das Kirchenjahr

2. Sonntag nach Epiphanias

Der Freudenmeister

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Röm 12, 9-16

Die Predigt wurde in einem Gottesdienst gehalten, in dem auch Konfirmand(inn)en begrüßt wurden.
Liebe Gemeinde!
Der Apostel Paulus gehört nicht zu den Verfassern in der Bibel, die man leicht und auf Anhieb verstehen kann. Das geht übrigens nicht nur uns so – das war auch damals, zu seinen Lebzeiten – schon so.
Manches Mal verschachtelt er seine Sätze derart, dass man sie mehrmals lesen muss, bevor man richtig verstanden hat, worum es ihm eigentlich geht.
Und der Römerbrief, aus dem wir gerade einen Abschnitt gehört haben, hat es eigentlich besonders in sich, denn darin beschreibt er, was der christliche Glaube bedeutet. Es sind ganz grundsätzliche Fragen, die er da bewegt und zu beantworten versucht, und er will der römischen Gemeinde beweisen, dass er weiß, wovon er redet. Die Sätze sind meist sorgfältig formuliert und kunstvoll aufgebaut, aber eben nichts zum Sofort-Verstehen, sondern zum Nachlesen und Darüber-Nachdenken.
Aber irgendwie scheint das auf diesen Abschnitt gar nicht so richtig zuzutreffen. Wir finden da erstaunlicherweise kurze Sätze und klare Aussagen, die leicht nachvollziehbar sind.
Da könnte man schon erleichtert aufatmen und sich wieder der Tagesordnung zuwenden, denn wir haben ja alle verstanden, was Paulus uns da sagen will. Aber ganz so schnell kann es dann doch nicht gehen. Denn bei der ein oder anderen Aussage taucht vielleicht auch die Frage nach dem „Warum“ auf, und dann könnte man am Ende ja auch noch sagen: ist das nicht ein bisschen viel, was Du da von uns erwartest, lieber Paulus?
Abgesehen davon: vielleicht hat der eine oder die andere ja doch nicht so genau hingehört. Es sind ja eine Menge Dinge, die Paulus da aufzählt, und da kann man schnell mal an einem hängen bleiben und mit seinen Gedanken abschweifen.
Der Brief des Paulus an die Römer ist der letzte der Briefe, die uns von ihm überliefert sind. Er schrieb ihn mit dem Plan im Hinterkopf, selbst nach Rom zu reisen, um die Gemeinde dort zu besuchen. Denn schon zu seinen Zeiten hatte die Gemeinde dort eine herausragende Rolle bekommen.
Natürlich gab es damals noch keinen Papst und auch keinen Vatikan. Aber Rom war die Hauptstadt des römischen Reiches, in dem sie ja alle lebten. Die Stadt war das Zentrum dieses Reiches.
Dort hatte sich also eine kleine, aber nicht unbedeutende christliche Gemeinde gebildet, denn alle Wege führen bekanntlich nach Rom, und so sind natürlich auch Christen aus Israel und den griechischen Provinzen nach Rom gereist, um dort in den Synagogen und unter den Nichtjuden das Evangelium zu verkünden.
In den jüdischen Gemeinden in Rom kam es allerdings zu Widerstand, der in die Öffentlichkeit hinausgetragen wurde und darum den Kaiser Claudius veranlasste, alle Juden aus der Stadt zu verbannen. Dazu gehörten dann natürlich auch die Juden, die Christen geworden waren, solange sie sich zu ihren jüdischen Wurzeln bekannten.
Übrig blieben die sogenannten Heidenchristen, also jene Christen, die ihren Ursprung nicht im jüdischen Volk haben. Doch nach einiger Zeit durften die Judenchristen zurückkehren, und man kann sich vielleicht vorstellen, dass es dann nicht so einfach war, dass Juden- und Heidenchristen wieder zusammenfanden.
Denn die Heidenchristen hatten sich schon deutlich als christliche Gemeinde etabliert, während es so aussah, als ob die Judenchristen nun nur dazu gekommen wären. Dabei war es ja doch umgekehrt: ursprünglich standen die Judenchristen an erster Stelle. Von ihnen wurde das Evangelium auch zu den Heiden, d.h. den Nichtjuden, gebracht.
Manche der Spannungen zwischen Juden- und Heidenchristen kann man auch aus dem Römerbrief erkennen, z.B. wenn Paulus die Heidenchristen vor Überheblichkeit gegenüber den Judenchristen warnt (Röm 9-11).
