das Kirchenjahr

2. Sonntag im Advent

Der kommende Erlöser

Predigtanregungen

Das Thema des 2. Sonntags im Advent wendet sich jetzt dem erlösenden Aspekt Gottes zu, nachdem am 1. Sonntag im Advent die Macht des Herrschers im Vordergrund stand. Der Erlöser wirkt auf vielerlei Weise - wiederum durch Macht, oder durch den Opfertod am Kreuz. Das Kommen wird aber auch als Erlösung von den Leiden dieser Welt angesehen, d.h. der Herr, wenn er kommt, wird endlich ein Ende machen mit der hiesigen Trübsal (Epistel).
Ab diesem Sonntag entfällt das "Gloria in excelsis".
Der originale Name des 2. Adventssonntags lautet „Populus Sion”, was sich vom ursprünglichen lateinischen Introitus ableitet: „Populus Sion, ecce Dominus veniet ad salvandas gentes”: „Volk von Zion, siehe, der Herr wird kommen, zu retten die Völker”, Jes 30,19.30.

Zu den Perikopen

  • I: Jes 35, 3-10

    Wieder eine Prophetie, deren Erfüllung auf sich warten lässt und die zunächst nicht uns meint. Vielleicht nimmt Jesus auf Ausschnitte aus diesem Text (Verse 5+6) Bezug, wenn er in Lk 7,22 auf die Anfrage der Jünger Johannes des Täufers antwortet, ob er der Messias sei. Dadurch würde natürlich dieser Text für uns sogleich relevant werden. Er tut es aber auch ohne diesen neutestamentlichen Bezug, denn unser aller Sehnsucht richtet sich ja auf das Heil, das unserer Welt endlich den lang ersehnten Frieden und ewige Freude schenkt.
    Vers 10 ist vielen vielleicht bekannt durch die Aufnahme dieses Textes in das Deutsche Requiem von Johannes Brahms. Interessant ist der Hinweis auf den "Heiligen Weg" (Vers 8-9). Dieser Weg zeichnet sich ganz besonders aus dadurch, dass er nur von Reinen und den Erlösten betreten wird. Auch die wilden Tiere halten sich an diese Regel. Wo er hinführt, bleibt offen. Verstehen lässt sich dieser Hinweis wohl erst, wenn man auch die ersten 2 Verse des Kapitels betrachtet: es wird hier in unserer Perikope eine Welt beschrieben, die aus der Wüste hervorgeht, also aus dem Land, das Symbol für Tod und Vernichtung ist. Und in dieser neuen Welt des Lebens, die die Welt des Todes ersetzt, wird es einen solchen Weg geben.
    Automatisch stellt sich die Frage, was mit denen ist, die unrein und nicht erlöst sind. Aber mit dieser Frage befasst sich die Perikope nicht. Denn hier werden Menschen angesprochen, die weder unrein noch unerlöst sind. So geht es uns auch im Gottesdienst.
    Unbehagen bereitet der Vers 4, in dem Gottes Kommen "zur Rache" angekündigt wird. An wem sollte er sich rächen? Hier ist sicherlich ein geschichtlicher Bezug zu erkennen, der für das Volk Israel von Bedeutung ist: Rache an den Völkern, die das Volk Gottes unterdrückt, zerstört und aus seiner Heimat geführt haben. Diesem Vers sollte daher kein großes Gewicht beigemessen werden - falls doch, dann nur darum, um den geschichtlichen Zusammenhang aufzuklären.
    Es bleibt weiter das Problem, dass dies auch für uns eine Zukunftsvision ist. Dieses Heil können wir noch nicht erkennen, es ist noch nicht greifbar geworden, zumindest nicht so, wie es hier beschrieben wird.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist nicht ganz einsichtig. Natürlich ist hier von Erlösung die Rede, aber nicht vom Erlöser - eher wird noch vom Rächer gesprochen. Möglich wird der Zusammenhang, wenn man eben auch die Verbindung mit der Perikope in Lk 7 herstellt, wo Jesus selbst über sich aussagt, dass er der Erlöser ist, der dies alles geschehen lässt.
    Wichtig ist freilich, in der Predigt darauf hinzuweisen, dass hier mehr Hoffnung als Realität beschrieben wird. Wir wissen zwar, dass der Erlöser schon zu uns gekommen ist, aber dieser Zustand existiert noch nicht so, wie wir es uns wünschen und wie er in diesem Text beschrieben wird, es sei denn, man legt alles allegorisch aus, was zutiefst problematisch wäre, weil dadurch das biblische Wort schnell an Glaubwürdigkeit verlieren kann. Der beste Weg scheint mir, diese Vision zu unserer eigenen zu machen, so wie es das Volk Israel damals tat: es wird eine Zeit geben, in der wir als die Erlösten nach Zion kommen werden mit Jauchzen. Es wird eine Heimkehr sein, wie wir sie uns jetzt nicht vorstellen können. Wohin? Wo ist unser Zuhause, wenn nicht bei Gott?
    So wird letztlich die Predigt dies zum Ausdruck bringen: nicht nur unser Erlöser kommt zu uns, sondern wir kommen zu ihm, er hat uns schon auf den Weg gebracht. Und dieser Weg ist der Heilige Weg, von dem in diesem Text die Rede ist. Solange wir unsere Erlösung durch Jesus Christus festhalten, werden wir auf diesem Weg wandeln.

