das Kirchenjahr

4. Sonntag im Advent (Rorate)

Die nahende Freude

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe II - 2. Kor 1, 18-22

Liebe Gemeinde!
Unser Predigttext geht auf eine ganz besondere Situation in Korinth ein: Die Gemeinde hatte den angekündigten Besuch des Apostels erwartet. Sein Ja war schon vor langer Zeit ausgesprochen worden, auf seine Zusage hatten sie sich verlassen, denn es gab bedeutende Probleme zu lösen, auch gerade Probleme mit der Glaubwürdigkeit, die in der jungen Gemeinde entstanden waren. Und nun muss er, der große Apostel und Gemeindegründer, ihnen schreiben, dass er nicht kommen kann. Das Ja hat sich in ein Nein verwandelt.
Natürlich musste man an seiner Glaubwürdigkeit zweifeln. War er vielleicht doch nur ein Versager, ein Schwächling, ein Angsthase, der den Problemen, an denen sich schon andere die Zähne ausgebissen hatten, aus dem Weg gehen wollte?
Wir kennen das:
wenn das Kind gebeten wir, zu helfen, und es dann doch nicht kommt, obwohl es schon gesagt hatte, dass es gleich kommen wird.
Oder wenn ein Besuch versprochen wird, und dann doch nicht stattfindet.
Oder wenn Politiker ein Programm anlässlich der Wahl aufstellen, das sie dann doch nicht einhalten.
Das Ja, das zu einem Nein wird, gibt es recht häufig.
Vielleicht ist es deswegen heute so schwer, eine Ehe einzugehen und zu erhalten, weil im Ja, das vor dem Standesbeamten oder gar vor dem Angesicht Gottes gesprochen werden soll, schon das Nein mitschwingt, die Bedingung, die man eigentlich nicht stellen darf, weil es ein bedingungsloses Ja sein soll?
Ein klares Ja, auf das man sich verlassen kann, das gibt es nicht so häufig. Misstrauen wird groß geschrieben - zu oft wurde die Gutgläubigkeit der Menschen schon ausgenutzt.
Vielleicht war das auch damals schon so, zu den Zeiten des Paulus. Vielleicht war es auch damals schon eine Grundhaltung, dass man dem Ja eines anderen nicht trauen konnte. Umso wichtiger war es doch, dass Paulus zu seinem Ja stand, es nicht verwässerte. Aber nun musste sich den Korinthern die Frage stellen, ob vielleicht auch Paulus zu denen gehörte, die unglaubwürdig sind.
Paulus kündigt erst mit diesem Brief an, dass er nicht kommen wird. Aber er weiß schon, was für Zweifel er wecken wird, und nimmt darum ausführlich Stellung dazu. Er verteidigt sich gegen den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit auf eine, wie uns scheinen will, recht anmaßende Art und Weise: er beruft sich auf Gott als Zeugen. Und dabei ruft er dann auch gleich noch die ganze Heilsgeschichte mit auf den Plan: In dem Ja Gottes, das in Jesus Christus offenbart wurde, ist auch das Ja des Paulus begründet.
Darum, weil dieses von ihm verkündigte Evangelium in der Gemeinde in Korinth lebendig geworden ist, kann auch an seiner Glaubwürdigkeit nicht gezweifelt werden.
Paulus ruft das Ja Gottes über der Gemeinde aus. Es ist ein unverbrüchliches Ja, ein Ja, das niemals in ein Nein verwandelt werden kann.
An dieser Stelle beginnt der Predigttext, nicht nur von der Spannung, die sich zwischen dem Apostel Paulus und der Gemeinde in Korinth aufgebaut hat, zu handeln, sondern auch uns anzusprechen. Denn dieses Ja Gottes gilt natürlich auch uns.
Wir stecken tief im Advent. Advent, das bedeutet Vorbereitung, Innehalten, sich besinnen, zurückbesinnen, aber auch vorausschauen: der Advent stellt unser Leben in Frage, denn es geht hier um die Ankunft des Allmächtigen, des Herrschers aller Herren, in einer Gestalt, die uns eigentlich so gar nicht gefallen will.
Das heißt, gefallen tut sie uns wohl, denn es ist natürlich süß, das Jesulein im Kripplein: das geht ans Herz, und darum ist ja auch in dieser Zeit die Spendefreudigkeit und Versöhnungsbereitschaft so groß, was weidlich ausgenutzt wird, wie die Briefeflut in dieser Zeit beweist.
Aber darum ist Gott ja nicht in die Welt gekommen, damit wir in sentimentalem Rausch alle Jahre wieder ein versöhnliches und friedvolles, ein idyllisches Christfest im Kerzenschein unter dem Tannenbaum feiern können in einer Welt, in der auch an dem Tag, am Christtag, wie an jedem anderen Tag wieder zigtausende von Menschen verhungern, durch Kriege heimatlos oder getötet werden oder schlicht nichts wissen wollen von der Liebe Gottes, weil ihnen ihr Geldbeutel wichtiger ist.
Diese sentimentale, idyllische Weihnachtsfeier ist nicht das Christfest, auf das wir uns in der Adventszeit vorbereiten.
Gott wurde Mensch, damit wir uns mit ihm versöhnen lassen, indem er den Tod auf sich nimmt, den wir verdient hätten.
Das Kind in der Krippe ist schon vom Tod gezeichnet, das Kreuz ist über der Krippe aufgerichtet, und es wird grausam spürbar, wie nötig das ist, wenn am 28. Dezember der unschuldigen Kinder gedacht wird, die Herodes töten ließ und die uns erinnern an all die Millionen von Kindern, die Opfer unserer weltweiten Wirtschafts- und Machtpolitik geworden sind.
Wenn man nicht völlig abgestumpft ist angesichts der Medienflut, die uns tagtäglich überschwemmt, dann bleibt da nichts von der Idylle übrig, die uns das Weihnachtsfest so lieb und wert macht. Im Christfest geht es um den, der die Welt überwindet, und das ist kein billiger Sieg.
Gott spricht sein Ja zu uns, das haben wir im Predigttext vernommen. Aber was machen wir mit diesem Ja?
