichts zu tun zu haben. Aber das ist eben nur der erste Eindruck.
Schauen wir etwas genauer hin:
Johannes der Täufer und Jesus – das sind zwei Menschen, zwischen denen schon im Mutterleib eine besondere
Verbindung bestand. Erinnern wir uns an die Begegnung von Maria und Elisabeth, der Mutter Johannes des
Täufers – das Kind in ihrem Leibe hüpfte vor Freude, als Maria, schwanger mit Jesus, zu ihr kam. Aus
dieser Begegnung ist uns das Magnifikat überliefert, das die Größe Gottes besingt und die Christenheit
über viele Jahrhunderte bis heute begleitet und geprägt hat.
Johannes war von Geburt an für die Aufgabe des Wegbereiters ausgewählt worden. So hatte es der Engel
seinem Vater Zacharias angekündigt: Er wird vor dem Herrn hergehn im Geist und in der Kraft Elias. (Lk 1,17)
Auch jetzt, in unserem Predigttext, erfüllt Johannes diese Aufgabe. Er hatte schon einige Zeit vor Jesus
damit begonnen, die Menschen zur Buße zu rufen. Einige hatten sich ihm angeschlossen, einzelne glaubten
vielleicht sogar, dass er der Messias sein würde. Aber dieser Vermutung widersprach er energisch, denn er
kannte seinen Platz und seine Aufgabe genau.
Johannes der Täufer ist, so kann man sagen, von der Erde – er ist ein Kind der Liebe zwischen Elisabeth
und Zacharias. Auch wenn er seinen Auftrag von Gott empfangen hat und selbst ein Kind der Verheißung ist,
also jemand, der nach dem Willen Gottes geboren wurde, so bleibt er doch „von unten”, er bleibt irdisch.
Er ist „nur” einer, der Weisung empfängt und danach handelt.
Ganz anders Jesus. Er kommt „von oben her” und hat damit eine ganz andere Autorität. Er ist der Sohn Gottes,
der keine Weisungen befolgen muss, sondern selbst Weisung gibt. Er könnte Berge versetzen, aber es genügt ja
schon, dass er Kranke heilt und dem Tod ins Gesicht lacht.
Mit dem „von oben her” habe ich allerdings so meine Probleme, denn es führt uns leicht auf eine falsche Fährte.
Wenn wir es wörtlich nähmen, würde es bedeuten, dass es eine Distanz gibt zwischen Gott und Mensch, die so groß
ist, dass zumindest wir sie nicht überbrücken könnten. Leider hat sich diese Vorstellung immer stärker eingeprägt
und vielleicht auch dazu geführt, dass manche glauben, Gott kümmere sich gar nicht um uns, weil er viel zu weit
weg ist.
Aber: Gottes Reich ist mitten unter uns – das ist die Botschaft Jesu, das wurde durch ihn offenbart, und darum
müssen wir eben nicht nach oben schauen, um mit Gott Kontakt aufzunehmen. Wir dürfen und sollen ganz erdverbunden
bleiben, denn Gott ist hier und greifbar nahe – spätestens durch die Geburt Jesu Christi ist dies klar geworden.
Johannes dem Täufer geht es daher auch nicht darum, eine Distanz aufzuzeigen, sondern er will mit dieser Ausdrucksweise
eher auf die unterschiedliche Qualität der Botschaft Jesu und seiner eigenen Botschaft hinweisen. Er will deutlich
machen, dass die Autorität, die hinter Jesu Werken und Worten steht, unanfechtbar ist, weil Jesus Gottes Sohn ist,
weil er in der Vollmacht des Allhöchsten handelt.
Nun kommt er aber zu einem Schluss, der uns gerade heute am Christfest nicht so recht schmecken mag: „Wer dem Sohn
[Gottes] nicht gehorsam ist, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.”
Bleibt da nicht die Liebe Gottes, die er durch seine Menschwerdung bewies, auf der Strecke?
