das Kirchenjahr

3. Sonntag im Advent (Gaudete)

Der Vorläufer des Herrn

Predigtbeispiele

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Zu den Perikopen

Predigtvorschläge zu Reihe I - Röm 15, 4-13

Liebe Gemeinde!
Wenn ich Sie so begrüße, dann frage ich mich manchmal, wie das wohl bei Ihnen ankommt. Ist der Gruß nur eine Floskel, so wie am Anfang eines Briefes, die man achtlos überliest?
Oder regt diese Anrede etwas in Ihnen?
Da könnte z.B. die Frage auftauchen, ob ich zu dieser Gemeinde dazu gehöre. Gäste zum Beispiel, die nur an diesem Gottesdienst hier teilnehmen und später wieder an ihren eigenen Ort, vielleicht hunderte von Kilometern entfernt, zurück kehren. Gehören sie zur Gemeinde?
Oder man fragt sich, ob man sich ausreichend in die Gemeinde einbringt, ob da nicht mehr möglich ist als dieser Gottesdienstbesuch. Bin ich schon Teil dieser Gemeinde, wenn ich sonntags in den Gottesdienst gehe, oder muss Gemeinde im Sinne von Gemeinschaft auch auf anderen Ebenen sichtbar und erlebbar werden?
Oder man freut sich und ist dankbar, dass man dazu gehört zu einer Gemeinde, in der man sich aufeinander verlassen kann, die für einander da ist, wo man Raum findet, um seinen Glauben zu entfalten – jeder auf seine Weise.
Was ist Gemeinde eigentlich?
Paulus gibt im Römerbrief auf diese Frage eine Antwort. Er redet von der Gemeinde als einer Gemeinschaft von Menschen, die einträchtig gesinnt sind, einmütig mit einem Munde Gott loben und einander annehmen.
Natürlich hat er auch eine bestimmte Problemstellung vor Augen, denn Briefe sind nun mal an einen Adressaten gerichtet, der ganz konkrete Anliegen hat oder dem man ganz konkrete, für ihn bestimmte Mitteilungen machen möchte:
die Gemeinde in Rom besteht aus sogenannten Judenchristen und Heidenchristen. Mit anderen Worten: in der Gemeinde sind Menschen, die zuvor, bevor sie Christen wurden, Juden gewesen waren, und Menschen, die zuvor an andere Götter geglaubt hatten.
Wir merken schon, dass das durchaus problematisch werden kann: da könnten die einen überheblich werden und meinen, sie seien besser als die anderen. Die anderen wiederum könnten sich ausgegrenzt fühlen und sich dazu entscheiden, sich von den anderen zu trennen – in der Annahme, dass sie besser seien als jene.
Paulus ermutigt zum Gegenteil: seid einträchtig – trachtet nach der Einheit. Lobt Gott einmütig, denn nur so kann Euer Gotteslob aufrichtig sein.
Mit diesem Aufruf bohrt Paulus in einer Wunde herum, die zwar erst viel später entstanden ist, aber eigentlich schon von Anbeginn der Christenheit zu entstehen drohte und uns heute, da sie immer noch existiert, Schmerzen bereitet: die Spaltung der christlichen Kirche in viele unterschiedliche Denominationen, nämlich in orthodoxe, in römisch-katholische, in evangelisch-lutherische, in reformierte, in baptistische, in methodistische usw.