  • II: Lk 21, 25-33

    Dies ist nun einer von den Texten, den sich gerne Menschen holen, die Beweise für ihre Theorie suchen, dass die Welt bald untergehen wird - oder dass Gott bald sein Gericht halten wird. Denn die vielen Zeichen an Sonne (Finsternisse), Mond und Sternen (Leoniden) gibt es ja schon, den Völkern (Irak, USA, Afghanistan usw.) wird bange, die Kräfte der Himmel kommen ins Wanken (Überflutung der Elbe, Dürre und Regenperioden verschieben sich) - kurz: es geht rund in unserer Welt! Sollten das nicht Zeichen für das unmittelbar bevorstehende Ende sein?
    Aber Jesus führt diese Zeichen nur deswegen an, weil sie von jeher für Untergangsstimmung sorgten. Eine verfinsterte Sonne war nun mal unheimlich, solange man nicht wusste, warum sie sich verfinstert. Eine drohende Kriegsgefahr konnte einem Angst und Bange machen, denn oft wurden die Unterlegenen zu Sklaven oder mussten hohe Abgaben entrichten, usw.
    Ein Kriterium nennt Jesus, das aber bisher noch niemand so bestätigen kann: sie werden "sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit.". (Vers 27)

  • III: Jak 5, 7-8(9-11)

    Beim Lesen dieses Verses klingt der 2. Teil des 2. Satzes aus dem Deutschen Requiem von Brahms im Ohr. Der Schreiber des Briefes will zum Warten ermutigen, indem er den Christen das Beispiel des Bauern vorhält, der auf ähnlich unberechenbare Ereignisse wie den Frühregen und Spätregen wartet. Dennoch weiß er, dass der Regen kommen wird.
    Weiter strapazieren lässt sich dieses Beispiel nicht. Man könnte durchaus fragen: was, wenn der Regen ganz ausbleibt? Oder wenn er so heftig fällt, dass er die Saat zerstört? Außerdem: Der Bauer kann sich seine Zeit einteilen und andere Dinge machen - er sitzt nicht dabei und wartet, denn er weiß, wann es so weit ist, dass seine Aufmerksamkeit wieder nötig ist. All dies sind Dinge, die den Vergleich aus seinen Grenzen zerren.
    Es geht hier um das Warten. Der Vergleich mit dem Bauern macht deutlich: das Warten ist unausweichlich, es gehört zum Christsein dazu. Aber es gibt auch eine Gewissheit, dass das Warten ein Ende haben wird, weil das Ziel der Erwartung kommen wird.
    Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Aufforderung, die Herzen zu stärken. In der Predigt könnte man überlegen, wie dies aussehen kann. Wodurch stärken wir unsere Herzen? Ist es das Entspannen vor dem Fernseher? Ein Spaziergang im Wald? Das Gespräch mit anderen? Ein gutes Buch? Jakobus zielt sicher darauf hin, dass man sich Stärkung untereinander, also in der Gemeinschaft, verschafft. Das Hören auf die Geschichten von Jesus kann ermutigen. Denn alles andere lenkt ja letztlich doch von dem Ziel des Wartens ab.
    Übrigens ist es duchaus angemessen, anstat "liebe Brüder" die inklusive Form "liebe Geschwister" zu verwenden. Nötig ist es allerdings nicht, denn die Schwestern sind immer mit eingeschlossen und angesprochen. Dies muss man aber evtl. erklären, sitzen doch überwiegend Frauen unter der Kanzel.