Im Evangelium haben wir von einer Frau gehört, die dieser Kirche ihren Namen gegeben hat: die selige Jungfrau Maria. Der Engel Gabriel war zu ihr gekommen, hatte sie angesprochen, ihr von dem Willen Gottes berichtet, dass sie den Sohn Gottes gebären sollte. Gottes Ja wird in dieser Anrede spürbar: das Ja zu dieser niedrigen Magd, ein Ja, das Maria zunächst erschrecken lässt: Wie kann das sein? Warum ich?
Gott spricht sein Ja zu Maria. "Du bist die Frau, die ich brauchen will". Bist du dazu bereit?
Es ist wichtig, dass Gott sich nicht über sie hermacht, ohne ihr die Chance zu geben, Nein zu sagen. Sie hat diese Chance, und er hätte ihr Nein akzeptiert. Denn die Freiheit des Menschen ist ihm wichtig, darin erkennen wir die Ebenbildlichkeit, zu der Gott uns geschaffen hat.
Maria könnte "Nein" sagen, aber sie tut es nicht. Ihre Antwort auf das bedingungslose Ja Gottes ist ein ebensolches Ja. "Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast."
Maria wird ein Teil der Heilsgeschichte, ein wesentlicher Teil. Ohne sie wäre das Wunder der Menschwerdung Gottes nicht möglich gewesen; ohne ihre freie Entscheidung, sich selbst ganz Gott anzuvertrauen, gäbe es kein Christfest.
Gott spricht sein Ja zu uns. "Du bist es, dich will ich brauchen. Bist du dazu bereit?"
Gottes Ja fordert eine Antwort. Und diese Antwort kann nicht allein darin bestehen, dass wir uns der Illusion einer Idylle hingeben, die es so ja nie gegeben hat. Diese Antwort kann auch nicht in einem Schuhkarton verpackt werden und hat ebenso wenig mit roten Nasen zu tun.
Diese Antwort muss aus dem tiefsten Herzensgrund kommen. Kein "Ja, heute, aber morgen nicht", und auch kein "Ja, morgen, aber heute nicht.", sondern: "Ja, ich bin bereit. Mir geschehe, wie du gesagt hast."
Wenn wir uns so bereiten, wenn wir unsere Herzen so öffnen für das Ja Gottes, dann wird das Wunder der Christnacht lebendig, nicht nur in uns, sondern auch durch uns.
Denn das JA Gottes kann nur durch die, in denen es lebendig geworden ist, auch zu denen gelangen, die es nicht vernommen haben oder die längst aufgegeben haben, es für möglich zu halten.
Aber das ist kein Auftrag, den auszuführen eine Last wäre, sondern es ist die natürliche Reaktion auf das Wunder, mit dem Gott uns nahe kommt. Wer könnte schon schweigen, wer könnte schon so tun, als sei nichts passiert, wenn dieses uneingeschränkte JA, das in der Geburt des Kindes sichtbar wird, erklungen ist und gehört wurde, wenn es nicht abprallte an einem selbsterrichteten Schutzwall aus Eigenliebe und Ignoranz.
Gott stellt sein JA an den Anfang, damit unser JA leicht werden kann. Darum: "Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: freuet euch! Der Herr ist nahe!"
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Gottes Sohn ist kommen (EG 5)
Es kommt ein Schiff, geladen (EG 8)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Gott sei Dank durch alle Welt (EG 12)


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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Lk 1, 26-38(39-56)

Liebe Gemeinde,
Wir haben gerade die Erzählung aus dem Lukas-Evangelium gehört, wie der Erzengel Gabriel einer Jungfrau mit Namen Maria verkündet, dass sie den Sohn Gottes gebären wird.
Dies ist die Zeit der Engel: Da ist der Erzengel Gabriel, der mehrfach Maria und Josef begegnet und ihnen den Willen Gottes kundtut. Da ist der Engel, der den Hirten die frohe Botschaft von der Geburt Jesu überbringt. Und dann ist da die Menge der himmlischen Heerscharen – vermutlich auch alles Engel.
Die Bibel beschreibt Engel auf recht unterschiedliche Weise: mit zwei Flügeln, manchmal auch mit sechsen, und manchmal ganz ohne. Immer sind es himmlische Wesen, manchmal aber auch erscheinen sie ganz menschlich, so, als hätten sie mit dem Himmel, dem Reich Gottes, gar nichts zu tun. Nur ein weißes Gewand mag noch von ihrer besonderen Aufgabe zeugen, so wie die Männer am Grab des auferstandenen Herrn.
Wir verstehen Engel meist als Bindeglieder zwischen Himmel und Erde, und da kann man schon verstehen, dass wir ihnen in unserer Vorstellung Flügel geben, denn wie sonst sollen sie die Wegstrecke bewältigen.
Dabei vergessen wir, dass der Himmel über uns nichts zu tun hat mit dem Himmel, in dem Gott lebt. Denn das Reich Gottes ist mitten unter uns, nur dass wir es nicht mit den uns gegebenen Sinnen wahrnehmen können. Aber es ist da. Und darum brauchen auch Engel keine Flügel (ganz abgesehen davon: wenn sie fliegen müssten, könnten sie das sicher auch ohne Flügel tun, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich).
Auch die Bibel kennt Engel ohne Flügel. Da gibt es die Geschichte von Tobias und dem Erzengel Raphael: in der Erzählung weiß bis zum Ende niemand, dass es sich bei Raphael um einen Engel handelt. Er erscheint als ein Wandersmann, der zufällig dem jungen Tobias begegnet.
Aber auf allen künstlerischen Darstellungen dieser Geschichte hat Raphael selbstverständlich auch Flügel, und man muss sie sich eigentlich wieder weg denken, um der Geschichte gerecht zu werden. Engel müssen keine Flügel haben.
Das wird auch deutlich in der Aufforderung zur Gastfreundschaft aus dem Hebräerbrief, wo es heißt: „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ (Hebr 13, 2)
In unserer Erzählung aus dem Lukas-Evangelium wird nichts davon gesagt, ob Maria den Engel auch als Engel erkennt. Ob Gabriel dort mit Flügeln auftaucht, wird gar nicht beschrieben. Das muss ja auch nicht das Erkennungszeichen von Engeln sein. Er identifiziert sich allerdings als Engel, indem er eine Botschaft von Gott übermittelt.
