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Zu den Perikopen
Predigtvorschläge zu Reihe I - 1. Petr 5, 5b-11
Liebe Gemeinde!
Eines der Tagzeitengebete, nämlich die Complet, enthält einen Ausschnitt aus unserem
Predigttext. Abend für Abend rufen sich Mönche und Nonnen in den Klöstern sowie Geschwister
in Geistlichen Gemeinschaften diese Worte zu:
Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender
Löwe und sucht, wen er verschlinge. 9 Dem widersteht, fest im Glauben. (1. Petr 5, 8-9a)
Weil wir Studenten während meines Studiums die Complet regelmäßig gehalten haben, sind
mir diese Worte besonders vertraut. In beeindruckender Weise versinnbildlichen sie die
Gefahr, in der wir als Christen stehen.
Dabei werden hier Dinge genannt, die unserem aufgeklärten, protestantischen Bewusstsein
schon etwas fremdartig, vielleicht auch unzeitgemäß erscheinen.
Was hat es mit dem Teufel auf sich? Ist er wirklich einer, der irgendwie von außen auf
uns eindringt, der uns auflauert wie solch ein Löwe, der nach Beute schreit?
Jedenfalls ist dieses Bild hilfreich und wird noch unterstrichen von der Vorstellung,
dass er wie ein hungriger Löwe brüllend umhergeht und nach Beute sucht. Wer könnte einem
solchen Löwen widerstehen?
Die meisten werden wohl schon einen Löwen gesehen haben, allerdings eher im Zoo, wo man
eine solche Situation nicht erlebt. Die Löwen sind dort immer gut gefüttert, und so
liegen sie meist ganz faul da.
In freier Wildbahn sieht das anders aus. Und wer schon mal gesehen hat, wie ein Löwe seine
Beute reißt, der weiß, dass man besser sicher in einem geschützten Raum ist, wenn sich in
der Nähe ein hungriger Löwe herumtreibt.
Aber dann merkt man auch, dass das Bild nicht so ganz passt. Denn Petrus fordert uns auf,
dem fest im Glauben zu widerstehen. Und das deutet ja wohl eher an, dass da irgend etwas
ist, was uns lockt, was wir toll finden und wovon wir ganz gerne etwas haben würden.
Denn Glaube hilft nicht wirklich im Kampf gegen einen Löwen. Da ist vielmehr physische Stärke
gefragt, und die hilft einem Menschen eigentlich auch nicht, weil der Löwe stärker ist.
Wenn wir beim Teufel bleiben, dann müssen wir ihn uns so vorstellen, dass er uns lockt mit
allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, damit wir seine Beute werden.
Das einzige Anliegen des Teufels ist es, uns daran zu hindern, unser Vertrauen ganz und einzig
auf Gott zu setzen.
Und dazu setzt er Mittel ein, denen man tatsächlich nur schwer widerstehen kann.
Doch hat unser Predigttext noch ein bisschen mehr zu bieten, und ich möchte das anhand der vier
Stichworte, die wir dort finden und die man als wichtige Eigenschaften eines Christenmenschen
bezeichnen könnte, etwas entfalten.
Da geht es zunächst um Demut.
Die Aufforderung zur Demut wurde früher oft missbraucht, um eigene Machtansprüche durchzusetzen.
Das Wort leitet sich ab von einem Wort, mit dem früher Diener und Untertanen bezeichnet wurden.
Demut ist zwar eine Tugend, aber sie ist nicht gerade zeitgemäß. Vielmehr gilt es in unserer
Zeit, selbstbewusst aufzutreten und auf keinen Fall den Eindruck zu erwecken, sich unterwerfen
zu wollen.
Doch kann man das nur für das Verhalten anderen Menschen gegenüber sagen. Wenn wir Gott
gegenüber treten, ist das anders. Wir sind und bleiben Geschöpfe, auch wenn es im 8. Psalm
heißt; dass wir wenig niedriger als Gott gemacht sind. (Ps 8, 6)
Aber dann doch niedriger als Gott; wir sind Geschöpfe, und so ist es nur würdig und recht,
dass wir vor unseren Schöpfer mit Demut treten.
Denn der Demütige erkennt und akzeptiert, dass es etwas für ihn Unerreichbares, Höheres gibt.
Darum wird Demut als die Haltung empfohlen, mit der wir Gott begegnen sollen. Nur wer in Demut
vor Gott tritt, darf auch von Gott etwas erwarten.
Was das ist, wird von Petrus auch gleich beschrieben: Gnade.
Indem wir Gott demütig gegenüber treten, erfahren wir also seine Gnade. Gnade ist eine
unverdiente Gabe, so wie in der Taufe Gott sich uns zuwendet, ohne dass wir etwas dazu
beitragen könnten. Außer diesem einen, dass wir zu ihm kommen.
Und das erwartet Gott schon von uns, dass wir uns zu ihm hin wenden. Aber wenn wir das in
Demut tun, dann dürfen wir erleben, wie er sich voll grenzenloser Liebe uns zuwendet, so
wie eine Mutter sich ihrem Kind zuwendet.
Die zweite Eigenschaft ist „Gelassenheit“.
Wer aufmerksam zuhörte, fragt sich vielleicht, wo dieses Wort im Predigttext vorgekommen ist.
Es kam nicht vor. Aber es klingt deutlich an, wenn Petrus uns auffordert: „Alle eure Sorge
werft auf ihn, denn er sorgt für euch.“ (1. Petr 5, 7)
Bleibt also gelassen, auch dann, wenn es mal eng wird, wenn die Arbeitssuche vergeblich
ist, wenn das Geld am Monatsende (oder schon früher) knapp wird oder wenn eine Krankheit
einem alle Kräfte raubt. Gott sorgt für uns.
Das mag man natürlich nicht den Millionen von hungernden Menschen in der Welt sagen –
dazu hätten wir gar nicht das Recht, da wir hier in solchem Überfluss leben. Und es
fällt auch schwer, es einem Menschen zu sagen, der aus irgendeinem Grund in
Schwierigkeiten geraten ist.
Wenn wir aber als solche, denen es gut geht und die mehr als nötig haben, einem Menschen
begegnen, der nichts anderes als Sorge kennt, dann sollten wir aufmerksam werden. Denn
es kann gut sein, dass Gott uns solche Menschen schickt, damit wir ihnen diese Botschaft
nicht mit Worten, sondern mit Taten vermitteln: indem wir ihnen helfen, die Sorgen los
zu werden.
Deswegen finde ich es so unsäglich, dass es Stimmen gibt, die angesichts der vielen
Flüchtlinge, die in unser Land kamen, zu stöhnen begannen und sagten, die Last wäre
zu groß, und Deutschland müsse den Deutschen gehören, usw.
Wer so denkt, hat keine Liebe. Und es fällt mir schwer, diese Menschen zu verstehen,
denn es geht uns doch ausgesprochen gut, auch jetzt, und es ist schon abzusehen, dass
die Flüchtlinge, die bei uns bleiben, keine Last, sondern eine Bereicherung für uns
sind. Das werden und können sie aber nur dann werden und sein, wenn wir ihnen offen
und ohne Vorbehalte begegnen und sie teilhaben lassen an unserem Überfluss.
Ja, Gelassenheit steht uns gerade in solch einer Situation sicher gut an.
Aber nicht nur in materiellen Dingen ist Gelassenheit möglich, sondern auch in all den
anderen Dingen, die uns Sorgen bereiten. Es gilt, was der Apostel Petrus schreibt: Gott
sorgt für Euch. Er weiß wie es um uns steht, und er eröffnet uns Wege, die aus der
Sorge heraus führen. Sicher werden das nicht immer die Wege sein, die wir uns vorstellen.
Aber die Zusage bleibt: er sorgt für uns.
Übrigens ist die Gelassenheit ganz eng mit der Demut verknüpft. Denn in der Regel ist
es ja so, dass wir meinen, alle Dinge selbst bewältigen zu müssen. Wir meinen auch,
dass wir das schon irgendwie schaffen werden.
Da tut dann ein bisschen Demut ganz gut. Denn da ist Gott, der alle Dinge in der Hand
hält. Wir müssen nicht alles können und wir müssen auch nicht alles selbst schaffen.
Wir können getrost alle Sorge auf ihn legen.
Und nun kommt die Nüchternheit.
Seid nüchtern und wacht. Bei dem Wort „Nüchtern“ denkt man ja vermutlich eher an das
Nicht-Betrunken-Sein, und indirekt stimmt das auch, aber Nüchternheit ist nicht nur
die Abwesenheit eines Zustandes – also des Betrunkenseins – sondern sie ist eine positive
Eigenschaft, die uns hilft, ganz sachlich eine Situation zu deuten und zu verstehen.
Es ist immer gut, nüchtern zu sein und sich nicht in seinem Handeln, Denken und Tun von
negativen Gefühlen leiten zu lassen. Denn wer z.B. zornig ist, reagiert ganz anders als
wenn man erst einmal eine Nacht drüber geschlafen hat und die ganze Angelegenheit am
nächsten Tag nüchtern betrachtet.
Und schließlich ist da die Wachsamkeit.
Jesus hat uns immer wieder zur Wachsamkeit aufgefordert, denn wir wissen weder Tag noch
Stunde, wann der Herr kommen wird. Aber das ist nicht das Einzige.
Anfangs habe ich schon deutlich gemacht, dass da einer ist, der nichts lieber möchte
als dass wir aufhören, Gott zu vertrauen. Und dazu setzt er alle Hebel in Bewegung.
Dabei habe ich zunehmend den Eindruck, dass er sich gar nicht mehr viel Mühe machen muss.
Denn wir haben inzwischen so viele Möglichkeiten, uns ablenken zu lassen und andere Dinge
in den Vordergrund zu stellen als das Gotteslob, dass er sich im Grunde nur noch gemütlich
zurück lehnen braucht und sich einen nach dem anderen schnappen kann, um noch einmal das
Bild vom Löwen anzudeuten. Denn wir nehmen die Gefahr, die von diesem Widersacher ausgeht,
gar nicht mehr ernst, ja, wir glauben, dass sie nicht existiert.
