Sie dürfen gerne meine Predigten benutzen und den Gegebenheiten anpassen. Wenn Sie einen meiner Predigtvorschläge in einem Gottesdienst verwenden wollen, teilen Sie es mir bitte mit. Eine Genehmigung müssen Sie dafür aber nicht abwarten.
Jegliche andere Form der Vervielfältigung, auch im Internet, ist nur mit meiner ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung erlaubt. Weisen Sie bei der Verwendung des Materials bitte auf die Quelle hin.
Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe II - Tit 3, 4-7
Liebe Gemeinde!
Was ist das Weihnachtliche an diesem Text? Man hört vom Bad der Wiedergeburt – also
der Taufe – gerecht geworden durch die Gnade Jesu Christi – hier haben wir die Gnade,
von der auch gestern die Rede war – und doch ist der Bezug zur Christgeburt schon ganz
am Anfang des Textes gesetzt: Als aber erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe
Gottes, unseres Heilands, machte er uns selig.
Paulus redet hier von nichts anderem als von der Menschwerdung Gottes, von der Geburt
unseres Heilands. In dem Kind wurde die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes offenbar.
Freundlichkeit und Menschenliebe – wenn man sich das anhört, denkt man schon fast an
ein formelles Vorstellungsgespräch, in dem man jedes seiner Worte sorgfältig abwägt
und möglichst vermeidet, irgendwelche Gefühle zu zeigen. Man bleibt nüchtern, neutral.
Und so erscheint einem diese Einleitung recht unpersönlich.
Freundlichkeit und Menschenliebe – man könnte zumindest die Freundlichkeit auch anders
übersetzen: etwa mit Güte oder Milde. Das kommt dem Wort im griechischen Urtext näher
und hört sich schon etwas persönlicher an.
Es würde auch zu dem passen, wohin diese Erscheinung der – sagen wir es jetzt mal so –
Güte und Menschenliebe Gottes führt: dass er uns selig macht. Denn da geht es ja an
unsere Substanz, es geht um unsere Existenz.
Selig – da denke ich an manche Konfirmanden, die bei dem Wort völlig ratlos sind. Was
bedeutet es? Ich würde „wunschlos glücklich“ sagen. Und zwar im wahrsten Sinne des
Wortes. Es gibt keine Wünsche mehr. Wer selig ist, befindet sich in einem paradiesischen
Zustand, ohne jedes Verlangen, ohne jede Sehnsucht. Alles ist vollkommen. Das bedeutet
„selig“.
Wenn man sich diese Bedeutung vergegenwärtigt, muss man natürlich auch fragen: sind
wir das? Sind wir selig?
Paulus spricht in der Vergangenheit – Gott machte uns selig. Es ist also nichts, was
vielleicht noch geschehen könnte. Es ist bereits geschehen. Und es gibt auch keine
Anzeichen dafür, dass diese Seligkeit bereits vorüber sein könnte. Es heißt nicht: er
machte die Menschen damals selig, doch das ist jetzt vorbei. Nein: Gott machte uns
selig. Und mit diesem „uns“ sind selbstverständlich auch wir gemeint.
Und so ergibt sich die Frage: hat die Güte und Menschenliebe Gottes uns selig gemacht?
Man kann durchaus den Eindruck haben, dass das nicht der Fall ist. Wenn es nicht die
Sorge um das tägliche Auskommen ist, dann sind es andere Dinge, die einem das Leben
versauern. Etwa eine Krankheit, oder Ärger mit den Nachbarn, oder Probleme in der
Ehe, oder der Verlust eines lieben Menschen. Manche sind so belastet von all den
Problemen, mit denen sie sich tagtäglich auseinandersetzen müssen, dass sie kaum
mehr eine Ahnung davon haben, was es bedeutet, glücklich zu sein, geschweige denn
wunschlos glücklich.
Aber die Sehnsucht danach ist durchaus da. Wir wollen es schon erleben, diese Seligkeit,
von der Paulus redet. Und das geht nicht nur uns Christen so, sondern allen Menschen:
Denn wunschlos glücklich, also selig zu sein, ist ein sehr erstrebenswerter Zustand.
Aber es gibt da natürlich Menschen, die sagen, dass es unmöglich sei, solche Seligkeit
erlangen zu können. Es sei Utopie.
Andere sagen, es gehe vielleicht für einen kurzen Moment, für einen Augenblick, höchstens
für wenige Stunden. Frisch Verliebte zum Beispiel erleben so etwas vielleicht, wenn sie
zusammen sind. Denn wenn sie sich haben, brauchen sie nichts anderes.
Aber die Realität des Lebens holt einen ja doch immer wieder ein. Und dort, im Alltag,
so scheint es, gibt es solche Seligkeit nicht.
Der Mensch ist eben keine Insel, auf der alles gut zusammenpasst und wo niemand reinpfuschen
kann; man kann sich nicht von seinen Mitmenschen loslösen und so tun, als gäbe es sie
nicht. Immer ist das Leben ein Zusammenspiel vieler Elemente, von denen man nur einen
kleinen Teil wirklich beeinflussen kann.
Aber es gibt Menschen, die versuchen es dann doch, selig zu sein oder zu werden. Sie
schotten sich ab von allen anderen, geben alles auf, um diesen Ort der Seligkeit zu
finden – oder suchen die Seligkeit im Reichtum, der sie doch nicht reich macht und
erst recht nicht glücklich machen kann.