Denn das Wort Engel, das sich vom griechischen „αγγελος“ (gespr. „angelos“) ableitet, bedeutet nichts anderes als „Bote“. Und so sind Engel in erster Linie auch Boten, die den Willen Gottes den Menschen auf verschiedene Weise kundtun.
Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!“ (Lk 1, 28b)
Maria hört diese Botschaft mit Verwunderung, ja, eigentlich sogar mit Schrecken. „Begnadete...“ - wie kommt dieser Fremde auf solch eine Bezeichnung? Sie ist noch jung, für unsere Begriffe wohl sehr jung, denn damals heiratete man früh, viel früher als heute. Maria war ein Teenager, sie mochte so um die 16 Jahre alt sein.
Noch wohnt sie bei ihren Eltern, denn die Ehe mit dem Zimmermann Josef ist zwar vorbereitet, aber noch nicht geschlossen.
Maria hat bis dahin nichts Außergewöhnliches getan. Die Bezeichnung „Begnadete“ hat sie also nicht verdient. Und darum erschrickt sie. 'Was geht hier vor? Was wird mit mir geschehen?'
Der Engel überbringt eine Botschaft, die in der Tat für eine so junge Frau beängstigend sein muss. Aber am Anfang dieser Botschaft steht das beruhigende „Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden“. (Lk 1, 30) Dieses „Fürchte dich nicht“ - es ist so gemeint, wie eine Mutter ihr Kind in den Arm nimmt, das gerade von einem schrecklichen Alptraum erwacht ist, und ihm zärtlich über den Kopf streicht. 'Fürchte dich nicht, habe keine Angst, ich bin da und beschütze dich'.
Dies hier ist allerdings kein Traum. Aus irgendeinem Grund hat es Gott gefallen, diese Maria, eine unscheinbare Frau irgendwo in Nazareth, die dem Zimmermann Josef, einem Nachkommen Davids, versprochen ist, als etwas Besonderes anzusehen. „Was kann aus Nazareth Gutes kommen!“, (Joh 1, 46) sagt Nathanael zu Philippus, als der ihn einlädt, Jesus aus Nazareth nachzufolgen. Nazareth ist sprichwörtlich bedeutungslos gewesen damals.
Wie kommt Gott also nur darauf, diese Maria auszuwählen? Es gab sicher hunderte, vielleicht sogar tausende andere Marias. Der Name war jedenfalls sehr geläufig. Und vermutlich gab es auch welche, die nach unseren Vorstellungen geeigneter gewesen wären als Gottesmutter.
Aber Gott braucht keinen Grund für sein Handeln. Er ruft immer wieder Menschen in seinen Dienst, die selber nicht recht wissen, wie ihnen geschieht, und die das „warum“ nicht beantworten können, weil es nichts gibt, das sie vor anderen auszeichnet.
Nur eins ist da: sie überhören den Ruf Gottes nicht. Und das mag das Entscheidende sein. Vielleicht hatte Gott ja schon andere angesprochen, die schlicht nicht hingehört haben. Und deswegen ist es sicher angebracht, dass wir uns selbst fragen: würden wir die Stimme Gottes hören, wenn er uns etwas mitteilen will? Oder hören wir einfach weg? Geben wir uns die Gelegenheit, auf Gottes Stimme zu hören?
Jeden Tag kommen Menschen in diese Kirche, nicht, um ihre Schönheit zu bewundern, sondern um Gott zu begegnen. Zugegeben, das ist etwas kurz gegriffen, denn diese Kirche kann Gott genauso wenig fassen wie damals der Tempel in Jerusalem, aber sie ist ein Ort, in dem es leichter fällt, still zu werden und hin zu hören. Hier kann man sich befreien von der Last des Alltags, alle Sorgen und Ängste ablegen und still werden vor unserem Gott.
Das ist der Zweck dieser Kirche, dies zu ermöglichen, und darum ist es auch gut, dass wir sie täglich geöffnet haben, auch wenn es manchmal zu unschönen Ereignissen kommt.
Gott ruft, und Maria folgt diesem Ruf mit den Worten: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ (Lk 1, 38)
Aber das, was für sie bestimmt ist, ist natürlich wenigstens beunruhigend: sie soll schwanger werden mit einem Kind, das „Sohn des Höchsten“ - also „Sohn Gottes“ - genannt werden wird. Dieses Kind wird ein „König ... in Ewigkeit“ sein, „sein Reich wird kein Ende haben“, so sagt ihr der Engel.
Maria bleibt aber erst einmal auf dem Boden der Tatsachen. Sie hat mit noch keinem Mann geschlafen, wie also soll das möglich sein?
Schon damals wusste man, dass es Mann und Frau braucht, um Kinder zu zeugen, und nicht Störche das Kind auf die Türschwelle legen. Man musste den Kindern nichts vorlügen.
Darum ist die Frage Marias auch nur zu verständlich. Die Antwort hätte sie sich aber denken können: Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Das Kind wird vom Heiligen Geist gezeugt werden, so offenbart es ihr der Erzengel Gabriel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ (Lk 1, 35a)
Während das Wort „überschatten“ für uns heute meist einen negativen Beigeschmack hat, gewinnt es in diesem Zusammenhang positive Bedeutung. Man wird an das Wort „Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel“ (Ps 17, 8b) aus dem 17. Ps erinnert, oder an „unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich!“ (Ps 63, 8b) aus dem 63. Psalm. „Überschatten“ bedeutet 'geschützt sein'.
Aber es bleibt doch alles etwas nebulös.
Nun wird an dieser Stelle eine Sache angesprochen, die in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend in Zweifel gezogen wurde. Was hat es mit der Jungfrauengeburt auf sich? Ist das damals wirklich so gewesen? Ist nicht doch Jesus das Kind der ehelichen Gemeinschaft von Maria und Joseph? Oder hatten sie gar vorehelichen Geschlechtsverkehr?
