das Kirchenjahr

16. Sonntag nach Trinitatis

Der Herr über den Tod

Predigtanregungen

Der 16. Sonntag nach Trinitatis ist geprägt vom Evangelium von der Auferweckung des Lazarus. In dieser Geschichte sowie in den Epistellesungen wird deutlich, dass mit Jesus weit mehr gekommen ist als nur ein großer Prediger und Menschenfreund. Er hat das Leben in diese Welt gebracht und den Tod besiegt. Dieser Sieg wird schon durch sein Handeln auf Erden deutlich sichtbar.

Zu den Perikopen

  • I: Joh 11, 1(2)3.17-27(28-38a)38b-45

    Eigentlich ist das Wesentliche dieser Erzählung nicht die Erweckung des Lazarus, sondern der Dialog zwischen Marta und Jesus, und davon besonders die Aussage Jesu, die mit dem „Ich bin”-Wort eingeleitet wird. Dabei ist dieses Wort zutiefst paradox. Wie kann man leben, wenn man stirbt? Interessant ist der zweite Teil, der das ewige Leben verspricht, entgegen aller Erfahrung.
    Vielleicht spricht Jesus von der Erfahrung des Todes. Soweit wir den Tod "erfahren", ist er grausam, brutal, reißt eine Lücke, lässt eine Leere entstehen. Er ist unbarmherzig, unerwartet, zerstörerisch. Der Tod ist schwarz, finster. Dagegen setzt Jesus das Licht, das in ihm aufstrahlt.

  • II: 2. Tim 1, 7-10

    Es ist ganz gut, wenn man sich zunächst den Zusammenhang dieses Textes anschaut. Es ist ein sehr persönlicher Brief, dieser zweite Brief des Paulus an Timotheus. Er bezeichnet ihn als seinen Sohn (Vers 2). Er hat ihn gewissermaßen großgezogen. Dann erinnert er an die Wurzeln, von denen er kommt. Es sind nicht die Apostel, sondern seine jüdischen Vorfahren, die diese Wurzeln bilden. Genauso gibt es auch eine Glaubenstradition in der Familie des Timotheus: seine Mutter Eurike und seine Großmutter Lois haben beide bereits im christlichen Glauben gestanden (Vers 5). Dieser Glaube nun, so sagt Paulus mit fester Gewissheit, ist auch in Timotheus lebendig. Paulus bezeichnet des Glauben des Timotheus als "ungefärbt", dieses Wort könnte man wohl auch mit "ungeheuchelt" oder "nicht überheblich" wiedergeben. Dann beschreibt Paulus einen Vorgang, der auch heute noch in unseren Kirchen üblich ist: die Handauflegung. Was Paulus dazu schreibt, könnte den Einstieg in die Predigt bilden: Die Handauflegung ist gewissermaßen der Akt, in dem ein Same gelegt wird, der erst durch den Menschen, der diesen Samen empfangen hat, zum Leben erweckt werden muss, indem er ihm die entsprechende Umgebung gewährt. (Vers 6)
    Nun beginnt der eigentliche Predigttext, und der hat es in sich. Da ist zunächst der als Taufspruch beliebte Vers 7, über den allein schon eine Predigt möglich wäre. Paulus beschreibt den Geist und stellt dabei der Furcht drei Eigenschaften gegenüber: Kraft, Liebe und Besonnenheit. Dabei scheinen sich Kraft und Besonnenheit auf den ersten Blick zu widersprechen, denn Kraft beinhaltet auch etwas Ungestümes. Jedoch ist die Kraft wohl mehr als innere Kraft zum Durchhalten zu verstehen, denn als äußere Kraft zum Kämpfen oder bewältigen von (körperlich) schweren Aufgaben. Dieser Geist könnte auch die Gabe sein, die durch die Handauflegung in Timotheus gelegt wurde.
    Dieser Geist ist die Begründung für alles Weitere: es kann keinen Grund geben, sich des Evangeliums zu schämen, denn der Geist räumt alles aus, was diese Scham verursachen könnte. In Vers 8 spricht Paulus kurz seine Situation an: er ist Gefangener, bereut es aber nicht. Für das Evangelium zu leiden, scheint ihm ein hohes Ziel zu sein, das zu erreichen er auch Timotheus ermutigt. Denn was Paulus getan hat (die Verkündigung des Evangeliums) ist das, wozu er durch Gott berufen wurde, als er selbst die Gnade Gottes in Jesus Christus empfing. Diese Gnade, die durch Jesus Christus vermittelt wird, wird sichtbar in der Überwindung der Todesmacht. Diese Tatsache macht es überhaupt erst möglich, furchtlos zu sein auch angesichts von Verfolgern und Schmähern.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird sichtbar im letzten Vers des Predigttextes, der gewissermaßen die Brücke zum ersten Vers (7) schlägt: die Furcht ist weggenommen, an ihre Stelle tritt Hoffnung auf das unvergängliche Wesen, das in Jesus Christus sichtbar wurde. So sollte auch die Predigt diese Hoffnung zum Ausdruck bringen, die unseres Lebens Grundlage und Sinn darstellt.