Andere tun wenigstens ab und zu etwas dafür, selig zu sein. Die Wellness Center zum
Beispiel, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen, sind ein Beleg
für das Verlangen nach Seligkeit, und vielleicht gibt es ja auch Menschen, die sich
durch die fürsorgliche Behandlung dort tatsächlich in den siebten Himmel versetzt
fühlen.
Aber es bleibt nur für einen Augenblick, denn der Effekt tritt einzig dadurch auf,
dass man für eine kurze Zeit herausgenommen wird aus dem Alltag, dem man sich danach
dann aber wieder stellen muss.
Die Art und Weise, wie viele Menschen mit dem Christfest umgehen, lässt ebenfalls
erkennen, dass es eine Sehnsucht nach der Seligkeit gibt. Man beschenkt sich, um
die andere Person glücklich zu machen, vielleicht sogar so glücklich, dass keine
Wünsche mehr offen bleiben.
Und man wünscht für sich selbst insgeheim das Gleiche.
Aber wir merken schnell, dass es so nicht funktioniert. Auf den einen erfüllten Wunsch
folgt bald der nächste unerfüllte. Es gibt wieder etwas, wovon wir glauben, dass es
uns dazu hilft, selig zu werden. Und andererseits die Erfahrung, dass wir es nicht
sind. Und so könnte es endlos weitergehen.
Aber das Christfest ist durchaus dazu geeignet, uns selig zu machen – das sagt Paulus,
und dem wollen wir noch etwas nachgehen.
Als die Güte und Menschenliebe Gottes erschien, machte er uns selig – es ist nun mal
etwas, was geschehen ist – und Paulus deutet in keiner Weise ein „nun aber sind wir
es nicht mehr“ an.
Aber wie kommt es, dass wir so wenig davon merken?
Es hat gewiss damit zu tun, dass es rund zweitausend Jahre her ist. Anfangs hatte man
noch mit dem baldigen Kommen des Herrn gerechnet; man hatte erwartet, dass er sein Reich
bald aufrichten würde; da brauchte man dann auch nichts. Doch das Kommen des Herrn blieb
aus, und so begann man wieder, sich mit der Welt zu arrangieren.
Doch Paulus hat das nicht getan.
Er weist vielmehr auf das hin, was die Seligkeit in uns erhalten kann in allem Warten
und Hoffen: es ist der Heilige Geist. Den hat Gott reichlich über uns ausgegossen durch
Jesus Christus, damit wir Erben des ewigen Lebens würden. (Tit 3, 6-7a)
Gott schenkt uns eine Hoffnung durch seinen Geist, die über dieses Leben hinausweist, und
zwar dauerhaft. Wir sind durch seine Gnade gerecht geworden, d.h. es gibt nichts, was uns
von Gott trennen könnte. Denn es kommt nicht darauf an, was wir getan haben.
Gott hat den Heiligen Geist reichlich über uns ausgegossen, und das heißt ja: im Überfluss,
mehr als nötig. Und darum dürfen wir auch fest darauf vertrauen, dass wir Erben des
ewigen Lebens sind, wie Paulus sagt.
Was für ein großartiges Geschenk! Und es ist ein wahres Geschenk. Denn Gott erwartet
kein Gegengeschenk, außer, dass wir auf seine Zusage vertrauen – und das kostet uns
ja nichts.
Ausdrücklich weist Paulus darauf hin, dass es die Barmherzigkeit Gottes ist, an der
wir teilhaben durch das Bad der Wiedergeburt – die Taufe.
Der Heilige Geist erinnert uns immer wieder daran.
„Ich bin getauft“ - diese drei Worte können schon selig machen. Denn sie bedeuten: Gott
nimmt mich an, so wie ich bin. Er lässt mich teilhaben an seiner Güte, und er erweist
mir seine Gnade. Ich bin frei, ihm zu begegnen, ohne Wenn und Aber. Ich darf das ewige
Leben ererben.
Im Abendmahl erfahren wir Gottes Geschenk zum Christfest auf eigene Weise. Gott schenkt
sich uns. Er gibt sich uns hin im Brot und im Saft der Reben. So wie er damals Mensch
wurde und sich den Menschen auslieferte, so schenkt er sich uns, wenn wir das Abendmahl
feiern.
Was könnte uns seliger machen als dieses großartige Geschenk der Liebe Gottes?
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Freuet euch, ihr Christen, alle (EG 34)
Nun singet und seid froh (EG 35)
Fröhlich soll mein Herze springen (EG 36)
Kommt und lasst uns Christum ehren (EG 39)
Ich bin getauft auf deinen Namen (EG 200)
Singet frisch und wohlgemut (NB-EG 539)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe III - Jes 52, 7-10
Die nachfolgende Predigt wurde am 4. Adventssonntag gehalten (als dieser Text noch in der Reihe dieses Sonntags seinen Platz hatte).
Dementsprechend sind wohl Anpassungen erforderlich.
Liebe Gemeinde!
Wenn ich das Wort „lieblich“ höre, denke ich an verschiedene Dinge. Eins,
was mir spontan einfällt, stammt aus dem Bereich der Weinkenner: „lieblich
im Abgang“, sagt man da etwa. Ich kann mir darunter nicht viel vorstellen,
nur in etwa so viel: ein Wein, dem man das bescheinigt, ist ein guter Wein.
Dann fällt mir noch die „liebliche Minne“ ein. Da geht es um die Freude
der Liebe – die sich ja schon im Wort „lieblich“ verbirgt.
Wenn etwas als lieblich bezeichnet wird, dann ist es also in der Regel
etwas, das Freude verursacht. Z.B. der liebliche Duft einer Rose, oder
die liebliche Stimme einer Frau, oder die liebliche Musik, oder der
liebliche Duft des Weihnachtsgebäcks, der sich in manchen Stuben ausbreitet.