Für manche ist die diesbezügliche Zeile des Glaubensbekenntnisses ein Anstoß: „geboren von der Jungfrau Maria“, und manche Theologen haben sich regelrecht gefreut, als offensichtlich wurde, dass es da einen Übersetzungsfehler gegeben hatte, damals, vor 2000 Jahren, und Maria eigentlich nur eine junge Frau ist, nicht aber eine Jungfrau, wobei das eine das andere natürlich nicht ausschließt. Sie freuten sich, weil sie damit die Erklärungsnot loswurden, weil immer öfter gefragt wurde, ob das denn berechtigt sei, von einer Jungfrauengeburt zu sprechen.
Andere bemühten die Mythologie der umgebenden Völker. Dort sah man bedeutende Männer, vor allem ihre Herrscher, häufig als Götter an, also mussten sie auch von Göttern gezeugt sein. Dem entsprach das Bild von der Jungfrauengeburt, und so erzählte man über sie, dass sie von einer Jungfrau geboren worden seien, obwohl man sehr wohl wusste, dass dem nicht so war. Das sei dann von den Menschen damals auch auf Jesus angewandt worden.
So klein also ist der Glaube unter den Menschen geworden, dass sie Gott, dem Schöpfer der ganzen Welt, noch nicht einmal solch eine Kleinigkeit zutrauen.
Aber das muss uns nicht weiter stören. Was damals genau geschehen ist, kann kein Mensch heute mehr nachvollziehen. Der Satz im Glaubensbekenntnis ist jedenfalls zu einer Kernaussage der christlichen Kirche geworden, weil sie verdeutlicht, dass Gott nicht nur teilnahmslos auf uns herabsieht, sondern sich auch einmischt; dass er sich nicht zu wichtig vorkommt, um ganz auf unsere Ebene hinabzusteigen und Mensch zu werden. Und das geht nun mal nur auf diesem Wege.
Darum betont auch das Nizänische Glaubensbekenntnis ausdrücklich: „gezeugt, nicht geschaffen“, weil es sonst nicht die vollkommene Hingabe Gottes an uns Menschen sein könnte.
Für mich ist es jedenfalls kein Problem, diese Zeile des Glaubensbekenntnisses mitzusprechen, denn es geht zunächst einmal nicht um historisch-biologische Fakten, sondern darum, dass Jesus Gottes Sohn ist, der sich allerdings ganz in das Menschsein hinein begab, der sich gewissermaßen winzig klein machte, um uns nahe sein zu können.
Und so wird der Sohn Gottes in dem Leib einer Frau gezeugt.
Diese Frau ist Maria, eine bis dahin völlig unbekannte und unbedeutende Person.
Lieschen Müller vielleicht, oder Annette Meyer – irgendjemand, ohne jede Vorgeschichte, auf die man vielleicht verweisen und sagen könnte: ach so, deswegen!
Josef, der Arme, kommt in unserem Text nur ganz am Rande vor, ist aber auch keine bedeutende Persönlichkeit. Ein Mann vom Hause David, das ist so ziemlich alles, was wir von ihm erfahren. Auch an ihm kann man also das Handeln Gottes nicht begründen.
Die Anrede Gottes kann jeden treffen.
Das Gespräch des Engels mit Maria endet mit ihrer Selbstunterwerfung – so könnte man diesen letzten Satz interpretieren: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.“ (Lk 1, 38)
Ich erkenne darin aber doch etwas anderes. Denn Gott wird sie nicht vergewaltigen. Er belastet Maria nicht gegen ihren Willen mit etwas, das ihr ganzes Leben beeinflussen und verändern wird. Er tut es erst und nur mit ihrem Einverständnis.
Ich stelle mir vor, dass Maria in dem Moment der Begegnung mit dem Erzengel Gabriel durchaus eine Menge Fragen durch den Kopf gingen. Sicher wird sie überlegt haben, was für Konsequenzen diese Schwangerschaft für ihr Leben haben würde.
Sie hatte z.B. keine Gewähr, dass Josef bei ihr bleiben würde. Er wusste, dass das Kind nicht von ihm war, und normalerweise hätte er sie zurück lassen und sich eine andere Frau suchen müssen.
Genauso wenig konnte sie sicher sein, dass der scheinbare Ehebruch nicht mit der damals üblichen Strafe, der Steinigung, geahndet würde.
Und sie konnte nur ahnen, was es für sie als Mutter bedeuten würde, wenn ihr erstgeborener Sohn seiner Bestimmung, wie sie vom Engel beschrieben worden war, folgte.
Wir wissen, was ihr alles bevorstand:
• die Zweifel des Josef, der nur durch die Intervention des Erzengels Gabriel bei ihr blieb; der 12-jährige Jesus im Tempel, der allen Respekt vor seinen Eltern mangeln ließ;
• der erwachsene Jesus, der seine ganze Familie verleugnet, der als Wanderprediger zwar einige Nachfolger gewinnt, aber keine Familie gründet, was damals durchaus auch erbrechtlich von Bedeutung war, und der schließlich zahlreiche mächtige Feinde gewinnt;
• und am Ende der gekreuzigte Jesus, ein grausamer Tod, den sie mit ansehen muss.

Trotz dieser durchaus erschreckenden Aussichten, die sie allerdings höchstens erahnen konnte, signalisiert Maria ihre Bereitschaft, dem Ruf Gottes zu folgen. Sie sagt ihr eigenes, aufrichtiges „Ja“.
Das ist bewundernswert. Und es ist darum sicher auch zu verstehen, dass in der römischen Kirche Maria solch eine hohe Bedeutung gewonnen hat.
Wir machen bei der Marienverehrung zwar nicht ausnahmslos mit, ja, eigentlich lehnen wir sie ja komplett ab.
Wir sollten aber bedenken, dass das Erlösungswerk Gottes ohne dieses freiwillige „Ja“ Marias nicht möglich gewesen wäre. Gott will, dass wir mitwirken an seinem Handeln, er will uns einbinden und uns einen Teil der Verantwortung übertragen. Wir sollen mit bauen am Reich Gottes.