Paulus' Anliegen ist es natürlich, dass es nicht zu Spaltungen kommt, sondern dass alle Christen, ganz gleich woher sie kamen und welchen Ursprung sie in religiöser Hinsicht hatten, geschwisterlich miteinander umgehen und einander respektieren und anerkennen.
Und so kommt er auch zu dem Abschnitt, den wir als Predigttext gehört haben und der auch für Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmandinnen, ein Leitfaden sein kann für den Konfirmandenunterricht, aber auch für Euren gesamten Lebensweg.
An erster Stelle steht die Liebe – denn Gott hat uns selbst in Jesus Christus seine unermesslich große Liebe bewiesen. Jesus Christus kam in die Welt, um uns mit Gott zu versöhnen – damit nichts mehr zwischen Gott und Mensch steht. Er war bereit, den Tod zu erleiden am Kreuz, obwohl ihn keine Schuld traf. Er nahm damit vielmehr unsere Schuld auf sich und schenkte uns Gottes Nähe. Das Kreuz ist die Brücke über dem Graben, der bis dahin zwischen Gott und Mensch bestand.
Gott verlangt nicht mehr, dass wir uns selbst darum bemühen, diesen Graben zu überbrücken. Die Menschen versuchten immer wieder, dies durch Opfer und strikte Befolgung der Gebote Gottes zu erreichen.
Doch Gott weiß, dass wir bei dem Versuch immer wieder scheitern würden. Darum kam er in Jesus Christus in die Welt und schlug selbst diese Brücke, damit wir nur noch hinüber zu gehen brauchen.
Das ist die Liebe Gottes zu uns Menschen: Er tut, was wir schuldig wären.
Wichtig ist zu verstehen, dass Gott diese Liebe nicht einigen ausgewählten Menschen zuteil werden lässt. Sie gilt vielmehr allen Menschen.
Das Wissen darum reflektieren wir in unserem Verhalten zueinander. Wir erkennen in unserem Gegenüber immer einen Menschen, den Gott liebt, und darum können wir eigentlich nicht anders als einander lieben.
Wenn Paulus dabei von „brüderlicher“ Liebe redet, dann meint er immer die geschwisterliche Liebe, die Menschen miteinander auf ganz eigene Weise verbindet.
Sicher, mit Geschwistern ist es nicht immer einfach – ich habe vier Geschwister, und während ich mich mit ihnen jetzt ganz gut verstehe, war das, als ich im Konfirmandenalter war, durchaus nicht so. Wenigstens einer von ihnen hat mich immer irgendwie genervt, wir haben gestritten und uns manchmal auch geprügelt. Aber irgendwann wurde das anders. Ich sah in meinem Bruder nicht mehr einen Rivalen oder gar Feind, sondern – eben – meinen Bruder.
Ich weiß andererseits von Familien, wo das nicht so ist, wo Geschwister bis ins hohe Alter hoffnungslos zerstritten sind.
Das soll aber nicht unser Vorbild sein. Geschwister gehören zueinander, sie können eigentlich nicht voneinander getrennt werden, und wenn es doch aufgrund von Streitigkeiten geschieht, dann ist das nicht nur bedauerlich, sondern es widerspricht dem Willen Gottes, der uns alle zu Versöhnung und Frieden untereinander auffordert.
Durch Christus, so sagt Paulus, sind wir also alle zu Geschwistern geworden. Denn wir sind alle durch ihn Kinder Gottes, und das macht uns natürlich auch zu Geschwistern. Jesus ist unser Bruder geworden, damit wir Gottes Kinder sein können. Und so ruft uns Paulus auf, genau so zu handeln, wie es den Kindern Gottes entspricht. Und das bedeutet: unserem Mitmenschen mit Liebe und Respekt begegnen.
Einer komme dem anderen mit Ehrerbietung zuvor“ (Röm 12, 10b). Ehrerbietung meint nichts anderes als die Würde unserer Mitmenschen als Kinder Gottes anzuerkennen. Und wenn Paulus uns auffordert, dem Herrn zu dienen (Röm 12, 11c), dann meint er damit auch den Dienst am Nächsten. Denn Jesus Christus hat ja selbst gesagt: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan (Mt 25, 40b). Jesus begegnet uns in unseren Mitmenschen, und auch das spiegelt sich in unserem Verhalten wider.