Immer meint das Wort „lieblich” etwas Schönes, Angenehmes.
Aber Füße? Hat sich der Prophet da nicht doch ein bisschen vergriffen? Zumal,
wenn diese Füße einen langen Weg hinter sich haben? Man stelle sich diese
Füße einmal vor... ich glaube, wir würden nichts Liebliches an ihnen finden.
Es wäre natürlich nichts zu sagen, wenn Jesaja geschrieben hätte: Wie lieblich
sind die Stimmen der Boten... usw. Aber nun hat er das nicht getan, und wir
dürfen wohl die Frage stellen: Warum sind ihm die Füße so wichtig?
Nun, man muss sich wohl die Geschichte etwas vergegenwärtigen. Das jüdische
Volk war niedergeschlagen, denn die Stadt Jerusalem lag in Trümmern, der
Tempel, das Zentrum allen Lebens, war zerstört. Es war ein Weckruf gewesen,
der z.B. den 137. Psalm hervor brachte:
„An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
2 Unsere Harfen hängten wir
an die Weiden dort im Lande.
3 Denn die uns gefangen hielten,
hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein:
»Singet uns ein Lied von Zion!«
4 Wie könnten wir des HERRN Lied singen
in fremdem Lande?
5 Vergesse ich dich, Jerusalem,
so verdorre meine Rechte.
6 Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben,
wenn ich deiner nicht gedenke,
wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.“
Das Volk empfand tiefe Reue, es sehnte sich je länger, je mehr nach der Rückkehr
und dem Wiederaufbau Jerusalems und vor allem des Tempels.
Nun stellen wir uns einmal vor, wie sie dort in der Fremde waren, voller Sehnsucht
danach, die Botschaft zu hören: ihr dürft zurückkehren, ihr dürft wieder in die
Heimat!
Da können auch schon die Schritte der Boten, die diese Nachricht übermitteln,
Freude verursachen.
Aber etwas merkwürdig bleibt es doch, denn woher weiß man, dass diese Boten eine
gute Nachricht übermitteln werden?
Ein bisschen muss ich an die Emmaus-Jünger denken, die den Weg von Jerusalem nach
Emmaus gingen, begleitet von Jesus, aber nicht wissend, dass es Jesus ist, der da
mit ihnen ging. Doch als er mit ihnen das Brot bricht und plötzlich verschwindet,
da sagen sie untereinander: „brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete
auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?“ (Lk 24, 32)
Erst im Nachhinein erkennt man manchmal, dass man etwas Besonderes gespürt hatte,
noch bevor klar wurde, was da eigentlich geschieht. Man spürt etwas, ohne es
wirklich konkretisieren zu können. Da ist etwas Besonderes, aber es ist nicht
möglich, zu sagen, was das Besondere eigentlich ist.
Und so könnte es auch Jesaja meinen. Es ist vielleicht so wie die Vorfreude eines
Kindes, das gespannt der Bescherung zum Christfest entgegenfiebert und aufmerksam
die Signale aufnimmt, die seitens der Eltern vielleicht bewusst, meist aber wohl
eher unbewusst ausgesendet werden. Das Kind versucht mitunter schon, raus zu
bekommen, was es wohl für Geschenke bekommen wird. Aber das allein verursacht
nicht die Freude, sondern auch das Besondere der Weihnachtsstube, der Baum, die
Kerzen, kurz, alles, was so außergewöhnlich ist und dieses Fest so besonders macht.
Und nun sendet Gott Signale aus durch den Propheten, die eine ähnliche, ungeheure
Vorfreude auslösen können.
Das war damals so, vor gut 2500 Jahren, und auch vor knapp 2000 Jahren, als sich
jenes Wunder ereignete, das die damalige Welt fast vollständig ignorierte, dann
aber doch nach und nach in der ganzen Welt bekannt gemacht wurde und das Leben
unzähliger Menschen veränderte.
Irgendwie haben sie alle etwas gespürt von dem Wunderbaren, das da in der Luft
liegt, von dem „Lieblichen“ der Füße der Freudenboten, die da verkündigten: „Siehe,
euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“
Und heute? Vorfreude auf das Christfest? Ich weiß nicht so recht. Der Brauch, einander
etwas zu schenken, ist in unserer Zeit eher zu einer Last geworden. Eltern können da
durchaus verzweifeln, wenn die Wünsche der Kinder nicht so bescheiden ausfallen, wie
man es eigentlich erhofft hatte. Was schenkt man als Ersatz, über den sich die Kinder
dann doch noch freuen? Oder wird man doch nachgeben und den eigentlich maßlosen Wunsch
erfüllen?
Wie kann man dem Partner oder der Partnerin eine Freude machen, ohne dabei ins
Fettnäpfchen zu treten?
Und was ist mit denen, die niemanden haben, der sie beschenkt? Oder die vielleicht
gar keinen anderen Wunsch haben als den, besucht zu werden – und dann doch allein
bleiben? Oder die nur gerne ein Dach über dem Kopf hätten, nachdem ein Unwetter
ihre Behausung zerstört hat? Oder die am Heiligen Abend nichts zu essen haben?
Worüber freuen wir uns eigentlich in dieser Zeit? Schenken wir uns vielleicht nur
darum etwas, damit wir Freude empfinden? Sind wir so weit von dem Wesentlichen
dieses Festes entfernt, dass wir das eigentliche, größte Geschenk gar nicht mehr
wirklich wahrnehmen können?