Mit großer Selbstverständlichkeit beschloss man vor einigen Jahren, das 500. Jubiläum des Thesenanschlags mit großem Brimborium zu feiern, bis Stimmen laut wurden, die darauf verwiesen, dass es eigentlich kein Grund zum Feiern sein kann: denn seit der Reformation ist die Kirche abgrundtief gespalten.
Zwar hatte es auch vorher schon Spaltungen gegeben, aber die Reformationsbewegung im 16. Jahrhundert hatte bis dahin unerreichte Auswirkungen. Man denke nur an den 30-jährigen Krieg, der unsagbares Elend über Deutschland ausbreitete. Natürlich ging es damals um Machtansprüche, aber man nutzte die Spaltung der Christen dazu, diese Machtansprüche mit Waffengewalt durchzusetzen. Viele andere Beispiele könnte man anführen, aber das braucht es nicht, um aufzuzeigen, dass das Reformationsjubiläum eher ein Anlass zum Trauern sein sollte über die fortdauernde Spaltung der Kirche.
Ich erinnere mich aus meiner Kindheit daran, dass meine Eltern mir den Kontakt zu katholischen Kindern verbaten und sie nur mit Widerwillen an dem einzigen ökumenischen Gottesdienst im Jahr teilnahmen.
Und vor zwei Tagen haben wir gemeinsam in der Stadtkirche eine Taizé-Andacht gefeiert – während draußen der Adventsmarkt weiterging – ökumenisch, versteht sich, wo man das Gefühl hatte, dass alles Trennende längst überwunden ist.
Aber dann ist es doch nicht so, und die Frage nach dem Warum lässt sich nur mit Mühe beantworten. Denn inzwischen haben die römisch-katholische und die protestantischen Kirchen ein gemeinsames Papier unterschrieben, in dem sie erklären, dass die Rechtfertigung vor Gott nur aus dem Glauben heraus möglich ist.
Das war der Kern der reformatorischen Botschaft, und nun wurde dieser Kern auch von der „anderen“ Seite schon vor etlichen Jahren angenommen.
Wo hakt es jetzt noch?
Den Austrittswilligen ist es jedenfalls egal, ob sich im römisch-katholischen oder im protestantischen Lager ein Skandal ereignet. Hauptsache, es ist ein Skandal, der den Austritt dann auch rechtfertigt.
Wenn man in den Gemeinden herumfragt, scheint es wenig zu geben, was uns noch trennt. Ganz offensichtlich feiern wir gerne zusammen Gottesdienst, und das ist doch schon eine der Aufforderungen, die uns Paulus zuruft: einmütig Gott mit einem Munde zu loben.
Aber wenn man dann nachhakt und die Möglichkeit in den Raum stellt, dass sich die Kirchen wieder vereinen, merkt man schnell auch das Unbehagen: wollen wir Protestanten wirklich einen Papst? Der Widerwille gegen diesen Gedanken scheint uns in die Wiege gelegt, auch wenn Papst Franziskus einen erstaunlich guten Eindruck auch auf uns macht.
Und die Sache mit der Heiligenverehrung geht uns manchmal auch etwas weit, aber das könnte man eventuell noch zur individuellen Frömmigkeit zählen. Aber immerhin gibt es katholische Feiertage, mit denen wir unsere Probleme hätten: etwa die unbefleckte Empfängnis Mariens, oder ihre Himmelfahrt. Dabei habe ich im Gespräch mit einem römisch-katholischen Kollegen gelernt, diese Feiertage besser zu verstehen.
Was man katholischerseits an uns bemängeln würde, liegt vermutlich auf der Hand: die Zersplitterung in viele mehr oder weniger große Kirchen, die der Forderung nach Einheit ja alleine dadurch schon Hohn sprechen. Denn es gibt ja nicht nur die lutherische Kirche, sondern auch die reformierte und die unierte, die Baptisten, die Methodisten, die Anglikaner, die vielen Pfingstgemeinden usw.
Das ist nur eins, es gibt andere Dinge, die da quer stehen.
Also doch keine Einheit, keine Eintracht, kein einmütiges Lob, auch wenn wir es hin und wieder tatsächlich praktizieren. Es ist nicht die Regel, und darum bleiben auch solche ökumenischen Gottesdienste Zeugnis für die Trennung der Christen untereinander, so schmerzlich dieser Gedanke auch ist.
Und nachdem wir nun so weit hinausgeschaut haben, können wir auch hinein schauen in unsere eigenen Gemeinden.
Über zweitausend Gemeindeglieder zählt die Stiftskirchengemeinde. Viele von ihnen werden wir am Heiligen Abend sehen, und dann wieder für ein Jahr nicht mehr.
Und es werden auch da nicht alle sein – es gibt ja auch noch die, die gar nicht kommen können, obwohl sie gerne wollten. Krankheit oder Alter hindern sie daran.
Kennen wir sie? Gehen wir hin, beten mit ihnen, singen mit ihnen eines oder auch mehrere der schönen Weihnachtslieder? Oder sind sie irgendwo in einem nebulösen Dunkel verborgen?
Denn Paulus redet nicht nur von dem, was wir Ökumene nennen, wenn er zu Eintracht, Einmütigkeit und Einander-Annehmen auffordert. Er meint damit auch, dass wir aufeinander acht haben sollen, dass wir einander nicht aus den Augen verlieren, dass wir dahin gehen, wo Menschen einsam sind oder Hilfe brauchen.
Er stellt uns im Grunde zwei Arten von Gemeinde vor, zu denen wir alle gehören.
Da ist einmal die Gemeinde, von der im Glaubensbekenntnis die Rede ist: die Gemeinschaft der Heiligen. Sie umfasst alle Menschen, die getauft wurden, und stellt eine Gemeinschaft dar, die von Gott selbst geleitet wird durch den Heiligen Geist. Das ist die eine, heilige, christliche Kirche. Da gibt es keine Landeskirchenämter, keine Propsteien, keine Bischöfe, keine Pfarrer. Diese Gemeinschaft der Heiligen lebt aus dem Vertrauen auf Gott, der alles in allem ist, und ist eins durch ihn.
Und dann ist da die Gemeinde, die geographisch eingegrenzt werden kann, die sich darum auch - manchmal nur im Detail, manchmal aber auch in vielen Dingen - von den anderen unterscheidet.
Aber das ist dann kein Grund zur Abgrenzung, denn wir sind ja auch alle Teil dieser Gemeinschaft der Heiligen, zu der uns Christus berufen hat, dieser großen, weltumspannenden Gemeinde. Und wenn ich von weltumspannend rede, dann meine ich nicht nur diese Welt, sondern auch die Welt Gottes, wo alle die versammelt werden, die schon von uns gegangen sind.
Und so merken wir, dass die Zersplitterung der Christenheit in viele Kirchen eigentlich nicht sein darf, sondern dass wir uns immer weiter darum bemühen müssen, die Einheit zu erlangen. Denn dazu sind wir berufen, und das formuliert die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung dann so:
Diese Erklärung „ist … von der Überzeugung bestimmt, dass unseren Kirchen in der Geschichte neue Einsichten zuwachsen und dass sich Entwicklungen vollziehen, die es ihnen nicht nur erlauben, sondern von ihnen zugleich fordern, die trennenden Fragen und Verurteilungen zu überprüfen und in einem neuen Licht zu sehen.“ (Präambel Abs. 7)
Paulus redet am Anfang und am Ende unseres Predigttextes von der Hoffnung. Gott hat uns eine Hoffnung geschenkt, die uns alle mit Frieden und Freude erfüllt. In dieser Hoffnung sind wir schon eins. Es ist die Hoffnung auf sein Kommen, auf die Vollendung der Gemeinde und ihre Offenbarung als die Gemeinschaft der Heiligen.
Und da sehen wir dann endlich auch ein wenig von dem Licht des Advent aufleuchten, dieser Zeit, die uns erfüllt mit der Hoffnung auf das Kommen unseres Herrn. Kann dieses gemeinsame Hoffen nicht auch Anlass sein dazu, aufeinander zu zu gehen und Trennendes zu überwinden?
Dabei denke ich natürlich auch, aber nicht nur an die Ökumene, sondern auch an das, was in meinem Leben schief läuft. Auch da gibt es Trennungen, die überwunden werden sollten, und unerfüllte Aufgaben, denen ich mich zuwenden sollte.
So erfülle uns Gott mit Geduld, Trost und Hoffnung, dass wir einmütig mit einem Munde Gott von ganzem Herzen loben – in dieser Gemeinde und in der Welt, wo immer er uns hin führt, indem wir tun, wozu wir gesandt sind.
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
Nun komm, der Heiden Heiland (EG 4)
Gottes Sohn ist kommen (EG 5)
Ihr lieben Christen, freut euch nun (EG 6)
Nun jauchzet, all ihr Frommen (EG 9, 1.3-5)
Mit Ernst, o Menschenkinder (EG 10)
Gott sei Dank durch alle Welt (EG 12)
Daran ich keinen Zweifel trag (EG 342, 5-6)