  • IV: Jes 63, 15 - 64, 3

    Dieser Text ist voller Erwartung des Kommens Gottes als Richter - freilich nur über "die anderen". Der Verfasser fühlt sich verlassen und einsam, weiß aber, dass Gott mächtig ist und ihn aus dem Elend, in dem er sich zur Zeit befindet, herausreißen kann. Der letzte Satz ist wohltuend: Gott tut wohl denen, die auf ihn harren. Oftmals möchten wir unser Schicksal in die eigene Hand nehmen - wenn wir es Gott "überlassen", können wir seine Wohltaten erwarten. Es mag Spaß machen, über diese Wohltaten zu phantasieren...
    Es ist die Situation des Exils des Volkes Israel, das kurz vor dem Ende steht. Das Heiligtum ist zerstört, die Israeliten sind bedeutungslos geworden. Der Inhalt dieser ausgeklammerten Verse 17-19a ist für das Verstehen des Textes so wichtig, dass ich unbedingt empfehle, sie auch in die Predigt einzubeziehen. Denn es ist ebenfalls wichtig, zu erkennen, dass die Gottesferne, wie sie das Volk Israel erlebt hat, dazu führen kann, Gott zu vergessen. Dem steht der letzte Satz der Perikope gegenüber. Denn eines ist offensichtlich: Wie mächtig Gott ist, ist wohl bekannt. Nun geht es nur darum, dass er auch die Erlösung derer wirkt, von denen er sich entfernt hat.
    Die Erlösung, von der hier gesprochen wird, ist sehr materialistisch. Deswegen halte ich es für angebracht, einen ähnlichen "Materialismus" auch in der Predigt zu vertreten. Wir sollen, ja müssen damit rechnen, dass Gott sich wieder erlösend "beweisen" wird, indem er vollendet, was er durch Jesus Christus schon bewirkt hat: die Erlösung der Welt, der ganzen Menschheit und aller Kreatur.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang macht uns aber auch deutlich: es geht hier um das Kommen des Kindes in der Krippe. Der Erlöser bewirkt unsere Erlösung nicht durch die im Predigttext beschriebenen Katastrophen und Machtbeweise. Diesen Widerspruch sollte man nicht aufzulösen versuchen, denn beide Aspekte sind wichtig: die materielle Erlösung wie auch die geistliche Erlösung, die das Kind bewirkt hat. Aber wenn wir mit materieller Erlösung, d.h. einer Verbesserung dieser Welt, rechnen, dann können wir das nur, indem wir uns selbst daran beteiligen, d.h. indem wir selbst aktiv werden. Die materielle Erlösung folgt aus der Erlösung, die wir im Glauben erfahren - sie ist aber unabdingbare Konsequenz. Somit wäre es falsch, das Eingreifen Gottes zunehmend gelangweilt zu erhoffen. Vielmehr hat Gott ja schon eingegriffen und erwartet jetzt nur noch unsere Antwort.