  • III: Klgl 3, 22-26.31-32

    Aus dem Text klingt heraus, dass sich der Verfasser in einer ausweglos erscheinenden Situation befindet. Eigentlich müsste es schon zu Ende sein. Die Tatsache, dass es (noch) nicht so ist, ist einzig der "Güte des Herrn" zuzuschreiben.
    Die Erfahrung einer ausweglosen Situation machen wir alle in unserem Leben, sie taucht aber gerade im Alltag eines Pfarrers immer wieder auf. Vielen erscheint das Gebet sinnlos, weil keine Antwort zu kommen scheint. Viele Menschen glauben, auch wenn sie zur Kirche gehören, dass Gott entweder weit entfernt ist oder gar nicht existiert.
    Dieser Text geht das Leben von der anderen Seite her an: Wenn die Güte Gottes nicht wäre, wäre alles noch viel schlimmer. Der Verfasser regt sich nicht über unbeantwortete Gebete auf, sondern geht ganz selbstverständlich vom Handeln Gottes aus, das allerdings kein "Superleben" garantiert. Aber es steht fest, dass Gott treu ist und barmherzig, und dass beides nicht abnimmt. Auch wenn er dies in der bestehenden Situation nicht erfährt, so glaubt er doch daran und hält daran fest.
    Weiter folgt der Lobpreis der Geduld, wie man die Verse 24 bis 26 betiteln könnte. Klar, der Verfasser weiß wohl, dass es zunehmend schwerer wird, an Gott zu glauben, je länger man keine Besserung verspürt. Er preist die Geduld, denn in der Geduld selbst schon findet der Mensch Frieden.
    Mit den letzten zwei Versen wird dies unterstrichen: der Herr verstößt nicht ewig. Selbst das schlimmste Übel wird irgendwann vergehen, Gott wird einen nicht ewig in der großen Not lassen.
    Wichtig ist wohl der Gedanke, dass das Bedrückende auch von Gott kommt. Es wird hier aber nicht als "Test" beschrieben. Dieser Gedanke ist wichtig, weil wir dazu neigen, Gott den Teufel gegenüber zu stellen, als sei der Teufel eine selbständige Macht, die sich gegen Gott durchsetzen könnte. Diesen Gedanken verwirft der Verfasser. Er ist überzeugt, dass es keinen Stärkeren als Gott selbst gibt, und da Gottes herausragendes Charakteristikum seine Güte und Barmherzigkeit ist, gibt es eben nichts besseres, als in seiner Hand zu sein.
    Der Zusammenhang zum Thema ergibt sich daraus, dass der Verfasser die Hoffnung nicht aufgibt, dass er davon überzeugt ist, dass die Güte und Barmherzigkeit Gottes unvergänglich sind. Beharrlich hält er daran fest, voller Zuversicht, dass die von ihm gesandte Betrübnis vorübergehen wird.
    Für die Predigt wäre vor allem der Aspekt der Geduld im Leiden wichtig, die belohnt wird. Wie der Lohn aussieht, wird nicht definiert. In gewisser Weise hat der Verfasser aber schon einen Lohn, wenn er sagt, dass der Herr sein Teil ist. Die Barmherzigkeit Gottes nimmt vielfältige Gestalt an. Wichtig ist für uns, dass wir mit dem Verfasser sagen können: "Der Herr ist mein Teil", selbst wenn wir in einer ausweglosen Situation stecken oder wenn wir jemandem begegnen, der die Hoffnung auf Gott ganz aufgegeben hat..

  • IV: Lk 7, 11-17

    folgt später

  • V: Hebr 10, 35-36(37-38)39

    Offensichtlich spricht dieser Text in eine Situation der Bedrängung hinein. Das Leben der Menschen ist vielleicht nicht bedroht, aber doch zumindest eingeengt. Sie können sich nicht frei bewegen und fragen sich, warum Gott ihnen diese Last zumutet. Der Hebräer spricht in diese Situation hinein. Er ermahnt, das Vertrauen nicht aufzugeben, auch wenn es so aussieht, als ob es enttäuscht worden sei, denn der Mangel des Vertrauens wird dazu führen, dass auch Gott sich abwendet, ja, sogar die Menschen, die sich so von ihm trennen, verdammt.
    So setzt der Verfasser ein Druckmittel ein, das über viele Jahrhunderte hinweg den Menschen Angst gemacht hat. Vielleicht war dieses Druckmittel in der Zeit der Unterdrückung auch sinnvoll und richtig - in unserer Zeit kann man schwerlich mit Gottes Strafe drohen, natürlich auch deswegen nicht, weil wir wissen, dass Gott die Strafe auf sich genommen hat und wir nichts mehr tun brauchen als seine Liebe anzunehmen. Freilich, wenn wir das nicht tun, was dann? Erwartet uns dann nicht doch irgend eine Form von Strafe? Die Strafe besteht wohl darin, dass wir ganz auf uns geworfen sind, ohne jegliche Möglichkeit, die Schuld, in die wir verstrickt sind, los zu werden.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang lässt sich in diesem Text nicht ohne Weiteres erkennen. Er besteht darin, dass der, der sich auf Gott verlässt, teil haben wird an der Unvergänglichkeit: die Seele wird errettet, sie bleibt in der Nähe Gottes. Glaube lässt uns teilhaben an der Ewigkeit.
    Dies in der Predigt erfahrbar zu machen, ist nicht einfach. Die Gemeinde ist nicht in einer Verfolgungssituation, so dass der nötige Druck, auf den man aufbauen könnte, fehlt. Was wäre, wenn Jesus jetzt käme, um seine Getreuen heimzuholen? Vielleicht lässt sich dieser Frage nachgehen. Wen würde er auswählen? Wie könnten wir ihn erkennen? Warten wir überhaupt auf ihn, oder haben wir uns längst damit abgefunden, dass er nicht kommt? Würde das nicht bedeuten, dass wir unser Vertrauen längst weggeworfen haben?