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Predigtvorschläge zu Reihe II - Lk 3, (1-2) 3-14 (15-17) 18 (19-20)

Zu Lk 3, 1-14:

Advent, Advent, ich sagt' es schon
vor einem Jahr im gleichen Ton,
gereimt in Versen, immer, gleich:
es kommt zu uns das Himmelreich.

Ich denk', dass es auch heute, jetzt,
der eine oder andre schätzt,
wenn ich in Reimen etwas sag',
und so die Botschaft rübertrag'.

Doch weiß ich, dass nicht jedermann
damit etwas anfangen kann,
und sicher auch nicht jede Frau -
wer das erinnert, ist schon schlau.

Jedoch, in Versen sagt sich's gut,
was uns das Herz erwärmen tut,
die frohe Botschaft dieser Zeit:
das Licht kommt in die Dunkelheit.

Das war, so steht's bei Lukas schon
das Wort des Zacharias' Sohn,
Johannes hat man ihn genannt,
und auch "der Täufer", weit bekannt.

Er mahnte, drohte, und auch schnaufte
bevor er manchen Menschen taufte.
Der Lukas sagt uns seine Worte,
die er rief aus an jenem Orte,
den wir als Jordan alle kennen
und heute auch genauso nennen.

Johannes spricht von Schlangenbrut,
da spürt man richtig seine Wut,
so redet er sie alle an,
egal ob Frau, Kind oder Mann.

Er spricht vom Zorn, und ruft sogleich:
"Kehrt um! Tut Buße! Werdet reich
an Früchten der Rechtschaffenheit!"
Und warnt vor Überheblichkeit.

Denn wer sich ganz darauf verlässt
(und feiert darum Fest auf Fest),
dass er sei Gottes Kind genannt,
der wird von Gott ganz schnell verbannt.

Das hört sich ziemlich grausam an,
Johannes gar nicht anders kann.
Denn jeder ist sich selbst so nah,
er nimmt den Nachbarn gar nicht wahr.

Das klingt vertraut; so leben wir
auch heute, ja, auch jetzt und hier.
Sich selbst der Nächste ist man gern,
denn das liegt ja nicht ganz so fern.
Und kommen tut es mir zugut,
das sagte schon die Schlangenbrut.

Doch das, so hören wir den Schall
fast so wie ein Kanonenknall,
darf so nun nicht mehr weitergehn,
wollt ihr den Frieden Gottes sehn.

Johannes war ganz aktuell,
er hat' den Nächsten gleich zur Stell,
wenn du zwei Hemden bei dir hast,
pass auf, sie werden dir zur Last.

Das eine gib nur hin geschwind,
der andre braucht es mit dem Kind,
der nackt und bloß am Wegrand steht
dem friert, wenn kalter Wind herweht.

Und wenn der Tisch beladen ist
mit Sachen, die man täglich isst,
dann lade doch den andern ein
der Hunger leidet voller Pein.

Johannes' Worte waren klar,
und jeder nahm sie auch für wahr,
denn Arme sah man überall,
an Straßen, Häusern, und am Stall.

Da war es klar, jetzt gehe ich
und helfe mal ganz nachbarlich,
und werde künftig nicht vergessen:
der andre braucht auch was zu essen.

Doch uns fällt das nicht ganz so leicht,
wenn man die Zeiten heut' vergleicht,
dann scheint es: Arme gibt es kaum
in unsrem heut'gen Zeitenraum.

Obwohl es schon mal möglich ist,
das sehen wir zu dieser Frist,
dass mancher lebt allein vom Brot
des andern, weil er leidet Not.

Hartz IV, so nennt man das ja auch,
das ist noch nicht so lange Brauch.
Es hilft den Armen bei uns hier
das freut so machen wie ein Tier.

Doch wissen wir: die Armen gibt's
heut ganz genauso, wenn's beliebt.
Nur sind es nicht die Nachbarsleut,
die Armen sind uns ferner heut'.

Dort gibt es Arme auch zu Hauf
im fernen, weiten Weltenlauf.
Man sagt wohl: was geh'n die mich an?
Da ruft mal andre auf den Plan!

Doch denken wir noch mal zurück
was uns gesagt in diesem Stück
das uns der Lukas hat erzählt,
das heut' für diesen Tag erwählt.

Johannes ruft zum Teilen auf
Gerechtigkeit nehm' seinen Lauf.
Und das bedeutet sicher doch
dass niemand rotte in 'nem Loch.
Auch nicht der Arme in der Fern,
und das ist nun des Pudels Kern.

Der Nächste wohnt nicht nebenan,
dem man mal schnell was geben kann,
er findet sich mal hier, mal dort
und sicher auch am fernsten Ort,

dort wo man Apfelsinen pflegt
und schöne Blumen für uns hegt,
wo man die Kaffeebohne pflückt,
die manches Herz hat schon beglückt.

Wo Kakao und der Ingwerwurz
- doch das ist ja den meisten Schnurz -
für Hungerlohn geerntet wird
so schlecht geht?s nicht dem ärmsten Hirt.

