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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - Offb 7, 9-12
Liebe Gemeinde!
Wenn ich in einer Trauerfeier von einem verstorbenen Gemeindeglied Abschied
genommen habe, dann habe ich im Rahmen dieser Feier einen Hymnus gesungen, der
der Liturgie der Totenmesse entnommen ist.
Dieser Vers wird nach dem Lateinischen Beginn auch das „In Paradisum“ genannt.
Der Text – in deutscher Fassung – geht so:
„Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen
und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen dich
empfangen und durch Christus, der für dich gestorben, soll ewiges Leben dich
erfreuen.“
Als ich darüber mit einer anderen Person sprach, sagte diese: „Märtyrer? Wir
Evangelischen haben keine Märtyrer. Das haben doch nur die Katholiken. Was ist
denn ein Märtyrer überhaupt?“
Ich erklärte, dass ein Märtyrer ein Mensch ist, der um seines Glaubens willen
gestorben ist.
Aber eigentlich bedeutet das Wort „Märtyrer“ nichts anderes als „Zeuge“. Ein
Märtyrer oder eine Märtyrerin ist, im ursprünglichen Sinn des Wortes, also ein
Mensch, der zu seinem Glauben steht, der ihn bezeugt und auf diese Weise hinweist
auf die Tatsache, dass es mehr gibt im Leben als nur das, was wir mit unseren
Sinnen wahrnehmen können.
Und natürlich hat die evangelische Kirche auch Märtyrer. Das ist kein Privileg
der römischen Kirche. Denken wir nur zum Beispiel an Dietrich Bonhoeffer und
mit ihm viele andere, die um des Glaubens willen durch das Naziregime ums Leben
kamen. Das sind Märtyrer. Sie konnten es nicht hinnehmen, dass das Evangelium
verfälscht und missachtet wurde, und setzten sich so der Gefahr der Folter und
des Todes aus, den sie dann am Ende auch erlitten.
Aber auch z.B. Martin Luther oder Philip Melanchthon sind im Grunde Märtyrer,
auch wenn sie nicht wegen ihres Glaubens gestorben sind. Denn sie sind Zeugen
des Evangeliums, sie haben vielen Menschen den richtigen Weg gewiesen.
Es gibt einen Evangelischen Namenkalender, in dem für jeden Tag die Namen von
Menschen aufgeführt sind, die sich in der ein oder anderen Weise für den christlichen
Glauben eingesetzt haben. Darunter sind Märtyrer der ersten Jahrhunderte genauso
wie Märtyrer des 20. Jahrhunderts, aber auch Liederdichter wie etwa Paul Gerhardt
oder Joachim Neander.
Wenn wir auf die Geschichte der Kirche blicken, finden wir natürlich viele
Gestalten, die Märtyrer im heute üblichen Sinn waren und uns auch bekannt
sind.
Da ist der Apostel Petrus, der kopfüber gekreuzigt worden sein soll.
Dann haben wir den Apostel Andreas, der an einem Schrägkreuz gekreuzigt
wurde, woher wir das Andreaskreuz an den Bahnübergängen haben.
Andere haben einen qualvolleren Tod erlitten: Manche wurden bei lebendigem
Leib gehäutet, andere zersägt, wieder andere in siedendes Öl getaucht.
Da kann sich wohl glücklich schätzen, wer hinterrücks erschlagen wurde,
wie z.B. der Missionar der Germanen, Bonifatius.
Viele Märtyrer gab es auch im Zuge der Inquisiton, die sich über die Anhänger
des protestantischen Glaubens hermachte. Nach grausamer Folter wurden diese
dann auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Allerdings geht es auch anders herum:
an manchen Orten wurden Katholiken von Protestanten gefoltert und getötet.
Auch das sind Märtyrer!
Bloß gut, dass uns heute solch ein Schicksal nicht mehr droht. In manchen
Ländern sind Christen zwar gefährdet, aber meist nicht so, dass sie unmittelbar
um ihr Leben fürchten müssen. Allerdings erleiden sie dadurch, dass sie dem
christlichen Glauben treu bleiben, dann doch häufig erhebliche Nachteile.
Und wenn diese Nachteile zu ihrem Tod führen, dann kann, ja, dann muss man
auch sie als Märtyrer bezeichnen.