Nun könnte man meinen, dass sich diese Aufforderung zu einem Leben in geschwisterlicher Liebe nur auf die beschränkt, die auch getauft sind und sich zur christlichen Gemeinde halten. Aber das stimmt nicht ganz, im Gegenteil:
Segnet, die euch verfolgen, segnet und flucht nicht!“ (Röm 12, 14), schreibt Paulus.
Da geht es mit der Liebe noch viel weiter, denn sie schließt die mit ein, die uns Schaden zufügen wollen. Die Aktion des Kaisers Claudius war damals solch ein Verfolgungsakt. Aber auch sonst gab es immer wieder Übergriffe gegen die Christen, so wie heute in manchen islamischen Ländern.
Paulus sagt nicht nur, dass wir die Menschen, die so etwas tun, in Ruhe lassen sollen, sondern er erwartet von uns, dass wir sie auch noch segnen. Dass das nicht immer einfach ist, vor allem für die, die solche Übergriffe erleiden, kann ich mir vorstellen. Mit dem Segen stellen wir auch diese Menschen unter den Schutz und Beistand Gottes. Wollen wir das wirklich?
Aber schauen wir einmal von der anderen Seite: genauso wie der Segen die gute Kraft Gottes über einen Menschen bringt, so kann ein Fluch das genaue Gegenteil bewirken. Ein Mensch, der verflucht wird, wird dem Bösen übergeben, und er wird ewig weitermachen mit dem, was er uns zuvor schon angetan hat, denn er wird vom Bösen geleitet. Ist da der Segen nicht tausendmal besser?
Habt also keinen Groll gegen irgend jemanden, sondern hegt nur versöhnliche Gedanken, auch wenn es schwer fällt. Seid bereit, zu segnen, und segnet den, der euch verflucht. Ihr werdet staunen: das macht das Leben ein ganzes Stück einfacher.
Eigentlich im Zentrum unseres Predigttextes steht aber noch etwas anderes:
Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet. (Röm 12, 12)
Hier beschreibt Paulus die Grundhaltung eines Christenmenschen, und er macht zugleich deutlich, dass das Leben alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Das wisst auch Ihr schon, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden: schlechte Noten, Ärger mit den Eltern, weil die nicht wollen, was ihr gerne möchtet, unerfreuliche Begegnungen, Ungerechtigkeit, das alles und noch viel mehr kann ganz schön belastend sein.
Paulus hält zunächst dagegen, dass wir eine Hoffnung haben, die auf etwas hinweist, das alles, was wir erfahren können, übersteigt. Wir hoffen auf die erfahrbare Gemeinschaft mit Gott. Da wird es keine Trauer mehr geben, keinen Streit, kein Unrecht, kein Leid, kein Schmerz. Gott ist da, er macht alles neu, und das heißt: er lässt alles gut werden.
Kürzlich hatte ich ein Gespräch mit einem Menschen, dem ich zufällig begegnete und der sagte: wenn es das Böse nicht gibt, können wir das Gute auch nicht mehr erfahren, denn wir wissen ja nicht, dass es gut ist, weil wir keine Vergleichsmöglichkeit mehr haben.
Damit mag er wohl recht haben. Aber dass etwas schön ist, wissen wir nicht erst, weil es auch das Hässliche gibt. Vielmehr rührt uns die Schönheit sofort an, und wir wissen nicht, warum. Und so ist es auch, wenn die Gemeinschaft mit Gott wieder vollkommen hergestellt ist: wir erfahren das Schöne dieser Gemeinschaft, und wir können darüber eigentlich nur staunen und uns daran erfreuen, brauchen aber auch nicht mehr die Erfahrung der Gottesferne, um das Besondere dieser Nähe Gottes zu begreifen und zu empfinden.
Es kann also auch Freude geben, wenn es nichts Böses mehr gibt und keine Trauer mehr. Und darauf hoffen wir, denn es ist uns versprochen durch Jesus Christus selbst. Und weil wir diese Hoffnung in uns tragen, darum sind wir auch fröhlich.
Die Fröhlichkeit gehört zur Natur eines Christenmenschen, auch wenn es mal Zeiten der Trauer geben kann. Doch dazu sagt uns Paulus dann: „seid geduldig in Trübsal“ (Röm 12, 12b). Habt Geduld, denn die Trübsal wird nicht ewig dauern. Am Ende steht immer das Ziel unserer Hoffnung, die Gemeinschaft mit Gott.