  • V: Hld 2, 8-13

    Es ist schon etwas merkwürdig, den Ausschnitt eines Liebeslieds am 2. Adventssonntag zum Predigttext zu machen. Zugegeben, die Person, die hier redet, ist voller Erwartung („Siehe, er kommt”), aber schon die nachfolgenden Worte lassen sich nur schwer mit dem Kommen des Erlösers in Verbindung bringen. Dabei ist es auch fraglich, ob es richtig ist, Jesus als „Freund” zu bezeichnen. Es gibt zwar in einigen Liedern eine entsprechende Formulierung, aber die ist wohl kaum so zu verstehen, wie es im Hohelied geschieht, geht es dort doch nicht um Agape (Nächstenliebe), sondern um Eros (geschlechtliche Liebe). Zudem wandelt sich das Blatt noch durch die Worte des Freundes, wo erneut vom Kommen die Rede ist, allerdings als Aufforderung: „Komm, meine Schöne, komm her!” Und der Freund stellt fest, dass Frühling ist, was so gar nicht in die Jahreszeit passen will.
    Ich schlage also ausdrücklich vor, auf den Marginaltext Offb 22, 12-17 auszuweichen, der zwar ähnliche Worte wie dieser Text aus dem Hohelied Salomos verwendet, aber dann doch im richtigen Kontext und mit einer völlig anderen Bedeutung.
    Nachdem ich eine Auslegung dieses Predigttextes im Zusammenhang mit dem 2. Adventssonntag gehört habe, will ich hier nun doch ein paar Gedanken dazu, inspiriert durch diese Auslegung, mitteilen. Es gibt in der Geschichte der Christenheit eine Epoche, die sich „Mystik” nennt und deren Inhalt eine innige Beziehung zu Gott ist, die der eines oder einer Liebenden Menschen zu einem anderen ähnlich ist. So gibt es durchaus auch Sprachwendungen, die an ein erotisches Verhältnis erinnern, was allerdings nicht so häufig vorkommt. Wesentlich ist vielmehr die Innigkeit der Beziehung zu Gott. Hier ein Bespieltext von Meister Eckhart:
    Sobald der Mensch ein Missfallen spürt, erhebt er sich auch schon zu Gott und müht sich in ernster Abkehr von aller Sünde um einen unerschütterlichen Willen; und von da erhebt er sich in ein großes Vertrauen zu Gott und gewinnt eine große Sicherheit. Und daraus kommt ihm eine fromme Freude, die die Seele heraushebt aus allem Elend und Jammer und sie an Gott befestigt. Und je gebrechlicher einer sich fühlt und je mehr er übelgetan, um so mehr hat er Ursache, in ungeteilter Liebe sich an Gott zu binden, bei dem nicht Sünde und Gebrechen ist. Die beste Staffel darum, die man betreten mag, will man zu Gott in ganzer Andacht gehen, ist dies: von Sünde frei zu sein kraft der göttlichen Reue.(aus: R.F. Edel/W. Schamoni: Das Leben aus dem Geist, Band II: Katholische Zeugnisse über das Geistliche Leben, S. 38)
    Auch im EG findet sich manches Lied mit einem ähnlichen Duktus. Das Adventslied im Regionalteil der Niedersächsischen Ausgabe unter der Nr. 357 von einem unbekannten Autor sagt in der zweiten Strophe:
    Komm, Jesu, meiner Seele Teil,
    Ach komm, ich liebe dich.
    Ja, komm, Herr Jesu, komm, mein Heil,
    mach ewig selig mich, mach ewig selig mich.

    Wenn hier von Liebe geredet wird, ist sie natürlich nicht erotisch gemeint. Sie hat aber eine ähnliche Exklusivität wie die Liebe zwischen zwei Menschen. Es ist hilfreich, sich in dem Zusammenhang eine klösterliche Umgebung vorzustellen, in der sexuelle Leidenschaft fehl am Platz sind. Da sie zur menschlichen Existenz gehört, wird sie darum auf den einzigen Partner, dem sich ein Mönch oder eine Nonne hingeben darf, hingeleitet: Gott bzw. Jesus Christus. Nicht umsonst spricht man bei Nonnen auch heute davon, dass sie sich Jesus als ihrem Bräutigam verbinden.
    Vor diesem Hintergrund lässt sich dann durchaus eine Predigt aufbauen: Das Verlangen nach Gott kann dem Verlangen zweier Liebender zu- bzw. nacheinander durchaus entsprechen, auch außerhalb des klösterlichen Kontexts. Und eigentlich brauchen wir in unserer heutigen Zeit einen solchen Zugang mehr denn je. Denn durch die zunehmende Rationalisierung des christlichen Glaubens (es gilt nur das, was sich auch beweisen lässt) ist Gott nicht mehr das nötige Gegenüber, das sich uns in Liebe zuwendet, sondern das Produkt unserer eigenen (rationalen) Vorstellungen, das wir bei Bedarf hervorholen, ansonsten aber in der Schublade lassen. Der Predigttext mag uns daran erinnern, dass die Beziehung zu Gott eine andere sein sollte, eben eine, die der zweier Liebender entspricht: voll steten Verlangens nach dem Andern, voll Freude über dessen Nahen, voll Seligkeit angesichts dessen Gegenwart.
    Ein kirchenjahreszeitlicher Zusammenhang lässt sich unter diesem Aspekt schon herstellen. Er ergibt sich aus dem Verlangen nach dem, den man liebt - für den Predigthörer natürlich Gott. Da es im Advent um das Kommen des Herrn - des Geliebten - geht, kann man also auch diesen Text dahingehend interpretieren.