Seid wachsam, denn dieser Löwe wird niemals satt. Werdet nicht zur leichten Beute.
Seid wachsam!
Petrus macht uns darum auch auf etwas aufmerksam, was uns immer bewusst sein sollte: da sind
Christen in der Welt, die in einer ganz anderen Situation leben als wir. Sie werden verfolgt,
, sie müssen um ihr Leben fürchten – weil sie Christen sind. Für sie ist es ganz real: Der
Widersacher geht umher wie ein brüllender Löwe...
Not lehrt beten, so sagt man und meint damit, dass die Menschen fromm werden, wenn sie in
Not geraten. Dabei sind es wir, die das Gebet brauchen. Denn wenn es einem gut geht, so wie
uns, dann vergisst man allzu leicht, wo der Wohlstand herkommt.
Das wird besonders deutlich daran, dass überall dort, wo Menschen im Wohlstand leben, mehr
und mehr Kirchen geschlossen oder zu Kulturzentren umfunktioniert werden, weil niemand mehr
in die Gottesdienste kommt, um Gott für seine Wohltaten zu danken.
Darum: seid demütig, gelassen, nüchtern und wachsam.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Lobt Gott getrost mit Singen (EG 243)
In allen meinen Taten (EG 368)
Wer nur den lieben Gott lässt walten (EG 369 - Wochenlied!)
Es mag sein, dass alles fällt (EG 378)
Stern, auf den ich schaue (EG 407)
Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst (EG 612)
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Predigtvorschläge zu Reihe II - Gen 2, 4b-9(10-14)15(18-25)
Liebe Gemeinde!
Irgendwie gemütlich, diese Erzählung von den Anfängen unserer Welt und der
Menschheit. Schön ist die Vorstellung, dass Gott den Menschen nahm und in
den Garten Eden setzte – so wie ein Kind eine Puppe ins Puppenhaus zum
Beispiel. Hier ist dein Reich, hier darfst du schalten und walten. Nur
dass Puppen nicht von sich aus schalten und walten.
Aber nehmen wir es einmal an, dann müssen wir doch feststellen, dass der
Garten Eden, der schnell zum Paradies wurde, begrenzt ist. Wie genau, das
entzieht sich unserer Kenntnis, und viele Versuche, diesen Garten wieder zu
finden, scheiterten, obwohl es manche Forscher gab, die felsenfest überzeugt
waren, ihn gefunden zu haben.
Dafür ist dieser Garten umso anschaulicher. Gott pflanzte den Garten. Das
heißt nicht, dass er den Garten irgendwo hin pflanzte, sondern er tat, was
ein Gartenbauer zu tun pflegt.
Er gestaltete das Gelände, pflanzte Blumen hier, Bäume dort, Getreide wieder
an einen anderen Ort.
Dazu gibt es Flüsse, die das Ganze bewässern.
Denn das ist offensichtlich: Es geht schon um Land, das bebaut und gepflegt
werden will. Ein wilder Garten hat zwar auch was für sich, denn er bietet
unzähligen Tieren Heimat, aber es ist schwer, aus ihm Früchte zu gewinnen.
Etwas Pflege gehört dazu, damit die Bäume und Sträucher und die Gräser ihre
Frucht bringen und der Mensch sich davon ernähren kann.
Und ganz klar wird vom ersten Augenblick an, wer diese Aufgabe der Pflege und
Bebauung übernehmen soll: es ist der Mensch. Denn: alle die Sträucher auf dem
Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht
gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein
Mensch war da, der das Land bebaute. (Gen 2, 5)
...kein Mensch war da, der das Land bebaute. Noch bevor der Mensch geschaffen
wurde, ist seine Aufgabe schon klar dargelegt.
Gott stellt die Grundlage zum Leben zur Verfügung – das Übrige liegt in der
Hand des Menschen. Das ist seine Bestimmung: Bebauen und Pflegen.
Und dann schafft Gott den Menschen, und zwar aus dem Elementarsten, was zur
Verfügung steht: aus Erde vom Acker.
Während Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, verhält es sich hier beim
Menschen anders. Der Mensch entsteht aus dem, was Gott geschaffen hat. Er ist
also eigentlich der Schöpfung untergeordnet, ganz anders, als er über viele
Jahrhunderte begriffen wurde: als Krone der Schöpfung.
Deutlicher kann wohl kaum gezeigt werden, wohin der Mensch gehört. Da kann er
noch so viele Fähigkeiten entwickeln, noch so gottähnlich werden: er wird niemals
Gott sein können. Denn aus der Erde vom Acker ist er gemacht, so wie wenig später
die Tiere auch.
Der Mensch ist Geschöpf, nicht mehr und nicht weniger. Er ist als Geschöpf dem
Auftrag verpflichtet, der ihm von Gott übertragen wurde.
Wir sind diesem Auftrag verpflichtet. Wir gehören auf die Seite der Schöpfung,
und nicht auf die Seite des Schöpfers. Wir sind eingebunden in dieses großartige
Gefüge, in dem unzählige Geschöpfe alle ihren Teil tun, damit es funktioniert.
Dummerweise hat der Mensch sich nicht an seine Rolle gehalten. Mal abgesehen davon,
dass es schon richtig ist, wenn nicht alle zu Gärtnern und Bauern werden – das ist
ja auch sicher nicht gemeint. Aber der Mensch versucht ja immer wieder, durch
technische Entwicklungen den Arbeitsaufwand so weit zu minimieren, dass letztlich
alle zu Ruheständlern werden – diesen Eindruck könnte man jedenfalls gewinnen.
Zwar gibt es noch Länder, in denen die menschliche Arbeit weitaus billiger ist als
der Einsatz der Maschinen, und aus denen wir heute die meisten der Dinge bekommen,
die von Menschenhand zusammengebaut und erwirtschaftet werden müssen. Aber auch das
wird sich ändern.
Worauf es hier ankommt, ist etwas anderes: Der Mensch hat in seinem Rationalisierungswahn
ja auch in die Schöpfung selbst eingegriffen.
Raubbau ist da das wohl bedeutendste Stichwort. Da werden gnadenlos riesige Landstriche
zerstört, um an einen Rohstoff zu gelangen, der unser Leben etwas vereinfachen kann.
Unzählige Tier- und Pflanzenarten sind auf diesem Wege schon ausgerottet worden,
weil ihre Lebensräume zerstört wurden.
Das hat vielleicht mit bebauen zu tun, nicht aber mit bewahren.
Und das alles nur, damit einem Bruchteil der Weltbevölkerung das Leben etwas
angenehmer gestaltet werden kann.
Gen-Manipulation, deren Folgen noch niemand absehen kann, gehört zu den aktuellsten
Errungenschaften der Menschheit. Dieser winzige Baustein, der Aussehen,
Widerstandsfähigkeit usw. von Pflanzen, Tieren und Menschen beeinflusst,
kann von uns mittlerweile zumindest bei Pflanzen gezielt verändert werden,
so dass am Ende Früchte entstehen, die viel besser aussehen und dazu noch
widerstandsfähiger und leichter maschinell zu ernten sind als die natürlichen
Pflanzen.
An Tieren werden seit etwa vierzig Jahren Versuche in diesem Bereich unternommen,
teilweise mit verheerenden Folgen: sonst harmlose Tierkrankheiten, an denen der
Mensch nicht erkrankte, konnten z.B. aufgrund der genetischen Manipulation plötzlich
auf den Menschen übertragen werden und dort großen Schaden anrichten.
Die Kernspaltung ist eine weitere, ähnlich bedenkliche Fertigkeit, die sich der
Mensch erworben hat und die einen massiven Eingriff in die Schöpfung darstellt.
Beide Forschungsgebiete haben durchaus ihre Vorteile, aber sie bergen auch enorme
Gefahren, deren Ausmaß wir nicht abschätzen können. Und das ist das eigentlich
Gefährliche.
Wir sind nicht der Schöpfer – wir sind Geschöpfe. Uns fehlt das Wissen, das nötig
wäre, um diese Dinge zu kontrollieren. Dennoch machen wir weiter. Dabei treibt uns
der Glaube, dass wir eines Tages alles Wissen erwerben können.
Darum wird weiter geforscht. Denn die Wissenschaft kennt die Geschöpflichkeit nicht.
Sie geht davon aus, dass sich vielmehr alles entwickelt, und der Mensch mit seinen
Möglichkeiten prädestiniert dafür ist, nicht nur neue Dinge zu entdecken, sondern
sie auch zu kontrollieren.
Die Frage ist: müssen wir das überhaupt? Reicht es nicht, wenn wir unsere Umwelt so
gut verstehen, dass wir wissen, wie wir sie erhalten können?
Das ist es jedenfalls, worauf uns die Worte Jesu aus dem Evangelium hinweisen wollen:
Die Sorge um unser Leben ist nicht unsere Aufgabe. Gott sorgt für uns, und wir könnten
darum eigentlich mit viel weniger genauso zufrieden oder sogar generell zufriedener
sein, als wir es derzeit sind.
Ein unangenehmer Nebeneffekt unserer Entwicklung ist, dass es etwa drei- bis viermal so
viele Menschen gibt, die diesen Lebensstandard, den wir genießen, noch lange nicht erreicht
haben, wohl aber das berechtigte Verlangen spüren, auch dahin zu kommen: etwa einen
Fernseher, ein Auto oder einen Kühlschrank zu besitzen und zu benutzen. Für die Wirtschaft
ist das ein Glück, denn der Umsatz steigt und steigt; für die Umwelt ist es allerdings eine
Katastrophe, denn der Raubbau würde sich potenziell vervielfachen, was ungeahnte Auswirkungen
auf unsere Lebensbedingungen haben wird.