Es fällt uns ohnehin schwer, vom Zorn Gottes zu sprechen. Es scheint uns unerträglich, dass von Gott nicht nur Gutes
kommt. Martin Luther beschrieb Gott als einen glühenden Ofen der Liebe. Und darum sind heute viele Menschen der Ansicht,
dass Gott nichts Böses tun kann, dass von ihm nur Liebe ausgeht.
Das ist auch richtig. Aber es ist dann ja auch ausschließlich von unserer Warte aus gesehen. Gott handelt in allem,
was er tut, niemals aus Bosheit, er handelt immer aus Liebe. Aber manchmal kann die Liebe auch etwas verlangen, das
weh tut.
Denken wir an das Handeln eines Vaters oder einer Mutter. Wenn sie dem Kind nur alles geben würden, was es will, und
wenn sie es vor allen möglichen Gefahren beschützen würden, wäre das Kind am Ende schrecklich verzogen und würde mit
seinem Leben wohl gar nicht zurecht kommen. Es wäre immer auf den Schutz und die Hilfe der Eltern angewiesen und
müsste kläglich scheitern, wenn die Eltern einmal tot sind.
Gott will, eigentlich so wie alle guten Eltern es wollen, dass wir Verantwortung übernehmen für das, was wir tun,
und dass wir in der Lage sind, aus der Verantwortung heraus, die uns übertragen ist, gute und richtige Entscheidungen
zu treffen.
Damit wir dahin kommen, kann es schon sein, dass wir nicht nur eitel Sonnenschein erleben, sondern auch durch Regen
und Stürme hindurch müssen.
Aber das ist noch nicht alles. Es geht auch um Gerechtigkeit. Wir müssen zwar bedenken, dass die Gerechtigkeit Gottes
anders funktioniert als das, was wir unter Recht und Ordnung oder Recht und Gesetz verstehen. Aber dennoch kann es
eben auch dazu kommen, dass Gott Menschen für ihr Handeln bestraft, dass er sie die Konsequenzen ihres Handelns erfahren
lässt. Denken wir an das, was in manchen Ländern auf politischer Ebene geschieht, wo Oppositionelle ins Gefängnis gesteckt,
gefoltert oder gar getötet werden, sobald sie die Macht des Herrschenden in Frage stellen. Denken wir an Kriege, in denen
Soldaten ihre Überlegenheit missbrauchen, indem sie auch Zivilisten foltern und töten. Es gehört zur Gerechtigkeit dazu,
dass alle, die bewusst böse handeln, auch bestraft werden.
Das schließt zwar nicht aus, dass Gott einen Menschen von seiner Schuld losspricht. Aber dazu muss jener Mensch sich
aufmachen, er muss umkehren, also Buße tun, um an Gottes vergebender Liebe wieder gesund werden zu können.
Das Gute ist, dass nicht wir das Urteil fällen müssen. Wir können ganz darauf vertrauen, dass Gott das Innere eines
jeden Menschen kennt und ihm so begegnet und an ihm so handelt, wie es nach seinem Wesen gerecht ist. Das ist es, was
Johannes mit dem Wort „wahrhaftig” meint. Gott ist der Wahrhaftige, indem er so handelt, wie es Seiner Gerechtigkeit
entspricht. Und diese Gerechtigkeit mag sich am ehesten in dem widerspiegeln, was sich während der Kreuzigung zwischen
Jesus und dem einen der beiden anderen Gekreuzigten abspielte. „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein.” (Lk 23,43)
Für uns gilt, dass wir unsere Mitmenschen alle mit den Augen Gottes zu sehen versuchen. Das wird uns zwar nie gelingen,
aber den Versuch ist es wert, denn so können wir alle Vorurteile ablegen. Gott sieht jeden Menschen wie sein eigenes Kind
an – mit Liebe. Er leidet, wenn diese Liebe nicht erwidert wird, und wartet geduldig, dass sich dieser Mensch ihm zuwendet.
Wir denken immer daran, dass wir in unserem Auge einen Balken haben, der zuerst herausgezogen werden muss, bevor wir den
Splitter im Auge des anderen zu entfernen suchen.