„Seid fröhlich und rühmt einander, ihr Trümmer Jerusalems“, ruft der Prophet
Jesaja aus. Ja, was haben denn die Trümmer Jerusalems zu jubeln oder zu rühmen?
Es liegt doch alles noch im Argen. Trümmer, so weit das Auge reicht. Nichts Schönes,
nichts Liebliches, nur der Hall der Füße, die da herbeigeeilt kommen, um es zu
verkünden: Gott kommt, er will wieder unter den Menschen wohnen.
Und plötzlich verfällt der Prophet in die Vergangenheit, es ist schon geschehen,
jetzt schon, obwohl noch alles in Trümmern liegt: „Der Herr hat sein Volk getröstet
und Jerusalem erlöst. Der Herr hat offenbart seinen heiligen Arm vor den Augen aller
Völker, dass aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.“ (Jes 52, 9f)
Ist es nicht so auch mit dem Christfest? Der Herr ist Mensch geworden, er hat seinen
heiligen Arm vor den Augen aller Völker offenbart! Und doch liegt noch alles eigentlich
in Trümmern, auch wenn unsere Häuser natürlich schön hergerichtet sind, die Mauern
fest stehen und die Dächer dicht sind.
Das Elend in der Welt bleibt genauso wie das Verlangen nach Wohlstand und materieller
Sicherheit, das im Grunde nur das Elend unserer Herzen überdecken soll. Nichts ist
vollkommen, alles liegt im Argen.
Rührt uns da die Botschaft nicht doch an, dass der Grund unserer Freude nicht darin
liegt, dass wir zum Christfest das eine oder andere Geschenk bekommen, sondern darin,
dass Gott auf dem Weg zu uns ist, dass er uns an diesem Tage wieder ein Stück näher
gekommen ist, und wir ihm entgegen?
Gott kommt, daran erinnern wir uns in diesen Tagen besonders, obwohl es eigentlich die
Botschaft ist, die unser ganzes Leben prägt. Das geschichtliche Ereignis der Geburt
Jesu ist da nur ein Aufhänger, an dem wir es fest machen: Gott gibt uns nicht auf, er
lässt uns nicht im Stich. Das hat er in Jesus Christus bewiesen, und darum dürfen wir
ihn voller Freude erwarten.
Es ist nur ein schwaches Signal, das wir da empfangen, denn immerhin ist es gute 2000
Jahre alt. Aber es genügt ja doch, um die Vorfreude in uns auszulösen, die weit über
das liebliche Weihnachten, das in vielen Häusern für eine ganz besondere Stimmung sorgt,
hinaus geht und unser ganzes Leben zu bestimmen vermag.
Gott kommt, und zwar heute, jetzt, er ist auf dem Weg, und unser Weg führt uns ihm
entgegen.
Das Christfest sagt uns, dass wir die Begegnung mit ihm nicht fürchten müssen, sondern
dass wir uns von ganzem Herzen auf Sein Kommen freuen können. Und so ist es gut, dass wir heute
auch wieder einen Vorgeschmack haben dürfen, indem wir gemeinsam Abendmahl feiern und
die Liebe Gottes durch Jesus Christus erfahrbar wird in Brot und Wein.
Möge Gott uns diese Tage in besonderer Weise segnen und uns deutlich spüren lassen, wie
nahe er uns ist.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16)
Weil Gott in tiefster Nacht erschienen (EG 56)
O dass doch bald dein Feuer brennte (EG 255)
Kommt her, des Königs Aufgebot (EG 259)
Licht, das in die Welt gekommen (KHW/HN-EG 593)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe IV - 1. Joh 3, 1-2(3-5)
Liebe Gemeinde!
Heute ist der Tag der Geburt des Herrn. Viel populärer ist zwar der Heilige Abend,
der Vorabend dieses Festes, aber die Stimmung, die gestern anhob, umfängt uns heute
und in den folgenden Tagen natürlich auch, vor allem in den Abendstunden, wenn die
Kerzen in der Stube angezündet werden.
Es ist endlich ruhiger geworden. Die Weihnachtslieder, die wir singen, strahlen
Freude und Dankbarkeit aus. Manche dieser Lieder sind schon durch ihre Melodie dazu
geeignet, unsere Herzen anzurühren.
Dies ist das Fest des Friedens, so haben viele bei einer Befragung durch unsere
Konfirmandinnen und Konfirmanden geantwortet, als sie nach der Bedeutung des Christfestes
für sie gefragt wurden.
Im Jahr 1914, im ersten Weltkrieg, kam es am Heiligabend und am Christfest an der
Westfront sogar zum Waffenstillstand. Diejenigen, die sich wenig später dann wieder
bekämpfen sollten, feierten miteinander dieses Fest des Friedens.
Merkwürdig ist das. Merkwürdig ist es, was dieses Fest in uns auslöst. Es ist eine
tiefe Sehnsucht nach dem, was noch nicht ist, aber zeichenhaft doch schon sichtbar
geworden ist durch das Kind in der Krippe, durch unseren Gott, der uns so sehr liebt,
dass er Mensch wurde.
Wir hoffen, dass einmal die Zeit kommen wird, wo alle es so empfinden, und dann nicht
nur am Heiligen Abend und am Christfest, sondern tagaus, tagein: der Friede, Gottes
Liebe spürbar unter uns.
"Wir sind schon Gottes Kinder", ruft uns Johannes zu, und er hat so Recht! Gerade das
erfahren wir in dieser Zeit ganz besonders: Wir gehören zu Gott, der dies alles möglich
macht. Wir sind geliebt.
