das Kirchenjahr

Aschermittwoch

Der Weg zum Kreuz

Predigtanregungen

Der Name dieses Tages entstand dadurch, dass sich die Menschen zum Zeichen der Buße Asche auf ihre Häupter streuten. In der römischen Kirche werden die Gemeindeglieder auch heute noch mit dem Aschekreuz gezeichnet. Asche erinnert an die Vergänglichkeit alles Irdischen. Öffentliche Büßer wurden früher in der gallischen Kirche am Aschermittwoch aus der Kirche vertrieben (Vertreibung aus dem Paradies) und wurden durch ein Büßergewand und Asche deutlich kenntlich gemacht.
In der protestantischen Kirche wird Asche nicht verwendet, weil zu dem Zeitpunkt der Reformation alle Handlungen zum Aschermittwoch und in der Fastenzeit derart materialisiert worden waren, dass darin kein geistlicher Gehalt mehr zu erkennen war. Darum wandte sich die Reformation zunächst ganz von der gottesdienstlichen und rituellen Begehung des Aschermittwoch ab. Inzwischen hat man erkannt, dass eine Fastenzeit durchaus auch evangelisch sein kann. Gott ermahnt uns zu einem Fasten, das die Not der Armen und Unterdrückten lindert und das Gerechtigkeit und Frieden hervorbringt bzw. fördert. Es ist also durchaus nicht das leibliche Fasten damit gemeint (s. auch die Ausführungen zur Fastenzeit). Auf dieser Ebene ist es aber möglich, den Aschermittwoch wieder ernster zu nehmen und diesen Feiertag auch in protestantischen Kirchen gottesdienstlich zu begehen. Welche Riten dabei wieder aufgenommen werden können, ergibt sich aus dem Schwerpunkt des Gottesdienstes.
Der Aschermittwoch führt das Thema des Sonntags Estomihi fort. Allerdings wird hier jetzt zu Beginn der Fastenzeit das Evangelium aus der Bergpredigt zum Fasten gewählt, d.h. also der Einstieg in die Fastenzeit wird hiermit vollzogen. Der Schwerpunkt liegt auf der „rechten Frömmigkeit”, d.h. auf dem, was Gott von uns will.

Zu den Perikopen

  • I: Joel 2, 12-19

    Joel kündigt das Gericht Gottes an, das bevorsteht, ja schon geschehen ist (es gibt einige Anzeichen darauf, dass er Bezug nimmt auf den überfall durch die Babylonier und das babylonische Exil). Es findet kein Gottesdienst mehr statt im Tempel, alle Freude ist fortgenommen. Jedoch wendet sich das Blatt, und am Ende werden nur die Heiden gerichtet, Israel wird aber das Heil zugesprochen. In der Mitte steht dieser Text, der zum Fasten aufruft „auch jetzt noch”, denn der Herr ist „gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es gereut ihn bald der Strafe” (Vers 13b).
    Die Wahl dieses Textes zum Aschermittwoch ist eigentlich recht unglücklich, da der Text für eine christliche Auslegung die Identifizierung des Volkes Israel als das der Christen erfordert - anders macht es kaum einen Sinn. Dies ist aber falsch. Denn wenn in diesem Text von „Heiden” gesprochen wird, so muss man sich zunächst einmal bewußt sein, dass wir diese Heiden sind. Es gibt gewiß andere alttestamentliche Texte, die sinnvoll zum Thema eingesetzt werden könnten.
    Man kann den Zwang zur Reinterpretation ohne Rücksicht auf den Kontext vielleicht dennoch umgehen, indem man nicht die offensichtliche Verbindung zwischen Aschermittwoch und dem Aufruf zum Fasten, sondern die nachfolgende Zusage vom gnädigen und barmherzigen Gott in den Vordergrund rückt. Das würde auch die recht peinliche und unevangelische Kausaltheologie dieses Textes (wenn nur ordentlich gefastet wird, dann wird uns Gott auch belohnen) aus dem Mittelpunkt hinausrücken.
    Sieht man diesen Text ohne den kirchenjahreszeitlichen Bezug, dürfte es also nicht allzu schwierig sein, eine brauchbare Predigt von der Gnade und Güte Gottes zu erstellen. Nun ist aber der kirchenjahreszeitliche Bezug da, und mit ihm das Dilemma eines unevangelischen Skopus.
    Wie kann man diesen Text nun evangelisch „werden lassen”? Was treibt Christus in diesem Text? Im Aufruf zum Fasten wird auch das Fasten selbst etwas näher beschrieben: „Zerreißet eure Herzen und nicht eure Kleider und bekehret euch zu dem Herrn, eurem Gott!” (Vers 13a) Es geht also um das rechte Fasten, zumindest in diesem kurzen Satz. Das äußerliche Fasten trägt nicht viel aus, auch wenn dazu unmittelbar zuvor aufgerufen wird. Die innere Haltung ist entscheidend, und nur durch sie kann es auch zu „Gotteserfahrungen” kommen. Gewiß kann es solche Gotteserfahrungen auch ohne jede Vorbereitung geben, aber meist überhören und übersehen wir Gott dann, denn wir haben unsere inneren Sinne nicht auf die Möglichkeit der Gottesbegegnung und Gotteserfahrung vorbereitet. So kann die Predigt eine Anleitung zum rechten Fasten werden, nicht ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass Gott das Fasten, welcher Art auch immer, nicht zur Bedingung macht für sein Handeln. Es ist unsere Möglichkeit, uns empfänglicher zu machen für Gottes Handeln in unserem Leben, unsere Sinne sensibler zu machen für den Gott, der für unsere Sünden sich selbst hingab.
    Kirchenjahreszeitliche Einordnung: Auf den kirchenjahreszeitlichen Bezug wurde schon zuvor hingewiesen. Die Verbindung zum Kirchenjahr soll über das Fasten hergestellt werden. Dass dies den Text vollständig aus seinem Kontext herausreißt, wurde ebenfalls schon gesagt und muss in der Predigtvorbereitung bedacht werden.

