das Kirchenjahr

1. Sonntag nach Trinitatis

Apostel und Propheten

Predigtanregungen

Der 1. Sonntag nach Trinitatis hat die Apostel und Propheten zum Thema. Gott sendet und wählt einzelne Personen, die er mit einem Auftrag ausstattet. Diese Personen sollen Gottes Botschaft weitertragen. Oft ist diese nicht einfach, sondern anstössig, so dass die Personen immer wieder auf Widerstand stoßen. Dennoch oder eher gerade deswegen gehören Apostel und Propheten zum Gesamtbild des christlichen Glaubens, denn sie helfen, sich auf Gottes Willen zu besinnen. Allerdings muss man sich hüten vor „falschen Propheten”, die den Glauben an die Existenz solcher Menschen mißbrauchen und schamlos ausnutzen.

Zu den Perikopen

  • I: Joh 5, 39-47

    Jesus redet „die Juden” an, eine unzulässige Generalisierung, die nur aus den Umständen, in denen Johannes selbst lebte und sein Evangelium schrieb, heraus zu verstehen ist. Mit dieser Generalisierung ist es jedoch leichter, die gemachten Vorwürfe auf uns selbst zu beziehen, da es keinen ganz spezifischen Zusammenhang mehr gibt.
    Interessant und bemerkenswert ist der Vers 44:„Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?” Dieser konkrete Vorwurf gilt uns auch heute.
    Es geht um Ehre, die wir für uns selbst suchen. Es ist uns bekannt, dass das, was wir sind und haben, von Gott kommt. Immer mehr lösen sich die Menschen von dieser Vorstellung und glauben, dass ihre Erfolge und Fortschritte auf ihre eigenen Bemühungen zurückzuführen sind. Das mag sein, zumindest bis zu einem gewissen Grade. Das Leben aber beginnt lange vorher, und auf die eigene Zeugung und Geburt hat man keinen Einfluß. Die nachfolgenden Umstände, welche Freunde man kriegen kann, das Elternhaus usw., sind alles Dinge, die man nicht selbst bestimmt. Nur ein geringer Teil der Lebensumstände kann man dann selbst wählen, wie die Berufsausbildung usw. Die eigene Geburt, die Gaben, die man da schon mitbekommen hat, sind Gottes Verdienst. Dementsprechend gebührt ihm die Ehre für die eigenen Leistungen, da von ihm die Möglichkeiten, die man jetzt wahrnehmen kann und die zum Erfolg führen, kommen.
    Im kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang steht der Text durch die Bezüge auf die Schrift, die selbst ein „Prophet” ist, und auf Mose, der wiederum von Jesus geschrieben hat (wo, ist schwer auszumachen, aber die allegorische Auslegungsmethode der damaligen Zeit erlaubte eine solche Aussage). Allerdings liegt der Schwerpunkt auf der Frage nach dem Glauben. Wie ist Glaube an Jesus möglich, wenn ihr nicht Mose und den Schriften glaubt? Auch der Vers 44 redet vom Glauben. Der Glaube ist hier nicht Vorbedingung für das Verstehen, sondern Kosequenz: wenn ihr die Schriften lest und die Propheten hört, müßt ihr auch an Jesus glauben. Jesu Zeichen sind dazu gar nicht nötig, denn alles Nötige ist schon gesagt. ihr müßt dem nur glauben, d.h. darauf vertrauen, dass es wahr ist.
    Das fällt schwer, vor allem dann, wenn die bemühten Aussagen des „Alten” Testamentes bei Einsatz der Vernunft eindeutig nicht auf Jesus hinweisen. Es gibt aber zahlreiche weitere Zeugnisse, auch die aus unserem eigenen Leben, ganz banale Dinge (wie z.B. die Umstände des eigenen Lebens), die auf Gott hinweisen. Diese in der Predigt hervorzuheben, scheint aufgrund dieses Predigttextes angemessen zu sein.