Aber, wie schon gesagt: uns droht solch ein Schicksal nicht. Und da ist es
doch merkwürdig, dass wir dennoch Angst haben, unseren Glauben zu bezeugen
und für ihn einzustehen. Oft fällt es sogar, wie es scheint, innerhalb der
eigenen Familie schwer.
Viele haben heutzutage wohl Angst, als dumm oder naiv belächelt zu werden.
Das ist auch gar nicht so abwegig, denn selbst Theologen vertreten mittlerweile
die Ansicht, dass sich vieles von dem, was in der Bibel berichtet wird, gar
nicht so zugetragen habe. Was nicht mit den Mitteln der Vernunft erklärt werden
kann, kann auch nicht geschehen sein.
Und dann deutet man an den Erzählungen der Bibel so lange herum, bis sie mit
der Vernunft nachvollzogen werden können. So wird dann z.B. die Erzählung von
der Heilung eines Blinden zum Gleichnis dafür, dass dem Menschen geholfen wurde,
in Jesus die Liebe Gottes zu erkennen. Er war also, wenn man so will, geistlich
blind.
Aber nicht umsonst soll es am Ende einer jeden Predigt nach den Worten des
Paulus heißen: „Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ (Phil 4, 7) Da wird ja schon
zum Ausdruck gebracht, dass wir an etwas glauben, was sich mit der Vernunft
nicht erklären lässt. Und, ganz ehrlich: was gibt es denn noch zu glauben,
wenn man alles erklären kann?
Im Hebräerbrief wird der Glaube so beschrieben: „Es ist aber der Glaube eine
feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was
man nicht sieht.“ (Hebr 11, 1) Es ist das, was über die wahrnehmbare Realität
hinausgeht, was den Glauben ausmacht.
Wer älter ist, wird manchmal bewundert ob seines Glaubens, aber zugleich trägt
man das Stigma des Altseins mit sich. Denn solch ein Glaube, das sei nur was
für die Alten – oder für die Kinder, die irgendwann da rauswachsen werden.
Ein vernünftiger, vernunftbegabter und vernunftorientierter Mensch wird Glauben
als eine Projektion, die durch existenzielle Ängste hervorgerufen wird, erklären
und somit als etwas, was man im Grunde nicht braucht. Menschen schaffen sich,
so sagt man, ihren Gott, damit das Unerklärliche erklärbar wird, und nicht
umgekehrt.
Haben wir dem etwas entgegen zu setzen? Müssten wir dem nicht etwas entgegen
setzen?
„Danach sah ich, und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus
allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen; die standen vor dem Thron
und vor dem Lamm, angetan mit weißen Kleidern und mit Palmzweigen in ihren
Händen, und riefen mit großer Stimme: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron
sitzt, unserm Gott, und dem Lamm! Und alle Engel standen rings um den Thron
und um die Ältesten und um die vier Gestalten und fielen nieder vor dem Thron
auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sprachen: Amen, Lob und Ehre und
Weisheit und Dank und Preis und Kraft und Stärke sei unserm Gott von Ewigkeit
zu Ewigkeit! Amen.
Und einer der Ältesten fing an und sprach zu mir: Wer sind diese, die mit den
weißen Kleidern angetan sind, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu
ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Diese sind's, die
gekommen sind aus der großen Trübsal und haben ihre Kleider gewaschen und
haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem
Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der auf dem
Thron sitzt, wird über ihnen wohnen. Sie werden nicht mehr hungern noch dürsten;
es wird auch nicht auf ihnen lasten die Sonne oder irgendeine Hitze; denn das
Lamm mitten auf dem Thron wird sie weiden und leiten zu den Quellen des
lebendigen Wassers, und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“
(Offb 7, 9-17)
Die Epistel ist unser Predigttext, und ich habe jetzt bewusst etwas weiter
gelesen, denn direkt auf den Predigtabschnitt folgt ja die Erklärung, um wen
es sich bei den Gestalten in weißen Gewändern handelt.
Es sind Märtyrer gemeint, Zeugen, die bis ans Ende am Glauben festhielten,
die nicht aufhörten, darauf zu hoffen, vor dem Thron des Lammes stehen zu
dürfen und ihm sein Lob zu singen, und die davon überzeugt waren, dass Christus
sie durch sein Blut erlöste.