  • II: Mt 9, 14-17

    folgt später

  • III: Ps 51, 1-14(15-21)

    Grundsätzlich halte ich nicht viel davon, über Psalmen zu predigen, denn Psalmen sind Gebete, die keiner Auslegung bedürfen. Wenn man nun einen Psalm als Predigttext vorgelegt bekommen hat, sollte man sich dessen immer bewusst bleiben. Besonders schwierig finde ich es, über den Psalm, der zu Beginn des Gottesdienstes als Introitus von der ganzen Gemeinde gebetet wurde, nun in der Predigt zu betrachten.
    Andererseits ist es natürlich gelegnetlich hilfreich, wenn man einen Psalm näher betrachten kann, damit er verständlicher wird. Denn oftmals sind Psalmen heute nicht mehr so zugänglich wie zu der Zeit, als sie geschrieben wurden.
    Nun hat man wohl bewusst die ersten beiden Verse, die nur eine Einleitung sind, in die Perikope aufgenommen, um den geschichtlichen Zusammenhang zu verdeutlichen. Der Psalm nimmt offensichtlich Bezug auf 2. Sam 11f. Es ist ein Schandfleck in der Biographie des großen Königs, der folgerichtig im Buch der Chronik schon getilgt wurde. Doch David steht zu seiner Schuld, und darum wird ihm auch vergeben.
    Dabei ist wichtig, was auch im Psalm zum Ausdruck kommt: Die Vergebung kommt alleine von Gott. Der Sünder kann noch so viel Gutes tun, doch wird dies nichts zur Sündenvergebung beitragen. Nur Gott kann reinwaschen. Er tut dies aber, und das wird eben schon hier deutlich, nicht, indem er frühere Guttaten aufrechnet, sondern allein aus seiner unergründlichen Gnade.
    Dass der zweite Teil des Psalms in Klammern gesetzt wird, muss nicht sein. Denn in diesem Teil wird erkennbar, dass der Vergebung Taten des Dankes folgen. Für David ist dies die Verkündigung der Weisungen Gottes. Natürlich begibt er sich dann in eine schwierige Situation, da er selbst ja Sünder ist und sich als solcher erkannt hat. Aber vor diesem Verkündigen steht ja die Vergebung Gottes, und danach haben wir die Freiheit, anderen Menschen von dieser vergebenden Liebe Gottes zu erzählen, auch oder besser: besonders wenn wir uns selbst als Sünder erkennen bzw. erkannt haben.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird offensichtlich dadurch, dass dieser Psalm auch als Gebet der Gemeinde in der Liturgie des Bußgottesdienstes vorgesehen ist. Dieser Umstand kann die Predigt aber auch erheblich erschweren. Denn wenn die Gemeinde diesen Bußpsalm betet, tritt sie damit vor Gott. Jedes einzelne Gemeindeglied trägt seine Sünde im Ineren Gott vor und macht den Psalm auf diese Weise zu seinem ureigenen Bekenntnis der Schuld, die es bewegt und belastet. Die Predigt muss darum behutsam mit dem Psalm umgehen und darf ihm diese Funktion nicht nehmen, indem er auf historische Fakten reduziert wird. Vielmehr sollte sich der/die Prediger/in bemühen, den Zugang durch die eigene Betroffenheit zu finden, so wie sich die Gemeindeglieder schon zuvor ihren Zugang zu dem Psalm verschafft haben, indem sie ihn sich als eigenes Schuldbekenntnis aneigneten.