Auch in der Trübsal ist Gott uns nahe, so wie es der 23. Psalm beschreibt: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bis bei mir (Ps 23, 4). Auch wenn es finster ist und wir ihn nicht erkennen können, wissen wir doch, dass er da ist, und können darum geduldig ausharren, bis wir aus der Trübsal heraus sind.
Das dritte in diesem zentralen Vers ist die Aufforderung zum Gebet. Und das nicht nur einmal in der Woche im Gottesdienst. Vielmehr sagt Paulus: Seid beharrlich im Gebet.
Vor einigen Wochen habe ich begonnen, in der Gebetskapelle im Dom Zettel auszulegen, wo Besucher ihre Gebetsanliegen aufschreiben können. Diese Gebetsanliegen nehme ich dann in meine Fürbitte auf. Und immer wieder erlebe ich es, dass dann eines Tages da ein Zettel liegt, auf dem ein Dank steht: „Es hat geholfen!“, oder schlicht ein großes „Danke!“.
Das ist der Grund, warum uns Paulus zur Beharrlichkeit im Gebet auffordert, denn durch das Gebet können wir tatsächlich diese Welt verändern. „Bittet, so wird euch gegeben“ (Mt 7, 7a), hat Jesus einst gesagt, und darauf sollten wir vertrauen und das Gebet nicht unterschätzen.
Paulus skizziert mit wenigen Worten, was es bedeutet, Christ zu sein und wie wir als Christenmenschen unser Leben gestalten können. Ich wünsche Euch, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, und allen, die heute hier sind, dass Ihr die Kraft und den Segen Gottes erfahrt bei allem, was Euch widerfährt.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Jesus ist kommen, Grund ewiger Freuden (EG 66)
Herr Christ, der einig Gotts Sohn (EG 67)
Freut euch, ihr lieben Christen alle (EG 129)
Geist des Glaubens, Geist der Stärke (EG 137)
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen (EG 241)
Jesu, der du bist alleine (EG 252)
Erneure mich, o ewigs Licht (EG 390)
In dir ist Freude in allem Leide (EG 398)
Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt (EG 413)


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Predigtvorschläge zu Reihe II - Jer 14, 1(2)3-4(5-6)7-9

Liebe Gemeinde!
Es herrscht offensichtlich eine große Dürre im Land. Die Felder liegen brach; die Tiere japsen, als ob sie eine große Anstrengung hinter sich hätten; die Menschen trauern. Es ist interessant, wie diese Situation vom Propheten Jeremia beschrieben wird. Judas Städte sind verschmachtet - sie sitzen trauernd auf der Erde. Die Großen, die sich wohl noch Kühlung zufächern lassen, schicken ihre Bediensteten los, um Wasser zu holen - normalerweise haben sie im Bereich ihrer Häuser eigene Brunnen, die besser gepflegt sind als die öffentlichen, aber auch die haben kein Wasser mehr. Die Erde lechzt - man kann sich vorstellen, wie das Regenwasser durch die Risse, die sich in der trockenen Erde aufgetan haben, schnell im Erdreich versickert. Aber es regnet nicht.
Die Risse in der Erde sind wie ein geöffneter Mund, der nach dem Wasser lechzt.
Bauern verlieren ihre Hoffnung. Menschen werden traurig, wenn sie durstig sind. Das ist merkwürdig. Ich kenne es aus Indien, wie es ist, wenn die Sonne glühend heiß auf einen hernieder brennt und man nichts zu trinken hat. Aber länger als einige Stunden musste ich nie ohne Wasser auskommen. Traurig wurde ich also nicht.
Diese Menschen nun haben nichts, womit sie ihre Felder wässern können. Was sie irgendwo noch auftreiben, reicht gerade, um den schlimmsten Durst zu stillen. Man wird melancholisch, regungslos, kauert sich in den Schatten und wartet auf den Regen. Man kann nicht mehr arbeiten. Ja, man wird traurig, wenn nichts Grünes mehr wächst, weil man auch keine Zukunft mehr sieht. Wie soll es weitergehen, wenn es nichts zu ernten gibt? Wie soll man sich ernähren, wenn auch das Vieh verschmachtet?
Und nun betet Jeremia. Er sieht die anhaltende Not, er sieht, wie die unschuldige Kreatur leidet, und betet. Er bittet nicht. Zumindest nicht so, wie es normalerweise geschieht. Dieses Gebet ist anders.
Zunächst weist er auf die Sünden des Volkes, auf die eigenen Sünden, hin. „Wenn unsere Sünden uns verklagen“ - wie können Sünden das tun?