Diese Botschaft des Christfestes weckt in uns die Sehnsucht nach Sicherheit, nach
Geborgenheit, nach Frieden. Denn wir wissen ja, dass es nur ein vorübergehender
Zustand ist. Der Alltag wird uns bald wieder haben. Die Kriege in der Welt, die
Hungersnöte, die Katastrophen, die das Elend der Menschheit an manchen Orten unserer
Erde offenbaren, der Streit mit dem Nachbarn oder auch in der Familie, die unüberwindlich
scheinenden Hindernisse auf dem eigenen Weg, die zerbrochenen Ehen, der Tod eines
lieben Menschen: All das wird uns wieder einholen, schneller, als wir es möchten.
Genau daran knüpft unser Predigttext an.
Johannes stellt die christliche Gemeinde, er stellt also uns der Welt gegenüber. "Die
Welt kennt uns nicht, weil sie den Vater nicht kennt", sagt er.
Für die Welt ist die Liebe Gottes unwichtig. Das Kind in der Krippe - es mag zwar zur
Weihnacht dazugehören, aber wichtiger ist wohl der geschmückte Baum in der Stube, ein
paar Kerzen, die Lichterketten draußen in den kahlen Sträuchern, die Lichter in den
Fenstern.
Mit anrührenden Filmen und entsprechender Musik von CD oder aus dem Radio bringt man
sich dann in Weihnachtsstimmung.
Aber was für eine Stimmung ist das? Das Fest der Familie, so haben viele auch gesagt,
und das ist sicher auch ein Aspekt: wenn die Kinder erwachsen sind und nicht mehr bei
den Eltern wohnen, dann ist der Heilige Abend meist der Ort, wo die Familie wieder
zusammenfindet: Großeltern, Eltern und Kinder zusammen, manchmal sogar noch Onkel und
Tanten, Neffen und Nichten, Cousinen und Cousins, die Großfamilie eben, die ansonsten
in unserer Zeit völlig in den Hintergrund getreten ist.
Die Alten werden an ihre Kindheit erinnert, an die freudige Erwartung, an das Staunen
über den Lichterglanz, denn sie sehen die Kinder heute, die sich genauso daran
erfreuen - oder nicht?
Manchmal verkommt das Christfest dann doch wohl eher zu einem Geschenkebasar.
Man freut sich dennoch an den Kindern, die ihre Freude über die Geschenke manchmal so
zum Ausdruck bringen, dass man darüber schmunzeln muss.
Fest der Familie - denn die Heilige Familie ist Sinnbild dafür, dass die Familie
zusammen gehört.
Die Welt kennt das Christfest - aber sie kennt den Vater nicht. Der Gottesdienstbesuch
an diesem Tag im Vergleich zu gestern mag ein Zeichen dafür sein.
Insgesamt waren gestern über ..... Menschen in dieser Kirche, heute sind es .......
Dabei ist das eigentliche Fest erst heute, das wir gebührend mit dem Heiligen Abendmahl
feiern.
Aber der Heiligabend hat sich längst etabliert, schon weil man da ja auch Bescherung
hat. Da gehört gerade mit kleineren Kindern der Gottesdienstbesuch mit dem Krippenspiel
dazu.
Die Botschaft dieser Nacht: sie versinkt zwischen sofort wieder nach dem Gottesdienst
zwischen all den Geschenken.
Das Fest der Liebe wird es genannt. Richtiger wäre wohl: das Fest der Liebe Gottes.
Das Fest der Familie wird es genannt. Richtiger wäre wohl: das Fest der Gemeinschaft mit
Gott, dass wir seine Kinder sind.
Wir stehen vor der Krippe und staunen über das Wunder der Menschwerdung Gottes. Gott wird
Mensch - das ist der eine Weg, das ist die Offenbarung der unverbrüchlichen Liebe Gottes
zu uns.
Johannes schreibt von dem anderen Weg: wir werden Gott gleich sein, weil wir ihn sehen
werden, wie er ist. Wir werden Gott. Kann das sein?
Wenn wir konsequent die erste Aussage des Johannes weiterdenken, dann schon. Denn wenn
wir Gottes Kinder sind, dann erben wir zwangsläufig auch seine Eigenschaften.
Johannes begründet seine Aussage aber nicht damit, sondern allein mit dem Umstand, dass
wir Gott sehen werden, wie er ist.
Und wie ist er? Darüber schweigt sich Johannes im Rahmen unseres Predigttextes aus,
natürlich, denn noch können wir Gott auf diese Weise nicht sehen. Aber wir ahnen es
schon, und Johannes formuliert es dann ja auch wenig später: Gott ist die Liebe.
Und das ist es also, was wir auch werden. Das ist gewissermaßen das Erbgut, das in uns
reift und zur Vollkommenheit gelangen soll.
Denn um nichts anderes geht es dem Johannes: die Liebe, die alles durchdringt, jeden
Gedanken, jeden Handgriff, jedes Planen und Hoffen, jedes einzelne Wort, das wir sprechen.
"Ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist."
Wohl kaum könnten wir so rein sein, wenn nicht - und hier ist es schon wieder - durch das
Kind in der Krippe.
Jesus von Nazareth, in Bethlehem geboren, "hat versöhnt des Vaters Zorn", heißt es im
Quempas. Er hat alle Schuld von uns gewaschen. Darauf dürfen wir vertrauen, darauf dürfen
wir unser Leben aufbauen. Aber nicht so, als sei es unsere eigene Errungenschaft, sondern
so, als sei es ein unverdientes Geschenk, das wir gerne weitergeben, ohne es dabei zu
verlieren.