  • IV: Ex 32, 1-6.15-20

    Diese Geschichte vom goldenen Kalb ist natürlich sehr bekannt, aber sie enthält interessante Details, auf die man oft weniger achtet.
    Es ist klar, dass die Geduld des Volkes irgendwann einmal am Ende ist. Mose ist verschwunden, der Berg, auf dem er verschwand, in Wolken gehüllt - er musste ja tot sein, denn er hatte nichts . oder nur sehr wenig - zu essen mitgenommen. Offenbar besteht aber ein sehr starkes Bedürfnis nach einem Gott, und dieses Bedürfnis macht sich immer deutlicher bemerkbar, denn der Gott, den Mose ihnen immer wieder verkündigt hatte, lässt sich ja nicht blicken! Also muss ein sichtbarer Gott her, und wer könnte dafür besser sorgen als der Priester Aaron. Nun ist bemerkenswert, dass sich Aaron noch nicht eimal ein zweites Mal bitten lässt, bevor er den Wunsch des Volkes erfüllt, sondern sogleich Anweisungen gibt, was geschehen soll, um das Götterbild zu erschaffen. Ist das nun ein Priester, wie ihn sich Gott wünscht? Es sieht eher so aus, als ob Aaron sein Fähnchen nach dem Wind dreht, obwohl er es ja gar nicht mal bräuchte.
    Das Volk reißt also die Ohrringe und anderen Schmuck ab - ob es sich hierbei um einen bewusst schmerzhaften, Blut vergießenden Vorgang handelt, ist unklar, denn die Ohrringe müssen durchaus nicht mittels Löchern in den Ohrläppchen befestigt gewesen sein. Es ist aber möglich und soll hier wohl so sein, denn der Schmerz, den sich die Menschen zufügen, um ihrem neuen Gott dienstbar zu sein, erfordert ja auch eine versöhnende Geste des Gottes - die Kausaltheologie ist wieder da: Gott handelt nach meinen Taten.
    Wichtig ist nun, dass das Götterbild den Namen „Jahwe” trägt und offenbar selbst die Heilstat vollbracht, nämlich das Volk Israel aus ägypten geführt hat. Dass so ohne Weiteres dieses offenbar wesentliche Merkmal des Handelns Gottes auf das goldene Kalb übertragen wird, ist vermutlich daraus zu erklären, dass das Volk Israel immer davon ausgegangen ist, dass Gott auch sichtbar (und fühlbar) sein muss - sonst könnte er ja gar nicht handeln. Gewissermaßen haben sie wohl erwartet, dass Moses auf seinen Armen ein Bild Gottes zu ihnen bringt.
    Nun hatten sie jedenfalls einen Gott, dem man Opfer darbringen konnte, was sie dann auch gleich taten. Vieles von dem, was sie aus ägypten mitgenommen hatten, war nun schon für diesen Gott draufgegangen. Man hat viel investiert - das verbindet.
    übersprungen wird in unserer Perikope der Abschnitt, in dem Gott selbst Moses zurückschickt, weil er die Untreue des Volkes Israel bemerkt hat und es vernichten will, aber auf Bitten Moses hin sich gnädig stimmen lässt. Eigentlich ist dieser Abschnitt schon bemerkenswert, und er würde auch einiges austragen in Bezug auf den Aschermittwoch.
    Doch es geht weiter mit der Rückkehr des Mose, und merkwürdigerweise taucht hier aus dem Nichts Josua auf, der zuvor nicht mit Mose auf den Berg gestiegen war. Aber seine Rolle ist nicht von Bedeutung, er äußert nur die Vermutung, dass ein Kampf im Gange ist, während Mose richtig erkennt, dass es sich hier nicht um Kampfgeschrei, sondern um Rufe beim Tanzen handelt. Das goldene Kalb wird schließlich zermahlen und und den Israeliten in Wasser aufgelöst zum Trinken gegeben. Die tiefere Bedeutung dieses Handelns lässt sich nicht erschließen, aber es ist möglich, dass hier einfach zum Ausdruck gebracht werden soll, dass dieses Götterbild völlig machtlos ist, denn es wird von seinen Machern verzehrt. Auf der anderen Seite kann es ein Versuch sein, das Material, aus dem das Bild gemacht ist, völlig zu vernichten, denn sicher wird niemand versuchen, das fein zerriebene Gold aus den Exkrementen zu waschen - schon gar nicht in der Wüste. So wäre das Volk der Möglichkeit beraubt, ein neues Götterbild zu machen.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wäre leichter nachvollziehbar, wären die Verse 7-14 Bestandteil des Predigttextes. So bleiben wir stehen bei der Feststellung, dass sich das Volk Israel ein Götterbild machte und dafür bestraft wird - eine Kausaltheologie, die wir seit dem Kommen Jesu nicht mehr nachvollziehen können, und die eigentlich auch hier nur durch die Verkürzung um das Gnadenhandeln Gottes so erscheint. Denn Mose bestraft das Volk, und nicht Gott. Wir werden nun mit der Frage konfrontiert, wo wir goldene Kälber errichten, und es bedarf keiner großen Mühe, diese Kälber zu finden. Die Frage ist, wie wir damit umgehen. Und es könnte durchaus sinnvoll sein, die Verse 7-15 doch in die Predigt mit einzuschließen, um deutlich zu machen, dass Gott bereit ist, uns unseren Mangel an Vertrauen zu vergeben.