Was uns so selbstverständlich ist,
das wird dort nicht einmal vermisst,
denn Geld, das reicht für's Leben kaum.
Damit erfüllt man keinen Traum.

Meist fehlt sogar ein dichtes Dach
und manche and're nöt'ge Sach'.
Es fehlt sogar an einem Stuhl
die Kinder gehen nicht zur Schul',
sie müssen helfen hin und her
auch wenn die Arbeit ist sehr schwer.

So sieht es andernortens aus
weit weg von unsrem eignen Haus.
Und doch sind sie uns richtig nah
die ganze groß' Familienschar.
Denn was sie tun, das dient uns gleich
zum Nahrungs- und zum Zeitvertreib.

Johannes sagt: man gebe hin!
Da sind wir nicht sehr gut darin.
Denn Wohlstand haben wir verdient,
so meint es Mann und Frau und Kind.

Advent, Advent, es ist die Zeit
der Ruhe und Besinnlichkeit,
wo Hektik und der Einkaufswahn
am besten gar nicht auf dem Plan.

Besinnt euch! Denkt mal richtig nach:
Das Licht ins Dunkel hinein brach.
Was meint das denn? Dass alle Welt
wird von dem klaren Licht erhellt.

Das Licht, es scheint uns längst schon hier,
Es ist gewiss nun dran, dass wir
es tragen in die Welt hinaus
und treiben alles Finstre aus.

So haben sie es einst gesehn,
die Christen in den ersten zehn
und auch wohl hundert Jahren bald:
der Christ teilt seine Habe halt.

So steht es auch bei Lukas, seht,
dass nur kein Staub darüber weht,
in den Geschichten vor, zurück,
von den Aposteln; in dem Stück.

Advent, das heißt, er kommt fürwahr
so legt es uns Johannes dar
macht alles nun für ihn bereit
legt ab die Ungerechtigkeit.

Denkt an den Nächsten hier und dort,
bringt Licht an jeden dunklen Ort,
dann kommt der Herr schon bald zu uns
und auch wohl noch zu Hinz und Kunz.

Dann gibt es Grund zur Freude bald
der Klang vom Himmel widerhallt!
Der Singsang von der Engelschar
der klingt uns ja ganz wunderbar.

So machen wir die Herzen rein,
damit der König ziehe ein!
Wir freuen uns in dieser Zeit
der Buße und Besinnlichkeit.

Wir werden ruhig und fragen dann,
was man dem Nächsten tuen kann,
wie wir den Willen Gottes tun,
wenn wir von unsrer Arbeit ruhn.

So machen wir die Wege weit,
die Berge flach, dem Herrn bereit.
Wir machen alles Krumme grad,
so wird es dann ein guter Pfad.

Der Herr, er kommt, doch wann genau
das wissen weder Mann noch Frau
es ist nicht schlicht das Weihnachtsfest
wenn man bereitet sich das Nest
mit Printen und mit Zimtenstern,
die unsre Kinder haben gern.

Er kommt schon morgen, so kann's sein,
er kommt zu allen, groß und klein,
er kommt, und zwar in alle Welt
zu jedem, der sich zu ihm hält.

Er kommt, wo man das Seine teilt,
wo die Gerechtigkeit verweilt,
wo Menschen nicht den Vorteil seh'n,
der ihnen selbst nur wird gescheh'n.

Er kommt, wo Frieden wird gemacht,
wo jeder Mensch ganz fröhlich lacht,
wo jeder wohl den andern mag,
und das nicht nur am Christfesttag.

Er will, dass diese unsre Welt
von seiner Liebe wird erhellt!
So tragen wir sie gern hinaus
und teilen sie an alle aus:

An jene, die nicht lieben woll'n,
ganz so wie ein Stück Christfeststoll'n.
An jene, die wohl kaum geliebt,
man gerne auch die Liebe gibt.

An jene, die verbittert sind,
wir machen ihre Seele lind.
An jene, die allein und schwach,
für sie ist unser Herze wach.

Wir kleiden Nackte auch ganz gern,
so leuchtet ihnen bald der Stern,
der Gottes Liebe deutlich macht,
und auch das Licht im Dunkel lacht.

Ja, komm, Herr Jesus, komme bald
und zeig' dich uns in der Gestalt
dass wir dich gleich erkennen schon
und hören auch den himmlisch' Ton.

Im Abendmahl bist du uns nah,
das wissen wir, das ist wohl wahr.
So mach uns innen ganz bereit,
mach unsre Herzen für dich weit.

Wir warten dein, o Gottessohn
und sehen dich auf deinem Thron
du kommst gewiss, das glauben wir,
so komm und bleibe dann auch hier.

Dass Friede werde weit und breit
für alle, und Gerechtigkeit.
Wir wollen dich empfangen gern
und freuen uns, wenn du nicht fern.

Wir sprechen Amen, so soll's sein,
der Friede kehre bei uns ein
der über allem Denken steht
der nie und nimmer je vergeht.

Er lasse uns're Herzen ruhn
in ihm, dem lieben Gottessohn.
So bitten wir in dieser Stund
mit unserm Seufzen, unserm Mund.