Denn wer Liebe weitergibt, wird feststellen, dass sie sich vermehrt. Hass kann gegen die
Liebe nicht bestehen. Es ist wie das Licht einer Kerze: wenn man es weitergibt, wird es
mehr und nicht weniger. Was anfangs nur ein sanfter Schimmer war, wird zum strahlenden
Licht.
Und so mögen wir das Wort des Johannes verstehen: noch ist nicht offenbar geworden, was
wir sein werden. Aber wenn es offenbar wird, dann werden wir Gott gleich sein: reine,
unverbrüchliche, ja, unüberwindliche, aber alles überwindende Liebe.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Des sollt ihr alle fröhlich sein (EG 25, 3-6)
Lobt Gott, ihr Christen alle gleich (EG 27)
Jauchzet, ihr Himmel (EG 41)
Zurück zum Anfang
Predigtvorschläge zu Reihe V - Kol 2, 3(4-5)6-10
Liebe Gemeinde!
Waren Sie schon mal auf einer Schatzsuche?
Ich war's jedenfalls nicht. Aber ich erinnere mich an den Film „Die Schatzinsel“ -
das Buch habe ich vermutlich auch mal als Kind gelesen, aber der Film hat sich mir
dann doch wesentlich tiefer eingeprägt.
Und ich habe aus diesem Film gelernt, dass eine Schatzsuche etwas ungeheuer
Gefährliches ist.
Zum einen ist die Chance, überhaupt den Schatz zu finden, sehr gering, und der
Weg dahin ist sowieso ausgesprochen beschwerlich und mitunter lebensbedrohlich.
Zum andern muss man damit rechnen, dass man wegen des Schatzes getötet wird, denn
wenn einer erst einmal begriffen hat, wie viel der gefundene Schatz wert ist,
will er natürlich alles haben und duldet keine Teilhaber mehr.
Mit der Zeit lernt man natürlich, solche Eindrücke aus der Kindheit zu relativieren.
Der Inhalt des Buches „Die Schatzinsel“ spielt in vergangenen Zeiten, sie ist
Fiktion, und heute gibt es das, was darin geschildert wird, sicher nicht mehr.
Piraten gibt es zwar, die haben es aber nicht auf Schätze abgesehen, sondern auf
Frachtschiffe, deren Fracht sie dann verkaufen wollen.
Aber so ganz ist die Schatzsucherei dann doch nicht vorbei. Es gibt Menschen, die
jagen immer noch sagenhaften Schätzen nach: sie machen sich auf und suchen nach
versunkenen Schiffen, die mitunter tatsächlich eine Menge wertvoller Sachen verbergen,
manchmal auch Gold. Sie hoffen auf das große Glück, so wie es Woche für Woche
Abermillionen Menschen beim Lottospiel tun.
Ganz so schwer und aufwendig und so aussichtslos ist es allerdings nicht, den Schatz
zu finden, von dem Paulus in unserem Predigttext schreibt. Wir können ihn eigentlich
ganz einfach bergen: es bedarf nur der Hinwendung zu Jesus Christus. Denn in ihm, so
sagt Paulus, liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.
Sicher wird der eine oder die andere fragen, was an Weisheit und Erkenntnis denn so
Wertvolles ist. Man kann sich jedenfalls nichts davon kaufen, das ist sicher, es sei
denn, man ist Unternehmensberater und vergoldet auf diese Weise seine Weisheit.
Aber da fängt es ja schon an: wenn solch ein Mensch Weisheit und Erkenntnis hätte,
dann würde er wohl alles tun, um noch mehr von diesem Schatz zu bergen, denn er
wüsste: nichts ist besser, als Weisheit und Erkenntnis zu haben. Und er täte das
nicht, um diese Eigenschaften irgendwie zu vergolden, sondern er täte es, weil ihm
dadurch die Möglichkeit gegeben würde, den Sinn seines eigenen Lebens - und der
Menschheit schlechthin - besser zu verstehen.
Wenn nun aber in der Bibel von Weisheit und Erkenntnis die Rede ist, dann ist damit
nicht zwangsläufig jene Weisheit gemeint, die oft älteren Menschen eigen ist und auch
unter dem Oberbegriff „Lebenserfahrung“ zusammengefasst werden könnte. Es ist auch
nicht die Erkenntnis gemeint, die sich die Wissenschaftler erworben haben und erwerben.
Solche Weisheit und Erkenntnis sind in der Regel gut nachvollziehbar, man weiß, woher
sie ihren Ursprung haben. Man kann sie dann z.B. in Büchern verbreiten und auf diese
Weise allen Menschen zugänglich machen. Oder man kann sie in der Begegnung mit solchen
Menschen aufnehmen und sich zu eigen machen.
In der Bibel geht es aber um eine Form von Weisheit und Erkenntnis, die sich nicht so
einfach erwerben lässt. Es geht vielmehr um die Erkenntnis Gottes, und die Weisheit
ist nichts anderes als ein Ableger ebendieser Erkenntnis.
Wer Gott erkannt hat, der ist weise, weil er sein Leben nicht nach seinem eigenen
Verlangen, sondern nach dem Willen Gottes gestaltet.
Darum kann Paulus Weisheit und Erkenntnis als Schätze bezeichnen, weil sie die eigene
Existenz erhellen.
Die Quelle, woher wir diese Weisheit und Erkenntnis beziehen können, ist Jesus Christus
selbst. Und indem Paulus das sagt, beginnt er eine Reihe von Mahnungen, die alle im
Grunde auf das gleiche hinauslaufen: „Lebt in Christus!“, ruft er uns zu.