  • V: Mt 6, 16-21

    Im protestantischen Bereich gibt es seit vielen Jahren die Aktion „Sieben Wochen ohne”, die gewissermaßen die Praxis des Fastens in der Fastenzeit für die protestantischen Christen wiederbeleben will. Dabei hat diese Aktion einen ganz entscheidenden Fehler: Fast immer ist der Gegenstand, auf den zu verzichten vorgeschlagen wird, eine Gewohnheit oder Eigenschaft, auf die man eigentlich sein ganzes Leben lang verzichten sollte (Geiz, Zaudern, Scheu, Ausreden, falscher Ehrgeiz, falsche Gewissheiten, Runtermachen, Lügen, Stillstand usw.). So schön die angebotenen Materialien sind und wie hilfreich die Angebote sein mögen, in ihnen allen steckt ein gravierender Fehler: sie erwecken den Eindruck, als könne man nach Ostern mit diesen negativen Eigenschaften weitermachen. Dabei ist der Verzicht darauf eigentlich eine lebenslange Übung und für die Persönlichkeitsentwicklung durchaus hilfreich.
    Das Fasten, von dem die Bibel redet, meint hingegen den Verzicht auf etwas, das für das Leben eigentlich essentiell ist. Der Verzicht auf Nahrung steht dabei im Vordergrund, und wer dies schon mal geübt hat, wird nach einiger Zeit erfahren, dass man tatsächlich freier wird und sich das Herz für die Begegnung mit Gott öffnet. Und das ist das eigentliche Ziel des Fastens: dass wir frei werden, um Gott zu begegnen. Das Fasten Jesu in der Wüste macht dies in besonderer Weise deutlich.
    In unserem Predigttext blickt Jesus nun auf die Praxis seiner Zeit. Viele Menschen brüsteten sich mit ihrem Fasten, sie sorgten dafür, dass man es ihnen ansah. Entsprechende Kleidung und Körperhaltung, möglichst häufig eine Präsentation in der Öffentlichkeit: so verbesserte man sein Ansehen in der übrigen Bevölkerung. Aber, das wissen wir schon durch den Propheten Jesaja, ist ein Fasten, das nur dem Polieren des eigenen Egos dient, ein Greuel in den Augen Gottes. Nun bietet Jesus aber keine Alternative, so wie es Jesaja tut - zumindest nicht ausdrücklich. Daraus kann man folgern, dass Jesus wenigstens indirekt die Praxis des Fastens durchaus bejaht. Seine praktischen Hinweise sind schlicht, aber klar: Niemand soll wissen, dass du fastest. Gott sieht ins Herz, er weiß, wie es um dich steht, und nur darauf kommt es an. Was andere über dich sagen und denken, spielt keine Rolle.
    Schließlich verbindet er das Fasten mit dem Sammeln von Schätzen. Um den einleitenden Gedanken noch einmal auf zu nehmen, wäre ein solcher Schatz die Erfahrung der Gottesnähe, die wir eben nicht in der Öffentlichkeit machen, sondern im Verborgenen. Natürlich kann das Fasten auch im Verzicht auf einen gewissen Wohlstand darstellen, indem man von seinem Besitz wenigstens einen Teil an die Armen abgibt (bei uns wird das am einfachsten und sicher auch am zuverlässigsten durch Spenden an eine bekannte Hilfsorganisation geschehen). Auch dadurch sammelt man sich Schätze im Himmel. Aber wohlgemerkt, es bleibt im Verborgenen. Wer erwartet, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, der hat nichts davon - außer vielleicht einem Achtungserfolg.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist eindeutig. Mit dem Beginn der Fastenzeit sollte man sich auch mit Texten beschäftigen, die darauf eingehen.