Das sind die Heiligen, um die es an diesem Gedenktag der Heiligen geht. Es
ist ein Menge, die niemand zählen kann. Eigentlich verwunderlich, denn sonst
wimmelt es in der Offenbarung ja von Zahlensymbolen. Dieser Hinweis auf die
Unzählbarkeit soll uns wohl daran erinnern, dass diese Menschen alle in Gott
geborgen sind, dass er sie kennt und von ihnen weiß, aber andererseits kein
Mensch darüber entscheiden kann, wer nun dazugehört und wer nicht.
Doch ein Merkmal gibt es, auf das wir uns verlassen können, und das ist die
Taufe. Durch die Taufe machte uns Gott zu seinen Kindern und damit zu Heiligen
im besten Sinn, wobei wir natürlich in unserem Leben uns zu unserer Taufe
verhalten müssen, d.h.: Gott erwartet unsere Antwort. Aber eins steht fest:
durch die Taufe dürfen wir uns dazuzählen zur Gemeinschaft der Heiligen, die
wir im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen.
Man kann jetzt natürlich fragen: gilt das für jeden getauften Menschen? Was
ist mit denen, die aus der Kirche ausgetreten sind? Was ist mit denen, die
sich nie im Gottesdienst blicken lassen? Was ist mit denen, die nicht glauben
wollen, dass Jesus Gottes Sohn und für unsere Sünden gestorben ist?
Nun, die Zusage Gottes gilt. Ich bin aber fest überzeugt, dass sie auch einer
Antwort bedarf. Und wenn diese Antwort darin besteht, den Glauben zu verleugnen
und Gott für ein Hirngespinst zu halten, dann gibt es für solche Menschen keinen
Platz vor dem Thron Gottes. Mit anderen Worten: wer die Einladung Gottes ausschlägt,
der wird auch draußen bleiben müssen.
Dabei kann das Bild, das der Seher Johannes da zeichnet, nicht wirklich darstellen,
wie es am Ende zugehen wird. Denn das Reich Gottes, in das wir durch die Offenbarung
des Johannes einen gewissermaßen verschwommenen Blick werfen dürfen, übersteigt
in der Tat all unsere Vorstellungskräfte.
Durch seine Visionen wissen wir aber, dass Gott keinen einzelnen vergisst. Egal,
wie groß die Trübsal ist, durch die wir hindurch müssen: Gott weiß um uns, er ist
da und bereit, uns aufzufangen, wenn wir fallen. Durch das Opfer seines Sohnes
sind wir reingewaschen und dürfen vor seinen Thron treten.
Wenn wir die Eucharistie feiern, dann stellen wir im Grunde schon dar, was
Johannes im Buch der Offenbarung beschreibt. Und auch das ist wichtig: wir
feiern nicht allein, nur für uns, sondern mit allen Heiligen, wir sind also
eigentlich und besonders in der Eucharistie schon Teil dieser großen Gemeinde,
die niemand zählen kann.
Christlicher Glaube ist etwas Besonderes,
kein blinder Glaube,
kein naiver Glaube,
sondern lebendiger Glaube an den,
der alle Tränen abwischen wird,
der unserem Leben einen Sinn schenkt,
der uns nicht in die Bedeutungslosigkeit hinabgleiten lässt, sondern uns mit Namen
kennt und ruft.
Dass wir daraus Kraft schöpfen, dass dieser Glaube unsere Lebensquelle ist, das
ist es, was wir all den anderen, die diese Quelle nicht nutzen können oder wollen,
entgegen zu setzen haben.
Und wir sollten das mit einem starken Selbstbewusstsein tun.
Wohlgemerkt: wir müssen niemandem beweisen, dass es Gott gibt. Wir selbst sind der
Beweis dafür. Unser Glaube ist es.
So mögen wir erfüllt und getrieben werden von der unendlichen Liebe und Güte Gottes,
die allen Menschen gilt und uns darum Tag für Tag aufs Neue herausfordert, aber
zugleich auch ermutigt und stärkt.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Lob, Preis und Dank, Herr Jesu Christ (EG 33, 3)
Fröhlich soll mein Herze springen (EG 36, 1.4-9)
Wunderbarer Gnadenthron (EG 38)
Herr Gott, dich loben wir (EG 191)
Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit (EG 502)
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