Ich erinnere mich an meine Kindheit und bemerke es auch heute an unseren eigenen Kindern: es passiert leicht, dass man mal was falsch macht, gewollt oder ungewollt. Jedenfalls hat man Schaden angerichtet, und man möchte es vielleicht ungeschehen machen. Oder wenigstens dafür sorgen, dass man nicht damit in Verbindung gebracht wird. Man tut so, als wäre nichts geschehen. Es wird schon vergessen werden - so hofft man wenigstens.
Aber so geht es eben nicht. Das Geschehene ist geschehen. Es lässt sich nicht ungeschehen machen. Und es klagt an. Ob man nun irgendwie herausfinden wird, wer es war, oder nicht, spielt gar keine Rolle: da ist es. Vertrauen ist gebrochen, Schuld ist da, auch wenn niemand sie auf sich zu nehmen bereit ist. Sie klagt an.
So hilf doch um deines Namens willen.“ Jeremia fädelt es geschickt ein. Menschen würde er damit wohl beeindrucken können.
Dazu nimmt er Gott gewissermaßen den Wind aus den Segeln - er hat Schuld bekannt. Dieses offene Schuldbekenntnis muss Gott dazu bringen, eine wohlwollende Haltung einzunehmen. Denn durch das Schuldbekenntnis gibt es zwar noch Grund zur Strafe, aber die kann nicht dafür ausgesprochen werden, dass der Mensch die Verantwortung nicht übernehmen will oder dass er das Vertrauen gebrochen hat. Hier ist der Versuch, das Vertrauen wieder her zu stellen, indem Jeremia nicht versucht, die Sünde zu verbergen, sondern im Gegenteil sie auf den Präsentierteller legt und sagt: hier ist sie. Ist diese Sünde ein Grund dafür, dass du dich nicht mehr sehen lässt?
Die protestantische Kirche hat die Beichte so gut wie verdrängt. Vor einer Abendmahlsfeier gibt es vielleicht noch ein offenes Schuldbekenntnis, aber auch da wird oft darauf verzichtet. Der Gottesdienst könnte ja zu lang werden. Für Martin Luther war die Beichte ein ganz wesentlicher Bestandteil prtestantischer Gottesdienstpraxis. Und das Beispiel des Jeremia lässt erkennen, dass es nicht falsch ist, Sünde zu bekennen und um Vergebung zu bitten. Im Gegenteil: es hilft, den Kontakt zu Gott herzustellen.
Nachdem Jeremia das getan hat, fordert er Gott heraus: Du hast einen Namen. Du hast einen bedeutenden Namen. Du bist der Gott, der das Volk Israel groß gemacht hat, der es aus Ägyptenland heraus führte und ihm dieses Land gegeben hat. Alle Länder weit und breit haben hierher aufgeschaut, haben die Freundschaft der Könige David und Salomo gesucht, weil sie so mächtig waren. Du, der Gott Israels, stehst mit deinem Namen ein für dieses Volk, für dein Volk.
Das Gebet geht weiter: Jeremia wirft Gott vor, dass er sich stellt, als wäre er nicht da. Der Allgegenwärtige sollte nicht hier sein und das Elend seines Volkes ansehen? Er soll nur eine kurze Stipvisite machen und dann verschwinden? Das kann doch nicht sein. Wo bleibt die Allmacht und Allgegenwart, von der in der ganzen Welt geredet wird?
Der Held soll plötzlich Angst haben, der, der unzählige Heere geschlagen hat, der das Volk durch das Schilfmeer führte und der ganze Städte vernichtete, sollte sich nicht trauen? Gibt es so etwas überhaupt? Ist Heldentum und Angsthaben nicht ein Widerspruch in sich?
So ist es, und also will Jeremia Gott auch mit diesen Worten herausfordern, gewissermaßen aus der Reserve locken und bei seinem Ego packen: Du bist der Größte, das bekenne ich, denn ich weiß es, und darum kannst du nicht so tun, als wärst du es nicht.
Dürfen wir so mit Gott reden? Ja, natürlich dürfen wir das. Wir müssen es sogar. Denn auf diese Weise wird auch unser Vertrauen in die Barmherzigkeit und Liebe Gottes deutlich. Und solches Vertrauen nennt man Glaube. Der Glaube trägt unsere Gebete zum Himmel.