Denn es gibt viele Menschen, die es besser zu wissen meinen, die versuchen, uns von
ihren eigenen Ansichten zu überzeugen. Und ich vermute mal, dass Paulus damit nicht
nur jene meint, die nicht an Christus glauben, sondern auch solche, die sich selbst
als Christen bezeichnen und nur der Meinung sind, dass mein Glaube falsch sei.
Paulus hat viele Briefe geschrieben und sich lange in den Gemeinden aufgehalten, um
ihnen deutlich zu machen, worum es beim christlichen Glauben geht.
Der Kern christlichen Glaubens ist, dass wir durch Christus befreit sind von der
Macht des Todes und der Sünde. Und darum bemüht er sich immer wieder, den Tendenzen,
neue Bindungen zu schaffen, zu wehren.
Denn weil wir durch das Kreuz Jesu Christi frei geworden sind, Gottes Kinder zu
heißen, und es auch sind, darum darf es nichts geben, das uns hier binden will.
Und so ermutigt uns Paulus, selbständig unseren Weg als Christenmenschen zu gehen,
im Vertrauen darauf, dass Christus uns den rechten Weg weist. Dabei kann natürlich
der Rat anderer hilfreich sein, und die Gemeinschaft der Heiligen, zu der wir ja
gehören, ist der Rahmen, in dem wir uns ohne Schaden bewegen können. Das alles
sollten wir nicht achtlos wegwischen, denn christlicher Glaube gründet sich ja in
der Gemeinschaft. Aber das Hören auf Christus, das ist jedem selbst aufgegeben, auch
wenn es nicht immer einfach ist.
So kommen wir von dem oberflächlich betrachtet ganz unweihnachtlichen Text doch noch
zu dem Ereignis, das vor gut 2000 Jahren geschah und an das wir in dieser Nacht erinnern:
Die Geburt Jesu.
Dieses Kind in der Krippe hat die Welt verändert. Es hat uns zu Gottes Kindern gemacht,
die durch keine Fesseln gebunden werden können, sondern die frei sind von allen Mächten
dieser Welt.
Manche haben das damals so wörtlich genommen, dass sie alle gesellschaftlichen Konventionen
der damaligen Welt zurückließen und nur noch nach dem Lustprinzip lebten. So etwa nach
dem Motto: alles ist erlaubt, was mir Spaß macht.
Aber so ist es nicht gemeint. Paulus spricht die Kolosser auf ihre Lebensweise an und
sagt: Ich „freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe.“
Ohne Ordnung geht es auch dann nicht, wenn wir Gottes Kinder sind – denn wir sind ja
nicht alle Einzelkinder, sondern wir gehören zu einer sehr großen Familie. Und deswegen
müssen wir schon um der anderen willen bereit sein, hier und da Rücksicht zu nehmen und
nicht nach Lust und Laune zu leben.
Aber wir tun das dann aus freien Stücken, weil wir erkennen, dass dem anderen Menschen
die gleiche Liebe Gottes gilt wie mir selbst.
„Lebt in Christus!“ - Damit meint Paulus durchaus auch, dass wir uns etwas von dem, was
wir in dieser Nacht spüren, auch im nächsten Jahr noch bewahren sollen. Denn das Heilige
der Christnacht, es ist nicht auf diesen einen Tag des Jahres beschränkt. Es durchdringt
das Leben eines jeden Christenmenschen, es heiligt uns, und es verpflichtet uns.
Und darum meint Paulus mit dieser Aufforderung, in Christus zu leben, auch, dass wir uns
um Frieden mit unseren Mitmenschen bemühen, sei es nun der kleine Streit mit dem Nachbarn
oder die Polemik gegen ganze Völkergruppen. Ihnen allen gilt die Liebe Gottes, und das
sollten wir in unserem Leben, Handeln, Reden und Denken auch deutlich machen.
Diese Heilige Nacht ist kein Fest der Erinnerung an ein längst vergangenes Ereignis. Es
ist die Erinnerung an die Liebe Gottes, die so überwältigend ist, dass wir nicht anders
können als allen Menschen mit der gleichen überwältigenden Liebe zu begegnen.
So lasst uns dankbar das Geschenk annehmen, das uns Gott durch seinen Sohn gemacht hat,
und der Welt die frohe Botschaft verkünden: Euch ist heute der Heiland geboren!
Amen.
oder
Liebe Gemeinde!
Stille Nacht, heilige Nacht – geheiligt durch das Ereignis, das diese Welt veränderte: die
Geburt Jesu. Doch während ich noch diesen Satz formuliere, frage ich mich: wie sehen das
eigentlich die Menschen, die nicht an Jesus Christus glauben? Sicher können sie diesen
Satz nicht nachvollziehen, aber was noch bedrückender ist: sie hätten unzählige Beweise,
die ihre Behauptung unterstützen würde: nichts hat sich verändert!
So wie vor der Geburt Christi, hat es auch danach immer wieder Kriege gegeben mit immer
zerstörerischer Kraft. Die Kreuzzüge sind das bedrückendste Beispiel missverstandenen
Evangeliums.
Heute sind wir soweit von einem friedlichen Miteinander entfernt wie vor 2000 Jahren.
Zwar fallen die europäischen Grenzen, aber damit kommt Angst vor wachsender Kriminalität
aus den noch fremden Ländern.