Die Umwelt ist allerdings schon jetzt so weit aus dem Gleichgewicht geraten, dass das
globale Klima davon betroffen ist, und heute muss man sich die Frage stellen, ob ein Schritt
zurück überhaupt noch möglich ist. Wir scheinen gezwungen, den nächsten Schritt zu gehen,
damit wir noch etwas retten können.
Ich frage mich oft, wie wohl unsere Kindeskinder die Welt erleben, die wir ihnen hinterlassen.
Ich kann es mir nicht vorstellen.
Vielleicht ist das auch gut so. Denn jede Generation hat ihre Chance, mit dem, was ihr gegeben
ist, in einer Weise umzugehen, dass das Leben für die Nachwelt in einem erträglichen Rahmen
möglich ist.
Gott hat uns eine Welt gegeben, die uns alles Nötige zur Verfügung stellt, von der wir gut
leben könnten, ohne allzu sehr in die Ordnung, die Gott einmal angelegt hat, eingreifen zu
müssen.
Nachdem wir die Erde nun jahrhundertelang bebaut – man muss vielleicht sagen: abgebaut –
haben, ist es jetzt höchste Zeit, auch den anderen Aspekt wieder deutlicher wahrzunehmen:
dass wir sie bewahren.
Denn letztlich sind wir ein Teil von ihr.
In diesem Zusammenhang muss ich an die Rede des Häuptlings Seattle vor dem Präsidenten der
USA denken. Die Weisheit der Ureinwohner Nordamerikas kann uns vielleicht noch etwas
helfen, zu verstehen, worauf es ankommt, und vielleicht gelingt es uns, etwas davon
wieder zu gewinnen. Dort heißt es:
„Wir sind ein Teil der Erde, und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind
unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler - sind unsere Brüder. ...
Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. ... Lehrt Eure Kinder, was wir
unsere Kinder lehren: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch
die Söhne der Erde. Wenn Menschen auf die Erde spucken, bespeien sie sich selbst. Denn
das wissen wir: die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde - das
wissen wir.
Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das eine Familie vereint. Alles ist
verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf
nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer Ihr dem Gewebe
antut, das tut Ihr Euch selber an. ...
Eines wissen wir, was der weiße Mann vielleicht eines Tages erst entdeckt - unser Gott
ist derselbe Gott. Ihr denkt vielleicht, daß Ihr ihn besitzt - so wie Ihr unser Land
zu besitzen trachtet - aber das könnt Ihr nicht. Er ist der Gott der Menschen -
gleichermaßen der Roten und der Weißen. Dieses Land ist ihm wertvoll - und die Erde
verletzen heißt ihren Schöpfer verachten.“
Soweit der Häuptling Seattle. Es lohnt sich, diese Rede aus dem Jahre 1855 einmal
vollständig zu lesen. Sie ist die Antwort auf das Anliegen, das Land der Indianer zu
kaufen.
„Du bist Erde und sollst zu Erde werden“ (Gen 3, 19) - so heißt es wenige Verse nach
unserem Predigttext in der Bibel, nachdem der Mensch die ihm gesetzte Grenze unwiderruflich
überschritten hatte.
Wir sind Geschöpfe Gottes, um es mit anderen Worten zu sagen. Es ist gut, wenn wir uns
daran immer wieder erinnern und versuchen, in der Verantwortung zu leben, in die Gott
uns hinein gestellt hat: zu bebauen und zu bewahren.
Amen
oder
Liebe Gemeinde!
Es ist Geburtstag! Das Kind, nennen wir es Matthias, wird 15 Jahre alt. Er bekommt
von seinen Eltern allerlei Geschenke. Matthias' Wünsche waren schon lange klar,
er hatte sie seinen Eltern immer und immer wieder eingeprägt. Nun war der Tag gekommen,
und er stand vor seinem Geburtstagstisch. Viele kleine und größere Päckchen waren da
zu sehen, alle schön eingepackt in buntes Geschenkpapier. Matthias griff sich das größte
heraus. Das musste es sein. Er riss die Verpackung auf, und tatsächlich: zum Vorschein
kam die Playstation, die er sich so lange gewünscht hatte. Nun konnte er endlich all
die tollen Computerspiele spielen, von denen in der Schule so geschwärmt wurde. Schnell
riss er die anderen Päckchen auf, die das richtige Format zu haben schienen - er wusste,
wie groß die Verpackungen der Spiele für die Playstation waren. Dann rannte er in sein
Zimmer, schloss die Playstation an den Fernseher an, den er bereits vor zwei Jahren zum
Geburtstag bekommen hatte, und begann zu spielen. Den ganzen Morgen, bis zum Mittagessen,
saß er da. Bloß gut, dass sein Geburtstag dieses Jahr an einem Sonnabend stattfand.
Einige Geschenke waren unberücksichtigt geblieben. Sie waren noch nicht einmal ausgepackt
worden.
Es ist Geburtstag. Das Kind, nennen wir es Shanti, lebt in Indien. Sie wird 16 Jahre alt.
Ihre Eltern überreichen ihr feierlich ein etwas größeres, in weißes Papier eingepacktes
Bündel. Shanti ahnt, was es ist, aber sie bleibt skeptisch. Sollten ihre Eltern es wirklich
geschafft haben, soviel Geld beiseite zu legen, um ihr etwas zu kaufen? Vorsichtig packt sie
ihr Geschenk aus und hält ein großes Stück bunten Stoff in ihrer Hand. Ihre Augen strahlen.
So einen wunderschönen Sari hatte sie noch nie gesehen. Aber einen Sari tragen eigentlich nur
verheiratete Frauen. Und so erfährt sie an ihrem 16. Geburtstag, dass sie bald heiraten wird.
Den Mann kennt sie noch nicht, und sie wird ihn auch erst kennenlernen, wenn die Verlobung
offiziell gefeiert wird. Ein bisschen Bange ist ihr schon, aber dankbar fällt sie ihren Eltern
um den Hals, denn nun würde sie bald erwachsen sein. Und sie setzen sich, um gemeinsam das
Geburtstagsfrühstück zu verzehren. Dabei unterhalten sie sich über Shantis Zukunft.
Zwei junge Menschen, einige tausend Kilometer voneinander entfernt. Es gibt Unterschiede,
und doch sind sie sich grundsätzlich sehr ähnlich: sie haben ein Leben vor sich, das viele
Überraschungen birgt, ein Leben, vor dem sie sich sicherlich fürchten, aber auf das sie
sich auch freuen. Es sind gemischte Gefühle, die das Erwachsenwerden mit sich bringt. Beide
gehen mit diesen Gefühlen auf unterschiedliche Art und Weise um.
Matthias benutzt Computerspiele. Sie erlauben ihm, in eine Welt einzutauchen, in der er
die Risiken selbst abschätzen kann - und wenn er sich mal vertan hat, dann ist es nicht
so schlimm - es ist ja nur ein Spiel. In dem Spiel aber hat er die Möglichkeit, zu gewinnen,
ganz oben zu stehen. Das ist ein tolles Gefühl, das er im wirklichen Leben so vielleicht
nie wird genießen können. Er kann sich selbst beweisen, dass er zu etwas fähig ist. Nur
schade, dass das keine Auswirkungen auf die Menschen hat, die um ihn herum leben.
Shanti benutzt ihre Eltern, um mit ihren Gefühlen fertig zu werden. Sie spricht mit ihnen
über ihre Sorgen und Nöte, über ihre Hoffnungen und Ängste. Ihre Eltern machen ihr Mut,
versichern ihr, dass sie ihr helfen werden, wenn sie Hilfe braucht. Shanti fühlt sich
geborgen und sicher, obwohl sie einer ungewissen Zukunft entgegensieht, denn in dieser
Zukunft gibt es doch bestimmte Faktoren, auf die sie sich verlassen kann: ihre Familie.
Dorthin kann sie immer gehen, dort kann sie um Rat fragen oder um Hilfe bitten.
Gott schuf den Menschen. Das glauben wir, auch wenn die Evolutionstheorie uns längst eines
besseren belehrt. Dabei habe ich meine Probleme mit der Evolutionstheorie, denn vieles in
dieser Theorie lässt sich eben nicht beweisen, viele Fragen bleiben offen. Es bleibt eine
Theorie. Genauso ist es eine Theorie, wenn wir sagen, wie es in der Bibel steht: Gott
machte den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in die Nase.
Auch das können wir nicht beweisen. Und ob das Rohmaterial nun ausgerechnet Erde vom
Acker war - wohl kaum. Es hat aber einen guten Grund, warum die Menschen es damals so
aufschrieben, denn es leitet sich aber ab von der Beobachtung, dass Menschen und Tiere
verwesen und letztlich zu Erde werden, als sei das das Rohmaterial, aus dem sie geschaffen
wurden. Und von daher ist es nicht so verkehrt, es sich so vorzustellen: Gott machte den
Menschen aus Erde vom Acker. Nur: beweisen können wir es nicht.
Ich glaube, dass Gott den Menschen schuf und wir kein Zufallsprodukt sind, und lasse
die Frage nach dem »Wie?« erstmal beiseite, denn sie ist auch gar nicht so wichtig.
Der allmächtige Gott hat Mittel und Wege, von denen wir ja noch nicht einmal in unseren
kühnsten Träumen träumen können.
Die Frage, die uns diese Geschichte von der Schöpfung stellt, ist eine andere: wozu
erschafft uns Gott? Was ist der Sinn unseres Lebens? Diese Frage wird zumindest zum
Teil direkt beantwortet: der Sinn unseres Lebens ist, den Garten Eden zu bebauen und
zu bewahren.
Dabei ist schon offensichtlich, dass dieser Garten Eden nicht das Paradies ist, von dem
wir manchmal schwärmen. Es ist nur einfach ein schöner Garten, der gepflegt werden will.