  • VI: Ps 16, (1-4)5-11

    folgt später

  • Marginaltexte: 2. Kön 4, 18-37 i.A.
    Apg 12, 1-11
    früher:
    Jes 38, 9-20
    Röm 4, 18-25

    Zu Apg 12, 1-11:
    Die Apostelgeschichte lässt das Leben der urchristlichen Gemeinde lebendig werden. Doch wenn wir sie lesen, dürfen wir nicht vergessen, dass sie ein bestimmtes Ziel verfolgte.
    In dieser Erzählung wird davon berichtet, dass Herodes eine erste Verfolgung der Christen begann. Dieser Verfolgung fällt Jakobus der Ältere zum Opfer, was aber fast wie eine Nebensache erwähnt wird.
    Herodes verfolgte die Christen offenbar nur, um dem jüdischen Volk zu gefallen, das sich immer wieder an der Sekte der Christen ärgerte. Offenbar war Petrus als Führer der Gemeinde in Jerusalem schon bekannt, so wurde also auch er gefangen genommen. Dass seine Bedeutung bereits bekannt war, wird durch die hohe Zahl der Wachen (vier mal vier) unterstrichen. Jedoch können wir hier annehmen, dass es eher nicht so viele waren; der Autor will vermutlich vor allem das Besondere des Wunders, das sich hernach ereignete, verstärken.
    Diesem Wunder widmet sich der größere Teil der Erzählung (Verse 3-11). Sehr detailliert beschreibt Lukas, wie der Engel Petrus befreit. Petrus selbst kommt es vor wie ein Traum ("eine Erscheinung", V. 9), er hatte nicht erwartet, befreit zu werden. Man kann versuchen, dieses Wunder ganz "weltlich" zu erklären: ein Hauptmann, der der Wache vorstand, war vielleicht Christ geworden und hatte die Flucht des Petrus entsprechend vorbereitet. Aber auch wenn die Geschichte so erklärt werden kann, wird man sich nicht erwehren können, in dem ganzen Vorgang ein Wunder zu erkennen: Gott gebrauchte diesen Menschen, um Petrus zu befreien, so wie er Engel gebraucht. Die Chancen für Petrus, wieder befreit zu werden, waren äußerst gering.
    Der kirchenjahreszeitliche Zusammenhang wird nicht auf Anhieb deutlich. Was hat diese Erzählung mit dem "Unvergänglichen" zu tun? Wird hier neues Leben geschenkt? Sicher, wenn man bedenkt, dass Petrus dem Tod geweiht war. Aber sollte man hier nicht vielmehr das Wirken des Geistes Gottes erkennen, der selbst unvergänglich ist? Das Evangelium bahnt sich den Weg, das ist der Tenor der Apostelgeschichte. Es beweist seine Stärke und Unvergänglichkeit gerade dadurch, dass es sich bis an die Enden der Erde ausbreitet. So werden wir wohl den kirchenjahreszeitlichen Zusammenhang vor allem darin erkennen, dass das Evangelium nicht durch weltliche Macht aufgehalten werden kann. Ein Thema, das durchaus heute wieder aktuell wird.
    In der Predigt muss diese Aktualität allerdings erst vor Augen geführt werden. Es gibt viele Mächte, die sich gegen das Evangelium stellen, allen voran wohl das Verlangen nach Konsum. In unserer Gesellschaft ist man selten glücklich, wenn man nicht immer und immer Neues konsumieren kann. Das Evangelium ist in dem Sinne "altmodisch", als es uns dazu aufruft, 'ewige', d.h. unvergängliche, Werte, die durch Jesus Christus erneut vor Augen geführt wurden, zu erkennen und zu erhalten.
    Eine Predigt, die dies betonen will, darf dabei freilich nicht in nostalgisches Schwärmen ("Früher war das alles viel besser...") geraten. Es gilt, festzuhalten, was uns gegeben ist, und festzustellen, dass das Evangelium im Strom der Zeiten Bestand hat, auch wenn es sich den Zeiten anpasst. Denn das Evangelium macht frei, wobei es wichtig ist, dass diese Freiheit nie zum Schaden anderer ausgenutzt werden darf. Gerade diese Einschränkung neigen wir oft, zu vergessen.



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