Im Übrigen hat auch Martin Luther die Verehrung Marias nicht ausgeschlossen. Ihm blieb aber wichtig, zu betonen, dass ihre Verehrung nicht dazu führt, sie über Gott zu stellen. Denn es ist die Gnade Gottes, die sie erhöht hat, nichts anderes. Und so rühmen wir die Gnade Gottes, die an Maria in besonderer Weise sichtbar geworden wurde – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Gott ruft – auch heute, auch uns. Er erwartet vielleicht nicht so große Dinge von uns, wie er damals von Maria erwartete. Aber er ist auch nicht erwartungslos. So wie bei Maria, kann der Ruf Gottes durchaus alle unsere Lebensplanung über den Haufen werfen oder wenigstens doch ordentlich durcheinander bringen. Manchmal will er aber auch nur Kleinigkeiten von uns. Wichtig ist, dass wir auf seine Stimme achthaben, so wie Maria damals es tat. Und dazu ist es gut, sich einen Ort der Stille zu suchen: nicht nur geographisch, sondern auch chronologisch. Es ist gut, täglich eine Zeit zu bestimmen, in der wir uns öffnen können für Gottes Anrede. Und es ist auch gut, dafür einen Ort zu haben, an dem wir frei werden können von den alltäglichen Dingen, die uns immer wieder gefangen nehmen wollen.
Gott ruft uns, damit wir uns aufmachen, bereit, die Zumutungen Gottes – denn anders kann man es manchmal wohl nicht nennen – anzunehmen.
Bei allen Zumutungen dürfen wir auf eines vertrauen: genauso wie bei Maria steht am Anfang immer das „Fürchte dich nicht, der Herr ist mit dir, du hast Gnade bei Gott gefunden“. (Lk 1, 30) Auch wenn wir es nicht mit unseren Ohren hören: diese Zusage steht da, denn so handelt Gott. Er will uns nicht ängstigen, sondern er will alle Angst von uns nehmen, wenn wir uns auf den Weg machen, ihm zu dienen.
Und ein anderes, das ebenso wichtig ist: wenn der Ruf an uns ergeht, wenn wir ihn hören und unsicher sind, ob wir den Weg wirklich einschlagen sollen, dann sollen wir dies wissen: der Weg führt immer zum selben Ziel: Gott entgegen. Und etwas Schöneres, Besseres kann es wohl kaum geben.
So lasst uns auf die Zusagen Gottes vertrauen, damit wir ohne Vorbehalte, so wie Maria, antworten können: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun komm der Heiden Heiland (EG 4)
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Es kommt ein Schiff, geladen (EG 8)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - Phil 4, 4-7

Liebe Gemeinde,
„Nun freu dich doch“, sagte die Mutter zu ihrem Sohn Philipp, der mit verärgerter Miene vor dem Gabentisch stand. Es war sein zehnter Geburtstag! Und das einzige, woran er denken konnte, war der Computer, den er sich so sehnlich gewünscht hatte und von dem er sicher war, dass er ihn bekommen würde – weil ja sein 10. Geburtstag war!
Aber es war kein Computer da. Und das ärgerte ihn maßlos. Dass da ein funkelnagelneues Fahrrad stand, beeindruckte ihn kein bisschen.
„Guck mal!“, sagte der Vater und wies auf die Nabe des Hinterrades, „Es hat sogar eine Kettenschaltung. Damit kannst Du die steilsten Berge hochfahren.“
Philipp stiegen die Tränen in die Augen. „Will kein Fahrrad“, murmelte er und rannte aus dem Zimmer.

Liebe Gemeinde,
Sie kennen das sicher auch: sie haben sich etwas sehnlich gewünscht, und dann haben Sie es nicht bekommen. Meist erleben so etwas ja nur Kinder, und heutzutage vermutlich auch immer seltener.
Aber auch als erwachsene Person macht man hin und wieder die Erfahrung, dass etwas nicht so gelingt, wie man es sich wünscht. Meist geht das Wünschen der Erwachsenen allerdings in eine andere Richtung, es geht nicht um irgendwelche Dinge, aber das Prinzip bleibt doch dasselbe: auf den Wunsch folgt die Enttäuschung.
• Da geht etwa eine Beziehung in die Brüche, obwohl man all seine Kräfte daran setzt, sie zu erhalten, und sich auch sehnlich wünscht, dass sie nicht kaputt geht.
• Da ist der Vorgesetzte dauernd mit einem unzufrieden, obwohl man sich viel Mühe gibt und den Wunsch hat, dass der Vorgesetzte mit einem zufrieden ist.
• Das Haus macht mehr Ärger als Freude, denn die Wände sind feucht oder die Fenster müssten dringend ausgewechselt werden usw.. Dabei hatte man nur den Wunsch, im Alter möglichst unbehelligt von all solchen Dingen zu bleiben.
• Da plagt einen eine Krankheit, die nicht geheilt werden kann, obwohl man sich doch so sehr Gesundheit für sich und alle seine Lieben gewünscht hat.
• Ein lieber Mensch ist gestorben, mit dem man so gerne noch ein paar Jahre verbracht hätte.

Immer wieder erfahren wir, wie unser Wünschen nicht in Erfüllung geht. Dazu gehört auch ein Wunsch, der wohl in jedem Menschen schlummert: der Wunsch nach Frieden. Auch wenn wir in unserem Land in Frieden leben können, müssen wir erkennen, dass dieser Friede doch recht zerbrechlich ist. Unsere Soldaten sind nun auch an dem Krieg in Syrien beteiligt, und die Terroranschläge in europäischen Ländern machen Angst. Müssen wir fürchten, dass das alles auch uns bald erreicht?
Wir wünschen uns wohl nichts sehnlicher als Frieden, nicht nur für uns selbst, sondern für alle Menschen. Wenn man etwas darüber nachdenkt, stellen wir auch fest, dass im Frieden ja eigentlich alles andere mit eingeschlossen ist. Denn das, was wir uns wünschen – sei es Gesundheit, sei es ein sorgenfreies Leben, sei es eine gute Arbeitsatmosphäre, sei es die Freiheit von Trauer oder auf Frieden mit dem Nachbarn, mit anderen Worten – ist nichts anderes als versöhnt sein mit allen unseren Mitmenschen und mit uns selbst. Und das wäre die Erfüllung aller Träume.
Aber genau das ist das Problem: solche Wünsche sind nicht mehr als Träume. Von Träumen wissen wir, dass sie nicht real sind. Sie werden es in der Regel auch nie werden. Und so ist unser Wünschen im Grunde nicht mehr als der Traum von einer Realität, die es so nicht gibt.