Amen


© Martin Senftleben

Liedvorschläge zur Predigt:
Gottes Sohn ist kommen (EG 5)
MIt Ernst, o Menschenkinder (EG 10)
Auch dürft ihr nicht erschrecken (EG 11, 8.10)
„Tröstet, tröstet”, spricht der Herr (EG 15)
Wir wollen sing'n ein' Lobgesang (EG 141)
Gott hat dir Christus, seinen Sohn (EG 145, 2-4)


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Predigtvorschläge zu Reihe V - Jes 40, 1-11

Liebe Gemeinde!
Ich habe gerade ein Buch gelesen, das eigentlich für Kinder geschrieben wurde. Jedenfalls wird es als Kinderbuch verkauft, leider gar nicht in Deutschland, sondern in den USA. Es beschreibt aus der Sicht eines Kindes, wie eine Familie im Nordamerika des 19. Jahrhunderts sich eine Existenz aufzubauen versucht und dabei immer wieder von vorne anfangen muss.
In diesen Beschreibungen wird einem klar, mit wie wenig man im Grunde ein glückliches und zufriedenes Leben führen kann. Aber darum geht es mir heute nicht, sondern um ein Phänomen, das in dem Buch beschrieben wird. Die Autorin, die alles damals als Kind erlebt hat, stellt nämlich fest, dass man in der Prairie gar nicht so weit schauen kann, wie es einem eigentlich erscheint. Man hat den Eindruck, dass die Prairie unendlich weit wäre und nur der Horizont sie begrenzt, aber kaum ist sie mit ihrem Vater und ihrer Schwester einige hundert Meter gegangen, ist es schon unmöglich, ihr kleines Blockhaus zu sehen, das noch gar nicht weit entfernt hinter ihnen liegt. Es ist so, als sei es von der Prairie verschluckt worden. Dabei sind es nur sanfte Hügel, die den Blick verdecken, die einem aber aus der Nähe kaum auffallen und die man auch beim Gehen nicht wirklich bemerkt. Es gibt keine steilen Abhänge, die einem das Vorwärtskommen schwer machen, man schaut nicht zu Gipfeln auf. Nur ein kleines, flaches Tal gibt es dort, in dem ein Bach fließt, der von Bäumen umsäumt wird. Ansonsten die unendliche Weite der Prairie. Diese Weite wird suggeriert durch das Prairie-Gras, das sich über riesige Flächen ausbreitet und wie ein ebener Teppich erscheint.
Ich musste beim Lesen des Predigttextes an diese Schilderung denken:
Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden.
Es geht darum, alles sichtbar zu machen. Oder besser anders herum: es geht darum, allen etwas sichtbar zu machen, egal, wo sie sich befinden.
Es kommt etwas Großes, sagt Jesaja: die Herrlichkeit des Herrn! Und die sollen alle schon von weitem erkennen, alles Fleisch miteinander wird es sehen!
Es kann schon verwundern, warum man für die Herrlichkeit des Herrn alles einebnen soll, denn die müsste man doch sowieso weithin sehen. Sie überstrahlt doch alles!
Aber offenbar gibt es Hindernisse, die den Blick versperren und auf die Jesaja mit dem Bild + von den Hügeln und Tälern anspielt.

Das Volk Israel lebte im Babylonischen Exil, sie waren Gefangene, fern von der Heimat, fern von Jerusalem, fern von Gott. So empfanden sie es. Nicht wie trotzige Kinder, die meinten, alles, nur nicht das zu tun, was ihr Vater von ihnen wollte. Sondern eher wie reumütige Sünder, die erkannt hatten, dass ihr eigenes Verhalten ihnen diese Gottesferne eingebrockt hatte.
Sie wagten nicht mehr zu hoffen, dass Gott sich ihnen wieder zuwenden würde. Die Zerstörung des Tempels war wie ein endgültiges Zeichen – denn bisher hatte der Tempel als Zeichen der Gegenwart Gottes im Volk Israel gegolten. Das war nicht mehr. Der Tempel war nicht mehr.
Und so waren die Israeliten am Boden zerstört, zerschlagenen Herzens, könnte man sagen:
An den Wassern zu Babylon saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande.
Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen
und in unserem Heulen fröhlich sein: „Singet uns ein Lied von Zion!”
Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande?
Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.
Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben,
wenn ich deiner nicht gedenke,
wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.

(Ps 137, 1-6)
So erinnerten sie sich damals im 137. Psalm an die Zeit im Babylonischen Exil. Tiefe Trauer hatte sie erfasst angesichts der Gottesferne, die sie erlebten; sie wollten umkehren.
Die Worte des Propheten leiten eine große Veränderung ein:
„Tröstet, tröstet mein Volk! Die Knechtschaft hat ein Ende! Die Schuld ist vergeben!”
Man kann sich vorstellen, wie sich die Menschen aufrichteten, als sie diese Worte hörten, fragend vielleicht, unsicher, aber doch so, dass der Funke Hoffnung, den die Worte entzündet hatten, schon erkennbar wurde.
Des Herrn Mund hat's geredet. - Auf Worte aus dem Mund des Herrn kann man sich doch verlassen, das ist eine zuverlässige Botschaft.
Aber genügt es, damit sich die Einstellung zur gesamten Lebenssituation ändert? Ich stelle mir vor, dass die nachfolgenden Verse fast wie ein Hohn empfunden wurden. Der, der zur Predigt aufgefordert wird, stellt erstmal seine Endlichkeit und die des Volkes in den Vordergrund. Da spürt man einen Vorbehalt: ob es das Volk überhaupt erleben wird, was da erst so groß angekündigt wurde?
Und dann die Worte der Freude über Jerusalem, über Zion, das doch wüst da liegt, das keine Freude mehr kennt. Wie kann von Jerusalem solche Freudenbotschaft ausgehen? Der zerstörte Tempel, die verfallenen Mauern, die Ruinen mit den wenigen Menschen, die sie noch bewohnen – eine Stadt, die früher mit Leben pulsierte, wo der Name des Herrn Tag für Tag gepriesen wurde, wo täglich hunderte und tausende Pilger ein- und auszogen - eine Stadt, die die Herrlichkeit Gottes allen Menschen offenbarte. Das ist Vergangenheit. Und die Zukunft? Wird sie wirklich so sein, wie Jesaja es verkündigt? Und: werden sie es überhaupt erleben?