In meinen Augen ist es die Welt, die Gott erschaffen hat, alle Länder mit ihrer unendlichen
Vielfalt an Geschöpfen, an Pflanzen, Tieren, Menschen. Diese Welt zu bebauen und zu bewahren,
das ist unsere Aufgabe. Aber da ist noch mehr:
dieser Baum der Erkenntnis, von dem wir wissen, dass Adam und Eva von ihm essen, zeigt
uns einen zweiten Sinn unseres Lebens: Gott gibt uns die Möglichkeit der Erkenntnis, er
gibt uns die Möglichkeit, neues zu erfahren und uns weiter zu entwickeln. Denn Gott hat
uns nicht als willenlose Sklaven geschaffen, sondern als Menschen mit einem eigenen Willen.
Er hätte diesen Baum ja auch weglassen können, wenn er nicht wollte, dass wir von ihm
essen. Aber er hat uns die Möglichkeit dazu gegeben, selbst zu entscheiden, ob wir es
tun oder nicht. Und ich muss sagen: ich finde es gut, dass Adam und Eva dann diesen
Schritt getan haben. Denn sonst wäre unser Leben doch ziemlich langweilig.
Die Fähigkeit, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können, macht uns fähig, uns weiter
zu entwickeln. Und das ist gut so. Aber sie hat auch einen Effekt, der problematisch ist:
der Mensch strebt nun danach, sich zu verbessern, d.h. seine eigenen Möglichkeiten zu
erweitern. In diesem Streben kann er andere Menschen verletzen. Sobald dies geschieht,
kehrt sich das Streben nach Besserem in Böses um. Das ist es, was Paulus meinte, wenn er
schrieb: Das Gute vollbringen wollte ich, aber es kam nur Böses dabei heraus. Er bemühte
sich, alles immer besser, ja, richtiger zu machen, und hat dabei nicht bemerkt, dass
immer wieder andere Menschen auf der Strecke blieben. Denn letztlich hat er nur auf
sich selbst geschaut. Er selbst war das Zentrum allen Handelns und Denkens, die
Weiterentwicklung, die er anstrebte, betraf nur ihn allein.
Wir haben zu Beginn von zwei jungen Menschen gehört, Matthias und Shanti. Beide haben
ihr Leben noch vor sich. Aber Matthias, so lange er mehr oder weniger behütet im
Elternhaus leben kann, verschwendet keinen Gedanken darauf, was später werden könnte.
Er selbst ist das Zentrum seiner Welt. Die Playstation, in die er sich spielend vergraben
kann, schafft ihm eine Welt, in der er der Boss ist. Alles dreht sich um ihn, er bestimmt,
was passiert. Er hat es noch nicht geschafft, aus diesem engen Kreis herauszukommen. Und
er will es auch gar nicht mal. Denn für ihn ist dieser Zustand paradiesisch. Es fällt
ihm alles mit Leichtigkeit zu, er muss sich nicht übermäßig anstrengen, es gibt wenig
Niederlagen, und wenn, dann kann er es ja gleich noch mal versuchen. Die Niederlagen,
die er beim Spielen mit dem Computer erlebt, tun jedenfalls nicht weh.
Shanti sieht vor sich einen Neubeginn, der viel Mut erfordert. Sie hat das Paradies schon
lange verlassen. Vielleicht war sie nie drin in solch einem Paradies, wie es sich Matthias
aufgebaut hat. Sie ist eingebunden in eine größere Gemeinschaft. Sie sieht sich als Teil
dieser Gemeinschaft, von der sie profitiert, und in die sie ebenso selbst etwas eingeben
kann. Vielleicht bewirkt sie etwas?
Wir können uns wohl kaum mit Matthias oder Shanti vergleichen. Beide sind noch jung. Und
dennoch halten sie uns einen Spiegel vor, einen Spiegel unserer Sehnsüchte. Wünschen wir
nicht wie Matthias, dass das Leben einfacher wäre, dass man mit einem Knopfdruck oder mit
einem Fingerschnippen die Schmerzen wegzaubern oder das Leid vieler Menschen beenden kann?
Aber solch ein Paradies gibt es nicht. Das wahre Paradies kommt erst dann, wenn wir
das Kreuz auf uns nehmen und unserem Herrn Jesus Christus nachfolgen, wenn wir uns in
Liebe unseren Mitmenschen zuwenden und in ihnen unseren Nächsten erkennen, der uns
braucht. Das Leben ist eine Aufgabe, die Gott uns gestellt hat. Er lässt uns mit dieser
Aufgabe nicht allein. Aber er erwartet von uns, dass wir sie annehmen. Dann kann es auch
in dieser Welt wieder paradiesisch werden.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Wohl denen, die da wandeln (EG 295)
"Eins ist not!" Ach Herr, dies Eine (EG 386)
Meinem Gott gehört die Welt (EG 408)
Gott liebt diese Welt (EG 409)
Herr, die Erde ist gesegnet (EG 512)
Die Erde ist des Herrn (KHW-EG u. HN-EG 634, NB-EG 623)
Weil Gott die Welt geschaffen hat (KHW-EG u. HN-EG 642)
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Predigtvorschläge zu Reihe III - Lk 17, 5-6
Liebe Gemeinde!
„Stärke uns den Glauben”. Ja, das ist ein guter Wunsch.
Denn wenn unser Glaube stärker wäre, dann könnten wir auch etwas wagemutiger sein. Wir
würden größeres Vertrauen haben – auch zu den Menschen, die uns unheimlich erscheinen.
Materielle Not würde uns keine Angst machen. Wir würden mehr für die Armen in
dieser Welt tun. Wir würden nicht auf unser eigenes Wohl achten, sondern auf
das unseres Nächsten, weil wir wüssten: Gott sorgt für uns. Wir würden unser
Brot wahrhaftig teilen.
Wir würden kein Blatt vor den Mund nehmen, wenn wir sehen, dass Unrecht geschieht.
Ja, wenn unser Glaube stärker wäre, dann würden wir wohl auch Wunder vollbringen.
Dann wäre vielleicht jener Unfall nicht geschehen. Dann hätte diese Krankheit
nicht solche Spuren hinterlassen. Dann würde die alte Mutter ihre Tochter noch
erkennen.
Ja, wenn unser Glaube stärker wäre, dann würden die Politiker viel mutiger als
bisher für den Frieden eintreten. Sie würden dies ohne Waffengewalt tun.
Armeen bräuchten wir nicht mehr, denn Gott würde für uns streiten.
Die Politiker würden auf die fremden Regierungen zugehen und mit ihnen reden,
immer und immer wieder, so lange, bis sie sich beide verstehen und aus tiefster
Überzeugung sagen können: es ist gut, wir können miteinander leben, indem wir
aufeinander Rücksicht nehmen und einander respektieren. Politiker würden die
Macht des Geldes nicht mehr so ernst nehmen, sondern Gerechtigkeit suchen und
durchsetzen.
Ja, wenn unser Glaube stärker wäre, dann wäre alles anders, es wäre alles
besser.
Und darum baten die Jünger damals wohl um einen stärkeren Glauben, und darum
bitten auch wir oft darum: stärke unseren Glauben. Weil wir glauben, dass dann
alles besser wäre.
Aber Jesus tut das nicht, er stärkt den Glauben nicht. Er denkt gar nicht daran.
Er antwortet viel mehr ganz provokativ: „Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein
Senfkorn, dann könntet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiß dich aus und versetze
dich ins Meer. Und er würde euch gehorchen.“
Es ist provozierend, weil es im Grunde ja bedeutet: ihr habt gar keinen Glauben.
Da gibt es nichts zu stärken.
So ein Senfkorn ist klein. Sie haben das schon mitbekommen, denn am Eingang wurden
Senfkörner verteilt. Ob Sie es noch haben? Oder wissen, wo Sie es hingelegt haben?
Ist es da noch?
So ein kleines Senfkorn – ja, größer braucht der Glaube nicht zu sein, um Berge
versetzen zu können – dabei geht es hier ja noch nicht einmal um Berge, sondern
nur um einen Maulbeerbaum.
Aber immerhin: auch Maulbeerbäume müssen erst mal ausgerissen werden, und dass sie
sich ins Meer verpflanzen, ist sowieso unerhört und dazu völlig überflüssig.
Warum gibt Jesus nicht ein besseres Beispiel? Nur, weil da ein Maulbeerbaum gerade
im Weg steht? Hätte er nicht sagen können: „Wenn ihr Glauben hättet so groß wie ein
Senfkorn, dann könntet ihr Kranke heilen“?
Es ist das Ganze schon eine etwas merkwürdige Situation, die viele Fragen aufwirft.
Ich versuche, es mir etwas plastischer vorzustellen. Jesus hatte zuvor eine Menge
Gleichnisse erzählt, die alle auf die Konsequenzen unseres Handelns hindeuten. Zuletzt
fordert er die Jünger dazu auf, zu vergeben, wann immer jemand ihnen etwas antut,
solange es ihn nur reut.
Jetzt ist der Punkt erreicht, wo sich die Jünger fragen: wie können wir das alles
tun? Wie können wir wissen, was Gut und Böse ist? Wie können wir uns vorbereiten auf
die Ankunft Gottes? Wie können wir vergeben, anstatt Genugtuung zu fordern?
Und darum bitten sie: stärke unseren Glauben.
Jesu Antwort ist, so glaube ich, begleitet von einem Lachen, oder zumindest einem
Lächeln. Nicht mitleidig etwa oder herablassend; er ist nur erheitert, weil er
merkt: es ist noch ein langer Weg, bis sie endlich alles erkennen und verstehen
werden.
Wie können sie um stärkeren Glauben bitten? Glaube lässt sich nicht messen. Es
gibt keinen stärkeren oder schwächeren Glauben. Glaube ist da. Und wenn er da
ist, dann hat er auch Kraft, solche Kraft, dass er Kranke heilen oder Bäume
versetzen kann, wenn's denn sein muss, Berge noch dazu.