Denn es ist kein Friede, weder im Kleinen noch im Großen. Die Beziehung wird nicht geheilt, die Krankheit hört nicht auf, der Vorgesetzte hat immer was rumzunörgeln, Das Haus muss immer wieder instandgestetzt werden, die Trauer um den lieben Menschen bleibt.
Und da wird uns nun durch den Apostel Paulus zugerufen: „Freuet euch!“ Ja, worüber sollen wir uns denn freuen?
Kindern fällt es noch etwas leichter, sich auch über ganz kleine Dinge zu freuen. Aber an dem 10-jährigen Philipp haben wir schon festgestellt, dass auch Kinder Enttäuschungen erleben, selbst dann, wenn sie eigentlich Grund zur Freude hätten.
Aber das ist ja auch bei dem Wünschen Erwachsener der Fall.
Selbst wenn wir von der Freude des Christfestes reden, müssen wir da wohl auch an die denken, die das erste Mal das Christfest ohne den Menschen feiern, mit dem sie es viele Jahrzehnte lang gemeinsam gefeiert haben. Haben sie Grund zur Freude? Und dann gibt es andere, die irgendwie versuchen, dem Christfest die Freude abzuringen, aber es beim besten Willen nicht schaffen.
Paulus scheint das alles gar nicht zu stören, obwohl es auch zu seiner Zeit ja immer wieder Unruhe und Unfrieden gab. Er selbst wurde verfolgt und hatte in der Stadt Philippi einiges erleiden müssen. Seine Erfahrung war weit weg von dem Wunschtraum Frieden.
Zur Zeit, als er diesen Brief verfasste, war er sogar selbst Gefangener – vermutlich in Rom, aber sicher lässt sich das nicht sagen. Er hatte also allen Grund, traurig zu sein, denn das, was ihm am Wichtigsten war, konnte er nicht tun: er konnte das Evangelium nicht hinaustragen in die Welt.
Und dennoch schreibt er und ruft zur Freude auf. Und er sagt, dass es ihm überhaupt nichts ausmacht, gefangen zu sein, im Gegenteil: durch seine Gefangenschaft würden andere ermutigt, um so eifriger das Evangelium weiterzusagen und auf diese Weise Christus zu verherrlichen.
Was mit ihm selbst geschehen kann – es bestand durchaus die Möglichkeit, dass ihn der Tod erwartete – beunruhigt ihn nicht. Aus diesem Brief stammen vielmehr die Worte: „Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn.“ (Phil 1, 21) Und damit bringt Paulus zum Ausdruck, dass der Tod ihn nicht schrecken kann, im Gegenteil: wenn er stirbt, dann verherrlicht er Christus, und es ist ja nur die wahrhaftigste Art der Nachfolge, wenn er durch die Gewalt anderer den Tod erleidet, genau so wie Christus selbst.
Paulus ist, so kann man sagen, ganz in Christus versenkt.
Und darum kann er auch solche Worte schreiben: „Freuet euch!
Denn er wünscht es auch für uns, dass wir ganz in Christus versenkt sind. Dass wir diese Erfahrung machen, geborgen zu sein. Es braucht ja nicht viel: wir müssen nur los- und uns fallenlassen.
Aber das ist leichter gesagt als getan. Loslassen heißt ja, ohne das, was einem bisher eine gewisse Sicherheit und Halt gegeben hat, sein zu müssen. Und es bedeutet, sich ins Ungewisse hinein zu begeben.
Und wenn man das Gefühl hatte, ohnehin nur noch an etwas zu hängen, während sich unter einem ein tiefer Abgrund auftut, dann will man gar nicht loslassen, denn das würde doch nur das Ende bedeuten.
Aber woran halten wir uns eigentlich fest? Sind es nicht gerade die Dinge, die uns belasten, die uns Sorgen machen?
Lasst los, ruft uns Paulus zu, „sorgt euch um nichts,“ (Phil 4, 6a), denn Gott sorgt für euch. Aber was können wir dann tun, wo es doch guten Grund für unsere Sorgen gibt, weil das, was uns belastet, nicht einfach verschwindet?
In allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ (Phil 4, 6b) Bringt Eure Sorgen zu Gott. Oder anders: Betet. Und bittet dabei nicht nur, sondern dankt auch. Denn Gott hat Euch das größte Geschenk gemacht, das er machen kann: er gab uns seinen Sohn. Er lieferte sich uns aus, damit wir mit ihm wieder versöhnt sein können.
Was wir nicht leisten können, aber eigentlich müssten, das hat er getan.
Weil Gott so an uns gehandelt hat, darum kann Paulus uns auch zur Freude auffordern. Da mag die Welt um uns zusammenbrechen: die Liebe Gottes kann dadurch nicht zerstört werden. Und darum: Freuet euch!
Die Liebe Gottes relativiert all das, worum wir uns sorgen. Sie macht uns bewusst, dass das, woran wir uns klammern, nutzlos ist und uns nicht helfen kann. Und sie gibt uns den Mut, Dinge zu tun, die eigentlich unmöglich erscheinen.
Nur: lasst uns dazu am Gebet mit Danksagung bleiben. Denn das Gebet ist der Weg, wie wir uns immer wieder seiner Liebe vergewissern können. Es ist der Weg, auf dem wir unsere Sorgen loslassen können. Denn durch das Gebet versenken wir uns gewissermaßen in Christus, wir empfinden die tiefe Geborgenheit, die er für uns bereit hält.
Dann wird auch wahr, was am Ende unseres kurzen Predigttextes steht und in der Regel am Ende jeder Predigt der Gemeinde zugerufen wird:
Der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. (Phil 4, 7)
Der Friede Gottes, das ist nicht der Friede dieser Welt. Es ist vielmehr der Friede, der entsteht durch die Erkenntnis, dass Gott kommt, um diese Welt von allem Unfrieden zu befreien. „Der Herr ist nahe!“ (Phil 4, 5b), das könnte man kindlich naiv auf das Christfest hin deuten, aber gemeint ist: seine Wiederkunft ist nahe. Er wird kommen, zu richten die Lebenden und die Toten – dieser Satz des Glaubensbekenntnisses spiegelt sich in diesen vier Worten wider.