  • II: Apg 4, 32-37

    Viele sind der Ansicht, dass mit diesem Text ein Idealbild gemalt wird, das auch damals kurz nach Entstehung der ersten christlichen Gemeinde nicht der Realität entsprach. Ob das wirklich so ist, lässt sich nicht feststellen. Ich möchte gerne davon ausgehen, dass es so war, wie es hier dargestellt wird. Denn auch wenn es nur ein nicht erreichtes Ideal ist, so ist es doch ein erstrebenswertes Ideal. Oder nicht? Es liegt der Vergleich mit den Idealen des Kommunismus nahe, die nie erreicht wurden. Warum sollte es unter Christen anders sein? Ich möchte gegenfragen: Warum sollte es unter Christen nicht anders sein?
    Es wird eine Gemeinde vorgestellt, in der niemand übervorteilt, in der jede Person in gleicher Weise geachtet und respektiert wird. Es gibt heute viele geistliche Gemeinschaften, die versuchen, nach diesem Ideal zu leben, und es auch mehr oder weniger gut schaffen. Fast allen ist die Gütergemeinschaft vertraut als die Basis einer Gemeinschaft, in der niemand hungert, aber auch niemand übermäßig viel besitzt. Es ist also möglich, dieses Ideal zu leben. Und wenn es praktisch nicht umsetzbar ist, weil niemand da ist, der mitmacht, dann kann man wenigstens versuchen, für sich so zu leben und seine Mitchristen nicht aus dem Blick zu lassen.
    So kann für die Predigt gelten:

    • Vermitteln, dass christlicher Glaube nie nur Privatsache ist
    • Vermitteln, dass der Wert eines Menschen sich nicht durch seinen Besitz definiert, sondern durch seine Bereitschaft, die Nöte seiner Mitmenschen zu erkennen und ihnen abzuhelfen, soweit es ihm möglich ist
    • Vermitteln, dass Christsein die Verheißung beinhaltet, zu einer Gemeinschaft zu gehören, in der alle füreinander da sind.

    Da es in unserer Gesellschaft ein geringes Gefälle und ein sehr gutes soziales Sicherungsnetz gibt, empfehle ich, den Blick auf Christen in Entwicklungsländern zu lenken, die genauso zur christlichen Kirche gehören wie wir. Hier kann es sinnvoll sein, den Blick auf Organisationen zu lenken, die sich der Förderung und Unterstützung der Menschen in solchen Ländern widmen, wie etwa Brot für die Welt oder die Kindernothilfe. Hier muss man allerdings ehrlicherweise auch darauf hinweisen, dass sich deren Hilfe über die Grenzen der christlichen Gemeinde hinaus ausdehnt. Eine Organisation, die sich Christen zuwendet, die in Unterdrückung und Verfolgung leben und deswegen oft um ihre Existenz bangen müssen, ist z.B. Open Doors.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird darin erkennbar, dass hier die Kirche der apostolischen Zeit sichtbar wird. In der Schilderung wird die Frucht der Verkündigung der Apostel erkennbar.