Soldaten aus der ganzen Welt, auch aus unserem Land, sind an sogenannten „Friedensmissionen“
in verschiedenen Ländern beteiligt und begeben sich damit in Lebensgefahr. Früher gab es
um Weihnachten herum wenigstens Waffenstillstand. Die heutige Kriegsführung macht auch
vor solchen religiösen Gefühlen keinen Halt mehr.
Laut einer gerade veröffentlichten Studie, die das Innenministerium in Auftrag gegeben
hat, müssen wir große Angst haben vor den islamischen Fundamentalisten.
Es hört also nicht auf, oder: nichts hat sich verändert. Die Welt, wir Menschen, werden
von Angst und Misstrauen beherrscht. Da hat die Geburt des Heilands überhaupt keine
Bedeutung.
Stille Nacht, heilige Nacht: Wer so tut, als ob wir in einer heilen Welt lebten, und
sei es auch nur für diese eine Nacht, der macht sich selbst etwas vor.
Aber warum ist das so? Warum hat das Wunder der Heiligen Nacht nichts in dieser Welt
verändert?
Die Worte des Paulus aus dem Kolosserbrief sind eine Antwort darauf. Im Grunde sind es
die wenigen Worte des Anfangs:
In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
In Christus!
Nicht in George W. Bush, auch nicht in Angelika Merkel, ebensowenig in Herrn Struck liegen
die Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen, und natürlich auch nicht in den
sogenannten 5 Wirtschaftsweisen. Denn alle diese Personen oder Personengruppen schauen
auf unsere Welt mit einer Brille, die ganz bestimmte Sichtweisen zulässt, daneben aber
keine anderen Sichtweisen duldet.
Und davor warnt Paulus. In Christus liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis,
hält er gegen diejenigen, die behaupten, sie wüssten, was das Beste wäre. Denn Menschen
kann es nicht gelingen, alles Wissen in sich zu vereinen. Sie sehen immer nur einen
Ausschnitt, der dazu noch ziemlich klein sein kann.
Verheerende Folgen sind z.B. der Nord-Süd-Konflikt, der den Ost-West-Konflikt mehr oder
weniger abgelöst hat, und die rapide zunehmende Umweltbelastung, die mittlerweile durch
starke Veränderungen des Klimas sichtbar wird.
Paulus hat gut Reden, kann man nun einwenden. Für ihn ist Jesus noch eine fast greifbare
Realität. Es gibt Menschen, die ihn leibhaftig gesehen haben, die von ihm erzählen. Da
ist ein Bild, das lebensnah ist.
Hingegen haben wir Bilder, die teilweise doch recht verklärt sind. Die Idylle des Stalls
etwa gehört dazu. Wir haben nur diesen einen Bericht aus dem Lukasevangelium, aber der
füllt die Kirchen jedes Jahr auf's Neue mit fünfundzwanzig mal mehr Menschen als an
den übrigen Sonntagen im Kirchenjahr. Dabei haben wir diese Idylle ja erst über die
Jahrhunderte zusammen gezimmert. Wie es in Wahrheit aussah, weiß niemand so genau.
Und darauf kommt es auch nicht an. Paulus ermutigt uns nur zu dem einen: fest im
Glauben an Jesus Christus zu bleiben und nicht zuzulassen, dass andere mit ihren
Erkenntnissen wegnehmen, was wir durch den Glauben gewonnen haben.
Und das ist eben nicht dies, dass Jesus in einem Stall geboren wurde, sondern dass
er am Kreuz gestorben und nach drei Tagen wieder auferstanden ist. Es ist die
Botschaft, dass wir teilhaben dürfen an der Herrlichkeit Gottes, dass dem Tod
die Macht genommen ist.
Dazu kann freilich auch dies andere hinzukommen, woran wir heute denken: dass Gott
Mensch wurde, dass er dabei auf allen Prunk und Herrlichkeit verzichtete, ja, es
sogar verachtete. Dass er sich denen zuwandte, die ihn am nötigsten hatten, und
nicht denen, die auch gut ohne ihn auskommen.
Aber das ist eben nicht alles. Lasst Christus eure Mitte sein. Denn in ihm allein
liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen.
Und da kommen wir noch zu einer letzten Frage: Was sind diese Schätze der Weisheit
und der Erkenntnis?
Es gibt wohl verschiedene Arten von Weisheit, und jede Religion kennt ihre eigene
Weisheit, die sich mehr oder minder voneinander unterscheiden. Ich würde die Weisheit
christlichen Glaubens gerne so beschreiben:
sich ganz auf Gott einzulassen und darauf zu vertrauen, dass er nicht von unserer
Seite weicht, dass er bereit ist, uns aufzufangen, wenn wir fallen, und uns zu
stärken, wenn wir schwach werden. Das ist Glaube, und genau darum geht es. Wir
müssen dafür nichts in Stein meißeln, im Gegenteil. Gott ist lebendig, kein Relikt
aus längst vergangenen Zeiten. Er tritt in unsere Mitte, wann immer zwei oder drei
sich in seinem Namen versammeln.
Christliche Erkenntnis lässt sich so auf ganz ähnliche Weise zusammenfassen: dass
nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, weder Mächte noch Gewalten, weder
Hohes noch Tiefes, Weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges.
Und darum dürfte es auch nicht schwer fallen, den Meinungen von Politikern oder
Wirtschaftsweisen oder wem auch immer zu widerstehen und an deren Stelle dies eine
zu stellen, was uns durch Jesus Christus geschenkt wurde: die Liebe Gottes.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23 - Wochenlied!)
Wunderbarer Gnadenthron (EG 38)
Jauchzet, ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel (EG 41)
Such, wer da will, ein ander Ziel (EG 346)
Zurück zum Anfang