Das erwarten wir also, und darauf vertrauen wir, und darum haben wir Frieden in einer Welt, die von Unfrieden gezeichnet ist.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Was hast du unterlassen (EG 11, 3.6-7)
O komm, o komm, du Morgenstern (EG 19)
Das Volk, das noch im Finstern wandelt (EG 20)
Freuet euch, ihr Christen alle (EG 34, 1)
Freut euch, ihr Christen alle (EG 129)
In dem Herren freuet euch (EG 359)
In dir ist Freude (EG 398)


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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Jes 62, 1-5

Die nachfolgende Predigt wurde 2014 am Christfest II gehalten
Liebe Gemeinde!
Zugegeben, es ist ein schöner Text. Gott redet mit seinem Volk wie der Mann mit seiner geliebten Ehefrau. Das ist schon ein schönes Bild, in das man sich auch versenken kann so wie in das Bild der Krippe!
Aber welchen Bezug können wir zum Christfest herstellen?
Ich finde es schon grundsätzlich problematisch, einen Text aus den Propheten für uns Christen in Beschlag zu nehmen, denn immer wurde er ja zuerst dem Volk Israel zugesprochen. Die Brücke lässt sich meist nur dadurch herstellen, dass wir durch die Taufe auch zum Volk Gottes hinzu gezählt werden, aber die Bezüge zu Ereignissen in der Geschichte des Volkes Israel sind oftmals sehr deutlich und dürfen nicht einfach ignoriert werden.
Ich stelle mir darum auch jedesmal bei der Vorbereitung der Predigt die Frage, wie weit ich eigentlich gehen darf bei der Übertragung des Textes in unsere Situation, die nicht die Situation des Volkes Israel ist.
Und bei diesem Text sehe ich klare Grenzen, auch und gerade wegen des eigentlichen Inhalts des Christfestes.
Darum habe ich mir überlegt, einmal das Lied vorzunehmen, das wir um die Predigt herum singen, und von dort Verbindungen herzustellen zu unserem Predigttext (EG 34).
Das Lied beginnt mit einem fortwährenden Halleluja, immer wieder erklingt das „Halleluja“ in fast tänzerischem Rhythmus. Wie oft eigentlich? Haben Sie es gezählt? Genau zwölf mal.
Diese Zwölf stellt schon einmal eine Verbindung zum Volk Israel her: dort sind es zwölf Stämme, die die Gesamtheit des Volkes Israel darstellen. Obwohl am Ende nur der Stamm Juda übrig zu bleiben scheint, bleibt die Zwölfzahl als Symbol für die Vollkommenheit des Gottesvolkes bestehen.
Sie begegnet uns darum auch wieder in der Zahl der Jünger Jesu. Und als der Apostel Judas Iskarioth ausscheidet, da wird ein anderer nachgewählt, der auch zu den engen Vertrauten Jesu gehört hatte, aber zunächst nicht in den Apostellisten aufgeführt worden war, damit die Zwölfzahl wieder hergestellt ist.
Die zwölf Apostel lösen allerdings nicht die zwölf Stämme Israels ab, sondern stellen im Gegenteil eine enge Verbindung mit ihnen her.
Genau das tut auch das zwölfmalige Halleluja, das uns daran erinnert, dass Jesus aus dem Volk Israel hervorging, und dass hier unsere religiösen Wurzeln liegen.
Auch das Halleluja selbst ist ja eine hebräisches Wort, das mit „Lobt Jahweh“ übersetzt werden kann, und stellt somit eine enge Verbindung zum Volk Israel her. Denn Jahweh, das ist der Name, den Gott damals dem Mose im brennenden Dornbusch offenbarte.
Sicher wollten Komponist und Dichter mit diesem zwölfmaligen Halleluja den Chor der Engel gewissermaßen zum Klingen bringen. Es konnte doch nicht anders sein, als dass zur Geburt des Gottessohnes die Engel Gott loben, der in diesem Kind die Menschheit mit sich versöhnt. Und dieses Lob kann sich nicht nur auf das „Ehre sei Gott in der Höhe“ beschränken, es muss darüber hinaus reichen und andauern.
Nachdem das zwölfmalige Halleluja verklungen ist, beginnt gleich die erste Strophe mit der Aufforderung zur Freude. Freude kann man schlecht befehlen, weswegen sich wohl auch der Einschub findet: „Freue sich, wer immer kann“. Die so gewissermaßen verordnete Freude gründet in den Wundertaten Gottes und vor allem darin, dass Gott sich mit uns „befreundet“ hat, also unser Freund geworden wird.
Er hat uns „hochgeachtet“, obwohl wir es nicht verdient haben – es ist einzig das Werk Gottes, dass wir seine Freunde sein können, und darum wahrhaftig ein Grund zur Freude.
An dieser Stelle können wir auch tatsächlich eine Verbindung zu unserem Predigttext herstellen. Denn auch dort ist von der Freude die Rede, und es ist auch dort das Handeln Gottes, das diese Freude auslöst.
Allerdings soll sich nach Jesaja nicht die Gemeinde freuen, sondern Gott selbst freut sich, wenn es heißt:
„wie sich ein Bräutigam freut über die Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen.“ (Jes 62, 5)
Dem geht das Handeln Gottes voraus, so wie in der ersten Strophe unseres Liedes. Gott selbst, Jahweh, wird das Volk aus dem Elend des Exils herausführen und erheben, es wird wahrhaftig und sichtbar Volk Gottes sein – weithin sichtbar in aller Herrlichkeit, die gewissermaßen von Gott ausgehend durch dieses Volk auf alle anderen Völker ausstrahlt.
Man könnte hier an die Freude denken, die das Wunder des Christfestes in uns auslöst und ebenfalls gewissermaßen ausstrahlt, aber diese Freude geht von uns aus, ist Antwort auf das Handeln Gottes.
Bei Jesaja sieht das etwas anders aus: Gott selbst stellt das Strahlen her, er schenkt seinem Volk die Herrlichkeit, er hebt es heraus und hoch auf den heiligen Berg.