  • VI: Offb 3, 7-13

    Die sieben Sendschreiben haben sicherlich keinen historischen Bezug, sondern stellen eine Art Gemeindespiegel dar: Möglichst viele Variationen des Gemeindelebens werden hier nicht nur vorgestellt, sondern auch bewertet. Dabei werden alle bisher gemachten Erfahrungen verarbeitet, die meisten stammen aus der Verfolgungssituation. Dass diese Sendschreiben ein Bild von den jeweils angeschriebenen Gemeinden vermitteln, ist kaum anzunehmen.
    Jeder Leser aber wird sein eigenes Verhalten in diesen Sendscheiben wiedererkennen. Die erfolgte Bewertung wird ihn dann hoffentlich zu einer Konsequenz führen.
    Ein Sendschreiben aus diesen sieben auszuwählen und zu bedenken, ist zwar angesichts der Bandbreite, die mit allen sieben abgedeckt wird, durchaus akzeptabel, widerspricht aber wohl dem Anliegen des Autors der Offenbarung. Immerhin kommt nächste Woche das Schreiben an die Gemeinde Sardes dran (Offb 3, 1-6), so dass dieses Schreiben nicht ganz allein stehen muss. Außerdem hilft uns der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang, zu dem dieser Text durchaus passt.
    Das Sendschreiben wendet sich an die Gemeinde in Philadelphia, die offenbar nur eine kleine Kraft hat, aber mit dieser Kraft standhaft allen Versuchungen widersteht, sich im guten Sinne abgrenzt und zu ihrem Glauben steht. Interessant ist, dass offenbar Gott selbst "einige aus der Synagoge des Satans" schicken wird - aber um letztlich ja auf die Knie zu fallen vor den Mitgliedern dieser Gemeinde. Gott macht vielmehr das Versprechen, diese kleine, schwache Gruppe vor der Stunde der Versuchung zu bewahren. Die Zusage des baldigen Kommens ist verknüpft mit der Aufforderung, an dem oder das festzuhalten, was die Gemeinde bereits hat. Aus der kleinen Kraft wird offenbar eine große Kraft werden: Aus dieser Gemeinde wird eine Säule des Tempels werden, auf der Namen geschrieben sind, die Namen Gottes, des neuen Jerusalems und dessen, der sie durch dieses Schreiben anspricht. Dieses Beschreiben mit einem Namen (hier ja sogar mit dreien) ist eine Form der Inbesitznahme, die wir durchaus kennen. Von Gott in Besitz genommen zu werden, stellt sicherlich eine große Ehre dar.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird hergestellt durch den Vers 11. Der Erlöser ist auf dem Weg, aber es ist wichtig, festzuhalten, was bereits da ist, und es nicht aufzugeben: den Glauben. Doch das sollte leicht fallen angesichts dieser klaren Zusage des Kommens des Heilandes.
    Vorsicht ist geboten bei der Predigt: man lasse sich nicht hinreißen von der Fülle der Bilder, die hier verwendet werden, indem man jedem Bild einen neuen Namen gibt. Dieses Sendschreiben ist in seiner Diktion eigentlich recht deutlich: es geht darum, den Glauben zu erhalten, zu diesem Glauben zu stehen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Heute schweben wir nicht in Lebensgefahr - wir "leiden" eher unter den Konsequenzen der Aufklärung, die jeden Gläubigen mitleidig belächelt, aber die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens bis heute schuldig geblieben ist.