Jesus lacht. Er freut sich an der Naivität dieser Bitte. Und er weiß: der Vater
im Himmel wird den Glauben schenken. Und dann wird es auch genug sein. Dann fehlt
nicht hier oder da noch ein bisschen, sondern dann reicht die Kraft des Glaubens
aus, um alles zu bewirken, was nötig ist.
Hören wir dieses Lachen? Dieses fröhliche, befreiende Lachen, das uns sagt: was
sucht ihr noch verzweifelt danach? Glaube wird euch doch geschenkt! Lasst es einfach
geschehen. Lasst Gott gewähren. Wehrt euch nicht dagegen, indem ihr meint, es alles
selber tun zu müssen! Lasst ihn euch Glauben schenken, den Glauben, der stark ist
und nicht stärker werden kann. Lasst euch ganz auf Gott ein.
Denn Glaube, das bedeutet im Grunde nichts anderes als Vertrauen. Vertrauen darauf,
dass Gott uns gebrauchen wird beim Bau seines Reiches.
Vertrauen, das uns durchlässig macht für die Kraft Gottes, die wohlgemerkt in den
Schwachen mächtig wird. Vielleicht waren die Jünger einfach noch zu stark. Und
vielleicht glauben auch wir noch, dass wir zu stark sind, dass wir dies oder
jenes selbst schaffen müssten.
Die Kraft des Glaubens wird umso deutlicher, je schwächer wir selbst werden. Denn
dann hat Gott Raum, seine Kraft zu entfalten.
Dann wird es auch geschehen: dass unsere Welt besser wird, dass Menschen sich
verstehen, dass Armen geholfen wird, dass Frieden einkehrt zwischen den Völkern,
dass Geld seine Macht verliert, dass Wunder vollbracht werden.
Das ist nicht unmöglich. Denn alles ist möglich dem, der da glaubt, durch die Kraft
Gottes, die in ihm und durch ihn wirkt.
Amen
oder
Liebe Gemeinde!
Stärke uns den Glauben! Diese Bitte liegt sicher auch uns auf dem Herzen.
Stärke uns den Glauben! Ja, das will ich, denn ich brauche jetzt starken
Glauben, damit ich angehen kann gegen all das Unrecht, das in dieser Welt
geschieht und das zu immer grausamerer Gewalt führt. Ich will starken Glauben
haben. Da stimme ich von Herzen in die Bitte der Apostel mit ein.
Aber die Antwort Jesu macht mich stutzig. Wenn ihr Glauben hättet so groß
wie ein Senfkorn... Sie kennen ja alle die winizigen Senfkörner, die man
zu verschiedenen Speisen als Gewürz verwendet. Sie sind klein, unbedeutend.
So klein braucht der Glaube nur sein, und schon wäre man fähig, einen
Maulbeerbaum zu verpflanzen, durch reine Willenskraft.
Toll. Aber zugleich frage ich mich: wozu will ich einen Baum verpflanzen,
dazu noch ins Meer? Ob es nun eine Eiche ist oder ein Maulbeerbaum oder
ein Berg, wie es im Matthäus-Evangelium heißt, spielt ja gar keine so
große Rolle. Es ist nur merkwürdig, dass Jesus ausgerechnet solch ein
Beispiel heranholt. War es das denn, was die Jünger wollten: ein Wunder
vollbringen? Ist es das, was ich will?
Nein. Mir liegt nicht daran, ein Wunder zu vollbringen, obwohl das
vielleicht gar nicht so schlecht wäre. Es gäbe vieles, was ich mir
wünschen würde. Aber nein, ich will schon einlösen, was Gott mir, was
er jedem Menschen mit auf den Weg gab: dass ich selbst verantwortlich
bin, für das, was um mich herum geschieht. Darum genügt es mir, wenn
ich die Gewissheit habe, dass Gott da ist, dass ich mich auf ihn verlassen
kann, dass er mir Kraft und Mut gibt, wenn ich mich bemühe, diese Welt
zu einem Ort zu machen, an dem es sich zu leben lohnt - ein Ort ohne
Gewalt, ein Ort, an dem Menschen einander lieben und füreinander sorgen,
über Grenzen hinweg. Eine Welt, in der z.B. die Entwicklungshilfe nicht
primär den Zwecken des gebenden Landes dient, sondern wirklich dem
empfangenden Land nutzt und der Bevölkerung dort die Möglichkeit gibt,
unabhängig zu werden und frei. Eine Welt, in der Menschen aufeinander
zugehen, wo es zu Gesprächen kommt, die dazu helfen, Spannungen abzubauen,
die durch Missverständnisse entstehen. Eine Welt, in der Terror nicht mit
Terror bekämpft wird, sondern mit dem Versuch, die eigene Schuld zu erkennen
und die Mechanismen abzubauen, die zu solcher Agressivität führen.
An solch einer Welt will ich mitbauen, und dazu brauche ich Mut, den ich
nur aus der Gewissheit bekommen kann, dass Gott da ist, dass er mir beisteht,
dass er meine Schritte lenkt. Deswegen liegt mir diese Bitte so nahe: Stärke
mir den Glauben.
Ich könnte mir denken, dass die Jünger es ebenso meinten, denn es gibt eigentlich
nichts im Vorfeld dieses Textes, was darauf hindeutet, dass sie unbedingt Wunder
vollbringen wollten. Jesu Antwort macht ratlos. Was will er damit bezwecken?
Denn letztlich läuft seine Antwort doch nur auf eins hinaus: Ihr habt gar keinen
Glauben, nicht das kleinste bisschen. Das ist niederschmetternd, vor allem für
die Jünger, aber auch für mich, für jeden, der diese Antwort hört auf die
Bitte hin: Stärke uns den Glauben.
Jesus redet aber weiter, seine Antwort ist mit diesen Worten vom Senfkorn noch
nicht zu Ende. Zwar gehört dieser Abschnitt nicht zum Predigttext dazu, ich will
ihn aber, zum besseren Verstehen, dennoch mit einbeziehen. Jesus sagt (vorlesen:
Vers 7-10). Vielleicht hat seine erste Antwort vom Senfkorn damit zu tun? Die
Bitte der Apostel bekommt jedenfalls vor diesem Hintergrund noch ein anderes Licht.
Sie bitten, wie es scheint, um etwas, worauf sie keinen Anspruch haben. Als Knechte
ihres Herrn sind sie zu tun schuldig, was immer ihnen aufgetragen wird. Dafür gibt
es keine Belohnung. Auch wird ihnen die Nähe ihres Herrn nicht gewährt, d.h. sie
können nicht mit ihm zu Tisch sitzen. Wir sind unnütze Knechte, wir haben getan,
was wir zu tun schuldig waren.
Auch dies ist eher betrüblich als ermutigend. Aber hat Jesus nicht recht? Ich ertappe
mich oft, wie ich vergesse, das grundlegende Gebot der Nächstenliebe zu beachten.
Ich beginne, zu unterscheiden zwischen denen, die meine Liebe verdienen, und denen,
die sie nicht verdienen. Dabei bin ich es doch allen Menschen schuldig, ihnen mit
Liebe zu begegnen, weil Gott selbst überhaupt keinen Vorbehalt machte, als er seinen
Sohn opferte, damit wir durch ihn erlöst und befreit werden von unseren Sünden. Wenn
ich noch nicht einmal in der Lage bin, diese Liebe zu erwidern und weiterzugeben - wie
kann ich dann noch große Erwartungen an Gott stellen?
Aber ich glaube nicht, dass Gott uns die Stärkung des Glaubens vorenthält. Er tut es
höchstens, weil es nur zwei Möglichkeiten gibt: entweder, ich glaube, oder ich glaube
nicht. Und wenn ich glaube, dann brauche ich im Glauben nicht gestärkt zu werden. Hingegen,
wenn ich nicht glaube, dann bin ich auch noch nicht erlöst, dann habe ich noch einen weiten
Weg vor mir. Dann habe ich ja noch nicht erkannt, dass mich die Sünde festhält, der Wunsch,
selbst wie Gott zu sein, seine Macht mir anzumaßen. Also entweder glaube ich, dass Gott
mein Leben in seiner Hand hält und ich sein unnützer Knecht bin, der aber froh sein kann,
solch einen Herrn zu haben, der seinen eigenen Sohn für mich opfert - oder ich glaube,
dass ich selbst mein Leben in meiner Hand habe und damit machen kann, was ich will. Wir
sind frei, diese Wahl zu treffen.
Ich bin froh, dass wir heute Abendmahl feiern. Es ist ein Mahl, das uns die Liebe Gottes
aufs Neue erfahren lässt. Es ist ein Mahl, das uns ermutigt, rauszugehen in der Gewissheit,
dass wir nicht allein sind - dass es nicht hoffnungslos ist, was in dieser Welt geschieht,
sondern dass es Hoffnung gibt. Gott helfe uns, Zeichen der Hoffnung zu setzen und selbst
zu sein.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Gott der Vater steh uns bei (EG 138)
Ist Gott für mich, so trete (EG 351)
Alles ist an Gottes Segen (EG 352)
Ich weiß, woran ich glaube (EG 357)
In allen meinen Taten (EG 368)
Du hast gesagt: "Ich bin der Weg" (EG 602)
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Predigtvorschläge zu Reihe IV - Gal 5, 25-26; 6, 1-10
Liebe Gemeinde!
Die asiatische Welt hat uns längst eingeholt. Gerade wenn es um die Gesundheit
geht, werden oftmals fernöstliche Lehren angepriesen, die – für uns
vernunftorientierte Menschen aufbereitet und dabei dann auch verkürzt -
von Heilmethoden künden, die darauf basieren, dass Körper und Geist in
Einklang miteinander gebracht werden.
Man hört oder liest immer öfter vom „Chi“ oder auch „Qi“ , vom „Ying und
Yang“, von Feng Shui, von „Athman“ oder Weltenseele. Man versucht, mit
Hilfe dieser fernöstlichen Begrifflichkeit etwas zurück zu holen, was uns
durch die Aufklärung offenbar abhanden gekommen zu sein scheint.