Wir können uns ein bisschen in das Volk Israel hinein versetzen. Der Ort unserer Hoffnung liegt zwar nicht in Trümmern. Aber was hoffen wir denn überhaupt? Was ist es, das wir vom Leben erwarten? Haben wir nicht längst aufgegeben, zu hoffen? Haben wir uns nicht damit abgefunden, dass er nicht kommt, so lange wir leben?
Würden wir nicht gerne in die Worte des Predigers einstimmen: „Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des Herrn Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!”
Dem können wir eigentlich nur zustimmen. Was ist das Leben schon? Und was können wir vom Leben erwarten, außer den Tod?
Doch Jesaja hört mit diesen Worten nicht auf. „Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich” - das ist das Entscheidende. Jesaja weist uns nur unseren Platz zu, bevor die eigentliche Predigt beginnen kann. Verlasst euch nicht auf euer Geschwätz, sondern hört auf das Wort Gottes!
Das Wort Gottes – es ist lebendiges Wort. Es kommt zu uns. Wir können es auf vielfältige Weise erfahren, z.B. wenn wir in der Bibel lesen, aber auch durch andere Menschen, durch Ereignisse, die sich in unserem Umfeld ereignen. Die Worte Gottes sind Worte des Trostes – es sind Worte, die Hoffnung machen.
„Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der Herr!” Alles ist eben geworden, alle können ihn sehen – wenn sie ihre Häupter erheben, wenn sie aufblicken, ihm entgegen.
Ja, Gott kommt gewaltig, aber er kommt nicht gewalttätig. Er wird nicht Blitze von sich schleudern oder alles um ihn her mit einem riesigen Hammer zerschlagen. Aber wir können sein Kommen spüren, es hat sich längst angekündigt, es kann nicht mehr lange dauern, denn er ist auf dem Weg!
Er kommt, um das, was ihm gehört, zu sammeln, damit es immer in seiner Gegenwart sein kann. Er kommt als der Hirte, der seine Herde weidet, der die Lämmer in seinen Arm nimmt.
Und da merken wir: so vergänglich wir sind, so vergänglich alles um uns herum ist, so trostlos alles zu sein scheint, so wenig wird es vergessen sein. Denn Gott kennt die Seinen, er kennt uns. Darauf dürfen wir vertrauen. Das ist unser Trost in dieser Zeit des Wartens, die vielleicht mit unserem Tod zu enden scheint, aber da doch nicht zu Ende ist. Denn der Tod ist für Gott ja keine Hürde, so wenig, wie es die Zeit ist oder Berge oder tiefe Täler.
Nichts soll unseren Blick ablenken von dem, was eigentlich wichtig ist. Dann sehen wir es auch schon jetzt, was vor Zeiten angekündigt wurde. Räumen wir alles aus dem Weg, was uns hindern könnte, das Kommen unseres Herrn zu sehen. Und nehmen wir uns mal etwas Zeit dafür, darüber nachzudenken, was es uns so schwer macht, das Kommen unseres Herrn wahrzunehmen.

Zweifeln wir daran, dass Gott überhaupt kommen wird? Schließlich hat sich fast 2000 Jahre lang nichts getan, und so viele Menschen sind schon gestorben, ohne sein Kommen zu erleben. Da kann natürlich Zweifel aufkommen.
Zweifel gehört zum Glauben dazu, aber er darf den Glauben nicht überwältigen. Zweifel stärkt den Glauben, wenn wir uns mit ihm auseinandersetzen, wenn wir ihm die Worte des Propheten und die Worte unseres Herrn entgegenstellen. Das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich. Lassen wir also ihn mit uns reden, indem wir still werden und auf seine Stimme hören. Lasst uns das jetzt tun, versuchen wir, auch die Geräusche, die vielleicht von außen auf uns eindringen wollen, einmal ganz auszublenden. Schließen wir die Augen und hören auf Gottes Wort...
Stille...
Siehe, da ist euer Gott! Siehe, da ist Gott der Herr!
Erheben wir unsere Häupter, sehen wir ihm entgegen.
Amen
oder
Liebe Gemeinde!
Wer nicht hören will, muss fühlen – so könnte man vielleicht über das Schicksal des Volkes Israel vor rd. 2700 Jahren sagen. Gott hatte sich seinem Volk immer neu zugewandt, auch und vor allem durch die Propheten, und dennoch haben die Könige Israels und Judas meist anderen Göttern den Vorzug gegeben. Augenscheinlich waren diese Götter wirksamer, denn Israel wurde ja immer wieder von Völkern angegriffen und besiegt, die diese fremden Götter anbeteten. Also wandte man sich auch diesen Göttern zu, in der Hoffnung, sie würden dann den nötigen Schutz bieten.
Sie meinten, ihr Gott Jahwe hätte ihnen nicht geholfen.
Wir kennen das, dass wir, wenn uns oder anderen ein Unglück widerfährt, fragen, warum Gott so etwas zulassen konnte. Wir erwarten von dem Allmächtigen und Allgegenwärtigen, dass er alles wieder ins Lot rückt, vor allem aber, dass er uns vor Unfall und Gefahr behütet. Auch wir vergessen dabei oft, dass wir Gott mit dieser Erwartung zum Puppenspieler und uns zu seinen Marionetten machen würden. Aber wir wissen doch eigentlich, dass Gott uns die Freiheit gegeben hat, unser Leben selbst zu gestalten, und dass er sich von uns nicht für unsere Zwecke vereinnahmen lässt, wenn dabei mal etwas schief läuft. Gott schätzt unsere Freiheit so hoch, dass er auch in Kauf nimmt, wenn wir uns von ihm abwenden und seinen Willen nicht achten.
Das geschieht dann auch – wir sichern uns anders ab, wir „versichern“ uns, je mehr Geld wir haben, umso besser können wir uns absichern. Das Geld wird zu unserem Gott.
Gott versuchte immer wieder, sein Volk zur Umkehr zu rufen. Er wollte der Gott Israels bleiben. Doch sein Rufen blieb – fast immer – ungehört.
Und so schien die Strafe unausweichlich: Es kam nicht mehr nur zu einem Scharmützel hier und da, bei dem die Israeliten unterlagen, sondern die Assyrer nahmen zunächst das Nordreich ein, und etwas später wurde dann durch die Babylonier auch Juda und damit Jerusalem erobert.
Die Oberschicht und viele andere, vor allem Landwirte und Handwerker, wurden deportiert, sie wurden in das Zweistromland Mesopotamien gebracht, wo sie schon fast zur Integration in die babylonische Gesellschaft gezwungen wurden.
In solch einer Situation fragt man sich natürlich, was man falsch gemacht hat. Die Israeliten erkannten, dass das Exil eine Strafe ihres lebendigen Gottes war. Sie hatten nicht gehört, darum mussten sie nun „fühlen“.
Dort aber, im fremden Land, bekehrten sie sich und besannen sich auf ihren Gott. Im 136. Psalm klingt dies deutlich an:
An den Wassern zu Babylon saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande.
Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen
und in unserem Heulen fröhlich sein: „Singet uns ein Lied von Zion!”
Wie könnten wir des Herrn Lied singen in fremdem Lande?
Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte.
Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben,
wenn ich deiner nicht gedenke,
wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein.