Soweit, so gut. Doch noch fehlt irgendwie der Bezug zum Christfest. Was hat das alles mit der Geburt Jesu zu tun?
Ich denke, eine ganze Menge. Denn hier wird das Wesen Jesu entfaltet. Der Täufer Johannes macht ganz deutlich: Jesus ist
der Sohn Gottes. Er ist der Weg und die Wahrheit und das Leben, und niemand kommt zum Vater denn allein durch ihn. Daran
kann und darf nicht gerüttelt werden. Wer dies anzweifelt, zweifelt Gott an, ja, er leugnet die Existenz Gottes.
Gott offenbart sich in Jesus Christus, er lässt erkennen, dass er barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Güte ist –
das wusste schon Mose. Aber billig ist die Gnade eben nicht zu haben.
Gott braucht eine Reaktion von uns. Und diese Reaktion kann ganz unterschiedlich sein.
Manche werden versuchen, Gottes Wort zu verstehen und danach ihr ganzes Leben auszurichten. Sie gehen regelmäßig in den
Gottesdienst, bemühen sich, ihre Nächsten ebenso zu lieben wie sich selbst und lesen selbstverständlich täglich in der
Bibel. Ebenso regelmäßig werfen sie im Gebet ihre Anliegen vor den Herrn.
Andere werden sich ebenso der Existenz Gottes bewusst sein und immer wieder Spuren Gottes zu entdecken suchen. Aber sie
tun dies in ihrem Alltag, in den Begegnungen mit anderen Menschen, bei der Arbeit, bei zufälligen Ereignissen. Aus ihrem
Mund kommen eher mal Stoßgebete, als dass sie sich regelmäßig Zeit zum Gebet nehmen, und dazu gehen sie nicht in eine
Kirche.
Und wieder andere staunen erst, wenn Gottes Hand sie spürbar anrührt, und beginnen dann, die Wunder Gottes auch für sich
selbst zu entdecken.
Die Begegnung mit dem Allmächtigen geschieht auf unterschiedliche Weise, da haben wir keinen Einfluss drauf. Gott sucht
uns, darauf dürfen wir vertrauen. Letztlich kommt es darauf an, wie der Mensch auf Gottes Anruf reagiert, ob sie sich auf
die Barmherzigkeit Gottes einlassen.
Gott öffnet Türen, so könnte man es wohl sagen – und es ist nicht nur eine Tür. Durch jede dieser Türen gelangen wir zum
ewigen Leben, denn alle diese Türen führen in die Gegenwart Gottes. Und die erste Tür, die da geöffnet wurde und nie
wieder verschlossen werden kann, ist die Taufe.
Es gibt Menschen, die solche Türen nicht sehen wollen und die ihnen stetig den Rücken kehren. Einmal schrieb mir einer,
der aus der Kirche ausgetreten war, dass er damals als Säugling zur Taufe gezwungen wurde. Aber die Taufe ist nichts, was
einen Menschen bindet. Die Taufe bindet vielmehr Gott. Es ist die Selbstverpflichtung Gottes, dass er uns nicht fallen
lässt – selbst dann nicht, wenn wir uns von ihm abwenden. Ich empfinde das als ausgesprochen tröstlich, und Martin Luther
hat sich mit den Worten „Ich bin getauft” immer wieder selbst ermutigt, den eingeschlagenen Pfad weiter zu gehen.
Die Taufe schafft eine offene Tür, und ich glaube, dass Gott uns im Laufe des Lebens immer neue Türen öffnet, damit wir
umkehren und letztlich durch diese Tür der Taufe in Gottes Gegenwart schreiten können. Wer allerdings keine der von Gott
geöffneten Türen durchschreiten will, für den gilt, was Johannes der Täufer sagt: der Zorn Gottes bleibt über ihm.
Natürlich möchten wir nicht, dass es so ist, dass Menschen unter dem Zorn Gottes bleiben.