Denn es gibt auch im christlichen Glauben die Lehre, dass Körper und Geist
miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Im Laufe der Geschichte der
Christenheit aber wurde die geistliche Komponente immer mehr vom Übrigen
losgelöst.
Vielen schien es so, als ob man nur dann dem Geist gerecht werden könne,
wenn man sich ganz und gar dem Gebet und der Meditation hingab. So entstanden
Klöster, in denen man sich um die geistlichen Dinge kümmerte, während rund
herum das Leben brodelte. Die Klöster übernahmen dann auch die Fürsorge für
das geistliche Wohl aller Menschen. Zwar waren die Menschen außerhalb der
Klöster auch fromm, aber viele verließen sich darauf, dass das Kind, das
sie ins Kloster geschickt hatten, für sie beten und so für ihr Seelenheil
sorgen würde.
Geistliches Leben wurde mit den Entdeckungen der Naturwissenschaft immer
stärker hinterfragt, und aufgeklärte Menschen schämen sich heutzutage,
überhaupt davon zu reden, dass sie sich um ihr geistliches Wohl kümmern –
es sei denn, die Methoden kommen aus dem fernen Osten. Denn das ist nicht
nur modern, es ist auch exotisch, und das hat den westlichen Menschen ja
schon immer fasziniert.
Dabei befasst sich unser Predigttext schon genau mit diesen Fragen. Er hat
die Gemeinde aufgefordert, im Geist zu leben, und erklärt dann, wie genau
das auszusehen hat.
Da heißt es: „Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld,
Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit“ (Vers 22).
Dagegen sind die Werke des Fleisches, also des Körpers ohne Geist, Unzucht,
Unreinheit, Ausschweifung, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Neid, Saufen,
Fressen und dergleichen – schreibt Paulus.
Zwar gibt es keine Anweisungen für körperliche Übungen, die dazu helfen
sollen, dass man sich auf das Leben im Geist einstellt; man muss dazu nicht
auf einem Bein stehen oder sonstwelche Balanceübungen verrichten. Man kann
darüber in allen möglichen Stellungen nachdenken, ob sitzend oder liegend,
sicherlich auch auf einem Bein stehend.
Paulus leitet jedenfalls von dort zu unserem Predigttext mit diesen Worten
über: „Die aber Christus Jesus angehören, die haben ihr Fleisch gekreuzigt
samt den Leidenschaften und Begierden.“
Nun, ich gehöre Christus an, das glaube ich jedenfalls, aber habe ich deswegen
mein Fleisch gekreuzigt? Ich meine, wie weit muss ich damit gehen? Muss ich
wirklich alle Leidenschaft aufgeben? Wieviel ist denn ein Leben ohne Leidenschaft
überhaupt wert?
Nun, vielleicht sind das hier nur Übersetzungsprobleme. Denn was gemeint ist,
das sind die Leidenschaften im Zusammenhang mit den vorhin genannten Werken des
Fleisches. Wir dürfen schon leidenschaftlich sein, ja, wir sollen es sogar,
dann aber nicht im Neid, Zorn oder Ausschweifung, sondern in Liebe, Freude,
Friede, Geduld, Freundlichkeit.
Manches scheint etwas merkwürdig. Geht das überhaupt, leidenschaftlich geduldig
zu sein? Ich meine: ja. Denn geduldig sein heißt ja nicht unbedingt, dass man
nichts mehr von sich hören und sehen lässt und einfach nur still abwartet, bis
sich endlich etwas tut.
Wer geduldig ist, ist nicht zwangsläufig untätig. Er findet heraus, was er selbst
tun kann, um das, worauf er wartet, voran zu bringen. Wenn man nichts tun kann,
gut, aber dennoch sucht man nach Ansatzpunkten, und manchmal ist es dann ja nur
ein freundliches Wort oder eine einladende Geste, damit die Geduld belohnt wird
und das Erwartete eintritt.
Mit Leidenschaft gütig sein – ja, die Leidenschaft macht es ja erst interessant
und aufregend. Man kann seine Güte den Menschen, denen man sie tun will, vor die
Füße werfen und mehr oder weniger gelassen weitergehen – es wird aber viel
interessanter, wenn man es mit Leidenschaft tut, wenn man sich interessiert
für das Schicksal des anderen, wenn man aktiv nach Menschen sucht, denen man
Gutes tun kann.
Das macht Spaß. Es ist schön. Es ist viel entspannender, wenn man mit Leidenschaft
Freude teilt, Frieden schafft, Freundlichkeit ausstrahlt, Treue übt oder Sanftmut
zeigt.
Ich habe nun deswegen so ausführlich den Text vor dem eigentlichen Predigttext
erläutert, weil der Predigttext darauf Bezug nimmt: „Wenn wir im Geist leben,
so lasst uns auch im Geist wandeln.“
Es ist schon merkwürdig, dass es uns immer schwer zu fallen scheint, im Geist zu
leben, obwohl das doch eigentlich viel leichter und auch gesünder wäre – denn wer
im Geist lebt, der erlebt auch keinen Stress.
Aber nein, man trägt lieber nach anstatt zu vergeben, man stellt lieber Forderungen
anstatt sein Gegenüber vollwertig anzuerkennen, und man möchte auch erfolgreich
sein, anstatt in einer Fabrik zu arbeiten, deren Schließung kurz bevorsteht.
Man wirft lieber Essen weg, anstatt weniger zu kaufen und das Gesparte für Brot
für die Welt zu spenden.
Einer trage des anderen Last – so heißt es im Mittelpunkt unseres Predigttextes.
Das greift weit, es verlangt viel, aber man kann es sich auch damit leicht machen:
wer ist denn schon der andere? Denen, die in meiner Umgebung leben, geht es
jedenfalls gut, die brauchen keine Hilfe, denen muss ich nichts abnehmen.
Einer trage des anderen Last: das ist der Grundsatz der Einheit von Körper und Geist.
Denn das ist es, was Leben im Geist ausmacht. Nicht für sich zu leben, sondern immer
auch den anderen zu sehen.
Dieses Prinzip hat sich in den Sozialversicherungen erfolgreich durchgesetzt, doch
das wird wohl nicht so bleiben. Man will es den Arbeitgebern ja leichter machen,
damit sie die Arbeitsplätze in Deutschland belassen.
Einer trage des anderen Last: auf diesem Prinzip baut auch die Ehe auf.
Doch es kommt nicht von ungefähr, dass heutzutage rund die Hälfte aller Ehen wieder
geschieden werden. Denn dieses Prinzip, dass einer des anderen Last trage, ist
überholt. Unsere Gesellschaft fördert den Individualismus: jeder ist sich selbst der
Nächste. Da fügen sich die fernöstlichen Gedanken nahtlos ein, und vielleicht ist
das auch der Grund, warum wir sie so faszinierend finden.
Christus aber lehrt uns anders: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Sei für den
anderen da – nicht, indem du dich völlig aufgibst, sondern indem du mit Leidenschaft
das tust, was der Gemeinschaft dient.
Tue Gutes – so banal es manchmal klingt, das ist ein Leben im Geist. Tue Gutes – das
bringt Körper und Geist in Einklang.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Heilger Geist, du Tröster mein (EG 128)
Herz und Herz vereint zusammen (EG 251)
Dank sei dir, Vater, für das ewge Leben (EG 227)
Jesu, der du bist alleine (EG 252)
Wo ein Mensch Vertrauen gibt (KHW/HN-EG 630; NB-EG 604)
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Predigtvorschläge zu Reihe VI - Mt 6, 25-34
Liebe Gemeinde,
Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet. So sagte Jesus,
damals, vor rund 2000 Jahren, zu den Menschen im Zusammenhang der Bergpredigt.
Wenn wir heute diese Worte hören, denken wir an die Unterschiede, die es
zwischen den Lebensumständen der damaligen und unserer Zeit gibt, und
fragen uns, ob solche Worte heute überhaupt noch vertretbar sind.
Wenn sie denn Relevanz haben, bleibt immer noch zu fragen:
Wem soll man diese Worte denn sagen?
Es ist jedenfalls ein Hohn, wenn man das zu den Armen in unserer Gesellschaft
und in der ganzen Welt sagt, die von Krankheit und Hunger geplagt sind, die
kein sauberes Trinkwasser haben und keine Arbeit, die durch Wucherzinsen
hoch verschuldet sind oder wie Leibeigene alles erdulden müssen, was ihnen
auferlegt wird. Darf man ihnen sagen: „Sorgt euch nicht um euer Leben. Die
Frage, ob ihr am nächsten Tag etwas zu essen haben werdet, braucht ihr nicht
zu stellen. Gott wird für euch sorgen.“?
Es ist ein Witz, wenn man das zu den Reichen sagt, deren Besitz sich täglich
um mehr als 1000 Euro vermehrt und die dennoch nie genug zu haben scheinen.
Soll man ihnen wirklich sagen: „Sorgt euch nicht um euer Leben. Die Frage,
ob ihr am nächsten Tag noch eure Villa, eure Segelyacht oder euren Sportwagen
finanzieren könnt, braucht ihr nicht zu stellen. Gott wird für euch sorgen.“?
Es stimmt nachdenklich, wenn man das zu den Durchschnittsbürgern sagt, die mit
ihrer Hände Arbeit ihr täglich Brot verdienen und damit gerade so über die Runden
kommen, dass sie sich auch hin und wieder ein klein wenig von dem gönnen können,
was man gemeinhin als Luxus bezeichnet. Kann man ihnen sagen: „Sorgt nicht um
euer Leben. Die Frage, ob ihr am nächsten Tag noch eine Arbeitsstelle haben werdet,
oder ob eure Altersversorgung ausreichen wird, braucht ihr nicht zu stellen. Gott
wird für euch sorgen.“?