Viele Male habe ich als Liturg während des Studiums den letzten Satz unseres Predigttextes in der Complet, dem Nachtgebet, gesungen: Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen. verlass uns nicht! (Jer 14, 9; EG 786.6) und die Gemeinde antwortete: „Gott sei ewig Dank“.
Du bist unter uns, Herr. Natürlich bist du das. Denn du bist ja allgegenwärtig. Du stehst zu uns, zu deiner Schöpfung. Du hast uns zwar so gemacht, dass wir Fehler machen können. Aber wenn wir dich um Vergebung bitten, dann wirst du uns vergeben. Du wirst uns nicht verderben lassen.
Darum schickt die Gemeinde in der Komplet das „Gott sei ewig Dank“ hinterher, denn damit bringt sie zum Ausdruck, dass es keinen Zweifel gibt: Gott ist der Barmherzige und Gnädige. Er ist da, auch wenn es gerade nicht zu spüren ist, etwa im Dunkel der Nacht.
Du bist ja doch unter uns, Herr.
Fairerweise muss ich wohl sagen, dass der Text weitergeht mit einer Antwort Gottes. Und diese Antwort fällt nicht so aus, wie es sich das Volk gewünscht hat. „Ich denke an eure Missetat und will eure Sünden heimsuchen.
Aber es ist eine Antwort, Gott reagiert, er bleibt nicht stumm und zurückgezogen, und es entbrennt nun ein leidenschaftliches Gespräch zwischen dem Propheten und Gott, wobei der Prophet immer wieder die Gnade Gottes erbittet.
Gott ist da, daran kann kein Zweifel bestehen. Es gibt eine Antwort auf unsere Gebete dann, wenn wir diese Tatsache ernst nehmen und nicht glauben, erst versuchen zu müssen, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Gott ist gegenwärtig, auch jetzt, hier, mitten unter uns.
Du bist ja doch unter uns, Herr, und wir heißen nach deinem Namen. Verlass uns nicht! - Gott sei ewig Dank!
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Wenn meine Sünd mich kränken (EG 82)
Gott, der Vater, steh uns bei (EG 138)
Nimm von uns, Herr, du treuer Gott (EG 146)
Was mein Gott will, gescheh allzeit (EG 364)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - Ex 33, 18-23

Liebe Gemeinde!
Manchmal komme ic hier in die Kirche, setze mich an einen Platz und versuche, still zu werden. Das gelingt besonders gut, wenn sonst niemand in der Kirche ist. Aber dann wird es in mir unruhig, undich frage mich: warum suchen nicht mehr Menschen einen Ort der Stille, so wi diese Kirche, auf?
Andererseits gibt es natürlich auch Zeiten, wo es hiergar nicht still ist. Irgend jemand unterhält sich oder erklärt gerade irgendeine Besonderheit, es findet gerade eine Führung statt, oder es wird umebaut oder sauber gemacht, oder das Belüftungs- und Heizsystem macht lautstark auf ich aufmerksam.
Doch wenn ich dann die Augen schließe, werden die Geräusche imme leiser, und irgendwann wird es ganz still.
Auch in mir. Oder nur in mir? Das weiß ich gar nicht so genau. Jedenfalls ist das dr Zeitpunkt, wo ich anfangen kann zu beten, mit Gott zu reden.
Und währenddessen kommt mir manchmal auch die Bittedes Mose in den Sinn:
Lass mich deine Herrlichkeit sehen!
Denn es scheint mir, als wäre ich in solch einer Situation nah dran: weit weg von dem Lärm des Alltags, mit ein bisschen Glück auch frei von ablenkenden Gedanken, ganz auf Gott konzentriert.
HabenSie so etwas auch schon erlebt? Oder wenigstens den Wunsch verspürt, die Herrlickeit Gottes zu sehen?
Natürlich darf die Frage erlaubt sein, ob solch eine Bitte nicht vermessen ist. Dnn es wäre ja ein außerordentliches ivileg, wollte Gott mir diese Bitte gewähren. Und ist Mose nicht eine herausragnde Persönlichkeit, auf besondere Weise von Gott berufen, während ich als ganz gewöhnicher Sterblicher gar nicht das Recht habe, solche Gedanken und Bedürfnisse zu äußrn?
Nun, wenn ich es genau betrachte, stehe ich in einer ganz ähnlichen Situaion wie Mose.
Da sind ja zunächst die Worte Gottes: „Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ch kenne dich mit Namen.“ Ist das ein Privileg, das nur Mose für sich in Anspruch nehmen kann?