  • III: Jona 1,1 - 2,2(3-10)11

    Die kirchliche Tradition sieht die Geschichte des Jona im Zusammenhang mit dem Leiden und Sterben Jesu und hat sie darum auch den Tagen vor Ostern zugesellt. Mit der neuen Perikopenordnung von 2018 hat dieser Text nun auch hier seinen Platz gefunden. Um so wichtiger wird es sein, den kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang zu beachten. Doch zunächst zur Perikope:
    Es wirft Fragen auf, warum die Geschichte des Jona Aufnahme in die Bibel gefunden hat. Wer ihr Ende kennt, ahnt, dass es hier im Grunde nicht um die Einwohner Ninives und auch nicht um Jona geht, sondern darum, dass Gottes Souveränität erkannt und respektiert wird. Doch davon erfahren wir in der vorliegenden Perikope nicht so viel. Der Schwerpunkt liegt, ganz dem Thema dieses Sonntags gemäß, auf der Person des Propheten Jona. Prophet wider Willen, muss man wohl sagen, denn Jona ist ja nicht bereit, den Auftrag Gottes auszuführen. Er flieht - als ob man vor Gott fliehen könnte - nur um zu erkennen, dass das nicht gelingen kann. Sind dies die Züge eines Propheten? Wohl kaum. Wir erkennen einen Menschen, der sich von Gott angesprochen und beauftragt weiß. Wir erkennen einen Mann, der das nicht will. Er will seinen gewohnten Trott weiterführen können. Er hat seine Vorstellung vom Leben, und da passt ihm Gottes Intervention überhaupt nicht. Zumal der Auftrag in seinen Augen völlig unsinnig erscheint.
    Wenn wir die Geschichte des Jona so betrachten, erkennen wir eine Menge Parallelen zu unserer Welt und Zeit. Im Grunde will ja doch jede/r sein oder ihr „Ding machen” und sich da nicht reinreden lassen. Und wir hinterfragen natürlich auch die Aufträge, die an uns erteilt werden, besonders dann, wenn sie aus heiterem Himmel kommen. Es ist anzunehmen, dass wir solche Aufträge nur dann ausführen, wenn sie auch für uns etwas einbringen.
    So wird die Predigt im Blick auf den kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang diese Parallelen der Jona-Geschichte zu unserem Leben herausarbeiten, um sie dann in den Kontext des Gotteswillens zu stellen. Denn das gehört noch dazu: Gott entlässt uns nicht, wenn er uns berufen hat. Er setzt alles in Bewegung, damit wir der Berufung folgen.
    Freilich sollte man in der Predigt auch bedenken, dass es Menschen unter den Hörenden gibt, die vielleicht einmal einen solchen Ruf empfangen haben, ihm aber nicht folgten. Ihnen gilt besonders die Erkenntnis, dass Gott nicht loslässt. Er bleibt dran!

  • IV: Lk 16, 19-31

    Das Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus ist den meisten Menschen vertraut. Dabei führt diese Vertrautheit oft auch zu einer Abflachung, vor der man sich in Bezug auf die Predigt unbedingt hüten sollte.
    Für Hölle wird im Urtext das Wort Hades verwendet, das aus der griechischen Mythologie bekannt ist und den Ort der Toten bezeichnet. Es ist in gewissem Sinn eine tote Welt. Und in diesem Sinn wird das Wort auch in diesem Gleichnis verwendet. Der Arme wird von Engeln in Abrahams Schoß getragen - ein Bild des Gegensatzes, denn der Hades wird in der Tiefe, unterhalb der Welt der Lebenden, vorgestellt. Interessant ist nun, dass es offenbar Blickkontakt gibt. Der tote Reiche weiß sehr wohl, wie gut es dem armen Lazarus nun geht - er sieht es sogar. Dennoch ist die Grenze zwischen dem Totenreich und dem Ort, wo Lazarus sich aufhält, unüberwindbar. Vielleicht besteht die größte Qual der Hölle darin, dass in ihr den Menschen bewusst wird, was sie hätten haben können, aber nun niemals erlangen werden. Denn das ist letztlich die Aussage dieses Gleichnisses: der Tod setzt einen Schlussstrich. Danach lässt sich nichts mehr ändern.
    Darüber hinaus gibt es noch die ergänzende Bitte des reichen Mannes, die nicht erfüllt wird. In dieser Bitte wird nun der Bogen zu Jesus geschlagen, der sicher mit dem Hinweis auf einen, der von den Toten auferstand, gemeint ist. Nur muss man sich fragen, ob dieser Teil zum ursprünglichen Gleichnis gehört. Es scheint eher so, als ob diese Frage nachträglich eingefügt wurde, um das im Grunde grausame Urteil, das in dem Gleichnis anklingt, etwas ab zu mildern. Das gelingt aber nicht, sondern macht das Gleichnis eher unschlüssig.
    Das Gleichnis bietet viele Ansatzpunkte, von denen aber m.E. die unüberbrückbare Kluft zwischen den „toten Toten” und den „lebenden Toten” der richtige Ansatzpunkt wäre. Es gilt also, im jetzigen Leben alles so zu richten, dass man gar nicht erst diesen Tod erleidet, also nicht in den Hades geschickt wird. Denn letztlich weist doch jedes Gleichnis auf das Leben hin, und nicht auf den Tod. Und dafür gilt die Botschaft, dass derjenige, dem es gut geht, für die, die in Armut leben, eine Verantwortung hat, die weit über das hinaus geht, was der reiche dem Lazarus zugedachte.
    Leider gibt der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang diesem wichtigen Grundgedanken des Gleichnisses kaum Raum, sondern legt den Schwerpunkt auf den abschließenden Abschnitt, der m.E. sekundär ist. Auch gipfelt dieser Abschluss ja in dem Hinweis auf Jesus selbst, es geht also sogar hier gar nicht mal so sehr um die Apostel und Propheten, sondern wenn, dann um die Gestalt Jesu und um seine Verkündigung, die missachtet wird.
    Ich halte es für angemessen und richtig, die Predigt auf dem eigentlichen Schwerpunkt des Gleichnisses aufzubauen, nämlich auf dem Gedanken, dass wir unser Leben nach dem Willen Gottes gestalten sollen - in Gerechtigkeit. Dazu kommt dann allerdings auch der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang in dem Sinn, dass die christliche Gemeinde selbst prophetische, d.h. mahnende, Aufgaben übernimmt: sie soll ja das in Jesus Christus lebendig gewordene Wort hinaustragen zu denen, die es nicht hören.