  • VI: 2. Petr 1, 2-11

    folgt später

  • Marginaltexte: Dan 5 i.A.
    Mt 7, 21-23
    2. Kor 7, 8-10(11-13a)
    Eph 4, 17-24

    Zu Mt 7, 21-23:
    Dieser Abschnitt der Bergpredigt, der zum Abschluss, der das Handeln nach den Worten Jesu fordert, gehört, wirft eine wichtige Frage auf: was ist der Wille Gottes? Zweifellos bezieht sich Jesus auf das Vorher gesagte, d.h. das Ganze der Bergpredigt. Der Anspruch, der in diesen Worten gestellt wird, ist aber keineswegs realistisch; es ist z.B. einem Menschen unmöglich, jeglichen bösen Gedanken abzulegen; die Feindesliebe lässt sich nur schwer praktizieren in einer Welt, in der Krieg noch immer als probates Mittel zur Lösung von Konflikten angewandt wird und in der stets neue Feindbilder vorgestellt werden, die einem Angst machen. Sicher, man kann sich dagegen wehren, aber man ist nicht dagegen gefeit.
    Die Perikope stellt eine bestimmte Gruppe von Menschen heraus, die sich offenbar auf Jesus beruft und sagt, in seinem Namen gehandelt zu haben. Offenbar stimmt das auch, denn gegen diesen Anspruch wendet Jesus nichts ein. Wohl aber haben diese Menschen offenbar nicht die Worte Jesu eingehalten. In dieses Dilemma kann jeder geraten, der zwar im Namen Jesu handelt, sich aber wenig um den Willen Gottes schert. Man darf fragen, wie ein solcher Mensch im Namen Jesu Wunder vollbringen und weissagen kann. Ist das nicht paradox? Würde Jesus selbst nicht seine Kraft einem solchen Menschen verweigern? Schon aus diesem Grunde steht wohl weniger das äußerliche Handeln, als die Motivation dazu zur Debatte. Diese Menschen führen all die Dinge aus, die spektakulär sind und daher die Aufmerksamkeit derer, die diese Ereignisse mitbekommen, auf sich lenken. Man kann vermuten, dass sie dies tun, um Anerkennung zu erlangen und größere Autorität zu gewinnen. Dies ist denkbar gerade in der Situation des Autoritätsstreites, wo es immer wieder dazu kam, dass den Aposteln ihre Autorität abgesprochen wurde. Also wird hier vor solchen Menschen gewarnt. Denn in ihrem Herzen handeln sie nicht nach dem Willen Gottes, sondern nach ihrem eigenen Willen. Es ist ihr Verlangen nach Macht, das sie treibt.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist zunächst nicht offensichtlich. Weder der Weg zum Kreuz noch das Thema Fasten kommen hier deutlich zum Ausdruck. Der indirekte Aufruf dazu, in Demut dem Willen Gottes zu folgen, ist aber wohl doch einem Aufruf zum Fasten im Sinne der Propheten sehr ähnlich: es geht nicht darum, überprüfbare Leistungen zu erbringen, sondern allein darum, sich zu mühen, den Willen Gottes zu erfüllen.
    Die Predigt sollte daher darauf den Schwerpunkt legen. Freilich wird es in der Gemeinde wenige geben, die den Versuch machen, durch spektakuläre Aktionen die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es fehlt aber meist auch ein Streben danach, den Willen Gottes zu erfüllen. Es mag durchaus sinnvoll sein, in der Predigt einen Abschnitt aus der Bergpredigt herauszugreifen, der für die Gemeinde von besonderer Bedeutung ist, und darauf dann im Angesicht des Predigttextes einzugehen. Ansonsten könnte man natürlich auch ganz banal darauf hinweisen: wer fastet, gebe damit bitte nicht an und posaune es auch nicht überall hinaus. Es ist, wie Jesus sagt (Mt 6, 16-18), etwas, was man möglichst im Verborgenen tut.



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