Nein. Denn as ist es, was Gott zu uns spricht, wenn wir getauft werden. Alles, was in der Taufe gescieht, dreht sich darum: die Gnade Gottes, mit der wir befreit werden von all unserer Schuld (Mose muste immerhin noch regelmäßig Opfer darbringen lassen, um die Schuld zu sühnen), und dan die Ausrufung des Namens vor Gott, damit er ihn in das Buch des Lebens einschreibt. Beides ist da, so wie bei Mose, und es gilt für uns alle: wir haben Gnade vor Gotte Augen gefunden, und er kennt jeden einzelnen mit Namen.
So ist Gott, durch Jesus Christus.
Da sollten wir nichtdie gleiche Bitte wie Mose äußern dürfen?
Doch, wir dürfen.
Aber trotz der idealen Situation, der Stille und so vielem, was einem das Gefühl vermittelt, dass man persönlich Gott ganz nah ist – nicht nur in dieser Kirche, sondern natürlich in jeder Kirche – wird diese Bitt nicht erfüllt.
Und dann muss ich auch wieder an Mose denken.
Er darf Gottes Angsicht nicht schauen.
Und mir kommt in den Sinn, was ich oft denen sage, die von mir mehr über Gott wissen wollen: es wäre völlig falsch, ihn mir wie einen Menschen vorzustellen.
Das kann ich zwar, wenn ich an Jesus denke, aber Got ist kein Mensch, auch wenn es am Anfang der Bibel heißt, dass er den Menschen zu seinem Bilde schuf.
Damit sind wohl doch eher die Möglichkeiten gemeint, di Gott uns mitgegeben hat, die Freiheit und Grenzenlosigkeit, die uns gottähnlich macht und manche Menschen auch glauben lässt, sie seien allmächtig ud könnten sich alles erlauben.
Es scheint dann doch sehr archaisch, wenn Gott wie ein ensch beschrieben wird: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.
Nun könnte man sagen, dass dasein Beweis dafür ist, dass Gott nur erfunden ist, dass es ihn in Wahrheit gar nicht gibt. Gott sei immer nur eine Erfindung der Menschen, weil sie mit ihrer Begrenztheit sonst ncht zurecht kommen könnten.
Aber ich würde dann doch eher dahin tendieren, zu sagen, ass man in der damaligen Zeit eher dazu neigte, sich Gott wie eine Person vorzustellen. Das ist das typische Bild eines Kindes, und auch Konfirmandinen und Konfirmanden antworten auf die Frage, wie sie sich Gott vorstellen, ganz ähnlich. nd da wir sonst keine Möglichkeit hätten, uns Gott vorzustellen, warum dann nicht hin ud wieder wenigstens so?
Aber kurz bevor Gott diese Worte sagt, dass Mose sein Angesicht nict sehen könne, gibt es noch eine andere Aussage: „Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen“.
Und das ist nicht die Herrlichkeit, es ist auch nicht das Angesicht Gottes. Plötzlich wird Gott trnszendiert, er ist nicht mehr Mensch-ähnlich, sondern so wie Johannes in seinem 1. Brief mit den Worten „Gott ist die Liebe
“ (1. Joh 4, 16b) schreibt, ganz abstrak. Er ist etwas, was man nur beschreiben und spüren, aber nicht wirklich sehen oder fassen kann. Und so könnte man auch hir aus dem Gesagten folgern: „Gott ist die Güte“. Und die lässt sich nicht fassen, sie lsst sich nur beschreiben und erfahren, aber nicht mit unseren Sinnen, sondern mit unsere Sein.
Gott ist die Güte: Das passt schon, wenn man die Geschichte des Volkes Israel, desauserwählten Volkes Gottes, bis dahin betrachtet: angefangen bei Abraham, der aus seiner Familie herausgerufen wird und der entgegenallem, was wir wissen, der Stammvater des Volkes Israel wurde, über die Josefgeschichte, in der sch eine Katastrophe nach der anderen in Segen verwandelt, bis zur Bewahrung, als die Ägypter on den Plagen heimgesucht werden, und schließlich die Freiheit, die das groß gewordene VolkGottes auf den Weg in das verheißene Land bringen wird.
Gottes Güte war da natürlich immr wieder erfahrbar geworden, und nun sollte Mose sie auch sehen dürfen. Wie das wohl geht? Ich weiß es nicht. Und die Bibel erzählt es auch nicht. Sie erzählt es anders, wieder mit arhaischen Denkmustern: Gott als Mensch, mehr oder weniger, als räumlich begrenztes Wesen.
nd dann doch anders.