Noch nicht einmal Lieder konnten sie mehr singen. Jerusalem, die Stadt, die in fast vierhundert Jahren identitätsbestimmend geworden war, der Ort, an dem der Tempel Gottes stand, lag wüst, der Tempel selbst war zerstört. Und da merken sie: ohne Gott, ohne unseren Gott, können wir nicht sein.
In diese Situation hinein ruft nun der Prophet Jesaja:
Tröstet, tröstet mein Volk! Spricht euer Gott.
Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden.
“ (Jes 40, 1-2)
Es gibt also noch eine Hoffnung. Und wir wissen, dass die Israeliten nach einigen Jahrzehnten tatsächlich wieder zurückkehren durften, um Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen und in Frieden, wenn auch nur als Untertanen fremder Herrscher, im verheißenen Land zu leben.
Aber schnell erkennt man, dass mit dieser Rückkehr die ganze Prophetie des Jesaja noch nicht erfüllt ist. Zwar ist die Schuld vergeben, die Strafe hat die Schuld gesühnt. Aber direkt danach ist nicht nur davon die Rede, sondern vom Kommen Gottes:
Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat's geredet.“ (Jes 40, 3-5)
Der Wiederaufbau war mühsam und teuer. Einerseits musste man Felder bestellen und Vieh hüten, um Nahrung zu beschaffen, andererseits sollten alle auch mithelfen, die Stadt Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen. Wie schön wäre es gewesen, wenn Gott selbst sich hätte blicken lassen, wenn er ihnen Mut gemacht hätte. Doch das geschieht nicht. Es scheint fast, als würde sich die Strafe noch fortsetzen. Alle Kräfte müssen aufgebracht werden, damit Jerusalem wieder zur Hauptstadt werden, damit der Tempel wieder zum Haus Gottes werden kann.
Und noch eins ist merkwürdig: aus der Zeit nach der Rückkehr aus dem Exil und dem Wiederaufbau gibt es kaum neue Prophetenworte. Die meisten der Propheten kreisen mit ihren Worten um diese Rückkehr, als wäre die Geschichte Gottes mit seinem Volk damit abgeschlossen.
Dass sie das aber noch lange nicht ist, erkennen wir daran, dass viele der Prophetenworte über dieses wichtige Ereignis hinaus weisen und Rätsel aufgeben.
Zunächst ist da die Fremdherrschaft. Israel lebte zwar nicht mehr im Exil, es wurde aber von Fremden beherrscht, und nicht immer war diese Herrschaft leicht zu ertragen.
Die Sehnsucht nach dem Kommen Gottes blieb also wach, ja, sie wuchs. Auch zu der Zeit, als Jesus geboren wurde, warteten die Menschen sehnsüchtig auf das Kommen Gottes oder wenigstens auf das Kommen seines Gesalbten.
Es hatte schon viele Menschen gegeben, die für sich in Anspruch nahmen, der verheißene Messias zu sein, aber keiner von ihnen konnte diesen Anspruch lange aufrecht erhalten – sie alle sind vergessen.
Doch dann kam Johannes der Täufer. Die Stimme, die das Kommen des Herrn ankündigte. Die Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg!
Und er ist der Mann, der auf Jesus deutete und sagte: Seht, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.
Da werden die Prophetenworte wieder lebendig, sie gewinnen eine neue Qualität, sie werden immer wieder den Menschen zugerufen.
Gott ist gekommen – in Jesus Christus! Jetzt ist die Zeit, in der alles neu wird. Der Mensch darf aufsehen und sein Haupt erheben, weil sich seine Erlösung naht! Da müssen wir hinschauen! Und wir haben seine Herrlichkeit gesehen!
Und doch ist es noch nicht das Kommen, von dem Jesaja redet. Denn dort heißt es:
Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der Herr! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen. (Jes 40, 9-11)
Jesus, der Sohn Gottes, nahm unsere Gestalt an, er ward gleich wie ein Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. (Phil 2, 7)
Er kam nicht gewaltig, wie Jesaja es prophezeite, im Gegenteil. Und dennoch: er erwies sich ja als der Gottessohn. Sein Tod am Kreuz war kein Zeichen des Versagens, sondern ein Zeichen des Sieges über Sünde und Tod.
Für alle, die an ihn glaubten und glauben, war und ist es schon ein gewaltiges Kommen, ein Kommen mit Macht, so wie es der Prophet Jesaja beschreibt, aber diese Macht lässt sich nicht mit dem vergleichen, was die meisten Menschen unter „Macht“ verstehen. Denn hier geht es nicht um Mittel, die andere unter Druck setzen können, wie z.B. Geld, Rohstoffe oder Waffen.
Es geht vielmehr um die Kraft der Überwindung menschlicher Abgründe. Es geht darum, Hass, Neid, Missgunst, Eifersucht und Furcht durch Liebe zu überwinden.
Das ist der Weg, den Jesus gegangen ist, und in ihm erkennen wir etwas von dem, was Jesaja uns prophezeit.