Und darum können und sollen wir aktiv werden, besonders, wenn uns ein Mensch lieb ist und von dem wir befürchten, dass
ihm vielleicht der Zorn Gottes droht. Allerdings gelingt es in den meisten Fällen nicht, diesen Menschen mit Worten zu
überzeugen. Wir können es versuchen, aber sollten uns da nicht zu große Hoffnungen machen. Denn solange der Heilige
Geist nicht mitwirkt, sind unsere Bemühungen meist vergeblich.
Es gibt aber eine Sache, die immer sinnvoll ist: Wir können für die Person beten.
Die Fürbitte ist vielleicht das wichtigste Werkzeug eines Christenmenschen: wir beten nicht für uns selbst, sondern
für die Menschen, die uns lieb und wert sind.
Wenn wir beten, bringen wir diesen Menschen vor Gott – nicht, dass Gott unser Gebet bräuchte, um die Not der Menschen
zu sehen. Aber wir können beim Gebet immer auch an die Worte Jesu denken, in denen er uns verheißt, dass Gott unsere
Gebete erhört.
Nur: Erhören heißt nicht erfüllen. Gott weiß um den Menschen, und er hat einen Plan für ihn, den wir nicht kennen oder
gar durchschauen. Im Rückblick können wir zwar Gottes Handeln in unserem Leben durchaus erkennen, aber im Blick auf
die Zukunft bleibt uns alles verborgen.
Indem wir beten, können wir unsere eigenen Sorgen, auch die um jenen Menschen, Gott übergeben und damit auch überlassen.
Wir selbst werden frei und können dankbar und frei Gott loben. Vielleicht ist es auch das, was jenen Menschen dann zu
Gott treiben wird, indem wir durch unseren Leben Gott groß machen.
Auf unserem Gebet liegt eine große Verheißung: Gott hört sie, er verwirft sie nicht. Des Gerechten Gebet vermag viel,
schreibt Jakobus in seinem Brief.
Mit unserem Gebet können wir also die Welt verändern. Und vielleicht auch den Menschen, die uns lieb und wert sind,
eine Tür öffnen.
An diesem Tag erinnern wir uns daran, dass Gott Mensch wurde, um uns Menschen seine Liebe zu offenbaren. Die Gnade
Gottes kommt zu uns. Und so hat damals, vor rund 2000 Jahren, eine neue Zeit begonnen. Das war die Zeitenwende, und
nicht irgendein Krieg oder eine Pandemie. Damals durchbrach Gott den Kreislauf von Sünde und Tod und befreite uns zum
Leben.
Wir leben in dieser neuen Zeit. Allen, die getauft wurden, steht eine Tür offen, die niemals verschlossen wird. Durch
diese Tür kommen wir in die Gegenwart Gottes, ja, noch mehr, wir erfahren das ewige Leben. Das ist etwas wahrhaft Neues –
das hat es vorher nicht gegeben, und was es ist, können wir uns jetzt auch noch gar nicht so recht vorstellen.
Aber im Abendmahl feiern wir genau dies. Wir nehmen ihn, unseren Herrn Jesus Christus, auf, um seinen Sieg über den
Tod uns zu eigen zu machen. In Brot und Wein haben wir teil an seinem Leib und Blut, wir werden Gottes Hausgenossen
und Mitbürger der Heiligen, was nichts anderes heißt, als dass wir Heilige werden – was ja schon bei der Taufe
geschehen ist, aber durch die Eucharistie immer wieder neu bestätigt wird.
Wir erfahren Gottes Gegenwart und gehen mit der Gewissheit, dass Gott uns seine Liebe schenkt, wieder in den Alltag
hinaus, loben und preisen Gott für alles, was uns widerfahren ist und was wir erlebt haben.
So lasst uns dankbar und in Freude die Gemeinschaft mit unserem Herrn feiern – hier und heute und in der Begegnung
mit jedem Menschen, den uns unser Herrgott an die Seite stellt, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick.
Amen
Zurück zum Anfang