Es ist ein Raum bei mir“, sagt er zu Moe, und diese Worte lassen mich nachdenklich werden. Was für ein Raum ist das? Gott als der Allmächtige und Allgegenwärtige hat überall Räume. Von was für einem Raum ist hir die Rede?
Man könnte an den brennenden Dornbusch denken, wo es dann ja heißt: „zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land.“ (Ex 3, 5)
Gottesnähe.
Die Orte, wo wir die Näe Gottes erfahren, sind heilige Orte. Und von solch einem Ort redet Gott, wenn er sagt: es ist ein Raum bei mir.
Raum bei Gott – man muss aufpassen, nicht in die archaischen Muster zurück zufallen und sich Gott als räumlich begrenztes Wesen vorzustellen. Solche „Räume bei Gott“, davon bin ich überzeugt, gibt es für jeden uner uns, also im Grunde überall, und sie werden für jeden anders sein, sich anders zeigen.
In er Mose-Erzählung kann man natürlich eine Verbindung zum Berg Horeb herstellen und folgern, das irgendwo auf diesem Berg dieser Raum ist, von dem Gott spricht. Aber ich glaube, dass da mehr gemeint ist, und vorallem: anderes.
Der Raum bei Gott ist nicht fixierbar, er kann nicht mit irgendwelchen Koodinaten lokalisiert werden. Er ist vielmehr immer da, wo Menschen bereit sind, sich ganz auf Gott einzulassen. Für solche Menschen hat Gottauch solch einen Ort bereit.
Das kann zu Hause sein, es kann aber auch in einem Bus sein, oer an einer Straßenecke, oder… denn Gott ist ja allgegenwärtig.
Aber wir wissen: nicht jeder Ort liefert die Rahmenbedingungen, die einem dazu helfn, die Nähe Gottes zu erfahren. Auch wenn es die Straßenecke sein kann: nur wenige Menschen würden es dort überhaupt erst versuchen
Und darum möchte ich wieder zurück kehren zu dem, was ich am Anfang geschildert habe. Dennsolche Orte, Räume bei Gott, sind auch und besonders die Kirchen.
Sie sind es nicht ausschließlich, und sie sind es auch niht für jeden, der eine Kirche betritt. Aber sie bieten die Rahmenbedingungen, die uns helfen, die Nähe Gottes zu spüren und ihn zu erkennen.
Darum bin ic sehr dankbar, dass der Kaiserdom und auch die Stadtkirche und manche andere Kirche zumindet tagsüber offen sind und so allen Menschen die Möglichkeit bieten, still zu werden und sich Gott zu nähern.
Ein Gemeindeglied könnte die Verantwortung des Auf- und Zuschließens übernehmen und ein größerer Kreis könnte verabreden, selbst öfter in die offene Kirche zu gehen.
„Es ist ein Raum bei mir“, hat Gott zu Mose gesgt, und ich glaube, dass Gott solche Worte auch anderen Menschen sagt und sie vielleicht dann auch auf unsere Kirchen hinweist.
Wie traurig ist es, wenn die Klinke iner Kirchentür gedrückt wird und sich die Tür dann nicht auftut, sondern hartnäckig Widerstand leistet und dem Besucher förmlich entgegen ruft: Hier darfst du nicht herein, dieer Ort ist nur einmal in der Woche zugänglich für die, die sich strikt an den Zeitplan halten.
Ich kann mir denken, dass da viel Angst vor Vandalismus und Diebstahl im Weg steht, aer dort, wo Kirchen offen sind, auch ohne Aufsicht, zeigt sich, dass diese Angst unbegründet ist. Es gehört etwas Gottvertrauen azu, diesen Schritt zu wagen, aber davon sollten wir eigentlich eine Menge, auf jeden Fall enug haben.
Auch wenn nicht wir es sind, die bestimmen, wo der Raum Gottes für einen Menchen ist: Es ist schon viel wert, wenn wir die Möglichkeit eröffnen, einen solchen Raum zu finden. Mehr wollen Kirchen nicht sein. Aer das können sie sein, und darum sollten sie auch nicht den suchenden Menschen verschlossn bleiben.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Öffne meine Augen/Die Gott suchen (EG 176)
Gott wohnt in einem Lichte (EG 379)
Vertraut den neuen Wegen (EG 395)
Tragt in die Welt nun ein Licht (EG 588)


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