Aber auch wir müssen erkennen, dass die Prophezeiung Jesajas noch nicht ganz erfüllt ist. Vielmehr sind diese Worte auch für uns Worte der Hoffnung und Zuversicht auf eine Zeit, die noch nicht da ist.
Wenn wir auf das Geschehen in unserer Welt blicken, dann sehen wir im Grunde das, was im Volk Israel vorging, bevor sie ins Exil gehen mussten. Die meisten Menschen wenden sich dorthin, wo sich die sogenannten Sieger hinwenden, weil sie erwarten, dann selbst zu Siegern zu werden, irgendwo vorne stehen zu können, erfolgreich zu sein, Anerkennung zu erfahren, ja, vielleicht auch geehrt, aber wenigstens respektiert zu werden.
Dabei kommen schon mal die Ellbogen zum Einsatz und die Bedürfnisse und Nöte anderer werden vergessen oder gar bewusst missachtet.
Zwar sind wir in dieser Zeit äußerst hilfsbereit: Jahr für Jahr verzeichnen die Hilfsorganisationen im Dezember das höchste Spendenaufkommen. Aber welchen Zweck haben diese Spenden? Ähneln sie nicht im Grunde den Opfern, von denen Gott schon durch den Propheten Amos sagte: „Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. Und wenn ihr mir auch Brandofper und Speisopfer opfert, so habe ich kein Gefallen daran und mag auch eure fetten Dankopfer nicht ansehen.“ (Amos 5, 21-22a)
Gott will nicht, dass wir uns auf diese Weise freikaufen, sondern er will, dass wir unser Leben in Gerechtigkeit führen, dass wir nicht das Recht und die Bedürfnisse unserer Mitmenschen missachten und dass wir nicht nur auf unseren eigenen Vorteil blicken.
Mir fällt in dem Zusammenhang immer wieder der Faire Handel ein, und mir wird bewusst, wie gering dessen Anteil am Gesamtumsatz im Einzelhandel ist. Was immer wir für wenig Geld kaufen, ist, davon kann man nahezu immer ausgehen, unter menschenverachtenden Bedingungen irgendwo in einem fernen Land produziert worden. Leider gilt das inzwischen auch für viele teure Markenprodukte.
Wenn man das Ausmaß allein dieser Ungerechtigkeit bedenkt: müssten wir dann nicht auch solch ein Strafgericht erwarten, wie es das Volk Israel erleiden musste? Wir hätten es sicher verdient.
Aber nun gibt es diese Verheißung, und wir hören sie. Sie ist für uns nicht nur Quelle der Hoffnung auf die Gemeinschaft mit Gott hin. Sie ist auch Ansporn zu einem Leben, in dem wir darauf achten, uns möglichst wenig oder besser noch: gar nicht von Sachzwängen leiten zu lassen, sondern stets darauf zu achten und daran zu denken, inwiefern wir durch unser Verhalten anderen Menschen schaden, und wie wir dahin kommen, dass es in unserer Welt gerechter zugeht, dass auch im Großen des Weltgefüges jedem Menschen die gleichen Rechte zugesprochen und gewährt werden.
Dass wir Flüchtlinge gerne bei uns aufnehmen, dass wir Arbeitslosen mehr gönnen als das Allernötigste, dass wir jedem die Möglichkeit zum Erlernen eines ordentlichen Berufes geben, dass wir alles tun, damit jeder Mensch in Frieden und Würde leben können. Und so soll es nicht nur in unserem Land sein, sondern in der ganzen Welt.
Ja, es klingt utopisch, aber es ist doch das, was unser Gott von uns erwartet. Es ist das, was in unserem Herzen brennen muss: die Liebe zu unserem Nächsten.
Und darum ist es so wichtig, dass wir die Weissagung des Propheten Jesaja nicht nur auf das Christfest hin deuten. Denn sie weist ja doch weit darüber hinaus.
Das Christfest hat uns den Willen Gottes offenbart, die Geburt Jesu hat uns den Zugang zu Gott wieder geöffnet, aber er hat uns auch zugesagt, dass er wiederkommen wird.
Und darauf warten wir, auf sein Kommen, auf die Vollendung seines Heilswerks, wenn alle Menschen sagen: Siehe, da ist unser Gott!
Gott hat uns ein wunderbares Geschenk gemacht, ein Unterpfand, durch das es uns leichter wird, zu warten. Denn jedes Mal, wenn wir die Eucharistie feiern, wenn wir den Leib und das Blut Christi zu uns nehmen, erfahren wir leibhaftig, dass er zu uns gekommen ist und zu uns kommt, dass er so nah ist, wie es anders kaum möglich ist.
Wie dankbar müssen wir sein, und wie deutlich muss sich das in unserem Leben auswirken, dass wir es schon erfahren haben: Ja, da ist unser Gott, hier, mitten unter uns!
Amen

Liedvorschläge zur Predigt:
O Heiland, reiß die Himmel auf (EG 7)
Mit Ernst, o Menschenkinder (EG 10 - Wochenlied!)
Wie soll ich dich empfangen (EG 11)
Dein König kommt in niedern Hüllen (EG 14)
Tröstet, tröstet, spricht der Herr (EG 15)
Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16)
Wir wollen sing'n ein' Lobgesang (EG 141)


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