Gewiss, nach dem Lied von Christian Keimann, das in der Mitte des 17. Jahrhunderts entstand, werden auch wir erhoben, wir werden hochgeachtet – aber das scheint mir dann doch etwas anderes zu bedeuten.
Denn Gottes Handeln an uns ist erst einmal nicht unsere Erhöhung: im Gegenteil. Er wird Mensch, er erniedrigte sich selbst, und erst durch diese Selbsterniedrigung bringt er uns auf seine Ebene, lässt er auch für uns eine Begegnung mit ihm zu.
Das Lied geht weiter mit dem Refrain, der sich in allen vier Strophen wiederholt:
Freude, Freude über Freude: Christus wehret allem Leide. Wonne, Wonne über Wonne, Christus ist die Gnadensonne.
„Christus wehret allem Leide“ - da mag mancher nachdenklich werden, denn das Leid bleibt ja, auch wenn hin und wieder von Wunderheilungen erzählt wird. Die Pauschalierung, dass Christus „allem Leide“ wehrt, widerspricht also all unserer Erfahrung.
Ich möchte diese Worte so verstehen: Durch Christus haben wir eine neue Möglichkeit bekommen, mit dem Leid, das sich immer und überall findet, umzugehen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er bereit ist, die Last des Leids mit uns zu teilen, ja, sie von uns zu nehmen. Er kann unsere Last leicht machen.
Das alles geschieht durch die Gnade Gottes – „Christus ist die Gnadensonne“. Nichts davon geht auf unser Konto – es ist alles das Handeln Gottes.
Das kann man wohl auch für das Volk Israel sagen, denn am Anfang steht ja die Erwählung dieses Volkes durch Gott selbst. Es ist also Gott, der den ersten Schritt tut, indem er Abraham herausruft aus der Fülle der Völker und ihn zum Stammvater des Volkes Israel erhebt.
Aber das ist noch nicht Alles, denn mit der Erwählung geht die Zusage einher, dass Gott seinem Volk eine besondere Stellung inmitten der Menschheit gibt. Er macht es zum Zentrum der Welt. Zion ist der heilige Berg, zu dem die Völker wallfahren werden, und Zion ist kein Selbstzweck: er liegt im Zentrum des Volkes Gottes. Auch wenn das über viele Jahrhunderte nicht so war: jetzt ist es wieder so.
Dagegen sehen wir blass aus, auch wenn bis heute diese zentrale Stellung des Volkes Israel kaum erkennbar ist. Die Christenheit hat viel an Anziehungskraft verloren, zumindest in den sogenannten Industrieländern wird das deutlich spürbar.
Die Reaktion darauf ist meist ein ausgeprägter Aktionismus, man will die Attraktivität der Kirche steigern. Dabei werden Instrumente verwendet, die von Marketingstrategen empfohlen werden und in der Wirtschaft Anwendung finden. Ob das der richtige Weg ist?
Kirche ist jedenfalls kein Wirtschaftsunternehmen, auch wenn sie dem von den Strukturen her sehr ähnlich ist. Hinter ihrer Produktpalette, wenn ich mal mit diesen Begriffen aus der Wirtschaft reden darf, stehen nämlich nicht Menschen, die die Produkte herstellen, bewerben und verkaufen, sondern Gott selbst, der sie durch seinen Heiligen Geist umsonst unter die Leute bringt.
Die Menschen, die daran beteiligt sind, sind nur Werkzeuge in der Hand Gottes, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Selbst Menschen, deren Persönlichkeit uns äußerst fragwürdig erscheint, können solche Werkzeuge sein. Dass es so ist, kann ich jedenfalls aus eigener Erfahrung bestätigen.
Gott hat uns allein aus Gnade hinzugefügt zum Volk Gottes, was auch in der zweiten Strophe des Liedes erkennbar wird. Das Blut des Christkindes ist es, das uns erlöst – wir können nichts dazu tun als es annehmen – mehr bleibt uns nicht.
Wenn wir das Handeln Gottes für uns annehmen können, dann können wir es natürlich auch ablehnen. Diese Option gibt es bei unserem Predigttext aber nicht. Wer zum Volk Israel gehört, gehört zu Gott und ist Teil dieser Verheißung: „du sollst heißen „meine Lust“ und dein Land „Liebe Frau“; denn der Herr hat Lust an dir, und dein Land hat einen lieben Mann.“ (Jes 62, 4) Da kann man nicht ausscheren, es ist immer das ganze Volk gemeint, alle Nachkommen Abrahams.
Auch die dritte Strophe unseres Liedes macht noch einmal deutlich, dass es einzig Gott ist, der an uns handelt: „Ich bekenne, dass von dir meine Seligkeit herrührt.“
Auch die Möglichkeit, sich abzuwenden, kommt in den Blick, wenn der Dichter bittet: „so lass mich von dir nicht wanken.“ Im Zentrum steht das Verlangen, bei Jesus zu bleiben, wozu aber Gottes Hilfe nötig ist.
Und die vierte Strophe schließlich wendet sich erneut Jesus zu und bittet ihn, den Weg der christlichen Gemeinde zu begleiten, sie zu erquicken und ihr zu geben, was nötig ist.
Dabei verwendet Christian Keimann das Bild vom Leib Christi, den die Gemeinde darstellt – und das ist nicht nur eine Gemeinde wie etwa die Stiftskirchengemeinde, sondern die weltumspannende Gemeinde aller Christen.
Auch hier finden wir Parallelen zu unserem Predigttext, wo das ganze Volk Israel als Gemeinde Gottes angesprochen ist. Für uns bleibt dies: Gott hat uns sich selbst geschenkt, damit wir seine Kinder heißen können. Er vollendet in Jesus Christus, was er damals mit Abraham begonnen hat, und zieht die ganze Menschheit zu sich. Er bekräftigt diese Gemeinschaft im Heiligen Abendmahl, das wir auch in diesem Gottesdienst feiern.
So mögen wir die Nähe Gottes spüren und dankbar sein Werk an uns annehmen.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9)
Mit Ernst, o Menschenkinder (EG 10)
Wie soll ich dich empfangen (EG 11)
Gott sei Dank durch alle Welt (EG 12)
Wachet auf, ruft uns die Stimme (EG 147)


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