Sorgen gehört zum Leben dazu, das dürften wohl alle bestätigen. Ohne Sorgen geht
es nicht. Denn immer scheint etwas zu fehlen, immer ist da etwas, das nicht den
eigenen Wünschen entsprechend läuft. Sei es nun etwas, das zum Besitz gehört, oder
sei es die eigene Gesundheit oder die der Kinder und Kindeskinder: es wird gesorgt.
Aber was ist dieses Sich-Sorgen überhaupt?
Im Zusammenhang dessen, was Jesus uns sagt, ist gemeint, dass man sorgt, sich Gedanken
macht über die Zukunft, über das Morgen. Dass man voraus schaut und sich fragt, wie
das Morgen wohl aussehen wird. Und damit verbunden die Furcht, dass das Morgen nicht
so gut aussehen wird wie das heute.
Da hat uns z.B. die Bankenkrise einen ganz schönen Schrecken eingejagt, und man fragt
sich, wie das wohl weitergehen wird. Sind da nicht Sorgen berechtigt, wenn andere das
eigene Geld womöglich verpulvert haben und man trotz aller möglichen Sicherungsmechanismen
nur einen Teil – oder vielleicht sogar gar nichts – davon wiederbekommt?
Manche versuchen, einem die Sorgen abzunehmen, indem sie die Entwicklungen schön reden.
Es sei gar nicht so schlimm mit dem radioaktiven Müll, der in der Asse liegt.
Oder: die Ölvorräte sind längst nicht so erschöpft, wie manche uns glauben machen
wollen. Die Ölkonzerne wollen nur die Preise hochtreiben und damit mehr verdienen
können.
Aber auch darum darf man sich dann ja wohl sorgen: dass die Ölpreise so hoch steigen,
dass unsere Mobilität zunehmend darunter leidet.
Da freut sich dann die Autoindustrie, die endlich eine neue Antriebsform auf den Markt
bringen kann, nachdem dies vor Jahrzehnten schon vergeblich versucht worden war. Jetzt
sind die Sorgen groß genug, so dass sich die Verbraucher durchaus für Alternativen
interessieren und dafür auch etwas von dem Komfort hoher Geschwindigkeit und großer
Reichweite aufgeben müssen.
Sorgen werden manches Mal zum Konjunktur-Motor. Und darum ist es auch gar nicht so
verkehrt, wenn man sich sorgt, wenn man sich nicht all zu sehr in Sicherheit wiegt.
Sorgen helfen auch der Politik, Entscheidungen umzusetzen, die man sonst vielleicht
nicht so leicht hätte durchsetzen können. Die Überwachungsmöglichkeiten zum Beispiel,
die die Regierung ihren Staatsorganen einräumt, sind in den letzten Jahren immer
umfangreicher geworden. Man möchte ja auf jeden Fall terroristische Aktivitäten
beobachten und verhindern können.
Erfolge, die mit dieser Strategie zu verzeichnen sind, werden in der Öffentlichkeit
mit Nachdruck verbreitet. Über Misserfolge, da nämlich, wo unschuldige Menschen
fälschlich beschuldigt und monate- oder gar jahrelang beobachtet wurden, versucht
man zu schweigen.
Die Frage, warum es zu terroristischen Angriffen kommen kann, wird dabei nie gestellt.
Man hält Terroristen für notorische Bösewichte, die es einfach nicht anders kennen
und die für ihr Leben gern töten – auch, wenn sie selbst dabei sterben. Dürfen wir
es uns so einfach machen?
Sorgen sind gut – die Frage ist nur, für wen.
Jesus führt Beispiele aus der Natur an, um uns zu sagen, dass Sorgen überflüssig sind.
Die Vögel unter dem Himmel: sie haben alles, was sie brauchen. Und sie sorgen sich
kein bisschen.
Man könnte diese Behauptung hinterfragen, denn natürlich sorgen sich auch die Vögel
um ihr Leben – und um das ihrer Kinder. Sonst würden sie nicht nach Futter suchen,
für sich und ihre Nachkommen.
Es gibt ja sogar Tiere, die für längere Zeit vorsorgen: Tiere, die Winterschlaf halten,
legen sich zuvor eine gehörige Fettschicht zu, von der sie während des Winterschlafs
zehren. Andere sammeln Vorräte, um den Winter überstehen zu können.
Dennoch, sie sorgen sich nicht so, wie wir es tun. Denn sie sammeln nicht mehr, als
sie brauchen. Sie häufen keine Vorräte aufs Geratewohl an, vor allem nicht, um sich
später vielleicht mal zur Ruhe setzen zu können und neben dem Vorrat sitzend das Leben
zu genießen.
Nein, sie sorgen nur für das Heute und Jetzt. Das genügt. So haben sie auch jeden Tag
Zeit, werden nicht von einem zum nächsten Termin gehetzt, sind nicht ständig unter Druck.
Klar, dass unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem solch eine Haltung gar nicht mehr
zulässt. Wenn wir was von unserem Leben haben wollen, gibt es nur zwei Möglichkeiten:
entweder, wir sind so reich, dass die Zinsen genügen, um gut und in Frieden leben zu
können, oder wir arbeiten so, dass wir wenigstens im Ruhestand noch etwas Zeit haben
für ein entspanntes Leben. Anders funktioniert das nicht.
Sorgt nicht um euer Leben – das ist denen gesagt, die sich sorgen. Die sich Gedanken
machen um das Morgen.
Jesus scheint dabei eines wichtig zu sein: „Nach dem allen trachten die Heiden“, sagt
er. Also die, die nicht auf Gott vertrauen, sondern auf andere: sich selbst und ihren
Reichtum, oder auch die Qualitäten eines sozialen Sicherungsnetzes, wie es in unserem
Land noch besteht und in vielen anderen Ländern ebenfalls.
Natürlich kann man so leben, aber die Sorge wird nie aufhören. Reichtum kann zerfallen,
und bei einem sozialen Sicherungsnetz können die Maschen so weit auseinander gezogen
werden, dass immer weniger Menschen darin Halt finden.
Jesus will, dass wir uns von solchen Menschen unterscheiden, die letztlich auf
selbstgebaute Fundamente ihr Vertrauen setzen, indem wir die Zukunft nicht zum
ständigen Objekt unserer Sorge machen, sondern zum Objekt der Fürsorge Gottes.
Gott weiß, was wir brauchen. Darum sollen wir uns nicht um das Morgen sorgen.
Natürlich dürfen wir, unserem Wirtschaftssystem entsprechend, für unser Alter
vorsorgen. Aber wir müssen es nicht übertreiben.
Denn alles, was wir hier sammeln, womit wir uns hier bevorraten, bleibt ja doch
zurück, wenn unsere letzte Stunde schlägt.
Dann dürfen unsere Kinder zwar das Zurückbleibende an sich nehmen, was ja nicht
verkehrt ist. Aber wir haben nichts mehr davon und offenbar mehr für die Zukunft
getan, als nötig gewesen wäre. Und damit auch mehr gesorgt, als nötig gewesen wäre.
Unser Leben hätte, um es mit anderen Worten zu sagen, etwas befreiter sein können.
Jesus weist auf etwas anderes hin, worum wir uns vorrangig sorgen sollen: das Reich
Gottes. Nicht so, als ob sein Bestand von uns abhinge; das tut es natürlich nicht.
Sondern so, dass wir daran teil haben.
Und das tun wir, indem wir für andere da sind, und indem wir die Liebe Gottes weitergeben,
die wir wahrnehmen und tagtäglich schon dadurch erfahren, dass es uns gut geht und wir
keinen Grund zur Sorge haben. Wir tun es, indem wir uns für ein friedliches Miteinander
einsetzen und darauf drängen, dass politische Konflikte nicht mit Waffengewalt gelöst
werden, sondern mit Schritten der Versöhnung und des Vertrauens.
Wir trachten auch nach dem Reich Gottes, indem wir für die sorgen, die tatsächlich
Grund zur Sorge haben, und die vielleicht am ehesten auch sagen würden: unser Morgen
liegt in Gottes Hand: die Hungernden und Kranken in der Welt, die Unterdrückten und
Entrechteten und natürlich die, die in Kriegs- oder Katastrophengebieten leben. Denn
diesen Menschen ist Gott am Nächsten.
Sie sind ganz der Gnade Gottes ausgeliefert, die für sie nur spürbar wird, wenn wir
aktiv werden und uns ihnen zuwenden.
Darum: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, sondern Trachtet
zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere
zufallen.
Amen
oder
Liebe Gemeinde!
Ich möchte den Predigttext noch einmal vorlesen, auch wenn er manchen
vielleicht schon sehr vertraut ist. Er steht im Evangelium nach Matthäus
im 6. Kapitel:
Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken
werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das
Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die
Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln
nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid
ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens
Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Und
warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie
sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, dass
auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine
von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute
steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr
für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen:
Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden?
Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass
ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen,
denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag
seine eigene Plage hat.
Dieser Predigttext erzeugt in mir gemischte Gefühle.
Auf der einen Seite ist er beruhigend. Es ist nicht nötig, sich Sorgen zu
machen. Alles wird gut werden - vielleicht auch nicht alles, aber alles, was
geschieht, ist so von Gott für uns vorgesehen, und darum wird es auch gut.
Wir können es aus seiner Hand leichter annehmen, weil wir wissen, dass er uns
keine unerträglichen Lasten auferlegt. Wir wissen, dass wir, solange wir in
ihm sind und bleiben, nichts fürchten müssen - selbst den Tod nicht.
Und wenn es dann doch mal so scheint, als wäre das uns auferlegte Bündel zu
schwer, dann hilft uns dieser Text. Denn er zeigt uns, dass alles, was an uns
geschieht, in Gottes Plan passt auf seine eigene Art und Weise. Auf jeden
Fall können wir uns darauf verlassen, dass er da ist, dass er uns nicht
allein lässt. Er kennt jeden Schritt, den wir machen, bevor wir ihn getan
haben. Er weiß, wie unser morgiger Tag aussehen wird. Das kann uns doch
schon genug Beruhigung sein.