  • V: 1. Joh 4, (13-16a)16b-21

    folgt später

  • VI: Jer 23, 16-29

    Der Text wendet sich gegen falsche Propheten, lässt aber scheinbar offen, wie sie zu erkennen sind. Der letzte Vers scheint jedoch ein Werkzeug an die Hand zu geben: Es ist die Wirkung des Wortes dieser Propheten. Denn wenn sie das Wort Gottes verkündigen, so wirkt es „wie ein Feuer... und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt.” Wenn sie aber ihre Träume verkündigen, so geschieht, kann man zumindest annehmen, nichts.
    Man kann viel über falsche Propheten sagen, der Text bietet zahlreiche Ansatzpunkte. Natürlich geht er von der Situation in Israel aus, wo sich das Volk von Gott abgewandt hatte. Die „Berufspropheten” redeten dem Volk nach dem Mund und mahnte es nicht, sich wieder Gott zuzuwenden. Das kennzeichnet sie wohl auch: ihre Rede geht leicht ein, sie schmeichelt, man fühlt sich nicht herausgefordert, sondern bestätigt.
    Interessant ist der Vers 23, der im Raum zu schweben scheint. Er betont, dass Gott auch ferne sein kann. In dem Zusammenhang dürfte dies wohl darauf hinweisen, dass es Zeiten geben kann, in denen es keine Propheten gibt, weil Gott nicht mit den Menschen reden will. Dieser Vers sollte jedenfalls heute nicht herausgenommen und in den Vordergrund gestellt werden, weil das vom kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang ablenken würde.
    Da man Propheten in der Regel im religiösen Umfeld sucht, wäre es also möglich, die christliche Verkündigung unter die Lupe zu nehmen. Heute tendiert man ja dahin, den „lieben Gott” in den Vordergrund zu stellen, was durchaus richtig, aber nur ein Aspekt Gottes ist. Auch wenn uns unsere Übertretungen vergeben sind, verzichtet Gott nicht auf unsere Mithilfe bei der Ausbreitung seines Reiches. Natürlich muss man aufpassen, nicht in die Gesetzlichkeit abzugleiten, aber es ist wichtig, die Spannung immer im Blick zu behalten: Erlösung durch Glaube, ja, aber Glaube ohne Werke ist tot. Beides gehört zusammen, denn wer erlöst ist, kann ja schwerlich vor sich hin dämmern.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist deutlich: Es geht um die Apostel und Propheten, und dieser Text befasst sich mit den Propheten, wobei er den negativen Aspekt prophetischer Verkündigung in den Vordergrund stellt. Wovor wir uns hüten müssen, wissen wir jetzt.
    Der Text gilt beiden, Predigern und Hörern. Dies kann in der Predigt auch zum Ausdruck kommen. Eine Predigt könnte versuchen, den mahnenden Charkter des Textes nachzuempfinden. Diese Perikope stellt den Prediger/die Predigerin vor die große Aufgabe, zu prüfen, inwieweit die eigene Predigt Wort Gottes ist.

  • Marginaltexte: Pred 12,1-8 (vor 2018)
    Sir 41, 1-4
    2. Tim 3, 14-17

    folgt später



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