  • Marginaltexte: Mt 24, 1-14
    Offb 2, 1-7
    Offb 22, 12-17

    Zu Offb 22, 12-17:
    Die Offenbarung wurde in eine für die junge Christenheit schwierige Situation hinein geschrieben. Sie reflektiert ein Stück weit diese Situation, ist mit seinen zahlreichen Bildern und Chiffren auch zu einer Art Orakelbuch geworden, dem man nicht mehr so recht trauen mag. Darum sollte man sich bemühen, offen an die Texte heranzugehen, denn es zeigt sich, dass je nach Situation der Lesenden die Offenbarung ganz unterschiedlich verstanden werden kann.
    Die Perikope gehört zum Schluss der Offenbarung, sie bündelt, was zuvor in teilweise beängstigenden Bildern beschrieben wurde, und führt es zu einem heilsamen und guten Ende. Dieses Ende wird durch das Kommen des Herrn gewissermaßen eingeläutet. Dieses Kommen hat einen nicht nur tröstlichen Charakter: zu wissen, dass er das A und O, der Anfang und das Ende, ist, kann einen insofern trösten, als er auch der Erlöser ist, der unsere Sünde ans Kreuz getragen und so unsere Beziehung zu Gott geheilt hat.
    Für Protestanten wird es ungemütlich schon zu Beginn, wo es heißt, dass der Herr seinen Lohn allen gibt, wie ihre Werke sind. Da schrillen sogleich die Alarmglocken, denn wir werden doch nicht durch die Werke gerecht. Aber das ist auch nicht gesagt. Die Aussage des Jakobus, dass der Glaube ohne Werke tot sei, ist durchaus wahr. Aber es steht an erster Stelle der Glaube. Die Werke sind eine Frucht desselben, und nicht die Ursache für die Rechtfertigung. Weil Gott uns liebt, weil er uns gnädig ist, weil er uns durch Jesus Christus unsere Sünde vergibt, darum wenden wir uns unseren Mitmenschen zu und versuchen, ihnen mit Liebe zu begegnen. D.h. natürlich auch, dass wir für sie eintreten, ihnen helfen, Gutes tun.
    Wenn also gesagt wird, dass es einen Lohn gibt, wie die Werke sind, dann mag man sich darauf freuen, aber ich glaube, dass es doch eher nebensächlich ist. Wesentlich ist, dass wir die Gemeinschaft mit unserem Herrn erleben dürfen, und das wird jedem zuteil, der an ihn glaubt und sich auf sein Liebeswerk einlässt. Wenn auf das Kleiderwaschen hingewiesen wird, dann ist das wohl eine Anspielung auf Offb 7,14. Die Kleiderwaschung bedeutet im Grunde nichts anderes als zu glauben, dass Jesus Christus um unserer Sünden willen gestorben ist, damit wir von der Sündenlast befreit werden.
    Dass es auch die andere Welt gibt, draußen vor der Stadt (die schon vorher beschrieben wurde als das himmlische Jerusalem), in der man sich nicht wohlfühlen kann, darf man nicht wegwischen. Unser Leben lang haben wir die Boshaftigkeit mancher Menschen erlebt, manche haben auch direkt darunter gelitten. Sie dürfen und sollen wissen, dass diese Boshaftigkeit in der Stadt Gottes keinen Raum mehr hat.
    Der Ruf, hinzu zu kommen, wird ergänzt durch die Einladung, vom Wasser des Lebens zu trinken. Allen, die auf die Liebe Gottes vertrauen, ist die Gemeinschaft mit Gott verheißen, und man kann vielleicht sogar sagen, dass diese in der Feier des Heiligen Abendmahls auch schon erfahrbar wird. Kommt, denn es ist alles bereit...
    Um im Kontext des Kirchenjahrs zu bleiben, darf man den Schwerpunkt auf den Beginn der Perikope legen: Jesus selbst verheißt sein Kommen. „Bald” meint allerdings keine Zeitspanne, denn dann müssten wir schon reichlich enttäuscht sein (2000 Jahre...). Dieses „Bald” müssen wir im Blick auf das Reich Gottes verstehen, das schon mitten unter uns ist. Es ist ein Katzensprung dorthin, und so ist auch das „Bald” gemeint: es kann jeden Augenblick geschehen. Die wenigsten mögen sich das vorstellen (können), aber es muss gesagt werden, denn die Erwartung des Kommens des Herrn ist wesentlicher Bestandteil des christlichen Glaubens.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang ist recht deutlich, auch wenn es in der Offenbarung um das „endzeitliche” Kommen Jesu geht und nicht um seine Geburt. Aber es wäre ja verkehrt, die Adventszeit ganz auf dieses Ereignis hin zu deuten und entsprechend zu füllen. Die Adventszeit will unseren Blick auch immer über das Geschehen von vor zweitausend Jahren hinaus lenken, eben auf das Reich Gottes hin, dass durch Jesus Christus uns so nah gekommen ist.



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