Denn darum brauchen wir uns nicht um das Morgen zu sorgen. Dafür sorgt
Gott schon.
Manche von Ihnen haben es im Krieg erlebt, was das bedeutet. Sie haben das
Grauen überlebt, sie haben danach eine neue Existenzgrundlage geschaffen.
Sie wurden bewahrt.
Natürlich hat es viele andere gegeben, hunderttausende, ja, Millionen von
Menschen, die den Krieg und seine Folgen nicht überlebt haben. Aber das
bedeutet nicht, dass Gott nicht auch für diese Menschen da war und für sie
gesorgt hat. Er hat es auf seine Art getan, die wir manchmal nur schwer,
vielleicht auch nie, begreifen können.
Aber der Predigttext muss nicht so verstanden werden: »Sorge nicht für
Morgen«, das kann auch ganz anders interpretiert werden. Wir könnten meinen,
dass Gott ja ohnehin schon alles vorherbestimmt hat. Darum brauchen wir uns
nicht mehr anzustrengen. Alles kommt, wie es kommen muss - es entwickelt
sich ein sogenannter Fatalismus. Fatalismus, das ist die Überzeugung, dass
alles vom Schicksal vorherbestimmt ist. Und wenn wir so denken, dann haben
wir uns aufgegeben. Wir haben keine Hoffnung mehr. Und es kann uns wohl
nichts Schlimmeres passieren als dies: dass wir unsere Hoffnung verlieren.
Darum wäre es ein Fehler, wenn wir die Worte Jesu so verstehen.
Denn wenn wir so denken, berauben wir uns der Möglichkeit, unser eigenes
Leben und das Leben anderer mit zu gestalten. Wir würden es nicht als
notwendig ansehen, zu handeln, wenn Unrecht geschieht, weil das, was wir
tun, ja nichts am Plan Gottes ändern würde. Dabei hätten wir völlig
vergessen, dass Gott in seinem Plan mit uns rechnet. Er rechnet mit
unserer Beteiligung. Und er hat uns die Freiheit gegeben, selbst zu
entscheiden, ob wir mitmachen wollen. Zwar bleibt sein Plan bestehen,
aber Gott selbst hat unendlich viele Möglichkeiten, diesen Plan in die
Tat umzusetzen. Es hängt eben davon ab, wie wir selbst uns einbringen.
Gott hat uns jedenfalls nicht dazu berufen, dass wir die Hände in den
Schoß legen, weil er ja alles schon auf seine Weise geplant hat. Sondern
Jesus ruft uns zu: Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen. Trachtet also nicht
nach der Sicherheit für Morgen, fragt euch nicht, wie das weitergehen
soll mit der Rente, mit den Versicherungsbeiträgen, mit den Kosten für
die Krankenversicherung. Seid nicht auf euch selbst konzentriert. Werdet
euch vielmehr bewusst, wie gut es euch geht. Erkennt, dass es euch an nichts
fehlt, während es viele Menschen in der Welt gibt, die noch nicht einmal
genug zu essen haben. Seid bereit, für diese Menschen etwas von Eurer Sicherheit
aufzugeben; sucht Gerechtigkeit.
Sicher entsteht diese Gerechtigkeit nicht durch unsere Taten, wir können
das nicht vollbringen. Und wenn wir die Gerechtigkeit im Blick haben und
uns bemühen, abzugeben von dem, was wir im Überfluss haben, damit die, die
zu wenig haben, wenigstens nicht verhungern, dürfen wir auch mit Recht
fragen, warum es die Reichen unserer Gesellschaft nicht im gleichen Umfang
tun.
Gerechtigkeit müsste ja alle einschließen, d.h. alle müssten abgeben,
damit die Armen nicht mehr arm sind. Dass dies nicht so ist, zeigt uns,
wie weit wir von wahrer Gerechtigkeit entfernt sind. Wir werden uns bewusst,
dass die wahre Gerechtigkeit nur von Gott her kommen kann. Aber das
rechtfertigt nicht, dass wir uns seelenruhig zurücklehnen und die
Ungerechtigkeit, die durch unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem
entstanden ist, kritiklos hinnehmen.
Nach Gottes Reich zu trachten und nach Gerechtigkeit erfordert unseren
vollen Einsatz, völlig unabhängig davon, was die anderen machen. Denn
jede und jeder ist aufgerufen, am Reich Gottes mit zu bauen. Wir haben
diesen Ruf gehört, wir hören ihn jetzt, heute. Gott rechnet mit uns.
Lasst uns also nicht andere zum Maßstab unseres Handelns machen, sondern
lasst uns diesem Aufruf folgen.
Jesus macht uns mit seinen Worten dazu Mut. Alles andere wird uns zufallen,
sagt er. Wir brauchen unsere Energie nicht für unser Morgen aufzubringen,
sondern wir können sie für andere Menschen, die es weitaus nötiger haben
als wir selbst, einsetzen. Wenn wir für Morgen nicht genug haben, wird es
dennoch genug werden, weil Gott für uns sorgt.
Aber wir müssen uns natürlich auch fragen: Können wir uns überhaupt so
sorglos geben? Unsere Gesellschaft ist auf Geld aufgebaut. Ohne Geld geht
bei uns gar nichts. Niemand kann ohne Geld in einer Wohnung leben. Wir
können uns nicht irgendwo eine Hütte bauen, die uns den nötigen Schutz
bietet, denn es gibt kein Stück Land, das nicht jemandem gehört. Die Hütte
würde zerstört, wir würden vertrieben werden.
Wir können nicht in den Wald gehen und Feuerholz sammeln, um dann im Winter
ein Feuerchen im Wohnzimmer zu machen. Wir müssen Energie kaufen, damit wir
es warm haben.
Die wenigsten verfügen noch über einen Garten, der groß genug wäre, sie mit
Essen zu versorgen. Es muss eingekauft werden. Wohl kaum einer hat eine Kuh
im Garten stehen, die sie täglich mit Milch versorgt. Und so geht es weiter
und weiter. Wir sind abhängig vom Geld, schon lange, und das ist fatal.
Die Sorglosigkeit der Vögel unter dem Himmel und der Tiere auf dem Feld, die
Jesus in seinen Worten als Beispiel anführt, können wir nicht teilen. Wir
würden unweigerlich zu Bettlern, zu Landstreichern, Obdachlosen. Geld ist
also wichtig, und weil wir es nur einmal im Monat bekommen, müssen wir auch
immer wieder an das Morgen denken: wird es bis zum Monatsende reichen?
Sicher wird es das. Jesus hat es uns versprochen. Aber es fällt ungeheuer
schwer, dies anzunehmen und dann auch entsprechend zu leben. Sorgt euch nicht
um das Morgen? Wie können wir das, wenn alles vom Geld abhängt, das monatlich
auf unseren Konten landet?
Aber manche sorgen sich vielleicht gar nicht so sehr ums Geld. Für sie ist es
eine ganz andere Sorge, die sie bedrückt: wie werde ich den morgigen Tag erleben?
Wie wird mein Körper mit den Belastungen des morgigen Tages fertig werden? Was
für Schmerzen erwarten mich morgen? Manchen setzt das Alter oder eine Krankheit
so sehr zu, dass sie gar nicht mehr an das Morgen denken, und doch fragen sie
sich: wie lange muss ich das noch aushalten? Wie lange noch, bis ich sterben
werde?
Sorge dich nicht um das Morgen. Du kannst deinem Leben nicht eine Sekunde hinzu
fügen. Dein himmlischer Vater weiß, was du brauchst. Erinnere dich daran, dass
du in seiner Hand geborgen bist. Du bist nicht allein mit deinem Leid. Wenn
dich vielleicht auch Menschen allein lassen: Gott tut es nicht. Er ist da, er
fängt dich auf mit seinen Händen, wenn du fällst. Er trägt dich, wenn du nicht
mehr allein gehen kannst.
Gott will uns die Kraft dazu schenken, die Sorge für das Morgen aufzugeben. Er
will uns ermutigen, auch in dem Leiden das Reich Gottes zu suchen. Vielleicht
hilft es uns, uns daran zu erinnern, dass Jesus Christus selbst gelitten hat?
Er ist den Weg des Leids ja schon vor uns und für uns gegangen, darum weiß er,
wie schwer es für uns ist. Aber so wie sein Tod am Kreuz nicht das Ende war,
sondern der Anfang der Hoffnung, die uns nun mit Leben erfüllt, so hat auch
das Leid, das wir hier erdulden, nicht das letzte Wort.
Im Abendmahl nehmen wir teil am Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus,
aber auch an seiner Auferstehung. Darum sprechen wir das »Geheimnis des Glaubens«
in der Abendmahlsliturgie aus und sagen gemeinsam: Deinen Tod, o Herr, verkünden
wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.
Wenn wir heute wieder das Abendmahl feiern, verkünden wir den Tod unseres Herrn.
Aber damit ist es nicht zu Ende. Er ist von den Toten auferstanden, er schenkt
auch uns das ewige Leben. Darum brauchen wir uns nicht zu sorgen. Es gibt dafür
keinen Grund, weil uns selbst der Tod nichts anhaben kann. Wir leben in Gott.
Das macht uns frei, sein Reich zu suchen und die Gerechtigkeit.
Amen
Liedvorschläge zur Predigt:
Halleluja, suchet zuerst Gottes Reich (EG 182)
Freuet euch im Herren allewege! (EG 239)
Befiehl du deine Wege (EG 361)
Wer nur den lieben Gott lässt walten (EG 369 - Wochenlied!)
Ich steh in meines Herren Hand (EG 374)
Meinem Gott gehört die Welt (EG 408)
Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit (EG 502)
Weißt du, wieviel Sternlein stehen (EG 511)
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